Klarna
Wie drei Schweden mit digitalem Rechnungswesen den Onlinehandel erobern

Vor sieben Jahren glaubte niemand, dass ein Bezahldienst fürs Internet ein gutes Geschäft für drei Studenten sein kann. Heute läuft in Schweden jeder vierte Onlinekauf über Klarna.

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Das Gründertrio Niklas Adalberth, Sebastian Siemiatkowski und Victor Jacobsson (v.l.) hat große Pläne für Deutschland
Das Gründertrio Niklas Adalberth, Sebastian Siemiatkowski und Victor Jacobsson (v.l.) hat große Pläne für Deutschland
© Klarna/CC BY 3.0

Manchmal denkt man: Dieser junge Schwede nimmt den Mund ganz schön voll. Auf der Bühne sitzt ­Sebastian Siemiatkowski – blond und stoppelbärtig wie ein Surflehrer – lehnt sich auf einen Ellenbogen und erklärt der Finanzwelt den Krieg. „Es gibt dort große Unternehmen, die sich langsam bewegen und Tonnen von Geld verdienen“, sagt der 31-Jährige und lugt ins Publikum, um zu sehen, wie die Besucher der Internetkonferenz DLD reagieren. Einer geht noch. „Jeder hasst sie, die Banken. Sie sind ein offensichtliches Angriffsziel für Startups.“

Mit diesem Selbstbewusstsein hat es Siemiatkowski weit gebracht. Vor acht Jahren, als Amazon noch hauptsächlich Bücher verschickte und Zalando nicht gegründet war, startete er mit seinen BWL-Studienfreunden Niklas Adalberth und Victor Jacobssonden den Bezahldienst Klarna, der für Internetshops Verkäufe per Rechnung abwickelt. Lange fand der Sohn polnischer Einwanderer keinen Investor, musste sich bei Gründerwettbewerben aus­lachen lassen als Fantast. Das Urteil: Eine Bezahlplattform sei nichts für Studenten. Warum sollten Händler ihre Abrechnungen an Jugendliche auslagern?

Mittlerweile arbeiten 800 Angestellte bei Klarna, in Schweden läuft jeder vierte Onlineeinkauf über die Firma. Im Dezember 2011 sammelte Siemiatkowski 115 Millionen Dollar ein, um die Expansion nach Deutschland zu ­finanzieren – ein Riesenmarkt. 2012 bestellten die Deutschen Waren im Wert von rund 30 Milliarden Euro im Internet. Heute lacht niemand mehr über Siemiatkowski, der neben Onlinediensten wie Paypal oder Clickandbuy und den Banken mit ihren Kreditkarten um das große Geld im Internethandel buhlt.

80.000 Dollar Startkapital

Siemiatkowski spricht gern und viel über sein Geschäft, er ist das Gesicht von Klarna und der Chef. Nach seinem Auftritt bei der Konferenz wirft er sich in einen Ledersessel und erklärt mit wachsender Begeisterung sein Modell zwischen IT-Branche und Finanzwelt. Im Prinzip geht es um Factoring: Klarna übernimmt den Rechnungskauf von Onlinehändlern, trägt das Risiko, dass ein Käufer nicht zahlt und bekommt dafür ein bis drei Prozent vom Kaufpreis. Die Schweden liefern einen digitalen Baustein, den die Shops auf ihrer Website einbauen können und präsentieren sich dabei als eigene ­Marke: Wer im Internet kauft, kann auf ein hellblaues „K“ klicken: Bezahlen per Klarna.

Bezahlen, das hat nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Gefühlen zu tun, mit Verlässlichkeit und Sicherheit. „Bei uns ging es um die Frage: Wie schaffen wir es, dass die Leute uns vertrauen?“, sagt Siemiatkowski. 80 000 Dollar Startkapital bekamen die Studenten 2005 von einem schwedischen Investor. Was immer sie damals taten: Viel kosten durfte es nicht.

Ein Anzug und ganz viele Nullen

Siemiatkowskis erste Idee: Eindruck machen. Die Gründer kaufen sich Anzüge, wollen nicht in Schlabbershirts für IT-Nerds gehalten werden. Die Website wird professionell gestaltet, der Telefonanbieter nach Büronummern mit möglichst vielen Nullen in der Mitte gefragt, wie sie bei Konzernen mit vielen Durchwahlen üblich sind – das soll Vertrauen schaffen.

