Urlaubskultur im Unternehmen
Urlaubsplanung: 8 Tipps für weniger Konflikte und mehr Erholung

Von Vertretungsregeln bis zur Erreichbarkeit in den Ferien: Besprechen Sie mit Ihrem Team diese acht Punkte – und Ihre Mitarbeitenden können entspannt Urlaub machen.

23. Juli 2024, 08:30 Uhr, von Christoph Henn

Zwei Liegestühle in der Sonne.
Mit einer guten Urlaubskultur im Unternehmen können sich in den Ferien alle entspannt zurücklehnen.
© Volanthevist / Moment / Gettyimages

Mindestens 20 Tage Urlaub stehen deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei einer Fünftagewoche gesetzlich zu. Im Durchschnitt gewähren Firmen aber 28,9 Urlaubstage, mit Feiertagen können daraus rund 40 Tage werden. Viel Zeit also, um richtig abzuschalten und Kraft zu tanken für neue Höchstleistungen nach dem Urlaub.

Doch die wenigsten haben den Kopf frei, wenn sie am Strand liegen oder in den Bergen verweilen. Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom waren 71 Prozent der Beschäftigten im Sommer 2022 während des Urlaubs für die Arbeit erreichbar. Und immerhin 27 Prozent lasen oder bearbeiteten E-Mails und nahmen, wenn nötig, an Videokonferenzen teil. Der Hauptgrund für den Arbeitseifer in den Ferien ist nicht etwa persönlicher Ehrgeiz, sondern Pflichtgefühl: 63 Prozent gehen davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen erwarten, dass man erreichbar ist; 50 Prozent denken, dass Vorgesetzte das wünschen.

Natürlich gibt es Gründe, für wichtige Fragen greifbar zu sein. Grundsätzlich ist es aber auch fürs Unternehmen besser, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Urlaub abschalten können. Denn gut erholte Menschen sind produktiver, kreativer und fallen seltener wegen Krankheit aus. „Unternehmen sollten eine Kultur etablieren, nach der Urlaub auch wirklich Urlaub bedeutet“, sagt die Professorin Carmen Binnewies. Sie lehrt an der Universität Münster Arbeitspsychologie und forscht unter anderem zu Work-Life-Balance.

Doch wie sieht eine gesunde Urlaubskultur aus? Acht Tipps, wie Chefs und Chefinnen dafür sorgen können, dass Beschäftigte in ihrer Auszeit abschalten können.

Tipp 1: Urlaubsregeln festlegen, die alle fair finden

Wer darf in den begehrten Schulferien weg – und wie lange? Weil der Urlaub eines Teammitglieds oft auch die anderen betrifft, helfen ein paar Grundregeln, die alle akzeptieren und als fair empfinden. „Am besten ist es, wenn die Mitarbeitenden diese gemeinsam erarbeiten und dabei auch die Bedürfnisse der Kunden im Auge behalten“, sagt Carsten Roth, Berater für Unternehmenskultur.

Eine Regel könnte sein, dass Eltern mit schulpflichtigen Kindern in den Schulferien bevorzugt werden. Möchten aber viele im selben Zeitraum frei machen, könnte ein Rotationsprinzip helfen, wonach jeder mal drankommt. „Je nach Unternehmen können auch Betriebsferien sinnvoll sein, um ein belastendes Gerangel um die beliebtesten Urlaubszeiten zu vermeiden“, sagt Professorin Carmen Binnewies.

Keine sinnvolle Regelung dagegen ist, dass immer die Person zum Zug kommt, die als Erste den Urlaubsantrag einreicht.

Tipp 2: Rechtzeitig Reminder verschicken

Auf Basis solcher Absprachen sollte auch die Urlaubsplanung in den Händen des Teams liegen: „Es gibt weniger Konflikte, wenn das innerhalb der Teams geregelt wird“, sagt Roth. Entscheidend ist, dass Kolleginnen möglichst früh wissen, wann ein Teammitglied im Urlaub ist. Carmen Binnewies empfiehlt, mindestens zwei Wochen vor dem Urlaub einen Reminder zu verschicken, etwa an Teamkollegen oder Geschäftspartner. „Das reduziert die Gefahr, dass noch vieles an den letzten Arbeitstagen geklärt werden muss und man völlig gestresst in den Urlaub startet.“ Stress lässt sich ihr zufolge auch vermeiden, wenn die Urlaubstage von vornherein in Projektplänen berücksichtigt sind.

