5 Jahre MBO
„Wir bringen das Ding zum Fliegen!“

Anfang 2013 schlüpfte der impulse-Chefredakteur von einem Tag auf den anderen in die Rolle des Unternehmers – anfangs ohne wirklich zu wissen, worauf er sich einließ: einen Bruch mit jeglichen Konventionen. Rückblick auf einen Kraftakt.

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"Als ich erleichtert und erschöpft die Treppen zu unserer Altbauwohnung hochstieg, überraschten mich an den Wänden im Treppenhaus Worte auf gelbem Karton." Nikolaus Förster erinnert sich an den 5 Jahre zurückliegenden MBO von impulse.
"Als ich erleichtert und erschöpft die Treppen zu unserer Altbauwohnung hochstieg, überraschten mich an den Wänden im Treppenhaus Worte auf gelbem Karton." Nikolaus Förster erinnert sich an den 5 Jahre zurückliegenden MBO von impulse.
© Nikolaus Förster

Vielleicht kennen Sie ja das Gefühl, wenn Sie beim Aufräumen auf Jahre alte Dokumente stoßen, auf vergilbte Briefe, auf längst vergessene Tagebucheinträge – als öffne sich ein schmaler Zeitspalt, durch den Sie sich für einen Moment zurückkatapultieren lassen können. Plötzlich erleben Sie noch einmal jene besonderen Augenblicke, die Sie geprägt haben: Einzelne Bilder tauchen auf. Gesichter. Sätze. Und als seien Sie tatsächlich in der Vergangenheit, überkommen Sie wieder die gleichen Gefühle. Kennen Sie das?

Ich zumindest war neugierig, als ich vor ein paar Tagen meinen Blog-Eintrag vom 9. Januar 2013 noch einmal las – jenem Tag, als sich mein Leben von Grund auf ändern sollte, als es mir gelang, impulse nach monatelangen Verhandlungen im Zuge eines Management-Buy-outs vom Verlagskonzern Gruner + Jahr zu übernehmen. Als ich selbst Unternehmer wurde.

Heute kann ich sagen: Ich stürzte mich damals völlig naiv in dieses Abenteuer. Und: Das war gut so! Angesichts meiner Berufserfahrung, meines Netzwerks, meiner Analysen und Recherchen glaubte ich, für den Neustart gut gewappnet zu sein. Tatsächlich aber ahnte ich nicht im Geringsten, wie wenig die theoretische Beschäftigung mit Szenarien mit dem wirklichen Leben zu tun hat. Was es bedeutet, sich mit Haut und Haar in eine kritische Situation zu stürzen und nicht mehr zurückzukönnen, lässt sich nicht simulieren. „Machen“, sagte mir letztens ein Unternehmer, „ist wie Wollen, nur krasser!“

Es flossen Tränen, es floss Alkohol

Den MBO-Vertrag unterschrieb ich mit einem gelben impulse-Plastikkuli. Alles war besiegelt. Abends sollte es in unserer Hamburger Wohnung eine Party mit dem gesamten impulse-Team geben. Einer nach dem anderen trudelte ein, nur ich nicht – es gab unerwartete Komplikationen: Die notarielle Beurkundung des Vertrags, die nach tagelangen Verschiebungen mittags begonnen hatte – eigentlich eine Formsache –, geriet ins Stocken; sie entpuppte sich überraschend als letzte, zähe Verhandlungsrunde, um jedes Komma wurde gerungen. Sieben (!) Stunden sollte es dauern, bis wir gegen 22 Uhr endlich durch waren und uns die Hand reichten. Ich unterschrieb.

Als ich erleichtert und erschöpft die Treppen zu unserer Altbauwohnung hochstieg, überraschten mich an den Wänden im Treppenhaus Worte auf gelbem Karton: „Wir bringen …“, stand dort, als ich das erste Stockwerk erreichte, „… das Ding …“ – und weiter zum nächsten Treppenabsatz – „… zum Fliegen!“

Oben angekommen, umarmten wir uns vor Freude. Mir wurde ein Papierflieger überreicht – gefaltet aus gelbem Karton, fast zwei Meter lang, versehen mit Dutzenden Unterschriften des Teams. Es flossen Tränen, es floss Alkohol. Es gab Geschenke, Glückwünsche, Anekdoten. Was für ein Gefühl, als die Anspannung endlich abfiel! Es herrschte eine fast magische Aufbruchsstimmung, wie ich sie seither nie mehr erlebt habe.

