Agitation am Arbeitsplatz
Was dürfen Arbeitnehmer alles sagen?

Agitieren Mitarbeiter am Arbeitsplatz, entstehen schnell Konflikte. Arbeitsrechtler Falko Daub erklärt, welche Äußerungen Chefs akzeptieren müssen und wann arbeitsrechtliche Sanktionen zulässig sind.

7. März 2022, 09:00 Uhr,

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Agitation am Arbeitsplatz
© FabrikaCr/iStock/Getty Images Plus/Getty Images

impulse: Herr Daub, was dürfen Agitierende am Arbeitsplatz so alles äußern?
Falko Daub: Im Grundsatz alles, was in die Kategorie „politische Meinungsäußerung“ fällt und von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gedeckt ist. Jemand darf die Regierung kritisieren, Ansichten von AfD und NPD begrüßen oder als Veganer den Fleischessern Tierquälerei vorhalten. Das muss ich als Chef hinnehmen. Aber es gibt Grenzen.

Wo liegen diese Grenzen?
Zu weit gehen Äußerungen, die rechtsextrem sind, ausländer- oder verfassungsfeindlich. Oder beleidigend.

Haben Sie Beispiele, die zeigen, wo genau die Grenze verläuft?
Wenn ein Bauarbeiter zum Kollegen sagt: „Du Arschloch, gib mir endlich den Zement“, dann mag das zum Umgangston gehören, der in diesem Umfeld hinzunehmen ist – so haben Arbeitsgerichte bereits mehrfach entschieden. Auch im Bereich der Verschwörungsmythen wird kaum jemand mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Etwa, wenn eine Person sich in der Partei „dieBasis“ engagiert, die aus der Querdenken-Bewegung entstanden ist und die Impfkampagne zum Anzeichen einer Corona-Diktatur erklärt. Bezeichnet dieser Mensch aber einen Kollegen als „dummen obrigkeitshörigen Mitläufer“, ist dies schlicht beleidigend – und damit eine Straftat.


Äußert sich jemand rassistisch, gilt das Gleiche?
Natürlich! Nutzt jemand am Arbeitsplatz das „N“-Wort, nennt einen Kollegen mit Migrationshintergrund „Du Ölhaar!“ oder sagt, das Coronavirus sei ein Beleg für die jüdische Weltverschwörung, ist das rassistisch, antisemitisch und diskriminierend. Und selbstverständlich ebenfalls arbeitsrechtlich sanktionierbar.

Mit einer fristlosen Entlassung?
Die Hürden dafür sind sehr hoch. Folgende Testfrage hilft: „Ist es Ihnen zuzumuten, diesen Mitarbeiter einen einzigen weiteren Tag im Unternehmen zu dulden?“ Lautet die Antwort „Nein!“, sollten Sie sich mit einem Anwalt beraten, ob Sie mit dieser Einschätzung richtigliegen. Denn häufig sehen die Arbeitsgerichte die Grenze des Zumutbaren anders als die Arbeitgeber.

Eine ordentliche Kündigung ist aber immer möglich, oder?
Nein. Greift im Unternehmen das Kündigungsschutzgesetz – bei mehr als zehn Arbeitnehmern und einem länger als sechs Monate bestehenden Arbeitsverhältnis –, dann muss zunächst eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegen. Es ist aber nicht möglich, im Arbeitsvertrag bestimmte Verhaltensweisen als Kündigungsgrund zu definieren. Zudem gilt grundsätzlich, dass Sie die Person vor der ordentlichen Kündigung abgemahnt haben müssen. Also sind Abmahnung oder fristlose Kündigung die beiden arbeitsrechtlichen Möglichkeiten, wenn jemand in Ihrem Unternehmen schlimm agitiert.

Und wenn Mitarbeiter nur in ihrer Freizeit agitieren?
Ich muss als Chef oder Chefin alles tolerieren, was ein Mitarbeiter privat macht. Egal, ob er sich auf einer Querdenken-Demo oder einem NPD-Aufmarsch zeigt oder nachts in ein Labor einbricht, um Versuchshunde zu befreien. Arbeitgeber haben keinen Anspruch darauf, dass Mitarbeiter ein in ihrem Sinne „ordentliches“ Leben führen.

Sicher gibt es wieder ein „Aber“?
Ja: Sobald das private Verhalten einer Person Rückschlüsse auf den Arbeitgeber erlaubt, endet die Freiheit. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Arbeitnehmer Hetzparolen in beruflichen Netzwerken wie Linkedin teilt oder auf einem NPD-Aufmarsch in Dienstkleidung erscheint. Beides ist arbeitsrechtlich sanktionierbar. Zwar spielen die konkreten Begleitumstände und das Verhalten des Mitarbeiters eine große Rolle – löscht dieser etwa seine Beiträge und entschuldigt sich, kann das die arbeitsrechtliche Bewertung beeinflussen. Grundsätzlich gelten aber die gleichen Regeln wie für das Agitieren am Arbeitsplatz.

Haben Sie wieder Beispiele?
Ein Polizeianwärter hat in einem Gruppenchat von 25 Nachwuchs-Polizisten eine Grafik geteilt, die einen Pizzakarton zeigte, auf dem „die Ofenfrische“ geschrieben stand – daneben ein Foto von Anne Frank. Die sofortige Entlassung dieses Mannes hat das Berliner Verwaltungsgericht kürzlich bestätigt. Diese wäre etwa auch gerechtfertigt, wenn der Vertriebsmitarbeiter einer Brauerei auf einem Grillfest rassistische oder verfassungsfeindliche Parolen äußert und andeutet, sein Chef denke ähnlich. Arbeitgeber können dann oft fristlos kündigen: Denn dem Unternehmen droht ein enormer Reputationsschaden.

Wie kann man Konflikten vorbeugen?
In Kündigungsschutzverfahren nehmen Richter stets eine Gesamtabwägung des Einzelfalls vor. Gibt es im Unternehmen Richtlinien zum Umgang miteinander, etwa einen Code of Conduct, entscheiden sie häufiger für den Arbeitgeber.

Ein Muster für einen Code of Conduct können Sie hier herunterladen: Vorlage: Code of Conduct – so regeln Sie das Miteinander am Arbeitsplatz

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