Verbraucherstreitbeilegung
Alles, was Sie über die neuen Informationspflichten wissen müssen

Ab Februar 2017 kommen auf alle Unternehmer im B2C-Geschäft neue Informationspflichten zu. Wer sie nicht befolgt, muss mit teuren Abmahnungen rechnen. Was jetzt zu tun ist.

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Vorsicht, Ärger im Anmarsch! Unternehmer, die vergessen, ihre Kunden auf die Verbraucherstreitbeilegung hinzuweisen, müssen mit Abmahnungen rechnen.
Vorsicht, Ärger im Anmarsch! Unternehmer, die vergessen, ihre Kunden auf die Verbraucherstreitbeilegung hinzuweisen, müssen mit Abmahnungen rechnen.
© PointImages / fotolia

Eine neue Abmahnwelle könnte auf Unternehmer in Deutschland zurollen. Denn am 1. Februar 2017 trat die zweite Stufe des „Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes“, kurz: VSBG, in Kraft. Und dieses besagt, dass ein Großteil der deutschen Unternehmen seine Kunden darüber informieren muss, ob sie zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren bereit sind. Wer diesen Hinweis unterlässt, muss damit rechnen, abgemahnt zu werden.

Die neuen Pflichten, die sich in den Paragrafen 36 und 37 des VSBG verstecken, sind bislang kaum bekannt. Die Texte in vielen Onlineshops (die besonders unter der Beobachtung von Abmahnkanzleien stehen), sind noch auf altem Stand. Das ist eine riskante Nachlässigkeit: Rechtsexperten sehen schon die nächste Abwahnwelle anrollen.  Wer sich die teuren Abmahnungen sparen will, dem beantworten wir hier die wichtigsten Fragen zu den neuen Info-Pflichten:

Welche Informationen müssen Unternehmen laut Verbraucherstreitbeilegungsgesetz bereitstellen?

Ein Unternehmer hat Verbrauchern seit Februar 2017 „leicht zugänglich, klar und verständlich“  darüber zu informieren, „inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen“.

Beispielformulierungen:
Fall 1: Ein Unternehmer entscheidet sich freiwillig, am Streibeilegungsverfahren teilzunehmen. Die Formulierung könnte dann etwa lauten:

Das Unternehmen (…) ist bereit, an Streitbeilegungsverfahren bei einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden. Verbraucher können diese Plattform für die Beilegung ihrer Streitigkeiten nutzen.

Fall 2: Bei freiwilliger Teilnahme können Unternehmer auch eine bestimmte Schlichtungsstelle wählen. Die Formulierung könnte dann lauten:

Das Unternehmen (…) ist bereit, an Streitbeilegungsverfahren bei der Verbraucherschlichtungsstelle (Name, Anschrift, Link zur Website der Schlichtungsstelle) teilzunehmen. Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden.

Eine Liste der bislang eingerichteten Streitbeilegungsstellen finden Sie hier. „Die Praxis wird sich vermutlich dahin entwickeln, dass sich Unternehmer mehreren Schlichtungsstellen unterwerfen“, erwartet Felix Hilgert, Experte für E-Commerce-Recht in der Kölner Kanzlei von Osborne Clarke. Kommt es zum Streit mit einem Kunden, könnten sie dann bestimmen, welche Schlichtungsstelle im konkreten Fall entscheiden soll. Möglich ist es auch, die Teilnahme auf bestimmte Konflikte oder bis zu einer bestimmten Wertgrenze zu beschränken.

Fall 3: Ein Unternehmer ist aufgrund eines Gesetzes verpflichtet, bei einer Verbraucherschlichtung mitzumachen. Das gilt etwa für Energieversorger oder Fluggesellschaften. Verpflichtet sind aber auch Firmen, die sich dem Trägerverein einer Schlichtungsstelle angeschlossen haben, beispielsweise durch die Mitgliedschaft in einem Verband. Die Formulierung könnte dann lauten:

Das Unternehmen (…) ist gemäß Paragraf (…) der Satzung (des Trägervereins der Streitbeilegungsstelle) verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren bei der Verbraucherschlichtungsstelle (Name, Anschrift, Link zur Website der Streitbeilegungsstelle) teilzunehmen. Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden.

Mir kommt das bekannt vor: Gibt es Gesetz nicht schon längst?

