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Was bedeutet ESG bei Banken?
Nachhaltig zu wirtschaften wird für Unternehmen immer wichtiger. Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von ESG-Kriterien die Rede: Die Abkürzung ESG steht für die englischen Begriffe Environmental, Social und Governance – also für die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Damit ist gemeint, dass Unternehmen zunehmend Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sie selbst und ihre Zulieferer bestimmte Umwelt- und Sozialstandards einhalten. So sind ab 2024 immer mehr Unternehmen dazu verpflichtet, einen ESG-Bericht zu verfassen.
Doch nicht nur das Thema ESG für Unternehmen gewinnt an Bedeutung. Auch Banken achten zunehmend auf ESG-Kriterien und berücksichtigen diese etwa bei der Kreditvergabe. Eine EU-Richtlinie verlangt von Banken zu prüfen, ob Kreditnehmer Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Die Folge: Unternehmen mit einem schlechten ESG-Scoring müssen teilweise mit höhere Kreditkosten rechnen oder haben schlimmstenfalls Schwierigkeiten, überhaupt einen Kredit zu erhalten.
Wie bewerten Banken die Bonität eines Unternehmens?
Banken beurteilen die Kreditwürdigkeit von Unternehmen anhand von vier Faktoren, erläutert Carl-Dietrich Sander, Unternehmensberater und Finanzierungsexperte aus Kaarst in der Nähe von Düsseldorf. Diese Faktoren sind traditionell:
- das Rating des Unternehmens,
- die Berechnung der Kapitaldienstfähigkeit und
- die vorhandenen Sicherheiten.
Neu zur klassischen Bonitätsprüfung hinzugekommen ist nun als vierter Punkt: ESG. Banken nutzen ESG-Kriterien, um das Risiko von Investitionen besser zu bewerten und zu minimieren.
Dass ESG bei Banken überhaupt eine Rolle spielt, liegt an einer EU-Richtlinie zur Regulierung des Finanzmarkts. Die Umsetzung dieser Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) ist Aufgabe der nationalen Bankenaufsichten. So treibt in Deutschland vor allem die Bafin die Berücksichtigung von ESG-Kriterien durch Banken voran. „Das Regelwerk der Bafin wurde 2023 völlig überarbeitet und jetzt gewinnt das Thema ESG bei Banken langsam aber stetig an Bedeutung“, sagt Sander.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Banken?
Für die Umsetzung der Vorgabe hat die Bafin den Banken bis zum 1. Januar 2024 Zeit gegeben. „Seitdem müssen Banken die von ihnen vergebenen Kredite nach ESG-Kriterien einordnen“, sagt Sander. Dabei geht es darum, wie nachhaltig die Unternehmen wirtschaften, denen Banken Geld leihen. Also: Welchen CO2-Fußabdruck hat ein Betrieb? Wie stellt die Firma sicher, dass Standards in der Lieferkette eingehalten werden? Wie steht es um die Gleichberechtigung?
Besonders wichtig ist der Aufsicht, dass die Banken „im Umgang mit ESG-Risiken einen angemessenen Ansatz für das Risikomanagement entwickeln“, heißt es von der Bafin. „Gerade bei langfristigen Krediten müssen Unternehmen über einen langen Zeitraum kapitaldienstfähig bleiben“, erläutert Sander, der auch der Fachgruppe Finanzierung und Rating im Bundesverband „Die KMU-Berater“ angehört. Banken müssen also die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells bewerten.
Im Kern geht es um die Frage: „Wie zukunftsfähig ist ein Betrieb?“, so Sander. Also: Welche Übergangsrisiken existieren in der jeweiligen Branche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit? Wo steht das Unternehmen verglichen mit anderen? Und: Welche Umweltrisiken gibt es am Standort?
Darüber hinaus wird auch das Thema nachhaltiges Banking immer wichtiger: Viele Banken haben sich selbst verpflichtet, ihre Portfolios nachhaltiger zu gestalten – ESG-Kriterien werden so zunehmend zur Voraussetzung für den Zugang zu günstiger Finanzierung.
Auf welche ESG-Kriterien achten Banken?
Banken achten auf eine Vielzahl von ESG-Kriterien, in den einzelnen Bereichen sind das etwa:
- Umwelt: CO2-Emissionen, Abfallmanagement, Wasserverbrauch und der Anteil erneuerbarer Energien.
- Soziales: Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Verantwortung in der Lieferkette und Inklusion.
- Governance: Einhaltung von Compliance-Richtlinien, Transparenz und Qualität des Risikomanagements.
Wie genau diese Aspekte gewichtet werden, bleibt allerdings ein Betriebsgeheimnis der Bank. Erschwerend kommt hinzu, dass die Finanzinstitute nicht jedes Unternehmen individuell bewerten. Stattdessen arbeiten Banken mit einem Scoring-System: Dabei bewerten sie das ESG-Risiko von Unternehmen auf einer Skala von A bis E, wobei A für geringe und E für hohe Nachhaltigkeitsrisiken steht.
