Storytelling
Das Zaubermittel für Marketing, das funktioniert

Mit Storytelling bleibt Marketing im Gedächtnis – und mit diesem Guide gelingt auch Ihnen der Einstieg. Wie Sie Themen finden und Geschichten aufbauen. Plus: Erfolgstipps und Beispiele.

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Storytelling
© jayk7 / Getty Images

Definition: Was ist Storytelling?

Storytelling ist zu einem Marketing-Buzzword geworden für alles, was nicht klassischer Werbung entspricht. Zunächst einmal bedeutet Storytelling aber einfach, eine Geschichte zu erzählen. Das haben wir Menschen schon immer getan. Wir erzählen uns Geschichten, um einander zu unterhalten, um wichtige Informationen weiterzugeben, um Werte zu vermitteln, um zu warnen.

Geschichten sind mächtig, weil sie uns berühren. Sie können uns zum Lachen bringen oder eine Gänsehaut bescheren, sie können uns wütend machen oder ins Grübeln bringen. Romane, Kinofilme und Serien folgen bestimmten Mustern und Regeln, um Geschichten mitreißend zu erzählen. Auch Journalisten nutzen diese Storytelling-Methoden, um ihre Leser zu fesseln. Und auch im Marketing, in der Unternehmenskommunikation und in der PR setzen immer mehr Unternehmen auf die Macht des Geschichtenerzählens.

Funktionen von Geschichten: Was Storytelling kann

Viele erfolgreiche Kampagnen großer Konzerne basieren auf begnadetem Storytelling. Der Großvater, der Weihnachten immer allein feiern musste und schließlich seinen eigenen Tod vortäuscht, um die ganze Familie wieder an einen Tisch zu holen – dieser Werbespot von Edeka ließ 2015 wohl kaum jemanden kalt.

Doch der kurze Film ist aufwändig mit Schauspielern produziert und erzählt eine erfundene Geschichte. Kleine und mittelgroße Unternehmen und Selbstständige haben es da einfacher: Sie können echte Geschichten erzählen – mit sich selbst als Hauptfigur. Das ist authentischer, glaubwürdiger und funktioniert auch ohne riesiges Marketing-Budget. Storytelling ist eine geniale Möglichkeit, um zu seinen Kunden durchzudringen, sie emotional zu berühren und ihnen im Gedächtnis zu bleiben.

Wer der Welt etwas über sein Unternehmen, seine Marke, sein Produkt mitteilen möchte, argumentiert meist mit Fakten („In den letzten fünf Jahren haben wir 25 große Projekte erfolgreich umgesetzt“) oder mit Behauptungen („Unser Service wird Sie begeistern“). Das ist nicht nur austauschbar. Es ist vor allem: langweilig. Kein Kunde wird sich daran erinnern. Weil es keine Emotionen weckt.

In der Flut an Informationen und Inhalten, denen wir täglich ausgesetzt sind, bleibt nur das hängen, was uns berührt.

Es ist das eine, eine trockene Statistik über gescheiterte Unternehmensgründungen zu lesen. Aber etwas ganz anderes zu hören, wie eine junge Unternehmerin innerhalb weniger Jahre einen erfolgreichen Onlineversand für Schnittblumen aufbaut, von der Presse gefeiert wird, eines Tages sogar die Bundeskanzlerin durch ihr Start-up führt – und dann hochschwanger an einer Finanzierungsrunde scheitert, Insolvenz anmelden muss und ihr Baby zu früh zur Welt bringt. (Gut möglich, dass Sie davon schon einmal gehört haben: Die Unternehmerin Franziska von Hardenberg hat offen über das Ende ihres Start-ups Bloomy Days gesprochen und nutzte die Geschichte ihres Scheiterns, um weiter im Gespräch zu bleiben. Mehr dazu zum Beispiel hier oder hier.)

Geschichten machen es uns einfacher, Informationen zu verarbeiten und zu verstehen. Sind sie gut erzählt, fühlt es sich fast so an, als würden wir sie selbst erleben. Es entstehen Bilder im Kopf. Und diese Bilder erzeugen Emotionen.

