Preiskalkulation
Köpfchen statt Bauchgefühl: Wie Sie Preise klug kalkulieren

Wie finde ich einen Preis, der konkurrenzfähig ist und Kunden lockt? Bei der Preiskalkulation tun sich Unternehmer oft schwer – und machen Fehler, die sie viel Geld kosten. So geht es besser.

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© kf4851 / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Wer ein neues Produkt auf den Markt bringt oder eine neue Dienstleistung anbietet, sollte sich gut überlegen, wie viel Geld er dafür verlangen will. Denn bei Preiskalkulationen geht es um mehr, als einfach alle anfallenden Kosten zusammenzurechnen und eine Summe X als Gewinn draufzuschlagen. Ist der Preis schlecht kalkuliert,  entgeht dem Unternehmer womöglich viel Geld, weil Kunden auch bereit gewesen wären, mehr zu zahlen. Oder das Produkt wird zum Ladenhüter, weil der kalkulierte Preis viel zu hoch ist.

Aber wie findet man den richtigen Preis – einen, der alle Kosten deckt, konkurrenzfähig ist und Kunden lockt? Und welche Fehler sollte man bei der Preiskalkulation unbedingt vermeiden?

Der erste Schritt: Die Preisbereitschaft der Zielkunden ermitteln

„Es ist viel zu spät, sich erst dann Gedanken über den Preis zu machen, wenn das Produkt schon fertig ist“, sagt Andreas von der Gathen, Pricing-Spezialist und CEO der Beratungsgesellschaft Simon-Kucher.

Schon wenn man einen Businessplan schreibt oder ein neues Produkt entwickelt, sollte man sich laut von der Gathen überlegen, wie viel das Produkt einmal kosten soll. „Schließlich entscheidet sich bereits dann, ob ich überhaupt an einem sinnvollen neuen Produkt arbeite, mit dem ich irgendwann einmal Geld verdienen kann – oder eben nicht.“

Er warnt davor, sich bei Preiskalkulationen auf das eigene Bauchgefühl zu verlassen. „Wie viel Sie selbst bereit wären zu zahlen, spielt überhaupt keine Rolle“, sagt von der Gathen. Viel sinnvoller sei es, die Preisbereitschaft potenzieller Kunden abzufragen.

Größere Unternehmen sollten dafür in eine Marktforschung investieren. Dabei wird beispielsweise die zukünftige Kaufsituation simuliert, indem man potenziellen Kunden das neue Produkt und vergleichbare Wettbewerbsprodukte mit unterschiedlichen Preisschildern vorlegt. Anschließend werden die Kunden befragt, für welches Produkt sie sich entscheiden würden – und warum.

Wenn Gründer kein Geld für eine solche Marktforschung haben, rät Tacke dazu, potenzielle Käufer anzusprechen und sie einfach selbst zu befragen:

  • Ist das für Sie ein interessantes Produkt?
  • Warum ist es interessant? Was finden Sie gut und spannend? (So erfährt man, welche Features des Produkts besonders wichtig sind.)
  • Würden Sie es kaufen, wenn es X Euro kosten würde?
  • Warum? Beziehungsweise: Warum nicht?

Selbst wenn man nur mit 10 bis 20 potenziellen Kunden spreche, sei das immer noch besser, als gar nicht aktiv zu werden. „Sie entwickeln dabei zwar nicht die perfekte Preisstrategie, aber Sie bekommen zumindest eine 80-Prozent-Lösung“, sagt sagt von der Gathen. Darauf zu verzichten, hält er für grob fahrlässig. Schließlich könne man so gleich zu Beginn grobe Fehler vermeiden. „Einen Preis, der viel zu niedrig ist, kann man zum Beispiel kaum noch korrigieren“, erklärt er.

Welche Faktoren muss ich bei der Preiskalkulation berücksichtigen?

