Die Generation "Y"
Können sie sich nicht mehr konzentrieren?

Sie posten, twittern, chatten – Eltern und Politiker schimpfen, Unternehmen fürchten sogar Produktivitätsverluste. Eine ganze Generation scheint sich im weltweiten Netz zu verlieren. Doch Unternehmer können gegensteuern.

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Facebook, Twitter & Co.: Wann bleibt noch Zeit für die Arbeit?
Facebook, Twitter & Co.: Wann bleibt noch Zeit für die Arbeit?
© Robert Kneschke - Fotolia.com

Die Kölner Universitätsbibliothek, kurz vor den Klausuren. Fast alle Sitzplätze an den langen Holztischen sind von lernenden Studenten besetzt. Doch dann brummt das erste Handy auf dem Tisch, kurz darauf das zweite. Einmal klingelt es sogar – obwohl das verboten ist. Die Jurastudentin in der ersten Reihe tippt eine Nachricht in der mobilen Online-Plattform „WhatsApp“. Ihr Sitznachbar scrollt durch seine Facebook-Chronik.

Ein Leben ohne Soziale Netzwerke ist für junge Erwachsene nicht mehr vorstellbar, zeigen neuste Studien. Zwei Drittel der 20 bis 29-Jährigen sind laut der Onlinestudie 2012 von ARD und ZDF mindestens einmal am Tag in ihrem Netzwerk unterwegs. Im Schnitt verbringen sie 62 Minuten täglich auf Facebook – dazu kommt die Zeit auf anderen Plattformen wie Youtube, Wikipedia oder Blogs. Unternehmer sind in Sorge, dass diese Facebook-süchtige Generation sich im Job nicht mehr konzentrieren kann. Laut einer europaweiten Studie des Softwarekonzerns Microsoft fürchten rund 60 Prozent der befragten Unternehmen Produktivitätsverluste durch das Dauersurfen. Die Agentur YouCom will 2011 sogar berechnet haben, dass die Facebook-Besuche von Mitarbeitern deutsche Unternehmen 26,8 Milliarden pro Jahr kosten.

Konzentrationsfähigkeit sinkt

Eine neue Studie aus Amerika gibt tatsächlich Anlass zur Sorge. Die ständigen Unterbrechungen durch klingelnde, vibrierende und leuchtende Push-Mitteilungen von WhatsApp, Facebook und Co. können die Konzentrationsfähigkeit stark einschränken. Erik Altman und seine Kollegen von der Michigan State University ließen 300 Probanden einfache Aufgaben am Computer lösen. Die Hälfte von ihnen sollte parallel immer wieder zwei Buchstaben in ihr Smartphone eintippen. Das kostete sie zwar jeweils nur 2,8 Sekunden – trotzdem machten sie am Ende bei ihrer Hauptaufgabe doppelt so viele Fehler wie die Kollegen ohne Handy-Ablenkung.“„Die Teilnehmer mussten ihre Aufmerksamkeit immer wieder zwischen zwei unterschiedlichen Aufgaben hin und herpendeln lassen“, erklärt Altman das schlechte Abschneiden.

„Jede Unterbrechung ist ein Angriff auf mein aktuelles Ziel“, bestätigt auch der Arbeitspsychologe Thomas Rigotti von der Uni Mainz. Wenn Facebook eine Nachricht von der Freundin meldet, muss das Gedächtnis danach zum ursprünglichen Ziel zurückfinden. Das ist harte Arbeit und verursacht Stress. Daher sei es utopisch, anspruchsvollere Aufgaben unter ständiger Ablenkung ordentlich zu bearbeiten, sagt Rigotti.
Manisches Multitasking nennt Digital-Therapeutin Anitra Eggler es, wenn jemand versucht, alle Kanäle gleichzeitig bedienen zu wollen. Die Autorin des Buches „Facebook macht blöd, blind und erfolglos“ wird von Unternehmen gebucht, um Seminare zur Medienkompetenz zu geben. Am Arbeitsplatz sei die digitale Versuchung am größten, weil man dabei den ganzen Tag am Computer sitzt, warnt Eggler. „Dauerablenkung ist der Normalzustand. Das verblödet selbst den klügsten Menschen.“

Ältere stehen Jüngeren in nichts nach

Das heißt aber auch, dass nicht nur die Generation „Y“ unter medialer Konzentrationsschwäche leidet, betont Andreas Gohlke vom Fachverband für Medienabhängigkeit. Er gibt Fortbildungen zur Medienkompetenz in Unternehmen. Laut einer aktuellen Studie der Drogenbeauftragten der Bundesregierung sind 13,6 Prozent beziehungsweise 2,4 Prozent der 14 bis 24-Jährigen internetsüchtig. „Trotzdem ist es wichtig, dass wir nicht von den bösen Jugendlichen sprechen“, sagt Gohlke. Oft seien ältere Arbeitnehmer sogar schlimmer dran, weil sie das Geld hätten, sich gleich mehrere Endgeräte zu kaufen. Und tatsächlich nimmt die Nutzung der sozialen Netzwerke in allen Altersgruppen zu. Bei den 30- bis 39-Jährigen ist die Anzahl der Facebook-Nutzer in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Inzwischen verbringen auch sie täglich 48 Minuten mit dem Netzwerk.