Zweiter Gedanke: Kunden ziehen Kunden an. Um sich bei Händlern einen Namen zu machen, hält sich Klarna zunächst an Startups. „Das schien uns erfolgversprechender, als es bei Amazon zu versuchen“, sagt Siemiatkowski. Internetläden wie Nelly.se und Webhallen.se lassen sich auf Klarna ein. Auch weil das kleine Unternehmen mit einem Versprechen lockt: Durch Rechnungskauf sollen mehr Umsätze möglich sein als durch Bezahlen per Kreditkarte oder Lastschrift.

Die Schweden wollen ein Problem lösen, das alle Internethändler kennen: die hohen Abbruchquoten. Viele Kunden klicken sich zwar Einkäufe in einen Warenkorb, verlassen dann aber die Seite, ohne zu bestellen – in manchen Shops liegt die Rate bei 50 Prozent. Studien belegen, dass Käufer vor allem dann zurückschrecken, wenn sie persönliche Angaben eintippen sollen. Klarna argumentiert, dass man beim Rechnungskauf nur Basisdaten wie E-Mail-­Adresse und Anschrift eingeben muss. Das Verkaufsvolumen steige so um 25 bis 30 Prozent. Allerdings auch die Gefahr, geprellt zu werden.

Dieses Risiko trägt Klarna, die Frage, wer ehrlicher Kunde ist und wer Betrüger, wird ­entscheidend für den Unternehmenserfolg. Risiko­management ist das Herzstück des Start­ups. Das Dilemma: Mehr Daten erhöhen die ­Sicherheit, verkomplizieren aber das Bestellen.

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Seit der Gründung profitabel

In Schweden greifen die Gründer auf die amtliche Personalnummer zurück, unter der Steuerdaten einsehbar sind, in Deutschland informiert sich Klarna bei Datenbanken wie der Schufa. Dazu versucht Siemiatkowski, aus wenig viel herauszuholen. Eine Bestellung in den Abendstunden wird zum Beispiel als vertrauenswürdiger bewertet als eine um zwei Uhr nachts. „Die Adresse Sebastian@gmail.com ist vermutlich viele Jahre alt, Bayernstadel1965@hotmail.com könnte gestern registriert worden sein“, erläutert Siemiatkowski. Wer unglaubwürdig erscheint, kann seinen Einkauf nicht über Klarna abschließen und muss eine andere Zahlungsart wählen. Laut ­eigenen Angaben bleiben die Schweden nur auf wenigen Prozent ihrer Rechnungen sitzen.

Heute bieten 15 000 Händler die Zahlung per Klarna an, nach eigenen Angaben lag der Umsatz 2012 bei 140 Millionen Euro, die Firma arbeite seit der Gründung profitabel. In Deutschland heißen die Kunden zum Beispiel Baby Walz und Poster-XXL. Nicht die ersten Namen, an die man beim Thema Onlinehandel denkt. Experten sehen Klarna aber gerade als Lösung für kleine Anbieter, die neben Kreditkarten eine weitere Bezahlform anbieten möchten.

Im Nachhinein bezeichnet es Siemiatkowski als Segen, dass seine Firma nur langsam wuchs. „Wir waren keines dieser Startups, die mit ­Kapital zugeschüttet werden und gleich alles verbrennen. Dadurch hatten wir Zeit, Fehler zu machen und zu lernen.“ Und Fehler gab es und gibt es – wer bei Google nach Klarna sucht, findet Foreneinträge von Kunden, die sich durch Mahnungen ungerecht behandelt fühlen. Häufig sind Tippfehler der Grund. Immerhin: Unter negativen Berichten findet sich oft ein Eintrag vom Klarna-Kundenservice – rufen Sie doch an, vielleicht finden wir eine Lösung.

Ambitioniertes Fernziel

Denn das Fernziel ist ambitioniert: Die „erste Wahl für Onlinehändler“ will Klarna sein, nicht nur in Schweden, sondern bald in Deutschland und eines Tages vielleicht auch in den USA – trotz Paypal, Kreditkarten und der Gefahr, dass irgendwann ein Wettbewerber mit einer tollen Idee den ganzen Markt an sich reißt.