Die anfallenden Kosten

Neben der Preisbereitschaft der Kunden sind die anfallenden Kosten die zweite wichtige Größe für die Preiskalkulation. Gründer müssen genau aufschlüsseln können, welche Kosten entstehen: Wie hoch sind die Materialkosten? Was kostet die Fertigung? Wie viel fällt für Marketing und Vertrieb an? All diese Positionen müssen auf das einzelne Produkt heruntergebrochen werden, um den Selbstkostenpreis zu ermitteln. Am einfachsten gelingt die Übersicht in einem Tabellenkalkulationsprogramm wie Excel. Eine Beispielrechnung finden Sie hier.

Grundsätzlich lassen sich bei der Kalkulation zwei Kostenarten unterscheiden:

  • Einzelkosten: Sie können einem Produkt direkt zugeordnet werden. Brauche ich für ein Müsli beispielsweise 50 Gramm Haferflocken, fallen die Kosten dafür unter die Materialeinzelkosten.
  • Gemeinkosten: Sie können nicht ohne weiteres einem einzelnen Produkt zugerechnet werden und müssen anteilig auf die Produkte verteilt werden. Zu Fertigungsgemeinkosten zählen zum Beispiel Abschreibungen für Maschinen.

Ein typischer Anfängerfehler: Manche Gründer vergessen, bei den Kosten ihren eigenen Verdienst mit einzurechnen. Doch wer zunächst umsonst arbeitet und die Preise später nicht erhöhen kann, endet in der Selbstausbeutung.

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Pricing-Experte von der Gathen warnt zudem davor, Entwicklungskosten in die Kalkulation einzubeziehen. Geld, das man in die Entwicklung gesteckt habe, bezeichne man als „sunk costs“: Es sei weg. Nimmt man es in die Kalkulation auf, werden die Kosten zu hoch angesetzt – und das Produkt wird letztlich zu teuer.

Die Gewinnspanne oder Marge

Oft wird Gründern geraten, sich bei der Preiskalkulation an der branchenüblichen Marge zu orientieren. Je nach Geschäft können die Gewinnspannen extrem unterschiedlich ausfallen: Manche Händler schlagen 250 Prozent auf. Supermärkte setzen bei Lebensmitteln eine Preiskalkulation mit bis zu 100 Prozent bei Trockenprodukten, aber nur 30 Prozent bei frischer Ware an. In der Gastronomie liegt die Marge häufig bei 30 bis 50 Prozent, bei Imbissen sind es eher 20 Prozent.

Von der Gathen hält diesen Ansatz für falsch: „Das ist ein typisches Inside-Out-Vorgehen. Ich nehme meine Kosten und schlage etwas drauf – aber ich habe keine Ahnung, wie viel, also versuche ich, mich an einem branchenüblichen Aufschlag zu orientieren. So schöpfe ich aber nicht mein Preispotenzial aus.“

Der Experte

Dr. Andreas von der Gathen ist Pricing-Spezialist und CEO der Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners. Das Unternehmen berät eine Vielzahl von Kunden, von internationalen Zutatenlieferanten bis hin zu schnelllebigen Konsumgüterunternehmen und Einzelhändlern, zu ihrer Preisgestaltung.

Er sieht den Gewinnaufschlag nicht als etwas, mit dem man anfängt zu arbeiten. Ein Beispiel für dieses so genannte Outside-In-Vorgehen: Ein Gründer hat einen neuen Saugroboter entwickelt und weiß, wie hoch die Kosten sind, um das Produkt zu produzieren. Er kennt auch die Preisbereitschaft seiner Kunden. Daraus bildet er den Preis: Er liegt bei 100 Euro, seine Kosten belaufen sich auf 50 Euro. Er käme also auf eine Marge von 50 Prozent. Nun muss er sich fragen, ob das reicht, um seine Fixkosten zu decken und um den erwünschten Profit zu erreichen.

„Stellen Sie sich vor, der Gründer würde eine neue Produktionsmethode finden, mit der sein Saugroboter nicht mehr 50 Euro in der Herstellung kostet, sondern nur noch 25“, erläutert von der Gathen. „Folgte er der Logik, den branchenüblichen Aufschlagsatz zu nehmen, müsste er dann den Preis senken – dies wäre ein unkluger Schritt.“

Skonto und Rabatte

Bei der Berechnung des Verkaufspreises müssen auch mögliche Rabatte berücksichtigt werden – sonst würden Unternehmer ihren Gewinn jedes Mal schmälern, wenn sie einen Preisnachlass gewähren.