Zeit zum Zurücklehnen blieb nicht

Was ich am nächsten Morgen dachte, als ich aufwachte, weiß ich nicht mehr; nach dem monatelangen, nervenzehrenden Auf und Ab in den Verhandlungen fühlte ich mich noch wie in Trance. Was ich aber noch genau erinnere, war meine Reaktion auf die unzähligen Glückwünsche, die mich erreichten. Ich wunderte mich, dass immer wieder die gleichen Worte fielen, vor allem MUT und RESPEKT (siehe dazu meinen damaligen Blog-Eintrag). Ich freute mich, vor allem weil viele Unternehmer uns schrieben, die erkannten, dass wir mit einem Mal in der gleichen Situation waren wie sie selbst: auf Augenhöhe, selbst Mittelstand – eine Konstellation, die uns eine Glaubwürdigkeit und Praxisnähe verschaffte, von der Konzerne nur träumen können.

Und doch ließ ich die aufmunternden Worte kaum an mich heran. Zeit zum Zurücklehnen blieb nicht. Es musste weitergehen. Endlich losgehen. Für Stolz oder andere Gefühle blieb kein Raum. Oder: Ich ließ keinen Raum zu. So erkläre ich mir auch, warum sich meine Blogbeiträge jener äußerst emotionalen Tage und Wochen im Rückblick so nüchtern lesen. „Die Marke hat eine Zukunft, die Jobs sind gerettet“, schrieb ich damals, „und was es für mich persönlich bedeutet, begreife ich wohl erst langsam.“

Nein, begriffen habe ich dies damals nicht. Auch nicht in den Folgetagen, als wir uns im Team daran machten, ein ganz neues Unternehmen aufzubauen, eine neue Immobilie zu beziehen, ein neues Redaktionssystem zu installieren, impulse neu zu erfinden und schließlich, in aller Freiheit, mit überkommenen Usancen der Verlagsbranche zu brechen: Aboprämien? Absurd. Gibt es nicht mehr. Laufzeiten? Schaffen wir ab. Call-Center? Nein, das machen wir selbst. Anzeigenpreise? Staffeln wir nach Firmengröße. Gekaufte Redaktion? Nicht mit uns.

Mehrmals kam ich an meine Grenzen

Erst heute – mit größerem Abstand – ist mir klar, auf was für einen Kraftakt ich mich damals einließ. Mehrmals kam ich an meine Grenzen (auch wenn ich dies nicht immer sofort erkannte). Ich war in meiner neuen Rolle unerfahren, täuschte mich in Partnern, manchmal auch in Weggefährten, unterschätzte anfangs, wie wichtig vor allem die angeblich weichen Faktoren, die Firmenkultur, für den Erfolg sind, und überschätzte, was ich selbst leisten konnte: als Chefredakteur, Geschäftsführer, Gesellschafter und nicht zuletzt als Mensch, der auch noch ein Privatleben hat. Oder haben sollte.

Wer – wie wir 2014 – ein Geschäftsjahr mit fast einer halben Million Euro Verlust abschließt und auch im Folgejahr noch deutlich im Minus ist, der schläft nicht mehr gut. Ohne ein konkretes Zukunftsbild vor Augen, das ich ein Jahr nach dem MBO mit dem Team erarbeitet hatte – was uns ausmacht, was uns antreibt – und Dirk Möhrle als Mitgesellschafter an der Seite, der unsere Strategie auch gegen den Mainstream mittrug, hätte ich solch eine Situation sicherlich nicht durchgestanden.

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
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Die impulse-Mitgliedschaften - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

2017 werden wir einen Gewinn ausweisen können

„Wir bringen das Ding zum Fliegen“, lautete damals die Beschwörung – als hätten wir gespürt, wie wichtig es sein würde, uns selbst Mut zu machen. Fünf Jahre nach dem Neustart fliegen wir noch nicht. Aber: Wir sind auf gutem Wege. Aus einem Magazin ist eine Marke geworden, die sämtliche Kanäle nutzt, um unternehmerische Impulse zu vermitteln: Seminare, Reisen, Coaching, Filme, Bücher oder digitale Formate. 2016 haben wir eine schwarze Null erreicht. 2017 werden wir einen Gewinn ausweisen können – keine Selbstverständlichkeit angesichts der Umbrüche in der Medienbranche, die einige Verleger verzweifeln lassen.