Vorteile: Das bringt Storytelling

  • Aufmerksamkeit: Bei einem trockenen Vortrag oder Bericht, in dem eine Zahl die nächste jagt, steigen die meisten Zuhörer oder Leser nach kurzer Zeit aus. Wer eine Geschichte erzählt, macht neugierig. Es ist ein menschliches Urbedürfnis zu erfahren, wie Geschichten ausgehen.
  • Nähe: Geschichten mit Höhen und Tiefen, mit Krisen, die gemeistert und Erfolgen, die gefeiert werden, lassen den Zuhörer mitfühlen und eine Verbindung aufbauen.
  • Erinnern: Geschichten sind eingängig. Wir merken sie uns leichter als blanke Fakten. Wer eine Geschichte erzählt, bleibt im Kopf.
  • Kopierschutz: Auch, wenn sich bestimmt Muster in der Handlung wiederholen, ist jede Unternehmergeschichte mit ihren persönlichen Krisen, Herausforderungen und Lösungen einzigartig. Niemand sonst kann sie erzählen.

Aufbau: Was eine fesselnde Geschichte ausmacht

Wieso schauen wir eine Folge „Game of Thrones“ nach der nächsten, obwohl wir längst ins Bett gehen wollten? Warum rührt uns als Zuschauer im Theater die Liebe zwischen Romeo und Julia noch heute zu Tränen? Und was fasziniert Kinder auf der ganzen Welt an Elsa, der Eiskönigin? All diese Geschichten setzen auf erzählerische Grundmuster, die uns in ihren Bann ziehen.

Die Heldenreise

Der amerikanische Literaturwissenschaftler Joseph Campbell beschäftigte sich über Jahrzehnte mit Mythen. Dabei entdeckte er, dass alte Geschichten aus allen Teilen der Welt einem gemeinsamen Grundmuster folgen: der so genannten Heldenreise.

In seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ (1949) schildert Campbell den typischen Verlauf einer solchen Geschichte: Der Held erlebt Höhen und Tiefen, er zweifelt, wird in Versuchung geführt, erfährt unerwartete Hilfe. Er muss eine Prüfung bestehen und durchläuft eine Verwandlung – bis er schließlich das Problem löst, den Kampf gewinnt.

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Auf solche archetypischen Geschichten, so Campbell, reagieren Menschen instinktiv. Deswegen greifen begnadete Storyteller auch heute noch auf dieses uralte Erzählmuster zurück. Der Regisseur George Lucas etwa hat Campbells Buch gelesen und seine Star-Wars-Filme nach dem Prinzip der Heldenreise aufgebaut.

Masterplots: Typische Erzählmuster

Ronald B. Tobias, Schriftsteller und Professor an der Montana State University, hat 20 sogenannte Masterplots definiert, also Erzählmuster, die sich in Film und Fernsehen, in Romanen und Kurzgeschichten bewährt haben. Folgende Masterplots lassen sich besonders gut auf Unternehmer übertragen:

  • Die Suche: Geschäfts- oder Produktideen kommen nicht im Schlaf, sondern sind meist das Ergebnis jahrelanger Arbeit und vieler überwundener Rückschläge, die sich spannend erzählen lassen. Mehr dazu finden Sie hier: Wie Sie Ihre Misserfolge fürs Marketing nutzen können

Geschichten finden: Wie man eine mitreißende Story erkennt

„Was ist bei mir schon besonders?“ Viele Unternehmer denken, sie hätten nichts zu erzählen. Eine gute Geschichte im eigenen Unternehmen aufzuspüren, ist anfangs nicht leicht. Aber es lässt sich lernen. Man erkennt sie an diesen drei Grundzutaten:

  • Die Heldin oder der Held: Jede Geschichte hat eine Hauptfigur, die durch Höhen und Tiefen eines Abenteuers führt. Das kann die Unternehmensgründerin sein oder ein Mitarbeiter. Hauptsache, es gibt einen Protagonisten, mit dem der Zuhörer mitleiden, mitfiebern kann.
  • Der Konflikt: Jede Geschichte braucht einen Spannungsbogen. Die Ausgangssituation muss sich verändern – im Idealfall so, dass es das Publikum überrascht. „Wir waren erfolgreich. Und dann ging es immer steiler bergauf“ – das will niemand hören oder lesen. Storytelling lebt von Dramaturgie.
  • Die Botschaft: Was sagt die Geschichte aus? Welches Ziel verfolgt die Kommunikation? Es geht nicht darum, einfach nur eine lustige Anekdote zu erzählen. Eine gute Geschichte vermittelt zum Beispiel, welche Werte einem Unternehmer wichtig sind. Sie zeigt, was ihn einzigartig macht oder belegt, dass er vertrauenswürdig ist.