Der Rabatt wird direkt vom Verkaufspreis abgezogen. Üblich sind etwa Mengenrabatte, wenn ein Kunde sehr viele Produkte kauft, aber auch Treue- oder Neukundenrabatte sind möglich. Skonto wird Käufern gewährt, die innerhalb einer bestimmten Frist bezahlen. Der Nachlass liegt in der Regel bei zwei bis drei Prozent.

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Beispielrechnung: So können Gründer Preise kalkulieren

Ein Beispiel aus der Praxis: Der Gründer eines Müsliladens berechnete den Preis für eine Packung Müsli (190 Gramm) folgendermaßen:

Einkaufspreis (netto) für die Zutaten: 0,62 Euro
Herstellung (Personal, Miete, etc. 44 % Aufschlag) 0,27 Euro
Zwischensumme (Selbstkostenpreis) 0,89 Euro
Gewinn (57 % Aufschlag) 0,51 Euro
Zwischensumme (Barverkaufspreis) 1,40 Euro
Skonto für Schnellzahler (2 % Aufschlag) 0,03 Euro
Zwischensumme (Zielverkaufspreis) 1,43 Euro
Rabatt für Großkunden (10 % Aufschlag) 0,14 Euro
SUMME (Listenverkaufspreis)
1,57 Euro

Das Mindestumsatzverfahren

Viele Gründer setzen bei der Preiskalkulation auf das so genannte Mindestumsatzverfahren. Dabei werden nicht nur die Kosten betrachtet, auch die Nachfrage wird bei den Berechnungen mit einbezogen. Wer sich beispielsweise mit einem Müsliladen selbstständig machen möchte, sollte vergleichbare Geschäfte in der Nachbarschaft beobachten. Zusätzlich sollten sich Gründer Branchenzahlen und -studien besorgen und daraus das Marktpotenzial ableiten. Warum das wichtig ist? Wer nur 20 Tüten Müsli im Monat verkauft, muss eventuell höhere Preise veranschlagen, um überleben zu können, als jemand, der 100 Tüten monatlich an den Mann bringt.

Im Fall des Müsliladens kann man sich dem Marktpotenzial zum Beispiel so nähern: 6 Prozent der Deutschen essen Umfragen zufolge mehrmals pro Woche Müsli. Berlin-Friedrichshain zählt knapp 280.000 Einwohner, das bedeutet 16.800 potenzielle Müslikäufer. Angenommen, 1 Prozent dieser Verbraucher – und das wäre schon ein enorm hoher Schnitt – würde einmal die Woche in den Laden gehen, dann hätte der Gründer 168 Kunden, auf den Tag gerechnet knapp 28.

Eine echte Marktpotenzialanalyse ist noch komplexer, aber im Prinzip gilt: Aus einer so geschätzten Zahl können Unternehmer ermitteln, wie viel Umsatz sie brauchen und welche Preiskalkulation für sie realistisch ist.

Typische Fehler bei der Preiskalkulation

Die Nachfrage zu optimistisch beurteilen

Viele Gründer gehen von falschen Kundenzahlen aus. Wer sich als Müsliverkäufer mit Gastronomiebetrieben in der Gegend vergleicht und daraus folgert, dass auch bei ihm alle zehn Minuten ein Kunde im Laden steht, kann schnell daneben liegen. Wenn statt der geschätzten 60 Käufer am Tag dann nur 15 erscheinen, decken die Einnahmen nicht einmal die Ausgaben – weil der Gründer Müsli für 60 Kunden eingekauft und die Preiskalkulation entsprechend angepasst hat.

