Unternehmen ohne Hierarchie
„Wir haben keine Chefs“

Nicolaj Armbrust hat vor zwei Jahren in seinem Unternehmen die Hierarchien abgeschafft - und damit seine eigene Führungsrolle. 120 Mitarbeiter ohne Führung. Kann das gut gehen?

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Vom Chef zum Teammitglied: Nicolaj Armbrust hat die Hierarchien in seiner eigenen Firma abgeschafft. Seit zwei Jahren ist Traum-Ferienwohnung ein Unternehmen ohne Chefs und Abteilungsleiter.
Vom Chef zum Teammitglied: Nicolaj Armbrust hat die Hierarchien in seiner eigenen Firma abgeschafft. Seit zwei Jahren ist Traum-Ferienwohnung ein Unternehmen ohne Chefs und Abteilungsleiter.
© Traum-Ferienwohnungen

Nicolaj Armbrust studierte noch Informatik, als er mit Freunden das Unternehmen Traum-Ferienwohnungen gründete. Anfangs betrieben sie den Online-Marktplatz für Ferienwohnungen nebenbei – mittlerweile hat das Unternehmen 120 Mitarbeiter.

Vor zwei Jahren wagten Armbrust und sein Co-Chef Sebastian Mastalka einen ungewöhnlichen Schritt: Sie strukturierten Traum-Ferienwohnungen komplett um und schafften die Hierarchien ab – Chefs und Abteilungsleiter wurden zu Teammitgliedern. Funktioniert das?

impulse: Herr Armbrust, waren alle begeistert, als Sie vor zwei Jahren gesagt haben: „Ab morgen gibt es bei uns keine Chefs mehr“?

Nicolaj Armbrust: Natürlich passt unsere Struktur nicht für jeden. Wenn man die Abteilungsleiter abschafft, dann nimmt man Kollegen schließlich auch die Möglichkeit, die Karriereleiter weiterzugehen. Da waren zwei, drei Mitarbeiter dabei, denen die neue Organisation nicht passte. Die meinten: „Mein Ziel ist es, eine Managementkarriere zu machen und irgendwo Chef zu werden. Wenn ich jetzt hier Teammitglied bin, dann ist das für den Lebenslauf nicht gut, also muss ich leider gehen.“

Und was haben die Abteilungsleiter gesagt, die quasi degradiert wurden?

Das war schon schwierig für einige. Vor unseren ehemaligen Abteilungsleitern muss ich den Hut ziehen. Die sind alle noch hier, keiner ist gegangen. Die haben gesagt: „Wir ziehen mit. Das wird schwer, aber wir versuchen es.“ Die haben verstanden, warum wir das machen.

Und warum machen Sie das? Keine Hierarchien zu haben, wirft viele Fragen auf: Wer ist verantwortlich? Wer trifft Entscheidungen? Wer legt Strukturen fest?

Dazu muss man unsere Geschichte kennen: Wir haben als Start up angefangen – ganz ohne Hierarchien. Bei 20 Mitarbeitern haben wir gemerkt, dass es hakelig wird: Man muss sich mehr abstimmen. Deshalb haben wir erste Abteilungen eingeführt. Bei 40 Mitarbeitern funktionierte die Struktur mit Abteilungen und Abteilungsleitern gut.

Doch bei 80 bildeten sich Silos zwischen den Abteilungen: Es war etwa eine richtige Entfremdung zwischen Marketingabteilung und Entwicklung zu spüren. Die Entwickler hatten sich quasi in ein Marmeladenglas eingeschraubt, damit sie bloß keiner stört. Mir und ein paar anderen Kollegen fiel auf: Das geht in die falsche Richtung, Sachen gehen schwerer als früher.

Zum Beispiel?