Nicht alle Titel werden überleben. Status-quo-Liebhaber werden es schwer haben. Für Kreative aber, die neue Geschäftsmodelle vorantreiben, ist dies eine phantastische Zeit. Gerade Unternehmer neigen ja dazu, sich zu überschätzen und optimistisch in die Zukunft zu schauen. Zum Glück! Sonst würde niemand mehr den Mut aufbringen, Neues zu wagen. Auch für mich gilt: Manchmal tut es ganz gut, die Augen auf den Horizont zu richten und „das Ding“ schon fast in der Luft zu sehen und dabei sämtliche Verbündete der Schwerkraft zumindest für einen Augenblick mit Nichtbeachtung zu strafen. Also: „Wir bringen das Ding zum Fliegen!“

Vielleicht kennen Sie ja das Gefühl, wenn Sie beim Aufräumen auf Jahre alte Dokumente stoßen, auf vergilbte Briefe, auf längst vergessene Tagebucheinträge – als öffne sich ein schmaler Zeitspalt, durch den Sie sich für einen Moment zurückkatapultieren lassen können. Plötzlich erleben Sie noch einmal jene besonderen Augenblicke, die Sie geprägt haben: Einzelne Bilder tauchen auf. Gesichter. Sätze. Und als seien Sie tatsächlich in der Vergangenheit, überkommen Sie wieder die gleichen Gefühle. Kennen Sie das? Ich zumindest war neugierig, als ich vor ein paar Tagen meinen Blog-Eintrag vom 9. Januar 2013 noch einmal las – jenem Tag, als sich mein Leben von Grund auf ändern sollte, als es mir gelang, impulse nach monatelangen Verhandlungen im Zuge eines Management-Buy-outs vom Verlagskonzern Gruner + Jahr zu übernehmen. Als ich selbst Unternehmer wurde. Heute kann ich sagen: Ich stürzte mich damals völlig naiv in dieses Abenteuer. Und: Das war gut so! Angesichts meiner Berufserfahrung, meines Netzwerks, meiner Analysen und Recherchen glaubte ich, für den Neustart gut gewappnet zu sein. Tatsächlich aber ahnte ich nicht im Geringsten, wie wenig die theoretische Beschäftigung mit Szenarien mit dem wirklichen Leben zu tun hat. Was es bedeutet, sich mit Haut und Haar in eine kritische Situation zu stürzen und nicht mehr zurückzukönnen, lässt sich nicht simulieren. „Machen“, sagte mir letztens ein Unternehmer, „ist wie Wollen, nur krasser!“ Es flossen Tränen, es floss Alkohol Den MBO-Vertrag unterschrieb ich mit einem gelben impulse-Plastikkuli. Alles war besiegelt. Abends sollte es in unserer Hamburger Wohnung eine Party mit dem gesamten impulse-Team geben. Einer nach dem anderen trudelte ein, nur ich nicht – es gab unerwartete Komplikationen: Die notarielle Beurkundung des Vertrags, die nach tagelangen Verschiebungen mittags begonnen hatte – eigentlich eine Formsache –, geriet ins Stocken; sie entpuppte sich überraschend als letzte, zähe Verhandlungsrunde, um jedes Komma wurde gerungen. Sieben (!) Stunden sollte es dauern, bis wir gegen 22 Uhr endlich durch waren und uns die Hand reichten. Ich unterschrieb. Als ich erleichtert und erschöpft die Treppen zu unserer Altbauwohnung hochstieg, überraschten mich an den Wänden im Treppenhaus Worte auf gelbem Karton: „Wir bringen …“, stand dort, als ich das erste Stockwerk erreichte, „… das Ding …“ – und weiter zum nächsten Treppenabsatz – „… zum Fliegen!“ Oben angekommen, umarmten wir uns vor Freude. Mir wurde ein Papierflieger überreicht – gefaltet aus gelbem Karton, fast zwei Meter lang, versehen mit Dutzenden Unterschriften des Teams. Es flossen Tränen, es floss Alkohol. Es gab Geschenke, Glückwünsche, Anekdoten. Was für ein Gefühl, als die Anspannung endlich abfiel! Es herrschte eine fast magische Aufbruchsstimmung, wie ich sie seither nie mehr erlebt habe. Zeit zum Zurücklehnen blieb nicht Was ich am nächsten Morgen dachte, als ich aufwachte, weiß ich nicht mehr; nach dem monatelangen, nervenzehrenden Auf und Ab in den Verhandlungen fühlte ich mich noch wie in Trance. Was ich aber noch genau erinnere, war meine Reaktion auf die unzähligen Glückwünsche, die mich erreichten. Ich wunderte mich, dass immer