Storytelling lernen: 5 Tipps für Storytelling-Marketing, das funktioniert

1. Show, don’t tell

Gute Storyteller behaupten nicht: „Wir legen Wert auf ein gutes Arbeitsklima und begegnen unseren Angestellten auf Augenhöhe.“ Sie zeigen und belegen diese Werte, etwa indem sie erzählen, wie sie sich in einer schwierigen Situation hinter einen Mitarbeiter gestellt haben.

2. Fallbeispiele

Gute Storyteller machen es wie Journalisten und suchen stets nach einem konkreten Fallbeispiel, das ein größeres Phänomen greifbarer macht. Ein Unternehmen will zeigen, wie es sich sozial engagiert und auch Bewerbern mit schlechtem Schulabschluss eine Chance gibt? Dann sollte es die Geschichte des Auszubildenden Max M. erzählen, der zwar eine Fünf in Englisch und Geschichte hatte, aber ein begnadeter Elektrotechniker wurde.

3. Kopfkino

Gute Storyteller nehmen ihre Leser mit an den Ort des Geschehens – so wie ein Reporter. Sie beschreiben kurze Szenen, bauen Dialoge ein und machen ihre Geschichten durch Details erfahrbar.

4. Weniger ist mehr

Gute Geschichten müssen nicht in epischer Breite erzählt werden. Spannend wird es, wenn sich die Erzählung auf das Wesentliche konzentriert. Und: Gutes Storytelling klammert sich nicht an die Chronologie der Ereignisse. Geschichten nach dem Schema „Dann passierte das, danach dies und dann jenes“ schläfern Zuhörer zuverlässig ein.

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5. Authentisch, nicht perfekt

Eine gute Geschichte lebt nicht von perfekten Fotos, hochtrabenden Formulierungen oder glatt geschliffenen Sätzen. Was zählt, ist, dass sie echt ist – und den Leser berührt.

Gute Texte zu schreiben ist kein Hexenwerk: 5 simple Texter-Tricks, die jeden Text besser machen

Texte: 2 Beispiele für gelungenes Storytelling

Die Gründungsgeschichte von Stiefkind Apfelsaft

Georg Schneider, ein Obstbauer aus Baden-Württemberg, erzählt auf seiner Website, wie er auf die Idee kam, einen roten Apfelsaft herzustellen. Er (= der Held) machte vor vielen Jahren ein Fortbildungsjahr in Frankreich und wurde dort auf eine besondere Apfelsorte aufmerksam: einen Apfel mit rotem Fruchtfleisch.

Sein französischer Lehrmeister fand diese Sorte aus ökonomischer Sicht unbrauchbar: zu klein, zu sauer. Georg Schneider aber wollte den Apfel mit dem roten Fruchtfleisch retten (= der Konflikt / die Herausforderung). Er bekam von seinem Lehrmeister ein paar Pflanzen und importierte sie auf seinen Hof nach Edingen. Dort kreuzte er sie und benannte die Kreuzungen nach den Mitgliedern seiner Familie. Mehrere Jahre beobachtete er die Pflanzen. Dann stand fest: Die Kreuzung „Maggy“ war die beste. Aus „Maggy“ wird heute der leuchtend rote Apfelsaft gepresst.

Die Botschaft dieser Geschichte ist klar: Jemand, der eine kleine, saure Apfelsorte retten will und die neuen Kreuzungen nach seiner Familie benennt, der muss mit Liebe und Leidenschaft bei der Sache sein. Die ganze Geschichte ist hier nachzulesen.

Weitere Beispiele hier: 5 gelungene Beispiele, wie man seine Gründungsgeschichte erzählt

Eine Wertegeschichte des Hoteliers Jürgen Krenzer

Herr Krenzer, Ihr Personal ist gerade dabei, Ihren Ruf zu ruinieren.“

Das stand in der SMS einer Kundin, die Jürgen Krenzer erreichte, als er selbst im Urlaub war. Statt auf die Frau zuzugehen und sich bei ihr zu entschuldigen, entschied er sich dafür, erst einmal nicht zu antworten. Am nächsten Tag sprach er mit seinem Team und erfuhr, dass sich die Dame den Mitarbeitern gegenüber unmöglich aufgeführt hatte. Der Hotelier wählte einen ungewöhnlichen Schritt: Er trennte sich von der Kundin – und veröffentlichte die Geschichte in seinem Blog auf impulse.de.

