Digitaler Wandel Wie die Digitalisierung den Mittelstand verändert

Wie verändert die Digitalisierung die Unternehmenskultur, die Mitarbeiter und die Chefs? Diesen Fragen ist die Studie "Transformation trifft auf Tra­dition" auf den Grund gegangen. Die wichtigsten Ergebnisse.

Alles dreht sich immer schneller: Mit dem digitalen Wandel setzen sich inzwischen viele Unternehmen auseinander - aber beim "Wie" gibt es noch Verbesserungsbedarf.

Alles dreht sich immer schneller: Mit dem digitalen Wandel setzen sich inzwischen viele Unternehmen auseinander - aber beim "Wie" gibt es noch Verbesserungsbedarf.© secretgarden / photocase.de

Die Digitalisierung hat den Mittelstand erreicht. Konkret bedeutet das für Unternehmen: mehr Technikeinsatz und schnelle Veränderungen bei Geschäftsmodellen und Organisationsstrukturen. Digitalisierung ist Beschleunigung.

Unternehmer müssen nicht nur selbst auf dem Laufenden bleiben, sondern auch ihre Mitarbeiter mitnehmen – ohne sie gelingt der digitale Wandel nicht. Aber es ist gar nicht so leicht, mit den digitalen Veränderungen konstruktiv umzugehen. Viele Mitarbeiter haben Angst, ihren Job zu verlieren oder die neue Technik nicht zu verstehen.

Ihnen die Unsicherheiten zu nehmen und eine gute Strategie für die Digitalisierung zu entwickeln: Das ist Aufgabe der Chefs. Und die Chancen auf Erfolg stehen gar nicht so schlecht -, das zeigt eine groß angelegte Studie der Commerzbank, die die Folgen für der digitalen Transformation für die Unternehmenskultur und für die Menschen im Unternehmen untersucht.

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Sie zeigt: Digitale Technologien sind für fast alle mittelständischen Unternehmen relevant, vorwiegend zur Optimierung der laufenden Prozesse.

18 Prozent der Unternehmen tun laut der Studie mehr für die digitale Transformation als alle anderen: Sie entwickeln mit Hilfe digitaler Technologien neue Produkte oder Dienstleistungen, erschließen neue Absatzmärkte und treiben die Vernetzung in der Wertschöpfungskette voran. Sie sind die sogenannten „digitalen Transformatoren“. 24 Prozent davon verdanken dies einer besonders jungen Belegschaft – bei ihnen ist die Hälfte der Mitarbeiter jünger als 30 Jahre.

Veränderung als Normalzustand

Durch die Digitalisierung verändert bei jedem fünften befragten Unternehmen auch die Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter haben mehr Verantwortung und mehr individuelle Freiräume, die Arbeit kann flexibler verteilt werden, es gibt mehr abteilungsübergreifende Teams. Auch können mehr Aufgaben ausgelagert werden. Gleichzeitig wird die Unterstützung durch externe Spezialisten wichtiger, ebenso wie die engere Zusammenarbeit mit Kunden und Geschäftspartnern.

Die Studie

Für die repräsentative Studie „Transformation trifft Tradition“ der Commerzbank wurden Führungskräfte der obersten Hierarchie-Ebene von 4000 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 2,5 Millionen Euro telefonisch befragt.

Deutlich wird auch: Der Mitarbeiter steht im Zentrum der digitalen Transformation. Ohne ihn geht nichts. Aber er ist auch gefordert. Nur wer die Bereitschaft zu lebenslanger Weiter­qualifizierung mitbringt und sich nicht auf dem einmal Erreichten ausruht, für den wird die Digitalisierung eine Chance sein, heißt es in der Studie, die am 11. Mai in Frankfurt am Main vorgestellt wurde.