„Natürlich schauen wir, was die Konkurrenz macht“, sagt Siemiatkowski. „Sollte doch mal einer kommen mit der perfekten Lösung für das Internet, bin ich sicher: Es wird keine Bank sein.“

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Manchmal denkt man: Dieser junge Schwede nimmt den Mund ganz schön voll. Auf der Bühne sitzt ­Sebastian Siemiatkowski – blond und stoppelbärtig wie ein Surflehrer – lehnt sich auf einen Ellenbogen und erklärt der Finanzwelt den Krieg. „Es gibt dort große Unternehmen, die sich langsam bewegen und Tonnen von Geld verdienen“, sagt der 31-Jährige und lugt ins Publikum, um zu sehen, wie die Besucher der Internetkonferenz DLD reagieren. Einer geht noch. „Jeder hasst sie, die Banken. Sie sind ein offensichtliches Angriffsziel für Startups.“ Mit diesem Selbstbewusstsein hat es Siemiatkowski weit gebracht. Vor acht Jahren, als Amazon noch hauptsächlich Bücher verschickte und Zalando nicht gegründet war, startete er mit seinen BWL-Studienfreunden Niklas Adalberth und Victor Jacobssonden den Bezahldienst Klarna, der für Internetshops Verkäufe per Rechnung abwickelt. Lange fand der Sohn polnischer Einwanderer keinen Investor, musste sich bei Gründerwettbewerben aus­lachen lassen als Fantast. Das Urteil: Eine Bezahlplattform sei nichts für Studenten. Warum sollten Händler ihre Abrechnungen an Jugendliche auslagern? Mittlerweile arbeiten 800 Angestellte bei Klarna, in Schweden läuft jeder vierte Onlineeinkauf über die Firma. Im Dezember 2011 sammelte Siemiatkowski 115 Millionen Dollar ein, um die Expansion nach Deutschland zu ­finanzieren – ein Riesenmarkt. 2012 bestellten die Deutschen Waren im Wert von rund 30 Milliarden Euro im Internet. Heute lacht niemand mehr über Siemiatkowski, der neben Onlinediensten wie Paypal oder Clickandbuy und den Banken mit ihren Kreditkarten um das große Geld im Internethandel buhlt. 80.000 Dollar Startkapital Siemiatkowski spricht gern und viel über sein Geschäft, er ist das Gesicht von Klarna und der Chef. Nach seinem Auftritt bei der Konferenz wirft er sich in einen Ledersessel und erklärt mit wachsender Begeisterung sein Modell zwischen IT-Branche und Finanzwelt. Im Prinzip geht es um Factoring: Klarna übernimmt den Rechnungskauf von Onlinehändlern, trägt das Risiko, dass ein Käufer nicht zahlt und bekommt dafür ein bis drei Prozent vom Kaufpreis. Die Schweden liefern einen digitalen Baustein, den die Shops auf ihrer Website einbauen können und präsentieren sich dabei als eigene ­Marke: Wer im Internet kauft, kann auf ein hellblaues „K“ klicken: Bezahlen per Klarna. Bezahlen, das hat nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Gefühlen zu tun, mit Verlässlichkeit und Sicherheit. „Bei uns ging es um die Frage: Wie schaffen wir es, dass die Leute uns vertrauen?“, sagt Siemiatkowski. 80 000 Dollar Startkapital bekamen die Studenten 2005 von einem schwedischen Investor. Was immer sie damals taten: Viel kosten durfte es nicht. Ein Anzug und ganz viele Nullen Siemiatkowskis erste Idee: Eindruck machen. Die Gründer kaufen sich Anzüge, wollen nicht in Schlabbershirts für IT-Nerds gehalten werden. Die Website wird professionell gestaltet, der Telefonanbieter nach Büronummern mit möglichst vielen Nullen in der Mitte gefragt, wie sie bei Konzernen mit vielen Durchwahlen üblich sind – das soll Vertrauen schaffen. Zweiter Gedanke: Kunden ziehen Kunden an. Um sich bei Händlern einen Namen zu machen, hält sich Klarna zunächst an Startups. „Das schien uns erfolgversprechender, als