Was sagt das über ihn aus? Krenzer macht mit der Geschichte deutlich, dass ihm seine Kunden wichtig sind. Sein Team aber ist seine Familie. Und wer die schlecht behandelt, ist bei ihm nicht erwünscht. Der Chef, der sich so hinter seine Crew stellt, kam gut an. Der Text wurde mehr als 50.000 Mal gelesen und viele hundert Mal auf Facebook geliked. Er zog Kunden an und brachte dem Hotelier unaufgeforderte Bewerbungen ein. Hier ist der Blogbeitrag nachzulesen.

Einsatzmöglichkeiten: Wie Unternehmer Storytelling nutzen können

Wer die Grundlagen des Storytelling einmal verinnerlicht hat, kann es vielfältig einsetzen:

Im Gespräch mit Bewerbern oder neuen Mitarbeitern

Mit der Gründungsgeschichte, Geschichten über die eigenen Werte oder über die Besonderheiten der Unternehmenskultur können Chefs Bewerbern näherbringen, wie ihre Firma tickt – und ihnen den entscheidenden Anstoß geben, sich für ihr Unternehmen zu entscheiden.

Im Gespräch mit Kunden und Partnern

Mit einer Geschichte holen Unternehmer ihre Firma aus der Anonymität. Sie bleiben Kunden oder Geschäftspartnern im Gedächtnis und schaffen Vertrauen.

In Vorträgen und Reden

Ob auf der Weihnachtsfeier, anlässlich der Verabschiedung eines langjährigen Kollegen oder vor einem Fachpublikum: Eine kleine Geschichte verhindert, dass das Publikum langsam wegdöst.

Auf der Unternehmenswebsite

Menschen machen gern Geschäfte mit Menschen. Und sie wollen wissen, was ihr Gegenüber antreibt. Auf der „Über uns“-Seite können Unternehmer ihre Gründungsgeschichte erzählen und ihrer Zielgruppe zeigen, warum sie tun, was sie tun.

In Präsentationen

Im Meeting, beim Treffen mit Kunden oder Geschäftspartnern: Wenn Unternehmer kleine Anekdoten erzählen, haben sie die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer garantiert.

In Interviews und in der Pressearbeit

Journalisten lieben spannende, einzigartige Geschichten. Wenn Unternehmer anschaulich und mit konkreten Beispielen von ihren Krisen und Erfolgen erzählen, können sie bei der Presse punkten.