Spezialisten mit Berufserfahrung dringend gesucht

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Experten zufolge bedroht die Digitalisierung viele Jobs. So schätzt das Weltwirtschaftsforum, dass in den nächsten fünf Jahren fünf Millionen Arbeitsplätze in den Industrieländern wegfallen werden. Die meisten befragten Geschäftsführer sehen der Entwicklung jedoch gelassen entgegen. Viele gehen davon aus, dass sich Einspareffekte durch Automatisierung und Wachstum ausgleichen. Nur 8 Prozent der Unternehmen befürchten, Mitarbeiter entlassen zu müssen.

Andererseits wird die Digitalisierung neue Arbeitsstellen schaffen. Doch wer wird gebraucht? Laut der Studie vor allem Mitarbeiter, die auf Basis digitaler Technologien Unternehmensabläufe verändern, neue Geschäftsideen umsetzen und innovative Produkte entwickeln können.

Größere Unternehmen werden sich die gefragten digitalen Experten gegenseitig abwerben. Dieser Fachkräftemangel kann den digitalen Wandel durchaus ausbremsen. Die kleineren Unternehmen müssen verstärkt auf Quereinsteiger, Wiedereinsteiger und Umschüler setzen. 43 Prozent der Unternehmen tun dies bereits, während nur 12 Prozent auch Mitarbeiter aus dem Ausland rekrutieren.

Keine digitale Transformation ohne junge Mitarbeiter

Sind neue Mitarbeiter gefunden, stehen die Betriebe vor neuen Herausforderungen: Rund 80 Prozent der Berufseinsteiger haben einen sehr hohen Qualifizierungsbedarf. Sind sie qualifiziert, müssen sie an das Unternehmen gebunden werden. Aber wie?

Die Studie hat herausgefunden, dass sich die meisten Berufstätigen weiterentwickeln und über die strategische Ausrichtung informiert werden möchten. Viele Mitarbeiter haben zudem höhere Erwartungen an die technische Ausstattung, genauso wie an die Work-Life-Balance, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie an Freiräume, um eigene Ideen umzusetzen. Je jünger die Mitarbeiter, umso stärker der Trend.

Ältere Mitarbeiter versuchen hingegen häufiger, alte Strukturen zu bewahren, sorgen sich um ihren Status quo und können sich nur schwer auf neue Technologien einstellen. Sie müssen besonders motiviert und weitergebildet werden, um bei der digitalen Veränderung des Unternehmens am Ball zu bleiben.commerzbank-studie-2

Viele Mittelständler sind auf die Forderungen der jungen Belegschaft eingegangen: 46 Prozent ermöglichen die individuelle Planung des Arbeitstage.

Angebote für betriebliche Auszeiten und Kinderbetreuung sind dagegen eher selten. Auch neue Strukturen für abteilungsübergreifende oder individuelle Pilotprojekte werden nur selten gewährt. Freiräume sind, so die Studie, eine noch völlig unterschätzte Möglichkeit, Fachkräfte an das Unternehmen zu binden.

So arbeitet der neue Chef

Aber nicht nur die Mitarbeiter, auch die Rolle des Chefs selbst ist durch die Digitalisierung im Wandel. Einst galt er als der Fachmann, der Aufgaben streng hierarchisch an die unteren Führungseben weitergibt, alles kontrolliert und schnell Entscheidungen trifft.

„Künftig gilt für das Selbstverständ­nis von Führung: Kompetenz schlägt Hierarchie. Führungskräfte sind stärker denn je als Motivatoren und Moderato­ren gefragt. Sie müssen ihren Mitarbeitern Zuversicht vermitteln, Räume öffnen, Fehler zulassen, um dann wiederum Vertrauen, Eigenverantwortung“, heißt es in der Studie.

Hindernisse beim digitalen Wandel

Aber so weit ist es noch nicht. In drei von vier mittelständischen Unternehmen kümmert sich ausschließlich die Geschäftsführung um Fragen der digitalen Transformation. Nur knapp 30 Prozent haben hierfür eine eigene Abteilung. Ebenso eine Ausnahme sind Werkverträge mit externen Fachspezialisten für die Organisationsentwicklung oder die direkte Zusammenarbeit mit Wettbewerbern bei Entwicklungsprojekten.