es bei Amazon zu versuchen“, sagt Siemiatkowski. Internetläden wie Nelly.se und Webhallen.se lassen sich auf Klarna ein. Auch weil das kleine Unternehmen mit einem Versprechen lockt: Durch Rechnungskauf sollen mehr Umsätze möglich sein als durch Bezahlen per Kreditkarte oder Lastschrift. Die Schweden wollen ein Problem lösen, das alle Internethändler kennen: die hohen Abbruchquoten. Viele Kunden klicken sich zwar Einkäufe in einen Warenkorb, verlassen dann aber die Seite, ohne zu bestellen – in manchen Shops liegt die Rate bei 50 Prozent. Studien belegen, dass Käufer vor allem dann zurückschrecken, wenn sie persönliche Angaben eintippen sollen. Klarna argumentiert, dass man beim Rechnungskauf nur Basisdaten wie E-Mail-­Adresse und Anschrift eingeben muss. Das Verkaufsvolumen steige so um 25 bis 30 Prozent. Allerdings auch die Gefahr, geprellt zu werden. Dieses Risiko trägt Klarna, die Frage, wer ehrlicher Kunde ist und wer Betrüger, wird ­entscheidend für den Unternehmenserfolg. Risiko­management ist das Herzstück des Start­ups. Das Dilemma: Mehr Daten erhöhen die ­Sicherheit, verkomplizieren aber das Bestellen. Seit der Gründung profitabel In Schweden greifen die Gründer auf die amtliche Personalnummer zurück, unter der Steuerdaten einsehbar sind, in Deutschland informiert sich Klarna bei Datenbanken wie der Schufa. Dazu versucht Siemiatkowski, aus wenig viel herauszuholen. Eine Bestellung in den Abendstunden wird zum Beispiel als vertrauenswürdiger bewertet als eine um zwei Uhr nachts. „Die Adresse Sebastian@gmail.com ist vermutlich viele Jahre alt, Bayernstadel1965@hotmail.com könnte gestern registriert worden sein“, erläutert Siemiatkowski. Wer unglaubwürdig erscheint, kann seinen Einkauf nicht über Klarna abschließen und muss eine andere Zahlungsart wählen. Laut ­eigenen Angaben bleiben die Schweden nur auf wenigen Prozent ihrer Rechnungen sitzen. Heute bieten 15 000 Händler die Zahlung per Klarna an, nach eigenen Angaben lag der Umsatz 2012 bei 140 Millionen Euro, die Firma arbeite seit der Gründung profitabel. In Deutschland heißen die Kunden zum Beispiel Baby Walz und Poster-XXL. Nicht die ersten Namen, an die man beim Thema Onlinehandel denkt. Experten sehen Klarna aber gerade als Lösung für kleine Anbieter, die neben Kreditkarten eine weitere Bezahlform anbieten möchten. Im Nachhinein bezeichnet es Siemiatkowski als Segen, dass seine Firma nur langsam wuchs. „Wir waren keines dieser Startups, die mit ­Kapital zugeschüttet werden und gleich alles verbrennen. Dadurch hatten wir Zeit, Fehler zu machen und zu lernen.“ Und Fehler gab es und gibt es – wer bei Google nach Klarna sucht, findet Foreneinträge von Kunden, die sich durch Mahnungen ungerecht behandelt fühlen. Häufig sind Tippfehler der Grund. Immerhin: Unter negativen Berichten findet sich oft ein Eintrag vom Klarna-Kundenservice – rufen Sie doch an, vielleicht finden wir eine Lösung. Ambitioniertes Fernziel Denn das Fernziel ist ambitioniert: Die „erste Wahl für Onlinehändler“ will Klarna sein, nicht nur in Schweden, sondern bald in Deutschland und eines Tages vielleicht auch in den USA – trotz Paypal, Kreditkarten und der Gefahr, dass irgendwann ein Wettbewerber mit einer tollen Idee den ganzen Markt an sich reißt. „Natürlich schauen wir, was die Konkurrenz macht“, sagt Siemiatkowski. „Sollte doch mal einer kommen mit der perfekten Lösung für das Internet, bin ich sicher: Es wird keine Bank sein.“
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