Gut aufgepasst! Schon im Februar 2016 trat die Streitbeilegungsverordnung der EU in Kraft; was jetzt folgt, ist die nationale Gesetzgebung. Übrigens: Auch damals fürchteten viele, dass die Verordnung zuallererst der Abmahnbranche nutzen würde – und irgendwann vielleicht auch den Verbrauchern. Und so kam es auch: Die Abmahnkanzleien stürzten sich zunächst auf die Onlinehändler, die gegen die Verordnung verstießen. Diese schreibt vor, dass Unternehmen auf die europäische Streibeilegungsplattform verlinken müssen. Wer das unterlassen hatte, wurde abgemahnt.

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Der Link machte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht viel Sinn: In Deutschland waren noch gar keine Schlichtungsstellen eingerichtet. Folglich gab es auf der europäischen Plattform auch nicht viel zu sehen.

Waren die Abmahnungen also unwirksam? Keineswegs, fand das Oberlandesgericht München (Az.: 29 U 2598/16). Der Link könne nicht schaden, anderenfalls bleibe „die Streitbeilegungsplattform wenig bekannt“.

Für wen gelten nun die neuen Informationspflichten?

Praktisch für alle Unternehmen, die Geschäfte mit Konsumenten machen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes könnte kaum weiter sein: Umfasst sind alle Arten von „Verbraucherverträgen“ , also Kaufverträge, Mietverträge oder andere Dienstleistungen.

Zweite Voraussetzung: Die Firma muss eine Website oder allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) haben. In letzter Konsequenz sind damit auch Handwerker erfasst, die im Netz nicht präsent sind, aber Kleingedrucktes verwenden. Sie müssen zumindest ihre Offline-AGB anpassen.

Umgekehrt heißt das: Für Unternehmen, die nur im B2B-Geschäft unterwegs sind, ändert sich nichts.

Gelten die Informationspflichten auch für Händler, die ihre Waren auf Ebay oder Amazon vertreiben?

Ja. Die neuen Informationspflichten betreffen alle Online-Händler, weil sie natürlich eine Website unterhalten müssen. Plattform-Shops auf Amazon oder Ebay gelten als Websites in diesem Sinne.  Auch hier müssen viele Händler ihre Pflichtangaben ergänzen.

Gibt es Ausnahmen?

Ja. Einzelkämpfer und sehr kleine Unternehmen sind von den neuen Informationspflichten im VSBG nicht betroffen. Sie gelten nicht für Firmen, die „zehn oder weniger Personen“ beschäftigen. Stichtag für die Mitarbeiterzahl ist der 31. Dezember des Vorjahres.

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Doch Vorsicht: Ist das kleine Unternehmen gesetzlich oder durch die eben genannte Vereinsmitgliedschaft auf ein Schlichtungsverfahren verpflichtet, muss es darüber – unabhängig von seiner Größe – informieren (siehe oben).

Und wenn ein Händler nicht am Streitbeilegungsverfahren teilnehmen will?

Kein Problem, das Ganze ist freiwillig. Allerdings muss das Unternehmen dies auch deutlich machen. Die Formulierung könnte etwa lauten:

Das Unternehmen (…) ist weder bereit noch verpflichtet, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.

Wo sollten diese Informationen stehen?

Natürlich auf der Website, wenn das Unternehmen eine hat. Dort sollte die Erklärung in die AGB geschrieben werden. Rechtsexperten empfehlen darüber hinaus, auch schon im Impressum oder in der Fußzeile der Website, dem Footer, einen Hinweis aufzunehmen und von dort auf die entsprechende Passage in den AGB zu verlinken.

Offline-Unternehmer mit Verbrauchergeschäft müssen nur  ihre AGB anpassen.

Und was ist, wenn es zum Streit mit einem Kunden kommt?

Dann hat der Unternehmer wieder Informationspflichten, weil er dem Kunden sagen muss, welche Verbraucherschlichtungsstelle konkret für ihn zuständig ist. Er kann dabei die gleichen Formulierungen wie schon auf der Website verwenden (siehe erste Frage, Formulierungshilfe 2 und 3). Einziger Unterschied: Im Streitfall muss diese Information dem Kunden in „Textform“ mitgeteilt werden, also entweder schriftlich, per Mail oder Fax. Dass sie auch auf der Website steht, reicht dann nicht mehr aus.