Die Kommunikation. Wir wollen Kundenanfragen möglichst schnell und gut beantworten. Das ist unglaublich schwer, wenn die Anfrage in der Support-Abteilung reinkommt, der Support sie dann über den Abteilungsleiter hin zum Marketing leiten muss, die dann irgendwann sagen: Nee, da sind aber die Entwickler für zuständig. Die sitzen aber in ihrem zugeschraubten Marmeladenglas. Das war langatmig. In der Anfangszeit haben wir einfach über den Tisch gerufen. Deshalb haben wir uns gefragt: Warum geht das mit 80 Personen nicht mehr?

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Was haben Sie dann unternommen?

Wir haben uns Hilfe von einem Coach geholt. Wir haben überlegt: Wofür stehen wir eigentlich? Was ist passiert in den letzten zwei Jahren, was gab es für Missverständnisse zwischen den Abteilungen? Später haben wir uns an die Lösungsfindung gemacht. Dabei hatten wir die Idee, dass es uns helfen kann, wenn wir die Mitarbeiter nicht klassischen Abteilungen zuordnen, sondern nach unseren Zielgruppen aufteilen: ein Team für Privatvermieter, eins für gewerbliche Vermieter und eins für Urlauber. Diese Teams setzen sich aus verschiedenen Fachrichtungen zusammen, also Mitarbeiter für den Kundenkontakt, Marketing, Verkauf, Programmierung, Nutzererfahrung, Produkt. Die Idee war, den Mitarbeitern Fokus zu geben, dass sich jeder auf eine Zielgruppe konzentrieren.

Damit haben Sie aber noch nicht die Hierarchien abgeschafft.

Nein, das war auch nicht das Ziel. Doch eine Abteilungsleiterin sagte: „Von so einem gemischten Team kann ich nicht Abteilungsleiterin sein. Ich kann keine Feedbackgespräche mit Entwicklern machen, ich versteh davon doch gar nichts.“

Damit hatte sie natürlich Recht. Wir hatten zwei Möglichkeiten: Entweder Abteilungsleiter von außen holen, die es gelernt haben. Oder zurück zu den ganz alten Strukturen: Als wir 12 Personen waren im Team, brauchten wir auch keine Abteilungsleiter und die Chefs waren Mitarbeiter. Deswegen versuchten wir es ohne Abteilungsleiter  – die wurden wieder zu Teammitgliedern.

Gehen wir die typischen Chefaufgaben durch: Wer trifft in Ihrem Unternehmen heute die wichtigen Entscheidungen?

Zuerst dachten wir, es muss alles demokratisch entschieden werden. Doch wenn man für jede Entscheidung ein Meeting machen muss, erhöht das die Geschwindigkeit auch nicht. Deshalb ist mir wichtig: Wir wollen keine demokratischen Entscheidungen. Demokratische Entscheidungen führen bei uns zur Mittelmäßigkeit.

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Wer entscheidet denn dann?

Wir wollen, dass sich mutige Personen trauen, eigenständig zu entscheiden. Wenn ein Kunde am Telefon ist und eine Entscheidung zu treffen ist, ist es das Tollste, wenn man sich direkt am Telefon traut zu entscheiden. Wenn man das nicht tut – man muss das nicht – ist hoffentlich jemand in der Nähe, der entscheidet.

Und wenn jemand mit seiner Einschätzung danebenliegt?

Wir ermutigen auch zu falschen Entscheidungen. Wir wissen, dass viele sich vor Entscheidungen scheuen, weil sie Angst davor haben, die falsche zu treffen. Aber das gehört dazu: Manchmal irrt man sich einfach. Dadurch kann man viel lernen.

Sie haben doch sicher auch Mitarbeiter, die die Verantwortung lieber einem Vorgesetzten überlassen würden?

Es ist nicht gewollt, dass jeder immer entscheiden muss. Jeder ist ja anders. Es hat sich gezeigt, dass es in jeder Gruppe ein paar Leute gibt, die gern Entscheidungen treffen. Bei wirklich schwierigen, weittragenden Entscheidungen berät man sich im Team – als Sicherheitsnetz.