Der „Feature-Schock“

Der Entwickler des Saugroboters  ist stolz auf sein neues Produkt, kennt seine Kosten, schlägt 20 Prozent drauf – und muss entsetzt feststellen, dass er am Markt floppt. Den Kunden ist es zu teuer. „Das passiert häufig, wenn ein Produkt zu viel kann. Dadurch ist es in der Produktion zu teuer, was wiederum einen Preis nach sich zieht, der am Markt nicht durchsetzbar ist“, sagt der Pricing-Experte von der Gathen. Besonders häufig tappten technik- und innovationsgetriebene Unternehmen in diese Falle. „Dabei wäre es ökonomisch oft sinnvoller, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das weniger kann. Es geht immer darum, sich an dem zu orientieren, was der Zielkunde erwartet – und zu zahlen bereit ist.“

Wenn ein Produkt „zu gut“ sei, gibt es laut von der Gathen auch die Möglichkeit, zusätzliche Features aus dem eigentlichen Angebot zu streichen – und diese dann als Zusatzoption anzubieten. Das sei insbesondere bei Dienstleistungen interessant.

Ein unklares Erlösmodell

Bei Produkten wie einem Saugroboter oder einer Müsli-Mischung ist die Frage nach dem Erlösmodell schnell beantwortet: Preis pro Stück. Doch bei einer Software sieht die Sache anders aus. Bietet man dem Kunden eine persönliche Lizenz an? Liegt das Programm in der Cloud? Oder gibt es ein Pay-as-you-go-Modell – zahlt man also nur, wenn man es nutzt?

Laut von der Gathen machen sich viele Unternehmer gerade in der Anfangsphase zu wenig Gedanken über das passende Erlösmodell. „Bevor ich das Preisniveau bestimme, muss ich überlegen, ob ich das Produkt wirklich verkaufen will – oder ob eine Subskription als Nutzung nicht viel sinnvoller wäre“, sagt er.

Bei Internet- und Software-Produkten liege das so genannte „Freemium“-Modell – die Kombination aus Free und Premium – derzeit im Trend. Ziel dabei ist es, über eine kostenlose Version erst einmal möglichst viele Kunden zu gewinnen. An diejenigen, die höhere Anforderungen an das Produkt haben, verkauft man dann Premium-Angebote, also zusätzliche Leistungen und Features.

Dabei werde häufig vergessen zu überlegen, wie genau das Premium-Angebot aussehen soll. „Oft hören wir dann: Darüber machen wir uns Gedanken, wenn es so weit ist“, sagt von der Gathen. „Das ist natürlich viel zu spät.“

Was müssen Dienstleister und Freiberufler beachten, die ausschließlich ihre Arbeitskraft verkaufen?

Wer kein Produkt, sondern eine Dienstleistung wie ein Seminar oder ein Coaching anbietet, muss bei seiner Preiskalkulation einige Besonderheiten beachten. Zunächst schaut man sich die Arbeitszeit an, die einem zur Verfügung steht, und rechnet aus, wie viel Honorar man pro Stunde verlangen muss.

Dafür werden alle laufenden Kosten für Miete, Löhne und Gehälter und der eigene Bruttoverdienst inklusive Versicherungen addiert. Diese Summe wird durch die zur Verfügung stehenden Arbeitstage geteilt (Urlaub und Krankheitstage nicht vergessen!).

Das Ergebnis ist der Mindestumsatz pro Tag. Der gilt aber nur, wenn jeder Mitarbeiter an jedem Tag im Monat arbeitet – und diese Zeit einem Kunden in Rechnung stellen kann. Meist ist das unrealistisch, deshalb sollten Gründer mit 50 bis 60 Prozent Preisaufschlag beim Pricing rechnen. Das heißt: Alle, die kaufen, müssen den Leerlauf mitbezahlen.

Ein Beispiel: Eine Gründerin bietet Seminare für angehende Schriftsteller an. Sie unterhält eigene Kursräume in Berlin und mietet in anderen Städten nach Bedarf. Ein Tagesseminar kostet 125 bis 225 Euro – höhere Preise sind bei ihren Zielkunden nicht durchsetzbar.