Diese Pflicht gilt laut Paragraf 37 sogar für Unternehmer, die eine Streitschlichtung ablehnen. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Information für den Verbraucher in diesem Fall überhaupt Sinn macht. Wer es kurz und knapp machen will, kann in der Mail formulieren:

Das Unternehmen (…) lehnt eine Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren ab und ist dazu auch nicht verpflichtet.

Doch das Gesetz ist an dieser Stelle nicht eindeutig und lässt unschön viel Raum für Interpretationen. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann vorsichtshalber auf die Schlichtungsstelle verweisen, die zuständig wäre. Das klingt dann etwas merkwürdig:

Bei Streitigkeiten mit  dem  Unternehmen  (…) wäre  die  Streitbeilegungsstelle  (Name, Anschrift, Link auf Website) zuständig. Das Unternehmen (…) lehnt die Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren allerdings ab und ist dazu auch nicht verpflichtet.

Was kostet es, an der Verbraucherstreitbeilegung teilzunehmen?

Zuerst: Die Unternehmer tragen die Kosten des Verfahrens. Wie hoch diese sind, hängt von der jeweiligen Schlichtungsstelle ab. Einen Anhaltspunkt geben die Gebühren, die die Universalschlichtungsstellen der Länder erheben dürfen: 190 Euro bei einem Streitwert von 100 Euro, 380 Euro bei Streitwerten über 2000 Euro. Eine genauere Auflistung finden Sie hier. Erkennt der Unternehmer den Anspruch sofort an, ermäßigt sich die Gebühr auf 75 Euro.

Das Kostenrisiko ist also überschaubar und spricht für das Schlichtungsverfahren. „Vor öffentlichen Gerichten würden sie mit Gebühren in dieser Höhe nicht weit kommen“, sagt Osborne-Clarke-Anwalt Felix Hilgert.

Und was soll das Ganze?

Aufwand, Rechtsunsicherheit, Abmahnwahn – man könnte meinen, dass die Europäische Union mit ihren Vorstellungen zur Streitschlichtung wieder Probleme schafft, wo keine sein müssten. Tut sie aber nicht. Auch wenn die erste Runde vermutlich an die Abmahnkanzleien gehen wird, kann eine flächendeckende Verbraucherschlichtung segensreich wirken. Es ist sinnvoll, Konflikte mit geringen Streitwerten von den Gerichten fernzuhalten. Das entlastet die Justiz, aber es entlastet vor allem Unternehmer und Kunden, monatelang auf den Termin vor einem Richter zu warten.

Zudem spricht der Schlichter kein Urteil, er unterbreitet einen Vorschlag. Es geht also nicht darum, wer Recht hat – es geht darum, sich zu einigen. Noch wichtiger für Unternehmer: Für den Schlichter gilt Verschwiegenheit. Anders als die Entscheidung eines offiziellen Gerichts werden die Ergebnisse nicht publik. Das vermeidet Präzedenzfälle. „Selbst wenn nur ein unbekanntes Amtsgericht entscheidet, und das Urteil schafft es in die Medien“, sagt Felix Hilgert, „können 100 andere Menschen nachkommen, die sich darauf berufen.“

Dann ist ja alles prima. Oder gibt es noch Unklarheiten?

Vorsichtig ausgedrückt halten Kritiker das VSBG nicht unbedingt für ein gesetzgeberisches Schmuckstück. In Detailfragen lässt das neue Gesetz verwirrend viele Deutungen zu. Kommt es etwa zu einem Streit, muss der Unternehmer den Verbraucher gemäß Paragraf 37„auf die für ihn zuständige“ Schlichtungsstelle hinweisen.

Wenn der Händler sich vorher nicht auf eine Institution festgelegt hat, stellt sich dann die Frage: Welche ist denn nun zuständig? Die Stelle am Wohnsitz des Kunden? Oder am Geschäftssitz des Unternehmers? Das Gesetz bietet keine direkte Lösung. Aus den übrigen Paragrafen lässt sich schließen, dass sich die Zuständigkeit wohl nach Person und Branche des Unternehmers bemisst. Aber darauf wetten sollte man nicht.