Und doch gibt es im Umgang mit dem Internet einen bedeutenden Unterschied zwischen den Generationen, sagt Gohlke. Angehörige der Generation „Y“, die sogenannten „Digital Natives“, seien mit den neuen Medien aufgewachsen. „Die Virtualität ist für sie allgegenwärtig.“ So wie andere beim Autofahren Radio hörten, den Scheibenwischer und das Navi bedienten, könnten die Jungen eben auch leichter mehrere soziale Kanäle gleichzeitig bedienen als ältere. Überhaupt gingen die Jungen viel selbstverständlicher mit dem Internet um. Sie googeln effizienter, hantieren routiniert mit Dateiformaten und nutzen virtuos neue Medien, um Kontakte zu knüpfen und zu kommunizieren – auch im Geschäftsleben. Kluge Chefs, so Gohlkes Fazit, müssten also keine Angst vor der Internet-Affinität der Generation „Y“ haben, sondern könnten davon sogar profitieren. Wichtig ist nur, dass Sie negative Auswüchse eindämmen.

Etwa so: Am Arbeitsplatz sprechen sie feste Zeiten mit dem Team ab, in denen jeder ungestört arbeiten kann. Push-Mitteilungen in Handy und PC müssen dann ausgeschaltet werden. Ziel: Man schaut nur aufs Handy, wenn man wirklich Zeit dafür hat. Auch denkbar ist eine Facebook-Pause, ähnlich wie eine Raucherpause.
Auto-Riese Daimler macht es vor: 2010 hatte das Unternehmen an einigen Standorten den Facebook-Zugang ganz gesperrt, damit die Produktivität der Angestellten nicht zu stark leidet. Inzwischen sieht man das differenzierter: Die Seite sei zwar nach wie vor an einigen Standorten gesperrt, erklärt Daimler-Sprecherin Valerie Dollinger. Ansonsten gelte: „Grundsätzlich darf ich auf Facebook, wenn ich das mit meinem jeweiligen Vorgesetzten abstimme.“

Suchmaschinenbetreiber Google, mehrfach zum beliebtesten Arbeitgeber besonders bei Berufseinsteigern gewählt, lässt seinen Mitarbeitern noch mehr Freiheiten. Solange sie ihre Quartalsziele erreichen, dürften sie so viel Zeit in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+ verbringen, wie sie wollten, erklärt Google-Sprecherin Lena Wagner. Je mehr Vertrauen man Menschen einräume, desto weniger würde es missbraucht, sagt Wagner. „Die Mitarbeiter wollen ihre gesteckten Ziele ja erreichen.“