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Definition: Was ist Storytelling? Storytelling ist zu einem Marketing-Buzzword geworden für alles, was nicht klassischer Werbung entspricht. Zunächst einmal bedeutet Storytelling aber einfach, eine Geschichte zu erzählen. Das haben wir Menschen schon immer getan. Wir erzählen uns Geschichten, um einander zu unterhalten, um wichtige Informationen weiterzugeben, um Werte zu vermitteln, um zu warnen. Geschichten sind mächtig, weil sie uns berühren. Sie können uns zum Lachen bringen oder eine Gänsehaut bescheren, sie können uns wütend machen oder ins Grübeln bringen. Romane, Kinofilme und Serien folgen bestimmten Mustern und Regeln, um Geschichten mitreißend zu erzählen. Auch Journalisten nutzen diese Storytelling-Methoden, um ihre Leser zu fesseln. Und auch im Marketing, in der Unternehmenskommunikation und in der PR setzen immer mehr Unternehmen auf die Macht des Geschichtenerzählens. Funktionen von Geschichten: Was Storytelling kann Viele erfolgreiche Kampagnen großer Konzerne basieren auf begnadetem Storytelling. Der Großvater, der Weihnachten immer allein feiern musste und schließlich seinen eigenen Tod vortäuscht, um die ganze Familie wieder an einen Tisch zu holen - dieser Werbespot von Edeka ließ 2015 wohl kaum jemanden kalt. Doch der kurze Film ist aufwändig mit Schauspielern produziert und erzählt eine erfundene Geschichte. Kleine und mittelgroße Unternehmen und Selbstständige haben es da einfacher: Sie können echte Geschichten erzählen – mit sich selbst als Hauptfigur. Das ist authentischer, glaubwürdiger und funktioniert auch ohne riesiges Marketing-Budget. Storytelling ist eine geniale Möglichkeit, um zu seinen Kunden durchzudringen, sie emotional zu berühren und ihnen im Gedächtnis zu bleiben. Wer der Welt etwas über sein Unternehmen, seine Marke, sein Produkt mitteilen möchte, argumentiert meist mit Fakten („In den letzten fünf Jahren haben wir 25 große Projekte erfolgreich umgesetzt“) oder mit Behauptungen („Unser Service wird Sie begeistern“). Das ist nicht nur austauschbar. Es ist vor allem: langweilig. Kein Kunde wird sich daran erinnern. Weil es keine Emotionen weckt. In der Flut an Informationen und Inhalten, denen wir täglich ausgesetzt sind, bleibt nur das hängen, was uns berührt. Es ist das eine, eine trockene Statistik über gescheiterte Unternehmensgründungen zu lesen. Aber etwas ganz anderes zu hören, wie eine junge Unternehmerin innerhalb weniger Jahre einen erfolgreichen Onlineversand für Schnittblumen aufbaut, von der Presse gefeiert wird, eines Tages sogar die Bundeskanzlerin durch ihr Start-up führt – und dann hochschwanger an einer Finanzierungsrunde scheitert, Insolvenz anmelden muss und ihr Baby zu früh zur Welt bringt. (Gut möglich, dass Sie davon schon einmal gehört haben: Die Unternehmerin Franziska von Hardenberg hat offen über das Ende ihres Start-ups Bloomy Days gesprochen und nutzte die Geschichte ihres Scheiterns, um weiter im Gespräch zu bleiben. Mehr dazu zum Beispiel hier oder hier.) Geschichten machen es uns einfacher, Informationen zu verarbeiten und zu verstehen. Sind sie gut erzählt, fühlt es sich fast so an, als würden wir sie selbst erleben. Es entstehen Bilder im Kopf. Und diese Bilder erzeugen Emotionen. Vorteile: Das bringt Storytelling Aufmerksamkeit: Bei einem trockenen Vortrag oder Bericht, in dem eine Zahl die nächste jagt, steigen die meisten Zuhörer oder Leser nach kurzer Zeit aus. Wer eine Geschichte erzählt, macht neugierig. Es ist ein menschliches Urbedürfnis zu erfahren, wie Geschichten ausgehen. Nähe: Geschichten mit Höhen und Tiefen, mit Krisen, die gemeistert und Erfolgen, die gefeiert werden, lassen den Zuhörer mitfühlen und eine Verbindung aufbauen. Erinnern: Geschichten sind eingängig. Wir merken sie uns leichter als blanke Fakten. Wer eine Geschichte erzählt, bleibt im Kopf. Kopierschutz: Auch, wenn sich bestimmt Muster in der Handlung wiederholen, ist jede Unternehmergeschichte mit ihren persönlichen