Kommt nie jemand zu Ihnen und will einen Chefbeschluss?

Ich und alle, die schon länger hier sind, werden schon mal gefragt, ob wir eine Entscheidung treffen wollen. Das mache ich dann auch, weil die Kollegen gefragt haben – nicht, weil ich denke, dass ich in der Hierarchie oben stehe.

Eine andere typische Chef-Aufgabe sind Gehaltsverhandlungen.

Bei Gehaltsverhandlungen sind wir noch in einer „Trial and Error“-Phase. 2015 haben wir das noch ganz klassisch durch unsere ehemalige HR-Abteilung geregelt. Anfang 2016 haben wir versucht, Gehaltsverhandlungen offen zu diskutieren. Man musste zum Beispiel vor seinem Team sagen, wenn man eine Gehaltserhöhung von 10 Prozent wollte. Das haben wir aber ganz schnell wieder sein gelassen. Viele wollen ihr Gehalt nicht offen diskutieren.

Und was machen Sie jetzt?

Im Januar haben wir zwei Kollegen benannt, die Gehaltsverhandlungen führen. Die haben sich alle Gehaltswünsche angehört, aufgelistet, hatten ein Gesamtbudget und konnten das unter allen verteilen.

Klingt nach einer furchtbaren Aufgabe.

Die hatten einen schweren Job. Aber das funktioniert um Längen besser, als wenn wir das in die Selbstorganisation geben. Wie wir das nächstes Jahr machen, weiß ich noch nicht. Wir sind noch im Lernprozess.

Gibt es in Ihrem Unternehmen nun keine Jobtitel mehr?

Intern nicht. In der Kommunikation nach draußen braucht man die aber, damit man etwa bei Xing gefunden werden kann.

Und Sie persönlich? Wenn Sie jetzt nicht mehr Chef sind, was sind Sie dann?

Mein Mitgründer Sebastian Mastalka und ich haben uns schon vor dem großen Wachstum „Coach“ genannt. Wir wollten schon damals nicht Geschäftsführer sein. Aber wir haben gelernt: Du kannst nicht Coach sein, wenn du Chef bist. Ein gut gemeinter Hinweis vom Coach wird dann zum Befehl.

Und wie läuft’s jetzt?

Mit der Änderung waren wir dann Dienstleister und alle wussten das. Wir konnten unser Coach-Dasein plötzlich wirklich gut ausführen. Ich hatte wieder mehr Verbindung zu jedem Kollegen, es gab nicht mehr den Abstand durch den Abteilungsleiter.

Sie wollen kein Chef sein, sind doch aber immer noch Geschäftsführer der GmbH.

Ja, wir sind rechtlich gesehen drei Geschäftsführer. Das muss so sein, wir haften dafür, wenn etwas passiert und müssen die Firma schützen. Deswegen haben wir auch ein Vetorecht für ganz weitreichende Entscheidungen.

Ist das schon passiert?

Es ist nicht mal annähernd zu so einer Situation gekommen.