In ihre Kalkulation eingerechnet sind die Ausgaben für Miete, Seminarunterlagen, die Vorbereitung und die Honorare für die Gründerin und ihre Dozenten. Ab sieben Teilnehmern ist ein Seminar kostendeckend. Bei weniger Nachfrage finden die Seminare nur statt, wenn die Dozenten aus der gleichen Stadt kommen und keine Fahrtkosten anfallen.

Wirklich lohnend wird ihr Geschäft, wenn die Teilnehmer im Anschluss individuelle Coachings buchen – damit fängt die Unternehmerin Nachfrageschwankungen bei den Kursen auf.

Wer ein neues Produkt auf den Markt bringt oder eine neue Dienstleistung anbietet, sollte sich gut überlegen, wie viel Geld er dafür verlangen will. Denn bei Preiskalkulationen geht es um mehr, als einfach alle anfallenden Kosten zusammenzurechnen und eine Summe X als Gewinn draufzuschlagen. Ist der Preis schlecht kalkuliert,  entgeht dem Unternehmer womöglich viel Geld, weil Kunden auch bereit gewesen wären, mehr zu zahlen. Oder das Produkt wird zum Ladenhüter, weil der kalkulierte Preis viel zu hoch ist. Aber wie findet man den richtigen Preis - einen, der alle Kosten deckt, konkurrenzfähig ist und Kunden lockt? Und welche Fehler sollte man bei der Preiskalkulation unbedingt vermeiden? Der erste Schritt: Die Preisbereitschaft der Zielkunden ermitteln „Es ist viel zu spät, sich erst dann Gedanken über den Preis zu machen, wenn das Produkt schon fertig ist“, sagt Andreas von der Gathen, Pricing-Spezialist und CEO der Beratungsgesellschaft Simon-Kucher. Schon wenn man einen Businessplan schreibt oder ein neues Produkt entwickelt, sollte man sich laut von der Gathen überlegen, wie viel das Produkt einmal kosten soll. "Schließlich entscheidet sich bereits dann, ob ich überhaupt an einem sinnvollen neuen Produkt arbeite, mit dem ich irgendwann einmal Geld verdienen kann – oder eben nicht." Er warnt davor, sich bei Preiskalkulationen auf das eigene Bauchgefühl zu verlassen. "Wie viel Sie selbst bereit wären zu zahlen, spielt überhaupt keine Rolle", sagt von der Gathen. Viel sinnvoller sei es, die Preisbereitschaft potenzieller Kunden abzufragen. Größere Unternehmen sollten dafür in eine Marktforschung investieren. Dabei wird beispielsweise die zukünftige Kaufsituation simuliert, indem man potenziellen Kunden das neue Produkt und vergleichbare Wettbewerbsprodukte mit unterschiedlichen Preisschildern vorlegt. Anschließend werden die Kunden befragt, für welches Produkt sie sich entscheiden würden - und warum. Wenn Gründer kein Geld für eine solche Marktforschung haben, rät Tacke dazu, potenzielle Käufer anzusprechen und sie einfach selbst zu befragen: Ist das für Sie ein interessantes Produkt? Warum ist es interessant? Was finden Sie gut und spannend? (So erfährt man, welche Features des Produkts besonders wichtig sind.) Würden Sie es kaufen, wenn es X Euro kosten würde? Warum? Beziehungsweise: Warum nicht? Selbst wenn man nur mit 10 bis 20 potenziellen Kunden spreche, sei das immer noch besser, als gar nicht aktiv zu werden. "Sie entwickeln dabei zwar nicht die perfekte Preisstrategie, aber Sie bekommen zumindest eine 80-Prozent-Lösung", sagt sagt von der Gathen. Darauf zu verzichten, hält er für grob fahrlässig. Schließlich könne man so gleich zu Beginn grobe Fehler vermeiden. "Einen Preis, der viel zu niedrig ist, kann man zum Beispiel kaum noch korrigieren", erklärt er. Welche Faktoren muss ich bei der Preiskalkulation berücksichtigen? Die anfallenden Kosten Neben der