„Noch erfolgt die Einordnung überwiegend relativ pauschal“, erläutert Sander. Doch der Trend gehe zu immer ausführlicheren Fragenkatalogen, aus denen dann ein detailliertes ESG-Risiko-Scoring abgeleitet werde.
Welche Folgen hat ein schlechtes ESG-Scoring?
Das ESG-Profil eines Kunden fließt in die Kreditentscheidung der Bank ein: „Ein schlechtes Scoring kann dazu führen, dass die Bedingungen für den Kredit geändert werden, die Zinsen erhöht werden oder als Ultima Ratio das Geschäft gar nicht erst zustande kommt“, sagt Torsten Jäger, Leiter Sustainable Finance beim Bundesverband deutscher Banken.
Umgekehrt könnten Kunden mit gutem ESG-Profil oder nachhaltiger Mittelverwendung Zugang zu speziellen nachhaltigen Krediten erhalten.
Das Problem aus der Sicht von Unternehmerinnen und Unternehmern: Der Kreditnehmer erfährt über seine Bewertung meist wenig. „In der Regel werden Banken über ihre Gründe Stillschweigen bewahren und die Scorings im Hintergrund nicht erwähnen“, sagt Finanzierungsexperte Carl-Dietrich Sander.
Um mehr zu erfahren, hilft oft nur ein gutes Verhältnis zum Bankberater. Auch sind Banken dazu verpflichtet, Auskunft darüber zu geben, warum ein Kredit abgelehnt wurde. Sander rät deshalb dazu, aktiv nachzufragen, wie die Bank die ESG-Bewertung vornimmt. Denn nur dann können Inhaber reagieren und etwa Unterlagen einreichen oder Maßnahmen ergreifen, um auf ein besseres Scoring hinzuwirken.
Welche Scoring-Modelle nutzen die Banken?
Die Mitgliedsinstitute der großen Bankverbände – also Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken – haben bereits Scoring-Modelle entwickelt und im Einsatz. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken verwenden mit dem VR-ESG-Risikoscore ein eigenes System, das seit 2023 flächendeckend von den Banken genutzt werden kann.
Die Sparkassen nutzen den S-ESG-Score, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und Unternehmen im Vergleich zum Branchendurchschnitt einzuordnen.
Die im Bundesverband deutscher Banken organisierten Privatbanken haben sowohl eigene Scoring-Systeme entwickelt, nutzen aber auch Scorings von Drittanbietern. „Das ist eine geschäftspolitische Entscheidung der einzelnen Institute“, heißt es aus dem Verband. Eine Übersicht des Bankenverbands, welche ESG-Kennzahlen Banken typischerweise von Unternehmen benötigen, kann von der Verbandswebsite heruntergeladen werden.
Auch Auskunfteien wie die Creditreform oder CRIF bieten – vergleichbar mit der Bonitätsauskunft – ESG-Scorings an, die Banken nutzen können, die kein eigenes Scoring-System haben. Unternehmen können bei diesen Anbietern ebenfalls erfragen, welches ESG-Scoring ein Geschäftspartner hat.
Wie wichtig ist der Standort für die ESG-Bewertung?
„Aktuell ordnen die Banken anhand ihrer ESG-Risiko-Scores Unternehmen einer Risikoklasse zu, die vor allem von der Branche und vom Standort abhängt“, erläutert der Finanzierungsexperte Carl-Dietrich Sander. So fließt etwa das Risiko von Naturkatastrophen am Standort in die Bewertung ein.
Den Ausschlag für die Einstufung gibt also nicht das Bemühen des Unternehmens, nachhaltig zu wirtschaften, sondern oft schlicht das Postleitzahlgebiet des Firmensitzes.
Ist der Standort des Unternehmens zum Beispiel oft von Hochwasser betroffen, verschlechtert sich automatisch das Scoring. Dabei bleiben die konkreten Umstände unberücksichtigt: Das schlechte Scoring bleibt auch, wenn die Firma Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat oder sich die Produktionsstandorte womöglich ganz woanders befinden als der Firmensitz. „Hier lohnt es sich als Unternehmen aktiv darauf hinzuweisen, dass die Risiken am tatsächlichen Standort anders verteilt sind“, rät Sander.
Wie wichtig ist die Branchenzugehörigkeit?
Das zweite wichtige Kriterium ist die Branche. So haben einige Branchen von Natur aus höhere Umweltrisiken, wie etwa die Chemieindustrie oder die fossile Energieerzeugung.
„Aus einer Perspektive der Nachhaltigkeit macht es natürlich einen Unterschied, ob ich Steuerberater bin oder Brennstoffhändler“, sagt Sander. Banken würden Angehörige der letztgenannten Berufsgruppe – allein aufgrund ihrer Branchenzugehörigkeit – in die ESG-Risikoklasse „E“ einstufen. Das Geschäftsmodell eines Steuerberaters birgt dagegen nur geringe Nachhaltigkeitsrisiken – Angehörige dieses Berufs werden daher in die ESG-Risikogruppe „A“ eingeordnet.