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Die meinten: "Mein Ziel ist es, eine Managementkarriere zu machen und irgendwo Chef zu werden. Wenn ich jetzt hier Teammitglied bin, dann ist das für den Lebenslauf nicht gut, also muss ich leider gehen." Und was haben die Abteilungsleiter gesagt, die quasi degradiert wurden? Das war schon schwierig für einige. Vor unseren ehemaligen Abteilungsleitern muss ich den Hut ziehen. Die sind alle noch hier, keiner ist gegangen. Die haben gesagt: "Wir ziehen mit. Das wird schwer, aber wir versuchen es." Die haben verstanden, warum wir das machen. Und warum machen Sie das? Keine Hierarchien zu haben, wirft viele Fragen auf: Wer ist verantwortlich? Wer trifft Entscheidungen? Wer legt Strukturen fest? Dazu muss man unsere Geschichte kennen: Wir haben als Start up angefangen – ganz ohne Hierarchien. Bei 20 Mitarbeitern haben wir gemerkt, dass es hakelig wird: Man muss sich mehr abstimmen. Deshalb haben wir erste Abteilungen eingeführt. Bei 40 Mitarbeitern funktionierte die Struktur mit Abteilungen und Abteilungsleitern gut. Doch bei 80 bildeten sich Silos zwischen den Abteilungen: Es war etwa eine richtige Entfremdung zwischen Marketingabteilung und Entwicklung zu spüren. Die Entwickler hatten sich quasi in ein Marmeladenglas eingeschraubt, damit sie bloß keiner stört. Mir und ein paar anderen Kollegen fiel auf: Das geht in die falsche Richtung, Sachen gehen schwerer als früher. Zum Beispiel? Die Kommunikation. Wir wollen Kundenanfragen möglichst schnell und gut beantworten. Das ist unglaublich schwer, wenn die Anfrage in der Support-Abteilung reinkommt, der Support sie dann über den Abteilungsleiter hin zum Marketing leiten muss, die dann irgendwann sagen: Nee, da sind aber die Entwickler für zuständig. Die sitzen aber in ihrem zugeschraubten Marmeladenglas. Das war langatmig. In der Anfangszeit haben wir einfach über den Tisch gerufen. Deshalb haben wir uns gefragt: Warum geht das mit 80 Personen nicht mehr? Was haben Sie dann unternommen? Wir haben uns Hilfe von einem Coach geholt. Wir haben überlegt: Wofür stehen wir eigentlich? Was ist passiert in den letzten zwei Jahren, was gab es für Missverständnisse zwischen den Abteilungen? Später haben wir uns an die Lösungsfindung gemacht. Dabei hatten wir die Idee, dass es uns helfen kann, wenn wir die Mitarbeiter nicht klassischen Abteilungen zuordnen, sondern nach unseren Zielgruppen aufteilen: ein Team für Privatvermieter, eins für gewerbliche Vermieter und eins für Urlauber. Diese Teams setzen sich aus verschiedenen Fachrichtungen zusammen, also Mitarbeiter für den Kundenkontakt, Marketing, Verkauf, Programmierung, Nutzererfahrung, Produkt. Die Idee war, den Mitarbeitern Fokus zu geben, dass sich jeder auf eine Zielgruppe konzentrieren. Damit haben Sie aber noch nicht die Hierarchien abgeschafft. Nein, das war auch nicht das Ziel. Doch eine Abteilungsleiterin sagte: "Von so einem gemischten Team kann ich nicht Abteilungsleiterin sein. Ich kann keine Feedbackgespräche mit Entwicklern machen, ich versteh davon doch gar nichts." Damit hatte sie natürlich Recht. Wir hatten zwei Möglichkeiten: Entweder Abteilungsleiter von außen holen, die es gelernt haben. Oder zurück zu den ganz alten Strukturen: Als wir 12 Personen waren im Team, brauchten wir auch keine Abteilungsleiter und die Chefs waren Mitarbeiter. Deswegen versuchten wir es ohne Abteilungsleiter  – die wurden wieder zu Teammitgliedern. Gehen wir die typischen Chefaufgaben durch: Wer trifft in Ihrem Unternehmen heute die wichtigen Entscheidungen? Zuerst dachten wir, es muss alles demokratisch entschieden werden. Doch wenn man für jede Entscheidung ein Meeting machen