Preisbereitschaft der Kunden sind die anfallenden Kosten die zweite wichtige Größe für die Preiskalkulation. Gründer müssen genau aufschlüsseln können, welche Kosten entstehen: Wie hoch sind die Materialkosten? Was kostet die Fertigung? Wie viel fällt für Marketing und Vertrieb an? All diese Positionen müssen auf das einzelne Produkt heruntergebrochen werden, um den Selbstkostenpreis zu ermitteln. Am einfachsten gelingt die Übersicht in einem Tabellenkalkulationsprogramm wie Excel. Eine Beispielrechnung finden Sie hier. Grundsätzlich lassen sich bei der Kalkulation zwei Kostenarten unterscheiden: Einzelkosten: Sie können einem Produkt direkt zugeordnet werden. Brauche ich für ein Müsli beispielsweise 50 Gramm Haferflocken, fallen die Kosten dafür unter die Materialeinzelkosten. Gemeinkosten: Sie können nicht ohne weiteres einem einzelnen Produkt zugerechnet werden und müssen anteilig auf die Produkte verteilt werden. Zu Fertigungsgemeinkosten zählen zum Beispiel Abschreibungen für Maschinen. Ein typischer Anfängerfehler: Manche Gründer vergessen, bei den Kosten ihren eigenen Verdienst mit einzurechnen. Doch wer zunächst umsonst arbeitet und die Preise später nicht erhöhen kann, endet in der Selbstausbeutung. Pricing-Experte von der Gathen warnt zudem davor, Entwicklungskosten in die Kalkulation einzubeziehen. Geld, das man in die Entwicklung gesteckt habe, bezeichne man als "sunk costs": Es sei weg. Nimmt man es in die Kalkulation auf, werden die Kosten zu hoch angesetzt – und das Produkt wird letztlich zu teuer. Die Gewinnspanne oder Marge Oft wird Gründern geraten, sich bei der Preiskalkulation an der branchenüblichen Marge zu orientieren. Je nach Geschäft können die Gewinnspannen extrem unterschiedlich ausfallen: Manche Händler schlagen 250 Prozent auf. Supermärkte setzen bei Lebensmitteln eine Preiskalkulation mit bis zu 100 Prozent bei Trockenprodukten, aber nur 30 Prozent bei frischer Ware an. In der Gastronomie liegt die Marge häufig bei 30 bis 50 Prozent, bei Imbissen sind es eher 20 Prozent. Von der Gathen hält diesen Ansatz für falsch: "Das ist ein typisches Inside-Out-Vorgehen. Ich nehme meine Kosten und schlage etwas drauf – aber ich habe keine Ahnung, wie viel, also versuche ich, mich an einem branchenüblichen Aufschlag zu orientieren. So schöpfe ich aber nicht mein Preispotenzial aus." [zur-person] Er sieht den Gewinnaufschlag nicht als etwas, mit dem man anfängt zu arbeiten. Ein Beispiel für dieses so genannte Outside-In-Vorgehen: Ein Gründer hat einen neuen Saugroboter entwickelt und weiß, wie hoch die Kosten sind, um das Produkt zu produzieren. Er kennt auch die Preisbereitschaft seiner Kunden. Daraus bildet er den Preis: Er liegt bei 100 Euro, seine Kosten belaufen sich auf 50 Euro. Er käme also auf eine Marge von 50 Prozent. Nun muss er sich fragen, ob das reicht, um seine Fixkosten zu decken und um den erwünschten Profit zu erreichen. "Stellen Sie sich vor, der Gründer würde eine neue Produktionsmethode finden, mit der sein Saugroboter nicht mehr 50 Euro in der Herstellung kostet, sondern nur noch 25", erläutert von der Gathen. "Folgte er der Logik, den branchenüblichen Aufschlagsatz zu nehmen, müsste er dann den Preis senken – dies wäre ein unkluger Schritt." Skonto und Rabatte Bei der Berechnung des Verkaufspreises müssen auch mögliche Rabatte berücksichtigt werden - sonst würden Unternehmer ihren Gewinn jedes Mal schmälern, wenn sie einen Preisnachlass