Nicht immer ist die Brancheneinordnung nachvollziehbar. Wer sich mit seiner ESG-Einstufung nicht zufriedengeben will, sollte daher aktiv daraufhin wirken, dass diese geändert wird, rät Sander. So könnten Landwirte etwa nachfragen: „Wurde bei der Einstufung bereits berücksichtigt, dass ich meinen Hof auf Biolandwirtschaft umgestellt habe?“
Wie können Unternehmen ihr ESG-Scoring verbessern?
Wer mehr macht als branchenüblich, sollte das auch belegen können. „Je besser ihre Daten und Informationen sind, desto besser können Banken oder Ratingagenturen das ESG-Profil eines Unternehmens bewerten“, sagt Torsten Jäger vom Bankenverband. Unternehmen sollten daher früh damit anfangen, Nachhaltigkeitsdaten zu sammeln.
Carl-Dietrich Sander rät Inhabern, bereits umgesetzte Maßnahmen aktiv herauszustellen. Sein Tipp: „Sammeln Sie einfach mal, was Sie schon machen, oder fragen Sie Ihre Mitarbeiter, die haben oft noch ganz andere Ideen.“ Die meisten Firmen würden in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung schon viel tun, hätten diese Aktivitäten aber noch nie systematisch zusammengestellt.
„Unternehmerinnen und Unternehmer könnten zum Beispiel ihren CO2-Fußabdruck ermitteln“, schlägt Sander vor. Tools und Anleitungen dafür finden sich kostenlos im Internet (zum Beispiel hier: www.ecocockpit.de). Damit können Unternehmen eine Klimabilanz erstellen und diese regelmäßig aktualisieren. „So haben Sie schon einen ersten Nachhaltigkeitsbericht, den Sie den Banken geben können.“
Dass ein solches Vorgehen sinnvoll ist, bestätigt der Sparkassenverband: „Ein gut erstellter Nachhaltigkeitsbericht kann positiv in das Scoring einfließen, da er zeigt, dass das Unternehmen sich systematisch mit seinen Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen auseinandersetzt.“
Welche Punkte Sie in einem Nachhaltigkeitsbericht herausstellen können, können impulse-Mitglieder hier nachlesen: Checkliste ESG-Bilanz.
Was können Unternehmen im Bereich ESG noch tun?
Nach der Bestandsaufnahme besteht der nächste Schritt darin, sich Ziele in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung zu setzen, etwa: mehr erneuerbare Energien einsetzen, Verpackungsmüll vermeiden, die Mitbestimmung ausbauen oder Ethikrichtlinien einführen.
Wenn sich Unternehmen Ziele setzen und entsprechende Maßnahmen planen würden, sei bereits viel gewonnen, so Jäger vom Bankenverband. „Unternehmen sollten schon aus Wettbewerbsgründen daran interessiert sein, besser zu sein als ihre Konkurrenz.“
Darüber hinaus können sich Unternehmen auch durch spezialisierte Agenturen bewerten lassen oder eine ESG-Zertifizierung anstreben, um ihr Scoring zu verbessern. So bietet die Creditreform Unternehmen die Möglichkeit, freiwillig Nachhaltigkeitsdaten in dem Portal MyESG zu hinterlegen.
Beide große Auskunfteien bieten zudem die Möglichkeit an, das Unternehmen zertifizieren zu lassen: Bei der Creditreform heißt das System Ecozert, bei CRIF gibt es das Synesgy-Zertifikat.
Warum ist das Thema ESG für Unternehmen noch wichtig?
Das Thema Nachhaltigkeit ist nicht nur für die Zusammenarbeit mit Banken relevant: „Auch andere Stakeholder werden Sie danach fragen – Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Bewerber“, sagt Sander. In vielen Branchen würden junge Leute auch ihren Arbeitgeber danach auswählen, wie das Unternehmen mit Nachhaltigkeitsaspekten umgeht.
Unternehmen, die ESG-Kriterien nicht erfüllen, riskieren finanzielle Nachteile und Reputationsschäden. Eine solide ESG-Strategie hilft Firmen dagegen nicht nur, Risiken zu minimieren, sondern auch Chancen zu nutzen, indem sie sich als verantwortungsbewusste und zukunftsorientierte Marktteilnehmer positionieren.
„Man sollte sich nicht nur wegen der Finanzierung mit dem Thema ESG bei Banken befassen“, empfiehlt Sander. „Letztlich geht es um die Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells.“ Unternehmerinnen und Unternehmer könnten die ESG-Kriterien also auch nutzen, um ihr Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln.
Carl-Dietrich Sander ist Unternehmensberater aus Kaarst in der Nähe von Düsseldorf. Seit mehr als 25 Jahren berät er Unternehmer in Finanzierungsfragen. Davor hat Sander in leitenden Positionen im Bankbereich gearbeitet. Der Autor des Buches „Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln“ gehört der Fachgruppe Finanzierung und Rating im Bundesverband „Die KMU-Berater“ an.
Torsten Jäger leitet das Team Sustainable Finance im Bundesverband deutscher Banken und begleitet in dieser Funktion die verschieden ESG-Initiativen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene. Der Bankenverband hat einen ESG-Datenkatalog erarbeitet, welche Daten Banken typischerweise für ihr Risikomanagement benötigen.
