ESG für Unternehmen
ESG-Berichtspflicht für Unternehmen – Fristen, Kriterien und Umsetzungstipps

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden in der Geschäftswelt immer wichtiger. Unternehmen müssen sich an strengere ESG-Kriterien anpassen. Doch was bedeutet das konkret? Ein Überblick.

Aktualisiert am 27. September 2024, 14:39 Uhr, von Peter Neitzsch, Wirtschaftsredakteur

Graphische Darstellung einer Wippe, die sich im Gleichgewicht befindet, mit drei Bäumen auf der linken und einer Fabrik auf der rechten Seite.
Blühende Landschaften oder rauchende Schornsteine? ESG-Kriterien für Unternehmen tragen zu mehr Nachhaltigkeit bei.
© Richard Drury / Digital Vision / Getty Images

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden in der Geschäftswelt immer wichtiger. Unternehmen müssen sich an immer strengere sogenannte ESG-Regeln anpassen. Doch die Anforderungen kommen nicht nur aus der Politik: Auch die Ansprüche von Kunden, Geschäftspartnern oder Banken an nachhaltiges Wirtschaften steigen ständig.

„Es ist wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema ESG zu befassen, damit man nicht überrascht wird“, sagt Lisa Schosser, Partnerin bei der Unternehmensberatung KPMG und Teil des ESG-Expertenteams von KPMG in Deutschland. Doch was bedeutet das konkret? Was sollten Unternehmen tun, um sich für die neuen Herausforderungen zu rüsten? Und: Wozu sind sie gar verpflichtet? Ein Überblick über Gesetze und Fristen sowie Tipps für die Umsetzung.

Definition: Was bedeutet ESG?

Immer mehr Unternehmen müssen Rechenschaft darüber ablegen, wie nachhaltig sie wirtschaften. Im Kern geht es dabei um die Frage: Wie schneiden Unternehmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ab. Diese drei Bereiche werden unter dem Kürzel ESG zusammengefasst – für die englischen Begriffe: Environmental, Social und Corporate Governance.

  • Environmental (Umwelt) umfasst alle Maßnahmen, die das Unternehmen ergriffen hat, um die Umwelt zu schützen, Ressourcen zu schonen und den CO2-Ausstoß zu verringern.
  • Social (Soziales) betrifft die Arbeitsbedingungen im Betrieb, Vielfalt und Gleichberechtigung im Team, Menschenrechte in der Lieferkette und den gesellschaftlichen Beitrag des Unternehmens.
  • Corporate Governance (Unternehmensführung) bezieht sich auf Strukturen, Praktiken und Richtlinien im Unternehmen – etwa mit Blick auf Management, Kontrollen und Compliance-Regeln.

Unternehmen müssen immer mehr ESG-Kriterien in Form von Auflagen und Gesetzen beachten. Doch die Anforderungen kommen nicht nur aus der Politik: Auch die Ansprüche von Kunden, Geschäftspartnern oder Banken an nachhaltiges Wirtschaften steigen ständig.

Welche ESG-Kriterien für Unternehmen gibt es?

„Für den ESG-Bereich gibt es zwei maßgebliche Regularien auf EU-Ebene“, sagt Timo Busch, Betriebswirt und Inhaber des Lehrstuhls für Energie- und Umweltmanagement an der Universität Hamburg.

  • Da ist zum einen die ESG-Berichtspflicht, die größere Firmen direkt betrifft – und die von diesen auch an kleinere Unternehmen weitergereicht wird, die Teil der Lieferkette sind.
  • Zum anderen gibt es europaweit ESG-Vorschriften für Banken und Finanzinvestoren, die indirekt auch alle Unternehmen betreffen, die sich Geld bei Banken leihen oder am Kapitalmarkt aufnehmen.

Beide Regelwerke sehen vor, dass Daten auch über das eigene Unternehmen hinaus berichtet werden müssen. In der Praxis würden insbesondere Informationen über den CO2-Ausstoß in der Lieferkette benötigt, so Busch. „Deshalb kommen große Unternehmen immer wieder auf ihre Lieferanten zu und verlangen detaillierte Auskünfte.“

Daneben gibt es noch eine Reihe weitere Gesetze, die zum ESG-Bereich gezählt werden. Das ist etwa das Lieferkettengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz.