gewähren. Der Rabatt wird direkt vom Verkaufspreis abgezogen. Üblich sind etwa Mengenrabatte, wenn ein Kunde sehr viele Produkte kauft, aber auch Treue- oder Neukundenrabatte sind möglich. Skonto wird Käufern gewährt, die innerhalb einer bestimmten Frist bezahlen. Der Nachlass liegt in der Regel bei zwei bis drei Prozent. Beispielrechnung: So können Gründer Preise kalkulieren Ein Beispiel aus der Praxis: Der Gründer eines Müsliladens berechnete den Preis für eine Packung Müsli (190 Gramm) folgendermaßen: Einkaufspreis (netto) für die Zutaten: 0,62 Euro Herstellung (Personal, Miete, etc. 44 % Aufschlag) 0,27 Euro Zwischensumme (Selbstkostenpreis) 0,89 Euro Gewinn (57 % Aufschlag) 0,51 Euro Zwischensumme (Barverkaufspreis) 1,40 Euro Skonto für Schnellzahler (2 % Aufschlag) 0,03 Euro Zwischensumme (Zielverkaufspreis) 1,43 Euro Rabatt für Großkunden (10 % Aufschlag) 0,14 Euro SUMME (Listenverkaufspreis) 1,57 Euro Das Mindestumsatzverfahren Viele Gründer setzen bei der Preiskalkulation auf das so genannte Mindestumsatzverfahren. Dabei werden nicht nur die Kosten betrachtet, auch die Nachfrage wird bei den Berechnungen mit einbezogen. Wer sich beispielsweise mit einem Müsliladen selbstständig machen möchte, sollte vergleichbare Geschäfte in der Nachbarschaft beobachten. Zusätzlich sollten sich Gründer Branchenzahlen und -studien besorgen und daraus das Marktpotenzial ableiten. Warum das wichtig ist? Wer nur 20 Tüten Müsli im Monat verkauft, muss eventuell höhere Preise veranschlagen, um überleben zu können, als jemand, der 100 Tüten monatlich an den Mann bringt. Im Fall des Müsliladens kann man sich dem Marktpotenzial zum Beispiel so nähern: 6 Prozent der Deutschen essen Umfragen zufolge mehrmals pro Woche Müsli. Berlin-Friedrichshain zählt knapp 280.000 Einwohner, das bedeutet 16.800 potenzielle Müslikäufer. Angenommen, 1 Prozent dieser Verbraucher – und das wäre schon ein enorm hoher Schnitt – würde einmal die Woche in den Laden gehen, dann hätte der Gründer 168 Kunden, auf den Tag gerechnet knapp 28. Eine echte Marktpotenzialanalyse ist noch komplexer, aber im Prinzip gilt: Aus einer so geschätzten Zahl können Unternehmer ermitteln, wie viel Umsatz sie brauchen und welche Preiskalkulation für sie realistisch ist. [mehr-zum-thema] Typische Fehler bei der Preiskalkulation Die Nachfrage zu optimistisch beurteilen Viele Gründer gehen von falschen Kundenzahlen aus. Wer sich als Müsliverkäufer mit Gastronomiebetrieben in der Gegend vergleicht und daraus folgert, dass auch bei ihm alle zehn Minuten ein Kunde im Laden steht, kann schnell daneben liegen. Wenn statt der geschätzten 60 Käufer am Tag dann nur 15 erscheinen, decken die Einnahmen nicht einmal die Ausgaben - weil der Gründer Müsli für 60 Kunden eingekauft und die Preiskalkulation entsprechend angepasst hat. Der "Feature-Schock" Der Entwickler des Saugroboters  ist stolz auf sein neues Produkt, kennt seine Kosten, schlägt 20 Prozent drauf - und muss entsetzt feststellen, dass er am Markt floppt. Den Kunden ist es zu teuer. "Das passiert häufig, wenn ein Produkt zu viel kann. Dadurch ist es in der Produktion zu teuer, was wiederum einen Preis nach sich zieht, der am Markt nicht durchsetzbar ist", sagt der Pricing-Experte von der Gathen. Besonders häufig tappten technik- und innovationsgetriebene Unternehmen in diese Falle. „Dabei wäre es ökonomisch oft sinnvoller, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das weniger kann. Es geht immer darum, sich an dem zu orientieren, was der Zielkunde erwartet – und zu zahlen bereit ist.