wieder die gleichen Worte fielen, vor allem MUT und RESPEKT (siehe dazu meinen damaligen Blog-Eintrag). Ich freute mich, vor allem weil viele Unternehmer uns schrieben, die erkannten, dass wir mit einem Mal in der gleichen Situation waren wie sie selbst: auf Augenhöhe, selbst Mittelstand – eine Konstellation, die uns eine Glaubwürdigkeit und Praxisnähe verschaffte, von der Konzerne nur träumen können. Und doch ließ ich die aufmunternden Worte kaum an mich heran. Zeit zum Zurücklehnen blieb nicht. Es musste weitergehen. Endlich losgehen. Für Stolz oder andere Gefühle blieb kein Raum. Oder: Ich ließ keinen Raum zu. So erkläre ich mir auch, warum sich meine Blogbeiträge jener äußerst emotionalen Tage und Wochen im Rückblick so nüchtern lesen. „Die Marke hat eine Zukunft, die Jobs sind gerettet“, schrieb ich damals, „und was es für mich persönlich bedeutet, begreife ich wohl erst langsam.“ Nein, begriffen habe ich dies damals nicht. Auch nicht in den Folgetagen, als wir uns im Team daran machten, ein ganz neues Unternehmen aufzubauen, eine neue Immobilie zu beziehen, ein neues Redaktionssystem zu installieren, impulse neu zu erfinden und schließlich, in aller Freiheit, mit überkommenen Usancen der Verlagsbranche zu brechen: Aboprämien? Absurd. Gibt es nicht mehr. Laufzeiten? Schaffen wir ab. Call-Center? Nein, das machen wir selbst. Anzeigenpreise? Staffeln wir nach Firmengröße. Gekaufte Redaktion? Nicht mit uns. Mehrmals kam ich an meine Grenzen Erst heute – mit größerem Abstand – ist mir klar, auf was für einen Kraftakt ich mich damals einließ. Mehrmals kam ich an meine Grenzen (auch wenn ich dies nicht immer sofort erkannte). Ich war in meiner neuen Rolle unerfahren, täuschte mich in Partnern, manchmal auch in Weggefährten, unterschätzte anfangs, wie wichtig vor allem die angeblich weichen Faktoren, die Firmenkultur, für den Erfolg sind, und überschätzte, was ich selbst leisten konnte: als Chefredakteur, Geschäftsführer, Gesellschafter und nicht zuletzt als Mensch, der auch noch ein Privatleben hat. Oder haben sollte. Wer – wie wir 2014 – ein Geschäftsjahr mit fast einer halben Million Euro Verlust abschließt und auch im Folgejahr noch deutlich im Minus ist, der schläft nicht mehr gut. Ohne ein konkretes Zukunftsbild vor Augen, das ich ein Jahr nach dem MBO mit dem Team erarbeitet hatte – was uns ausmacht, was uns antreibt – und Dirk Möhrle als Mitgesellschafter an der Seite, der unsere Strategie auch gegen den Mainstream mittrug, hätte ich solch eine Situation sicherlich nicht durchgestanden. 2017 werden wir einen Gewinn ausweisen können „Wir bringen das Ding zum Fliegen“, lautete damals die Beschwörung – als hätten wir gespürt, wie wichtig es sein würde, uns selbst Mut zu machen. Fünf Jahre nach dem Neustart fliegen wir noch nicht. Aber: Wir sind auf gutem Wege. Aus einem Magazin ist eine Marke geworden, die sämtliche Kanäle nutzt, um unternehmerische Impulse zu vermitteln: Seminare, Reisen, Coaching, Filme, Bücher oder digitale Formate. 2016 haben wir eine schwarze Null erreicht. 2017 werden wir einen Gewinn ausweisen können – keine Selbstverständlichkeit angesichts der Umbrüche in der Medienbranche, die einige Verleger verzweifeln lassen. Nicht alle Titel werden überleben. Status-quo-Liebhaber werden es schwer haben. Für Kreative aber, die neue Geschäftsmodelle vorantreiben, ist dies eine phantastische Zeit. Gerade Unternehmer neigen ja dazu, sich zu überschätzen und optimistisch in die Zukunft zu schauen. Zum Glück! Sonst würde niemand mehr den Mut aufbringen, Neues zu wagen. Auch für mich gilt: Manchmal tut es ganz gut, die Augen auf den Horizont zu richten und „das Ding“ schon fast in der Luft zu sehen und dabei sämtliche Verbündete der Schwerkraft zumindest für einen Augenblick mit Nichtbeachtung zu strafen. Also: „Wir bringen das Ding zum Fliegen!“