Kritiker sehen hier ein Abmahnrisiko gerade für viele kleine Händler, die sich bei der Zuständigkeit vertun könnten. Am Ende werden das die Gerichte entscheiden müssen. Absurd genug bei einem Gesetz, das Gerichtsprozesse eigentlich vermeiden will.

Es muss aber niemand befürchten, weite Wege zur Schlichtungsstelle fahren zu müssen. Das Verfahren soll unkompliziert schriftlich ablaufen.

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Eine neue Abmahnwelle könnte auf Unternehmer in Deutschland zurollen. Denn am 1. Februar 2017 trat die zweite Stufe des „Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes“, kurz: VSBG, in Kraft. Und dieses besagt, dass ein Großteil der deutschen Unternehmen seine Kunden darüber informieren muss, ob sie zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren bereit sind. Wer diesen Hinweis unterlässt, muss damit rechnen, abgemahnt zu werden. Die neuen Pflichten, die sich in den Paragrafen 36 und 37 des VSBG verstecken, sind bislang kaum bekannt. Die Texte in vielen Onlineshops (die besonders unter der Beobachtung von Abmahnkanzleien stehen), sind noch auf altem Stand. Das ist eine riskante Nachlässigkeit: Rechtsexperten sehen schon die nächste Abwahnwelle anrollen.  Wer sich die teuren Abmahnungen sparen will, dem beantworten wir hier die wichtigsten Fragen zu den neuen Info-Pflichten: Welche Informationen müssen Unternehmen laut Verbraucherstreitbeilegungsgesetz bereitstellen? Ein Unternehmer hat Verbrauchern seit Februar 2017 „leicht zugänglich, klar und verständlich“  darüber zu informieren, „inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen“. Beispielformulierungen: Fall 1: Ein Unternehmer entscheidet sich freiwillig, am Streibeilegungsverfahren teilzunehmen. Die Formulierung könnte dann etwa lauten: Das Unternehmen (...) ist bereit, an Streitbeilegungsverfahren bei einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden. Verbraucher können diese Plattform für die Beilegung ihrer Streitigkeiten nutzen. Fall 2: Bei freiwilliger Teilnahme können Unternehmer auch eine bestimmte Schlichtungsstelle wählen. Die Formulierung könnte dann lauten: Das Unternehmen (...) ist bereit, an Streitbeilegungsverfahren bei der Verbraucherschlichtungsstelle (Name, Anschrift, Link zur Website der Schlichtungsstelle) teilzunehmen. Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden. Eine Liste der bislang eingerichteten Streitbeilegungsstellen finden Sie hier. „Die Praxis wird sich vermutlich dahin entwickeln, dass sich Unternehmer mehreren Schlichtungsstellen unterwerfen“, erwartet Felix Hilgert, Experte für E-Commerce-Recht in der Kölner Kanzlei von Osborne Clarke. Kommt es zum Streit mit einem Kunden, könnten sie dann bestimmen, welche Schlichtungsstelle im konkreten Fall entscheiden soll. Möglich ist es auch, die Teilnahme auf bestimmte Konflikte oder bis zu einer bestimmten Wertgrenze zu beschränken. Fall 3: Ein Unternehmer ist aufgrund eines Gesetzes verpflichtet, bei einer Verbraucherschlichtung mitzumachen. Das gilt etwa für Energieversorger oder Fluggesellschaften. Verpflichtet sind aber auch Firmen, die sich dem Trägerverein einer Schlichtungsstelle angeschlossen haben, beispielsweise durch die Mitgliedschaft in einem Verband. Die Formulierung könnte dann lauten: Das Unternehmen (...) ist gemäß Paragraf (...) der Satzung (des Trägervereins der Streitbeilegungsstelle) verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren bei der Verbraucherschlichtungsstelle (Name, Anschrift, Link zur Website der Streitbeilegungsstelle) teilzunehmen. Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden. Mir kommt das bekannt vor: Gibt es Gesetz nicht schon längst? Gut aufgepasst! Schon im Februar 2016 trat die Streitbeilegungsverordnung der EU in Kraft; was jetzt folgt, ist die nationale Gesetzgebung. Übrigens: Auch damals fürchteten viele, dass die Verordnung zuallererst der Abmahnbranche nutzen würde – und irgendwann vielleicht auch den Verbrauchern. Und so kam es auch: Die Abmahnkanzleien stürzten sich zunächst auf die Onlinehändler, die gegen die Verordnung verstießen. Diese schreibt vor, dass Unternehmen auf die europäische Streibeilegungsplattform verlinken müssen. Wer das unterlassen hatte, wurde abgemahnt. Der Link machte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht viel Sinn: In Deutschland waren noch gar keine Schlichtungsstellen eingerichtet. Folglich gab es auf der europäischen Plattform auch nicht viel zu sehen. Waren die Abmahnungen also unwirksam? Keineswegs, fand das Oberlandesgericht München (Az.: 29 U 2598/16). Der Link könne nicht schaden, anderenfalls bleibe „die Streitbeilegungsplattform wenig bekannt“. Für wen gelten nun die neuen Informationspflichten? Praktisch für alle Unternehmen, die Geschäfte mit Konsumenten machen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes könnte kaum weiter sein: Umfasst sind alle Arten von „Verbraucherverträgen“ , also Kaufverträge, Mietverträge oder andere Dienstleistungen. Zweite Voraussetzung: Die Firma muss eine Website oder allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) haben. In letzter Konsequenz sind damit auch Handwerker erfasst, die im Netz nicht präsent sind, aber Kleingedrucktes verwenden. Sie müssen zumindest ihre Offline-AGB anpassen. Umgekehrt heißt das: Für Unternehmen, die nur im B2B-Geschäft unterwegs sind, ändert sich nichts. Gelten die Informationspflichten auch für Händler, die ihre Waren auf Ebay oder Amazon vertreiben? Ja. Die neuen Informationspflichten betreffen alle Online-Händler, weil sie natürlich eine Website unterhalten müssen. Plattform-Shops auf Amazon oder Ebay gelten als Websites in diesem Sinne.  Auch hier müssen viele Händler ihre Pflichtangaben ergänzen. Gibt es Ausnahmen? Ja. Einzelkämpfer und sehr kleine Unternehmen sind von den neuen Informationspflichten im VSBG nicht betroffen. Sie gelten nicht für Firmen, die „zehn oder weniger Personen“ beschäftigen. Stichtag für die Mitarbeiterzahl ist der 31. Dezember des Vorjahres. Doch Vorsicht: Ist das kleine Unternehmen gesetzlich oder durch die eben genannte Vereinsmitgliedschaft auf ein Schlichtungsverfahren verpflichtet, muss es darüber – unabhängig von seiner Größe – informieren (siehe oben). Und wenn ein Händler nicht am Streitbeilegungsverfahren teilnehmen will? Kein Problem, das Ganze ist freiwillig. Allerdings muss das Unternehmen dies auch deutlich machen. Die Formulierung könnte etwa lauten: Das Unternehmen (...) ist weder bereit noch verpflichtet, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Wo sollten diese Informationen stehen? Natürlich auf der Website, wenn das Unternehmen eine hat. Dort sollte die Erklärung in die AGB geschrieben werden. Rechtsexperten empfehlen darüber hinaus, auch schon im Impressum oder in der Fußzeile der Website, dem Footer, einen Hinweis aufzunehmen und von dort auf die entsprechende Passage in den AGB zu verlinken. Offline-Unternehmer mit Verbrauchergeschäft müssen nur  ihre AGB anpassen. Und was ist, wenn es zum Streit mit einem Kunden kommt? Dann hat der Unternehmer wieder Informationspflichten, weil er dem Kunden sagen muss, welche Verbraucherschlichtungsstelle konkret für ihn zuständig ist. Er kann dabei die gleichen Formulierungen wie schon auf der Website verwenden (siehe erste Frage, Formulierungshilfe 2 und 3). Einziger Unterschied: Im Streitfall muss diese Information dem Kunden in „Textform“ mitgeteilt werden, also entweder schriftlich, per Mail oder Fax. Dass sie auch auf der Website steht, reicht dann nicht mehr aus. Diese Pflicht gilt laut Paragraf 37 sogar für Unternehmer, die eine Streitschlichtung ablehnen. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Information für den Verbraucher in diesem Fall überhaupt Sinn macht. Wer es kurz und knapp machen will, kann in der Mail formulieren: Das Unternehmen (...) lehnt eine Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren ab und ist dazu auch nicht verpflichtet. Doch das Gesetz ist an dieser Stelle nicht eindeutig und lässt unschön viel Raum für Interpretationen. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann vorsichtshalber auf die Schlichtungsstelle verweisen, die zuständig wäre. Das klingt dann etwas merkwürdig: Bei Streitigkeiten mit  dem  Unternehmen  (...) wäre  die  Streitbeilegungsstelle  (Name, Anschrift, Link auf Website) zuständig. Das Unternehmen (...) lehnt die Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren allerdings ab und ist dazu auch nicht verpflichtet. Was kostet es, an der Verbraucherstreitbeilegung teilzunehmen? Zuerst: Die Unternehmer tragen die Kosten des Verfahrens. Wie hoch diese sind, hängt von der jeweiligen Schlichtungsstelle ab. Einen Anhaltspunkt geben die Gebühren, die die Universalschlichtungsstellen der Länder erheben dürfen: 190 Euro bei einem Streitwert von 100 Euro, 380 Euro bei Streitwerten über 2000 Euro. Eine genauere Auflistung finden Sie hier. Erkennt der Unternehmer den Anspruch sofort an, ermäßigt sich die Gebühr auf 75 Euro. Das Kostenrisiko ist also überschaubar und spricht für das Schlichtungsverfahren. „Vor öffentlichen Gerichten würden sie mit Gebühren in dieser Höhe nicht weit kommen“, sagt Osborne-Clarke-Anwalt Felix Hilgert. Und was soll das Ganze? Aufwand, Rechtsunsicherheit, Abmahnwahn – man könnte meinen, dass die Europäische Union mit ihren Vorstellungen zur Streitschlichtung wieder Probleme schafft, wo keine sein müssten. Tut sie aber nicht. Auch wenn die erste Runde vermutlich an die Abmahnkanzleien gehen wird, kann eine flächendeckende Verbraucherschlichtung segensreich wirken. Es ist sinnvoll, Konflikte mit geringen Streitwerten von den Gerichten fernzuhalten. Das entlastet die Justiz, aber es entlastet vor allem Unternehmer und Kunden, monatelang auf den Termin vor einem Richter zu warten. Zudem spricht der Schlichter kein Urteil, er unterbreitet einen Vorschlag. Es geht also nicht darum, wer Recht hat – es geht darum, sich zu einigen. Noch wichtiger für Unternehmer: Für den Schlichter gilt Verschwiegenheit. Anders als die Entscheidung eines offiziellen Gerichts werden die Ergebnisse nicht publik. Das vermeidet Präzedenzfälle. „Selbst wenn nur ein unbekanntes Amtsgericht entscheidet, und das Urteil schafft es in die Medien“, sagt Felix Hilgert, „können 100 andere Menschen nachkommen, die sich darauf berufen.“ Dann ist ja alles prima. Oder gibt es noch Unklarheiten? Vorsichtig ausgedrückt halten Kritiker das VSBG nicht unbedingt für ein gesetzgeberisches Schmuckstück. In Detailfragen lässt das neue Gesetz verwirrend viele Deutungen zu. Kommt es etwa zu einem Streit, muss der Unternehmer den Verbraucher gemäß Paragraf 37„auf die für ihn zuständige“ Schlichtungsstelle hinweisen. Wenn der Händler sich vorher nicht auf eine Institution festgelegt hat, stellt sich dann die Frage: Welche ist denn nun zuständig? Die Stelle am Wohnsitz des Kunden? Oder am Geschäftssitz des Unternehmers? Das Gesetz bietet keine direkte Lösung. Aus den übrigen Paragrafen lässt sich schließen, dass sich die Zuständigkeit wohl nach Person und Branche des Unternehmers bemisst. Aber darauf wetten sollte man nicht. Kritiker sehen hier ein Abmahnrisiko gerade für viele kleine Händler, die sich bei der Zuständigkeit vertun könnten. Am Ende werden das die Gerichte entscheiden müssen. Absurd genug bei einem Gesetz, das Gerichtsprozesse eigentlich vermeiden will. Es muss aber niemand befürchten, weite Wege zur Schlichtungsstelle fahren zu müssen. Das Verfahren soll unkompliziert schriftlich ablaufen.
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