muss, erhöht das die Geschwindigkeit auch nicht. Deshalb ist mir wichtig: Wir wollen keine demokratischen Entscheidungen. Demokratische Entscheidungen führen bei uns zur Mittelmäßigkeit. Wer entscheidet denn dann? Wir wollen, dass sich mutige Personen trauen, eigenständig zu entscheiden. Wenn ein Kunde am Telefon ist und eine Entscheidung zu treffen ist, ist es das Tollste, wenn man sich direkt am Telefon traut zu entscheiden. Wenn man das nicht tut – man muss das nicht – ist hoffentlich jemand in der Nähe, der entscheidet. Und wenn jemand mit seiner Einschätzung danebenliegt? Wir ermutigen auch zu falschen Entscheidungen. Wir wissen, dass viele sich vor Entscheidungen scheuen, weil sie Angst davor haben, die falsche zu treffen. Aber das gehört dazu: Manchmal irrt man sich einfach. Dadurch kann man viel lernen. Sie haben doch sicher auch Mitarbeiter, die die Verantwortung lieber einem Vorgesetzten überlassen würden? Es ist nicht gewollt, dass jeder immer entscheiden muss. Jeder ist ja anders. Es hat sich gezeigt, dass es in jeder Gruppe ein paar Leute gibt, die gern Entscheidungen treffen. Bei wirklich schwierigen, weittragenden Entscheidungen berät man sich im Team – als Sicherheitsnetz. Kommt nie jemand zu Ihnen und will einen Chefbeschluss? Ich und alle, die schon länger hier sind, werden schon mal gefragt, ob wir eine Entscheidung treffen wollen. Das mache ich dann auch, weil die Kollegen gefragt haben – nicht, weil ich denke, dass ich in der Hierarchie oben stehe. Eine andere typische Chef-Aufgabe sind Gehaltsverhandlungen. Bei Gehaltsverhandlungen sind wir noch in einer "Trial and Error"-Phase. 2015 haben wir das noch ganz klassisch durch unsere ehemalige HR-Abteilung geregelt. Anfang 2016 haben wir versucht, Gehaltsverhandlungen offen zu diskutieren. Man musste zum Beispiel vor seinem Team sagen, wenn man eine Gehaltserhöhung von 10 Prozent wollte. Das haben wir aber ganz schnell wieder sein gelassen. Viele wollen ihr Gehalt nicht offen diskutieren. Und was machen Sie jetzt? Im Januar haben wir zwei Kollegen benannt, die Gehaltsverhandlungen führen. Die haben sich alle Gehaltswünsche angehört, aufgelistet, hatten ein Gesamtbudget und konnten das unter allen verteilen. Klingt nach einer furchtbaren Aufgabe. Die hatten einen schweren Job. Aber das funktioniert um Längen besser, als wenn wir das in die Selbstorganisation geben. Wie wir das nächstes Jahr machen, weiß ich noch nicht. Wir sind noch im Lernprozess. Gibt es in Ihrem Unternehmen nun keine Jobtitel mehr? Intern nicht. In der Kommunikation nach draußen braucht man die aber, damit man etwa bei Xing gefunden werden kann. Und Sie persönlich? Wenn Sie jetzt nicht mehr Chef sind, was sind Sie dann? Mein Mitgründer Sebastian Mastalka und ich haben uns schon vor dem großen Wachstum „Coach“ genannt. Wir wollten schon damals nicht Geschäftsführer sein. Aber wir haben gelernt: Du kannst nicht Coach sein, wenn du Chef bist. Ein gut gemeinter Hinweis vom Coach wird dann zum Befehl. Und wie läuft's jetzt? Mit der Änderung waren wir dann Dienstleister und alle wussten das. Wir konnten unser Coach-Dasein plötzlich wirklich gut ausführen. Ich hatte wieder mehr Verbindung zu jedem Kollegen, es gab nicht mehr den Abstand durch den Abteilungsleiter. Sie wollen kein Chef sein, sind doch aber immer noch Geschäftsführer der GmbH. Ja, wir sind rechtlich gesehen drei Geschäftsführer. Das muss so sein, wir haften dafür, wenn etwas passiert und müssen die Firma schützen. Deswegen haben wir auch ein Vetorecht für ganz weitreichende Entscheidungen. Ist das schon passiert? Es ist nicht mal annähernd zu so einer Situation gekommen.
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