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Bei Verhandlungen geht es nicht nur darum, gute Argumente zu haben und auf Gegenargumente vorbereitet zu sein. Denn: Am Verhandlungstisch sitzen Menschen. Und die haben Gefühle. Und wenn Emotionen die Kontrolle übernehmen, macht der Verstand Pause. Wie schafft man es, die Emotionen in Verhandlungen wieder in die richtige Bahn zu lenken?
Das Harvard-Konzept
Hier setzt Daniel Shapiro an. Der Psychologe ist Professor an der amerikanischen Elite-Uni Harvard und berät Top-Führungskräfte sowie hochrangige Politikerinnen und Politiker bei Verhandlungen. Er hat gemeinsam mit Roger Fisher, dem Autor des Standardwerks „Das Harvard-Konzept“, einen Leitfaden für den Umgang mit Emotionen in Verhandlungen entwickelt. Im Mittelpunkt stehen die fünf Grundbedürfnisse jedes Menschen: Wertschätzung, Verbundenheit, Autonomie, Status und Rolle.
Die fünf Grundbedürfnisse – und wie du darauf reagieren kannst:
Wertschätzung
Jeder Mensch will sich gehört und verstanden fühlen. Du kannst Wertschätzung zum Ausdruck bringen, indem du die Ziele, Sorgen und die Kompetenz des anderen im Gespräch anerkennst. Dafür musst du keine Zugeständnisse machen: „Ich verstehe Ihre Situation“ heißt noch nicht „Ich stimme Ihnen zu“.
Verbundenheit
Damit ist die emotionale Verbindung zwischen den beiden Gesprächsparteien gemeint. Du erreichst mehr, wenn du aus Gegnern Partner machst. Sprich daher von gemeinsamen Zielen und Lösungen.
Autonomie
Keiner möchte unter Druck gesetzt werden. Menschen brauchen in Verhandlungen das Gefühl, frei wählen zu können. Das ist manchmal nur eine Frage der Formulierung: Frage, was die Gegenseite vorschlägt, statt selbst alle Möglichkeiten aufzuzählen.
Status
Lass dich nicht auf einen Wettbewerb darum ein, wer wichtiger ist. Gib dem anderen das Gefühl, dass du seinen Rang anerkennst – und schütze dich vor Provokationen. Auch wenn der andere deinen Status nicht achtet, solltest du keinesfalls auf demselben Niveau zurückschlagen.
Rolle
Hinterfrage, welche Rolle du und dein Gegenüber in einer Verhandlung einnehmen. Bist du ein Angreifer, Zuhörer, Problemlöser? Füllst du eine Rolle aus, die zu dir passt und die dir nützt. Wenn du intuitiv in eine Opferrolle rutschst, solltest du überlegen, was dir helfen kann, um das zu ändern.
Wo du angreifbar bist
Gefühle machen dich in Verhandlungen aber auch angreifbar. „Nichts ist schwieriger wegzustecken in Verhandlungen als überraschende Verletzungen“, sagt Management-Trainer Peter Brandl, der Unternehmerinnen und Unternehmer zu Kommunikation und Verhandlungstechniken berät. Deshalb solltest du dich vor dem Termin in Ruhe damit auseinandersetzen, wo du angreifbar und verletzbar bist. Und Strategien entwickeln, wie du mit diesen Angriffen umgehst.
Was du tun solltest, wenn Emotionen hochkochen
Gerade in hitzigen und schwierigen Verhandlungen kochen Emotionen gerne hoch. Harvard-Professor Daniel Shapiro empfiehlt, sich für solche Situationen kleine Tricks zurechtzulegen, mit denen du dich selbst beruhigen kannst. Sei es, dass du im Kopf von zehn an rückwärts zählst – oder dir vorstellst, wie die Beleidigungen hinter dir an die Wand klatschen.
Und wenn dein Gegenüber aufgebracht ist? Dann ist vor allem eines wichtig: Ausreden lassen. Selbst wenn du den ganz starken Wunsch hast zu unterbrechen – zum Beispiel, weil du verbal angegriffen wirst oder du einen logischen Fehler in der Argumentation entdeckt hast.
Anschließend kannst du sagen:
- „Ich habe jetzt verstanden: Das, das und das ist Ihnen wichtig. Habe ich das richtig verstanden?“
- Wenn dein Gegenüber mit „Ja“ antwortet, kannst du Folgendes sagen: „Einige der Punkte sehe ich genau wie Sie. Ein paar andere Punkte sehe ich anders, weil ich einen anderen Blickwinkel oder andere Informationen habe als Sie. Würde es Sie interessieren zu erfahren, was ich genauso sehe oder was ich anders sehe?“
- Wenn du ihm vorher zugehört und ihm signalisiert hast, dass du ihn wirklich verstehen willst, stehen die Chancen gut, dass er nun auch dir wieder zuhört: vorher nicht.
Wann du eine Verhandlung unterbrechen solltest
Manchmal sind die Emotionen aber so stark, dass Reden nicht mehr hilft. „Emotionen sind nicht verhandelbar“, sagt Kommunikationsexperte Brandl, „wenn sie da sind, sind sie da.“ Klingt banal, ist aber so. Dann ist es sinnvoll, eine Verhandlung zu unterbrechen. Oft reichen dann schon fünf Minuten, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Manchmal braucht es aber auch länger, bis sich die Gemüter beruhigen. Dann kann es ratsam sein, sich auf den nächsten Tag zu vertagen. Die Unterbrechung kannst du nutzen, um dich um die Beziehungsbasis zu deinem Verhandlungspartner zu kümmern. Geh mit ihm essen und rede über Dinge, die nichts mit dem Verhandlungsgegenstand zu tun haben! „Oft ist es so, dass man in der Verhandlung nur nicht weiterkommt, weil die Beziehungsbasis gestört ist.“
Wie du festgefahrene Verhandlungen wieder in Gang bringst
Steckt eine Verhandlung in einer Sackgasse, dann kann es helfen, eine Helikopterperspektive einzunehmen, die Situation also mit Abstand von oben zu betrachten. Wie stellt sich die Diskussion dann dar? „Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Auch in Verhandlungen gibt es so etwas wie Betriebsblindheit“, weiß Brandl aus Erfahrung. Du wirst überrascht sein, was ein Wechsel der Perspektive bewirken kann!
Nutze Rescue-Fragen!
Um aus festgefahrenen Situationen wieder herauszukommen, helfen auch sogenannte „Rescue-Fragen“, die du deinem Verhandlungspartner stellen kannst. Mit diesen Fragen hat Management-Trainer Peter Brandl gute Erfahrungen gemacht:
- Was genau erwarten Sie jetzt von mir?
- Was müsste passieren, damit … ?
- Welche anderen Optionen sehen Sie?
- Wie kriegen wir die Kuh vom Eis?
- Welche Kriterien müsste eine Lösung erfüllen, damit Sie … ?
Diese Fragen kannst du selbst dann benutzen, wenn sie nicht hundertprozentig passen, sagt Brandl. Damit sie dir in einer stressigen Verhandlung leicht von den Lippen gehen, solltest du sie dir vorher gut einprägen.