Die Kölner Universitätsbibliothek, kurz vor den Klausuren. Fast alle Sitzplätze an den langen Holztischen sind von lernenden Studenten besetzt. Doch dann brummt das erste Handy auf dem Tisch, kurz darauf das zweite. Einmal klingelt es sogar – obwohl das verboten ist. Die Jurastudentin in der ersten Reihe tippt eine Nachricht in der mobilen Online-Plattform "WhatsApp". Ihr Sitznachbar scrollt durch seine Facebook-Chronik. Ein Leben ohne Soziale Netzwerke ist für junge Erwachsene nicht mehr vorstellbar, zeigen neuste Studien. Zwei Drittel der 20 bis 29-Jährigen sind laut der Onlinestudie 2012 von ARD und ZDF mindestens einmal am Tag in ihrem Netzwerk unterwegs. Im Schnitt verbringen sie 62 Minuten täglich auf Facebook – dazu kommt die Zeit auf anderen Plattformen wie Youtube, Wikipedia oder Blogs. Unternehmer sind in Sorge, dass diese Facebook-süchtige Generation sich im Job nicht mehr konzentrieren kann. Laut einer europaweiten Studie des Softwarekonzerns Microsoft fürchten rund 60 Prozent der befragten Unternehmen Produktivitätsverluste durch das Dauersurfen. Die Agentur YouCom will 2011 sogar berechnet haben, dass die Facebook-Besuche von Mitarbeitern deutsche Unternehmen 26,8 Milliarden pro Jahr kosten. Konzentrationsfähigkeit sinkt Eine neue Studie aus Amerika gibt tatsächlich Anlass zur Sorge. Die ständigen Unterbrechungen durch klingelnde, vibrierende und leuchtende Push-Mitteilungen von WhatsApp, Facebook und Co. können die Konzentrationsfähigkeit stark einschränken. Erik Altman und seine Kollegen von der Michigan State University ließen 300 Probanden einfache Aufgaben am Computer lösen. Die Hälfte von ihnen sollte parallel immer wieder zwei Buchstaben in ihr Smartphone eintippen. Das kostete sie zwar jeweils nur 2,8 Sekunden – trotzdem machten sie am Ende bei ihrer Hauptaufgabe doppelt so viele Fehler wie die Kollegen ohne Handy-Ablenkung."„Die Teilnehmer mussten ihre Aufmerksamkeit immer wieder zwischen zwei unterschiedlichen Aufgaben hin und herpendeln lassen", erklärt Altman das schlechte Abschneiden. "Jede Unterbrechung ist ein Angriff auf mein aktuelles Ziel", bestätigt auch der Arbeitspsychologe Thomas Rigotti von der Uni Mainz. Wenn Facebook eine Nachricht von der Freundin meldet, muss das Gedächtnis danach zum ursprünglichen Ziel zurückfinden. Das ist harte Arbeit und verursacht Stress. Daher sei es utopisch, anspruchsvollere Aufgaben unter ständiger Ablenkung ordentlich zu bearbeiten, sagt Rigotti. Manisches Multitasking nennt Digital-Therapeutin Anitra Eggler es, wenn jemand versucht, alle Kanäle gleichzeitig bedienen zu wollen. Die Autorin des Buches "Facebook macht blöd, blind und erfolglos" wird von Unternehmen gebucht, um Seminare zur Medienkompetenz zu geben. Am Arbeitsplatz sei die digitale Versuchung am größten, weil man dabei den ganzen Tag am Computer sitzt, warnt Eggler. "Dauerablenkung ist der Normalzustand. Das verblödet selbst den klügsten Menschen." Ältere stehen Jüngeren in nichts nach Das heißt aber auch, dass nicht nur die Generation "Y" unter medialer Konzentrationsschwäche leidet, betont Andreas Gohlke vom Fachverband für Medienabhängigkeit. Er gibt Fortbildungen zur Medienkompetenz in Unternehmen. Laut einer aktuellen Studie der Drogenbeauftragten der Bundesregierung sind 13,6 Prozent beziehungsweise 2,4 Prozent der 14 bis 24-Jährigen internetsüchtig. "Trotzdem ist es wichtig, dass wir nicht von den bösen Jugendlichen sprechen", sagt Gohlke. Oft seien ältere Arbeitnehmer sogar schlimmer dran, weil sie das Geld hätten, sich gleich mehrere Endgeräte zu kaufen. Und tatsächlich nimmt die Nutzung der sozialen Netzwerke in allen Altersgruppen zu. Bei den 30- bis 39-Jährigen ist die Anzahl der Facebook-Nutzer in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Inzwischen verbringen auch sie täglich 48 Minuten mit dem Netzwerk. Und doch gibt es im Umgang mit dem Internet einen bedeutenden Unterschied zwischen den Generationen, sagt Gohlke. Angehörige der Generation "Y", die sogenannten "Digital Natives", seien mit den neuen Medien aufgewachsen. „Die Virtualität ist für sie allgegenwärtig.“ So wie andere beim Autofahren Radio hörten, den Scheibenwischer und das Navi bedienten, könnten die Jungen eben auch leichter mehrere soziale Kanäle gleichzeitig bedienen als ältere. Überhaupt gingen die Jungen viel selbstverständlicher mit dem Internet um. Sie googeln effizienter, hantieren routiniert mit Dateiformaten und nutzen virtuos neue Medien, um Kontakte zu knüpfen und zu kommunizieren – auch im Geschäftsleben. Kluge Chefs, so Gohlkes Fazit, müssten also keine Angst vor der Internet-Affinität der Generation "Y" haben, sondern könnten davon sogar profitieren. Wichtig ist nur, dass Sie negative Auswüchse eindämmen. Etwa so: Am Arbeitsplatz sprechen sie feste Zeiten mit dem Team ab, in denen jeder ungestört arbeiten kann. Push-Mitteilungen in Handy und PC müssen dann ausgeschaltet werden. Ziel: Man schaut nur aufs Handy, wenn man wirklich Zeit dafür hat. Auch denkbar ist eine Facebook-Pause, ähnlich wie eine Raucherpause. Auto-Riese Daimler macht es vor: 2010 hatte das Unternehmen an einigen Standorten den Facebook-Zugang ganz gesperrt, damit die Produktivität der Angestellten nicht zu stark leidet. Inzwischen sieht man das differenzierter: Die Seite sei zwar nach wie vor an einigen Standorten gesperrt, erklärt Daimler-Sprecherin Valerie Dollinger. Ansonsten gelte: "Grundsätzlich darf ich auf Facebook, wenn ich das mit meinem jeweiligen Vorgesetzten abstimme." Suchmaschinenbetreiber Google, mehrfach zum beliebtesten Arbeitgeber besonders bei Berufseinsteigern gewählt, lässt seinen Mitarbeitern noch mehr Freiheiten. Solange sie ihre Quartalsziele erreichen, dürften sie so viel Zeit in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+ verbringen, wie sie wollten, erklärt Google-Sprecherin Lena Wagner. Je mehr Vertrauen man Menschen einräume, desto weniger würde es missbraucht, sagt Wagner. "Die Mitarbeiter wollen ihre gesteckten Ziele ja erreichen."