Was ist die ESG-Berichtspflicht für Unternehmen?

Die ESG-Berichtspflicht für Unternehmen basiert auf einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2022. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wurde jeweils in nationales Recht überführt. Unternehmen müssen in einem Nachhaltigkeitsbericht offenlegen, wie sie ESG-Kriterien umsetzen. Ziel ist es, Transparenz für Investoren, Kunden und andere Stakeholder zu schaffen.

Große börsennotierte Unternehmen mussten in Deutschland bereits seit 2014 unter der Vorgängerregelung Non-Financial Reporting Directive (NFRD) einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. „Mit der aktuellen Richtlinie hat die EU diese Regelung noch einmal deutlich verschärft und ausgeweitet“, erklärt der Experte für nachhaltiges Wirtschaften, Timo Busch.

Nach und nach sind also immer mehr Unternehmen von der ESG-Berichtspflicht betroffen.

Welche Unternehmen fallen unter die ESG-Berichtspflicht?

Unternehmen sind verpflichtet einen Nachhaltigkeitsbericht nach den neuen Vorschriften zu verfassen, wenn die unten aufgelisteten Punkte auf sie zutreffen. „Sind zwei von drei Kriterien erfüllt, muss man bereits einen Bericht erstellen“, sagt Busch. Dafür gelten die folgenden Fristen:

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Ab dem 1. Januar 2024 greift die Berichtspflicht für Unternehmen von öffentlichem Interesse (in Deutschland sind das börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen) mit mehr als 500 Mitarbeitern, die bereits unter die alte Regelung fielen.

Ab dem 1. Januar 2025 gilt sie für große Unternehmen mit

  • mehr als 250 Mitarbeitern,
  • einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro,
  • einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro.

Ab dem 1. Januar 2026 für kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen mit

  • mehr als 10 Mitarbeitern,
  • einem Jahresumsatz von 900.000 Euro,
  • einer Bilanzsumme von 450.000 Euro.

Als „kapitalmarktorientiert“ gelten Unternehmen, die an der Börse notiert sind, Anleihen begeben oder anderweitig bei Kleinanlegern Geld einsammeln.

„Personengesellschaften oder kleine Kapitalgesellschaften, häufig GmbHs, sind also in der Regel auch weiterhin nicht berichtspflichtig“, erläutert Schosser, die bereits zahlreiche Unternehmen bei der Einführung von ESG-Reportings begleitet hat.

Wichtig: Kleine und mittlere Unternehmen, die von der Regelung ab 2026 betroffen sind, können auch einen Aufschub bis 2028 beantragen.

Was bedeutet ESG bei Banken und im Finanzsektor?

Doch auch Unternehmen, die nicht unmittelbar von der Berichtspflicht betroffen sind, sollten sich Gedanken über ihre ESG-Bilanz machen. Der Grund: Banken achten zunehmend auf ESG-Kriterien und berücksichtigen diese bei der Kreditvergabe. Auch das geht auf eine EU-Richtlinie zurück. „Die zweite wichtige Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU betrifft den Bereich der Finanzregulatorik“, erklärt der Hamburger Professor Timo Busch.

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Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verpflichtet Akteure des Finanzmarkts wie Banken oder Fonds offenzulegen, wie nachhaltig ihre Investments sind. „Und diese Informationen müssen die Banken wiederum bei den Unternehmen einholen“, sagt Busch.

Zuständig für die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie ist die Bankenaufsicht des jeweiligen Landes – in Deutschland ist das die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Die Bafin führt Prüfungen durch, um sicherzustellen, dass das Thema ESG bei Banken umgesetzt wird und diese eine Nachhaltigkeitsbewertung bei der Kreditvergabe vornehmen.

Banken prüfen daher standardmäßig die ESG-Performance von Kreditnehmern. Unternehmen mit einer schlechten Nachhaltigkeitsbewertung müssen mit höhere Kreditkosten rechnen oder haben Schwierigkeiten überhaupt einen Kredit zu erhalten.

Was ist der Unterschied zwischen ESG und EU-Taxonomie?

Von den ESG-Regularien zu unterscheiden ist der Bereich der EU-Taxonomie. „Die EU hat an ganz unterschiedlichen Stellen begonnen zu regulieren“, erläutert Busch. Bei der EU-Taxonomie handelt es sich um ein Klassifikationssystem, das dabei hilft, Wirtschaftsaktivitäten als ökologisch nachhaltig einzustufen.