Auch gibt es einen hohen Bedarf an Austausch und Unterstützung beim Thema Digitalisierung. Der Mittelstand erwartet vor allem von Banken und Sparkassen, dass sie diese Aufgaben übernehmen: Sie sollen gezielt Kontakte zu Start-ups, Experten und Kooperationspartnern vermitteln und Plattformen bereitstellen.

Und so sehr sich Unternehmensleitung und Mitarbeiter auch um den digitalen Wandel bemühen – oft erschwert die öffentliche Infrastruktur noch die Umsetzung der neuen Digitalstrategie: 42 Prozent aller befragten Unternehmen bemängeln den Zustand der Breitband- und Mobilfunknetze, 32 Prozent sind unzufrieden mit der Kooperationsbereitschaft der Verwaltung.

Dass den Unternehmen noch viel Arbeit bevorsteht, ist auch Markus Beumer, Vorstandsmitglied der Commerzbank AG, bewusst: „Unternehmer müssen mit bewährten Geschäftsmodellen Geld verdienen, um neue entwickeln zu können: Transformation trifft auf Tra­dition.“ Es sei keine einfache Aufgabe – aber eine, die zu bewältigen sei. Trotzdem warnt er: „Wenn wir uns zu viel Zeit lassen mit den notwendigen Veränderungen und nicht bereit sind für ein offeneres, ein schnelleres und kooperativeres Denken in den Führungs­etagen der deutschen Wirtschaft, dann werden andere uns überholen.“

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1 Kommentar
  • Dr. Marc Oliver Schwehm 18. Mai 2016 11:37

    Eine interessante Studie, die in kompakter Form aktuell aufzeigt, was man von den „Digitalen Transformatoren“ lernen kann. Allerdings sollte das gute Abschneiden des Mittelstands gegenüber der Gesamtwirtschaft keine falschen Hoffnungen wecken.

    Der Vergleich innerhalb Deutschland ist zu kurz gegriffen. Der Mittelstand muss sich hier auf internationaler Ebene messen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Zieht man bspw. den Digital Performance Index (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) zu Rate, so wird Deutschland ein langsames Digitalisierungstempo bescheinigt – Deutschland rangiert hinter USA, Südkorea, Großbritannien, China und Japan auf Rang 6. Das, was der Report bzgl. kulturellen Wandels skizziert, zeigt in die richtige Richtung, weist aber ebenso immer noch erheblichen „Aufholbedarf“ aus. So haben bspw. unsere amerikanischen Kollegen eine größere Risikofreudigkeit und sie verzeihen Fehler schneller – Aspekte, die ein agiles/dynamisches Umfeld günstig beeinflussen. Aber: Kulturelle Aspekte lassen sich im Vergleich zu technologischen Komponenten nicht einfach austauschen. Darüber hinaus gibt es hierzulande Tugenden, die es bei aller Veränderung zu bewahren gilt.

    Im Kontext der Digitalen Transformation ist der Spagat zwischen inkrementellen und radikalen Elementen zu meistern. Dies zeigt die Form der Nutzung neuer Technologien in der Studie. Ein Großteil der Befragten zielt auf Produktoptimierung sowie Effizienzsteigerung und damit auf das bestehende Geschäftsmodell. Der als „Digitale Transformatoren“ bezeichnete Anteil hat einen disruptiven Ansatz und zielt auf neue Märket und Produkte. Eine solide Strategie sollte beide Elemente vereinen und bei der Auswahl und Umsetzung geeigneter Projekte bzw. Technologien berücksichtigen.

    Darüber hinaus bekommt das Thema Change Management auf diesem Weg einen neuen Stellenwert, da sowohl die übergreifende Verankerung einer Kultur des Wandels als auch die effiziente Nutzung neu eingeführter Technologien die wesentlichen Faktoren des Digitalisierungserfolgs darstellen.

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