Krisen, Herausforderungen und Lösungen einzigartig. Niemand sonst kann sie erzählen. Aufbau: Was eine fesselnde Geschichte ausmacht Wieso schauen wir eine Folge „Game of Thrones“ nach der nächsten, obwohl wir längst ins Bett gehen wollten? Warum rührt uns als Zuschauer im Theater die Liebe zwischen Romeo und Julia noch heute zu Tränen? Und was fasziniert Kinder auf der ganzen Welt an Elsa, der Eiskönigin? All diese Geschichten setzen auf erzählerische Grundmuster, die uns in ihren Bann ziehen. Die Heldenreise Der amerikanische Literaturwissenschaftler Joseph Campbell beschäftigte sich über Jahrzehnte mit Mythen. Dabei entdeckte er, dass alte Geschichten aus allen Teilen der Welt einem gemeinsamen Grundmuster folgen: der so genannten Heldenreise. In seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ (1949) schildert Campbell den typischen Verlauf einer solchen Geschichte: Der Held erlebt Höhen und Tiefen, er zweifelt, wird in Versuchung geführt, erfährt unerwartete Hilfe. Er muss eine Prüfung bestehen und durchläuft eine Verwandlung – bis er schließlich das Problem löst, den Kampf gewinnt. Auf solche archetypischen Geschichten, so Campbell, reagieren Menschen instinktiv. Deswegen greifen begnadete Storyteller auch heute noch auf dieses uralte Erzählmuster zurück. Der Regisseur George Lucas etwa hat Campbells Buch gelesen und seine Star-Wars-Filme nach dem Prinzip der Heldenreise aufgebaut. Masterplots: Typische Erzählmuster Ronald B. Tobias, Schriftsteller und Professor an der Montana State University, hat 20 sogenannte Masterplots definiert, also Erzählmuster, die sich in Film und Fernsehen, in Romanen und Kurzgeschichten bewährt haben. Folgende Masterplots lassen sich besonders gut auf Unternehmer übertragen: Underdog-Geschichten: Auch bekannt als David gegen Goliath. Der Kleine tritt gegen den Großen an – und der Kleine gewinnt. Ein Beispiel finden Sie hier: So machen Sie Storytelling wie Elon Musk Aufstieg und Fall: Vom Tellerwäscher zum Millionär (oder andersrum) – große Erfolgs- oder Misserfolgsgeschichten faszinieren uns. Ein Beispiel finden Sie hier: Warum Steve Jobs und Elon Musk Fans haben – und Sie (bisher) nicht Die Suche: Geschäfts- oder Produktideen kommen nicht im Schlaf, sondern sind meist das Ergebnis jahrelanger Arbeit und vieler überwundener Rückschläge, die sich spannend erzählen lassen. Mehr dazu finden Sie hier: Wie Sie Ihre Misserfolge fürs Marketing nutzen können Geschichten finden: Wie man eine mitreißende Story erkennt „Was ist bei mir schon besonders?“ Viele Unternehmer denken, sie hätten nichts zu erzählen. Eine gute Geschichte im eigenen Unternehmen aufzuspüren, ist anfangs nicht leicht. Aber es lässt sich lernen. Man erkennt sie an diesen drei Grundzutaten: Die Heldin oder der Held: Jede Geschichte hat eine Hauptfigur, die durch Höhen und Tiefen eines Abenteuers führt. Das kann die Unternehmensgründerin sein oder ein Mitarbeiter. Hauptsache, es gibt einen Protagonisten, mit dem der Zuhörer mitleiden, mitfiebern kann. Der Konflikt: Jede Geschichte braucht einen Spannungsbogen. Die Ausgangssituation muss sich verändern – im Idealfall so, dass es das Publikum überrascht. „Wir waren erfolgreich. Und dann ging es immer steiler bergauf“ – das will niemand hören oder lesen. Storytelling lebt von Dramaturgie. Die Botschaft: Was sagt die Geschichte aus? Welches Ziel verfolgt die Kommunikation? Es geht nicht darum, einfach nur eine lustige Anekdote zu erzählen. Eine gute Geschichte vermittelt zum Beispiel, welche Werte einem Unternehmer wichtig sind. Sie zeigt, was ihn einzigartig macht oder belegt, dass er vertrauenswürdig ist. [mehr-zum-thema] Storytelling lernen: 5 Tipps für Storytelling-Marketing, das funktioniert 1. Show, don’t tell Gute Storyteller behaupten nicht: „Wir legen Wert auf ein gutes Arbeitsklima und begegnen unseren Angestellten auf Augenhöhe.“ Sie zeigen und belegen diese Werte, etwa indem sie erzählen, wie sie sich in einer schwierigen Situation hinter einen Mitarbeiter gestellt haben. 