Dafür hat die EU ein System aus Benchmarks entwickelt, beispielsweise wie viel Tonnen CO2 bei der Produktion einer Tonne Stahl üblicherweise ausgestoßen werden. Ein Verfahren, das im Vergleich dazu Energie spart, würde dementsprechend als „grün“ eingestuft.

Die EU-Taxonomie hilft Unternehmen bei der Orientierung, die Rohstoffe einkaufen oder selbst herstellen. „Das betrifft allerdings eher große und produzierende Unternehmen“, so Busch. Die meisten kleineren Unternehmen dürften mit diesem Klassifikationssystem nicht in Berührung kommen. Es geht hier nur um einige konkrete Aktivitäten.

Anders beim ESG-Bereich: „ESG-Kriterien beziehen sich immer auf das ganze Unternehmen – unabhängig von der Größe oder der Branche.“

Was passiert, wenn Unternehmen ESG-Kriterien nicht erfüllen?

Halten sich Unternehmen nicht an die ESG-Vorschriften, kann das für sie in verschiedener Hinsicht negative Konsequenzen haben. Dazu gehören finanzielle Sanktionen wie Bußgelder, wenn gesetzliche Vorgaben verletzt wurden. Ein Verstoß gegen Berichterstattungsvorschriften kann abhängig von der Firmengröße Geldbußen von bis zu zwei Millionen Euro nachsichziehen. Bewusste Falschdarstellungen sogar Freiheitsstrafen.

Aber auch Reputationsschäden bei Kunden, Investoren und Geschäftspartnern sind eine mögliche Folge von fehlenden ESG-Standards. Schlimmstenfalls müssen Unternehmen bei einer fehlerhaften Darstellung mit Schadensersatzansprüchen rechnen – etwa durch Wettbewerber.

Schließlich kann die Nichteinhaltung von ESG-Kriterien die Finanzierung erschweren, da immer mehr Investoren und Banken Geld nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vergeben.

Was muss im ESG-Nachhaltigkeitsbericht stehen?

Ein ESG-Nachhaltigkeitsbericht sollte darüber informieren, was ein Unternehmen in den drei Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung tut. In der Regel enthält jeder Bericht einen quantitativen Teil sowie einen qualitativen Teil, den Unternehmerinnen und Unternehmer relativ frei gestalten können.

1. Qualitativer Teil

Neben den aktuellen Aktivitäten kann ein ESG-Bericht auch Ziele nennen, die sich das Unternehmen gesteckt hat – und beschreiben, mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen. Vorgeschrieben ist das allerdings nicht. „Bei der Berichtspflicht geht es zunächst nur um Transparenz“, erklärt die Mittelstandsexpertin Schosser. „Im Prinzip könnte man im qualitativen Teil auch schreiben, ich habe keine ESG-Ziele und mache nichts.“

2. Quantitativer Teil

Deutlich stärker reguliert ist dagegen der quantitative Teil: „Hier sind Unternehmen verpflichtet, bestimmte Kennzahlen offenzulegen – etwa zum CO2-Ausstoß, zur Recyclingquote oder zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern im Betrieb“, sagt Schosser. Dieser ESG-Kennzahlenkatalog sei vergleichbar mit der Bilanz, die Unternehmen einmal im Jahr erstellen müssen.

Berichtspflichtige Unternehmen müssen diese Zahlen veröffentlichen – vorausgesetzt, dass diese für das Unternehmen wesentlich sind. „Wer kein physisches Produkt herstellt, der kann natürlich auch keine Recyclingquote veröffentlichen“, erklärt Schosser.

Welche Indikatoren das in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung genau sind, lässt sich etwa dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) entnehmen. Der vom Rat für Nachhaltige Entwicklung ausgearbeitete DNK-Standard soll besonders kleinen und mittleren Unternehmen helfen, einfach in die ESG-Berichterstattung einzusteigen.

Wie lässt sich ein ESG-Bericht konkret erstellen?

„Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich überlegen: Was ist meine Reportingstragie?“, rät Schosser. Dafür sollten sie die Frage beantworten: „Wie viel will ich preisgeben? Nur das Nötigste oder kommuniziere ich bewusst mehr?“ Von dieser Entscheidung hängt das weitere Vorgehen ab.