“ Wenn ein Produkt "zu gut" sei, gibt es laut von der Gathen auch die Möglichkeit, zusätzliche Features aus dem eigentlichen Angebot zu streichen - und diese dann als Zusatzoption anzubieten. Das sei insbesondere bei Dienstleistungen interessant. Ein unklares Erlösmodell Bei Produkten wie einem Saugroboter oder einer Müsli-Mischung ist die Frage nach dem Erlösmodell schnell beantwortet: Preis pro Stück. Doch bei einer Software sieht die Sache anders aus. Bietet man dem Kunden eine persönliche Lizenz an? Liegt das Programm in der Cloud? Oder gibt es ein Pay-as-you-go-Modell - zahlt man also nur, wenn man es nutzt? Laut von der Gathen machen sich viele Unternehmer gerade in der Anfangsphase zu wenig Gedanken über das passende Erlösmodell. "Bevor ich das Preisniveau bestimme, muss ich überlegen, ob ich das Produkt wirklich verkaufen will – oder ob eine Subskription als Nutzung nicht viel sinnvoller wäre", sagt er. Bei Internet- und Software-Produkten liege das so genannte "Freemium"-Modell - die Kombination aus Free und Premium - derzeit im Trend. Ziel dabei ist es, über eine kostenlose Version erst einmal möglichst viele Kunden zu gewinnen. An diejenigen, die höhere Anforderungen an das Produkt haben, verkauft man dann Premium-Angebote, also zusätzliche Leistungen und Features. Dabei werde häufig vergessen zu überlegen, wie genau das Premium-Angebot aussehen soll. "Oft hören wir dann: Darüber machen wir uns Gedanken, wenn es so weit ist", sagt von der Gathen. "Das ist natürlich viel zu spät." Was müssen Dienstleister und Freiberufler beachten, die ausschließlich ihre Arbeitskraft verkaufen? Wer kein Produkt, sondern eine Dienstleistung wie ein Seminar oder ein Coaching anbietet, muss bei seiner Preiskalkulation einige Besonderheiten beachten. Zunächst schaut man sich die Arbeitszeit an, die einem zur Verfügung steht, und rechnet aus, wie viel Honorar man pro Stunde verlangen muss. Dafür werden alle laufenden Kosten für Miete, Löhne und Gehälter und der eigene Bruttoverdienst inklusive Versicherungen addiert. Diese Summe wird durch die zur Verfügung stehenden Arbeitstage geteilt (Urlaub und Krankheitstage nicht vergessen!). Das Ergebnis ist der Mindestumsatz pro Tag. Der gilt aber nur, wenn jeder Mitarbeiter an jedem Tag im Monat arbeitet – und diese Zeit einem Kunden in Rechnung stellen kann. Meist ist das unrealistisch, deshalb sollten Gründer mit 50 bis 60 Prozent Preisaufschlag beim Pricing rechnen. Das heißt: Alle, die kaufen, müssen den Leerlauf mitbezahlen. Ein Beispiel: Eine Gründerin bietet Seminare für angehende Schriftsteller an. Sie unterhält eigene Kursräume in Berlin und mietet in anderen Städten nach Bedarf. Ein Tagesseminar kostet 125 bis 225 Euro - höhere Preise sind bei ihren Zielkunden nicht durchsetzbar. In ihre Kalkulation eingerechnet sind die Ausgaben für Miete, Seminarunterlagen, die Vorbereitung und die Honorare für die Gründerin und ihre Dozenten. Ab sieben Teilnehmern ist ein Seminar kostendeckend. Bei weniger Nachfrage finden die Seminare nur statt, wenn die Dozenten aus der gleichen Stadt kommen und keine Fahrtkosten anfallen. Wirklich lohnend wird ihr Geschäft, wenn die Teilnehmer im Anschluss individuelle Coachings buchen - damit fängt die Unternehmerin Nachfrageschwankungen bei den Kursen auf.
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