Tipp 3: To-dos auflisten und priorisieren

Eine To-do-Liste speziell für die Zeit vor der Abreise kann ebenfalls den Arbeitsstress senken, sagt Binnewies. So könnte man zwei oder drei Wochen vorm Urlaub sämtliche Aufgaben auflisten und nach Wichtigkeit sortieren: Was ich unbedingt vor dem Urlaub erledigen muss; was vor den Ferien „nice to have“ wäre; und was getrost bis nach dem Urlaub Zeit hat. „Solche Listen erleichtern das Loslassen“, sagt Carmen Binnewies. Vorgesetzte können dabei helfen, Prioritäten festzulegen und Urlaubs-Checklisten zur Verfügung stellen.

Tipp 4: Vertretung briefen, was zu tun ist

Leichter abschalten lässt sich auch, wenn die Mitarbeiterin weiß, dass jemand anderes die Aufgaben erledigt. Allerdings sollten Chefs und Chefinnen nicht nur darauf achten, dass urlaubende Teammitglieder vertreten werden. Sie sollten auch verhindern, dass die Vertretung in dieser Zeit unverhältnismäßig viel Arbeit leistet. „Das ist in kleineren Unternehmen eine große Herausforderung“, sagt Coach Carsten Roth und rät auch hier zur Priorisierung, wie unter Punkt 3 beschrieben: Die Vertretung konzentriert sich nur auf dringende Aufgaben.

Hilfreich ist auch ein Übergabeprotokoll, in dem steht, bis wann welche Aufgaben zu erledigen sind. Aber auch Kontaktdaten von Ansprechpartnern sowie Infos, wo etwa wichtige Unterlagen abgelegt sind, gehören dazu. Das sorgt auf beiden Seiten für mehr Entspannung: Die Vertretung weiß, was zu tun ist, und die Person im Urlaub wird nicht durch das Gefühl belastet, dass noch Dinge offen sind. „Alles, was unerledigt ist, begünstigt das Nachdenken über die Arbeit“, sagt Carmen Binnewies.

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Tipp 5: Erreichbarkeit vorm Ferienstart reduzieren

Damit die letzten Arbeitstage nicht zum Dauerstress aus To-dos, Übergaben und Nachfragen werden, der noch die ersten Urlaubstage überschatten kann, sollten Beschäftigte schon ein paar Tage vorher einen Gang herunterschalten können. Coach Carsten Roth empfiehlt: „Unternehmen können Mitarbeiter dazu ermuntern, dass sie zwei Tage vor dem Ferienstart die Erreichbarkeit reduzieren.“ Um dann die wichtigsten Dinge in Ruhe abzuarbeiten.

Tipp 6: Regeln, ob im Urlaub gestört werden darf

Angestellte sind nicht verpflichtet, im Urlaub erreichbar zu sein. Dennoch bieten es einige von sich aus an oder lesen Firmenmails. In solchen Fällen empfiehlt Coach Carsten Roth eine vorher abgestimmte „Kommunikationseskalation“, bei welchen Themen Urlaubende in Ruhe gelassen werden, bei welchen eine Textnachricht reicht oder ein Anruf notwendig ist.

Manche setzen urlaubende Kollegen routinemäßig bei Mails in cc. Auch hier sollte kommuniziert werden, dass keiner im Urlaub darauf reagieren muss, rät Professorin Binnewies.

Tipp 7: Mitarbeitende nach dem Urlaub langsam starten lassen

Auch nach der Rückkehr aus dem Urlaub sollte ein Puffer eingeplant werden, bevor die Arbeit wieder richtig losgeht. „Unserer Forschung zufolge halten Erholungseffekte nach dem Urlaub maximal zwei bis drei Wochen an“, sagt Binnewies. „Je größer der Stress nach der Rückkehr, desto schneller verfliegt der Effekt.“ Deshalb empfiehlt sie: keine wichtigen Termine an den ersten Arbeitstagen. Stattdessen lieber die Abwesenheitsnotiz noch zwei, drei Tage laufen lassen und in Ruhe Mails sichten sowie die Rückübergabe mit der Vertretung machen. Noch ein Tipp von der Arbeitspsychologin: „Wer zur Wochenmitte startet, konserviert die Erholung unter Umständen etwas länger, weil die nächste Ruhephase schneller folgt.“

Tipp 8: Als Chef Vorbild sein und Urlaub machen

Auch Chefinnen und Chefs selbst sollten ein gesundes Urlaubsverhalten pflegen. „Wenn Vorgesetzte viel Arbeit mit nach Hause nehmen, neigen auch die Mitarbeitenden dazu und sind erschöpfter als in anderen Firmen“, berichtet Binnewies aus einer ihrer Studien.

Wenn Führungskräfte im Urlaub für alle sichtbar arbeiten, wirkt sich das auf die Firmenkultur aus – und echter Urlaub bekommt einen schalen Beigeschmack. Chefinnen und Chefs sollten aber das Gegenteil vermitteln, so Binnewies: „Wer Urlaub macht und sich erholt, verhält sich verantwortungsvoll.“ Und das nützt am Ende auch dem Unternehmen.