Als nächstes müssen Inhaber entscheiden, wen sie für die Erstellung des ESG-Berichts ins Boot holen. Meist ist es sinnvoll, die Personalabteilung des Betriebs hinzuziehen, aber auch Beauftragte für Datenschutz oder Gleichstellung sollten eingebunden werden. Für andere Kennzahlen – etwa zum CO2-Ausstoß – gibt es Ansprechpartner in den Fachabteilungen, etwa im Einkauf oder in der Fertigung.

„Die Daten, die für eine ESG-Reporting erforderlich sind, befinden sich im Unternehmen an ganz unterschiedlichen Stellen“, erläutert Schosser. Mitunter müssen Daten auch erst gesammelt werden, weil sie noch gar nicht im System nicht hinterlegt sind.

Wie können Unternehmen ihre ESG-Bilanz verbessern?

„In dem meisten Firmen gibt es ‚low hanging fruits‘, die sich leicht ernten lassen“, sagt Busch. In vielen Bereichen ließe sich etwa ohne großen Aufwand Energie sparen. Das senkt nicht nur die Kosten, sondern ist auch der größte Hebel, um den CO2-Verbrauch des Unternehmens zu reduzieren.

„Ich würde immer mit dem Thema CO2 und Energieverbrauch anfangen“, rät Busch. „Denn das wird früher oder später auf alle Firmen zukommen.“ Gleichzeitig steht den Unternehmen hier auch ein Koffer mit etablierten Werkzeugen zur Verfügung. So gibt es im Internet etwa kostenlose CO2-Rechner wie der von Ecocockpit, mit deren Hilfe sich der jeweilige CO2-Ausstoß ermitteln lässt.

„Im nächsten Schritt kann man sich um weitere Kriterien kümmern, die Unternehmen erfüllen sollten, um ihre ESG-Bilanz zu verbessern“, erläutert Busch. 80 Vorschläge, was Sie in Ihren Nachhaltigkeitsbericht schreiben können, können impulse-Mitglieder hier herunterladen: Checkliste ESG-Bilanz.

Auch hier hilft die DNK-Website weiter. Dort lassen sich auch Berichte anderer Unternehmen einsehen und zur Inspiration für einen eigenen Bericht nutzen. „Das ist ein guter Ausgangspunkt, um sich mit der Thematik zu befassen“, so Busch. Fortbildungen zum Thema bieten auch viele Industrie- und Handelskammern an.

Welche Vorteile bietet die Einhaltung der ESG-Kriterien?

Nicht nur für Banken sind ökologische und soziale Kriterien wichtig. „Arbeitnehmer und Kunden achten immer mehr darauf, wie die Produkte hergestellt werden“, sagt Busch. „Wenn man hier mit umweltfreundlichen Verfahren punkten kann, wird das künftig ein echter Wettbewerbsvorteil sein.“

Für Firmen, die Fachkräfte suchen, kann es auch interessant sein, sich als nachhaltig wirtschaftender Arbeitgeber zu positionieren – und das gezielt im Recruiting zu benutzen. „Bewerbern aus der jüngeren Generation sind Themen wie Ökologie und Klimawandel sehr wichtig.“ Einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und dies aktiv zu kommunizieren, kann daher auch für Unternehmen sinnvoll sein, die von der ESG-Berichtspflicht bislang noch nicht betroffen sind.

„Sich mit diesen Themen zu beschäftigen, ist ein hervorragendes Instrument der Organisationsentwicklung“, sagt Wirtschaftsprüferin Lisa Schosser. Statt nur einer Pflicht nachzukommen, können Unternehmen den Bericht nutzen, um gezielt bestimmte Stakeholder – wie Investoren, Kunden oder Mitarbeiter – anzusprechen.

Die Experten
Lisa SchosserLisa Schosser ist Partnerin bei der Unternehmensberatung KPMG und Teil des ESG-Expertenteams von KPMG in Deutschland. Die Wirtschaftsprüferin hat bereits zahlreiche Unternehmen bei der Einführung von ESG-Reportings begleitet.
 

Prof. Dr. Timo Busch ist Inhaber des Lehrstuhls für Energie- und Umweltmanagement an der Universität Hamburg. Der Betriebswirt forscht unter anderem zu den Themen nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltige Finanzierung.

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