2. Fallbeispiele Gute Storyteller machen es wie Journalisten und suchen stets nach einem konkreten Fallbeispiel, das ein größeres Phänomen greifbarer macht. Ein Unternehmen will zeigen, wie es sich sozial engagiert und auch Bewerbern mit schlechtem Schulabschluss eine Chance gibt? Dann sollte es die Geschichte des Auszubildenden Max M. erzählen, der zwar eine Fünf in Englisch und Geschichte hatte, aber ein begnadeter Elektrotechniker wurde. 3. Kopfkino Gute Storyteller nehmen ihre Leser mit an den Ort des Geschehens – so wie ein Reporter. Sie beschreiben kurze Szenen, bauen Dialoge ein und machen ihre Geschichten durch Details erfahrbar. 4. Weniger ist mehr Gute Geschichten müssen nicht in epischer Breite erzählt werden. Spannend wird es, wenn sich die Erzählung auf das Wesentliche konzentriert. Und: Gutes Storytelling klammert sich nicht an die Chronologie der Ereignisse. Geschichten nach dem Schema „Dann passierte das, danach dies und dann jenes“ schläfern Zuhörer zuverlässig ein. 5. Authentisch, nicht perfekt Eine gute Geschichte lebt nicht von perfekten Fotos, hochtrabenden Formulierungen oder glatt geschliffenen Sätzen. Was zählt, ist, dass sie echt ist – und den Leser berührt. Gute Texte zu schreiben ist kein Hexenwerk: 5 simple Texter-Tricks, die jeden Text besser machen Texte: 2 Beispiele für gelungenes Storytelling Die Gründungsgeschichte von Stiefkind Apfelsaft Georg Schneider, ein Obstbauer aus Baden-Württemberg, erzählt auf seiner Website, wie er auf die Idee kam, einen roten Apfelsaft herzustellen. Er (= der Held) machte vor vielen Jahren ein Fortbildungsjahr in Frankreich und wurde dort auf eine besondere Apfelsorte aufmerksam: einen Apfel mit rotem Fruchtfleisch. Sein französischer Lehrmeister fand diese Sorte aus ökonomischer Sicht unbrauchbar: zu klein, zu sauer. Georg Schneider aber wollte den Apfel mit dem roten Fruchtfleisch retten (= der Konflikt / die Herausforderung). Er bekam von seinem Lehrmeister ein paar Pflanzen und importierte sie auf seinen Hof nach Edingen. Dort kreuzte er sie und benannte die Kreuzungen nach den Mitgliedern seiner Familie. Mehrere Jahre beobachtete er die Pflanzen. Dann stand fest: Die Kreuzung „Maggy“ war die beste. Aus „Maggy“ wird heute der leuchtend rote Apfelsaft gepresst. Die Botschaft dieser Geschichte ist klar: Jemand, der eine kleine, saure Apfelsorte retten will und die neuen Kreuzungen nach seiner Familie benennt, der muss mit Liebe und Leidenschaft bei der Sache sein. Die ganze Geschichte ist hier nachzulesen. Weitere Beispiele hier: 5 gelungene Beispiele, wie man seine Gründungsgeschichte erzählt Eine Wertegeschichte des Hoteliers Jürgen Krenzer „Herr Krenzer, Ihr Personal ist gerade dabei, Ihren Ruf zu ruinieren.“ Das stand in der SMS einer Kundin, die Jürgen Krenzer erreichte, als er selbst im Urlaub war. Statt auf die Frau zuzugehen und sich bei ihr zu entschuldigen, entschied er sich dafür, erst einmal nicht zu antworten. Am nächsten Tag sprach er mit seinem Team und erfuhr, dass sich die Dame den Mitarbeitern gegenüber unmöglich aufgeführt hatte. Der Hotelier wählte einen ungewöhnlichen Schritt: Er trennte sich von der Kundin – und veröffentlichte die Geschichte in seinem Blog auf impulse.de. Was sagt das über ihn aus? Krenzer macht mit der Geschichte deutlich, dass ihm seine Kunden wichtig sind. Sein Team aber ist seine Familie. Und wer die schlecht behandelt, ist bei ihm nicht erwünscht. Der Chef, der sich so hinter seine Crew stellt, kam gut an. Der Text wurde mehr als 50.000 Mal gelesen und viele hundert Mal auf Facebook geliked. Er zog Kunden an und brachte dem Hotelier unaufgeforderte Bewerbungen ein. Hier ist der Blogbeitrag nachzulesen. Einsatzmöglichkeiten: Wie Unternehmer Storytelling nutzen können Wer die Grundlagen des Storytelling einmal verinnerlicht hat, kann es vielfältig einsetzen: Im Gespräch mit Bewerbern oder neuen Mitarbeitern Mit der Gründungsgeschichte, Geschichten über die eigenen Werte oder über die Besonderheiten der Unternehmenskultur können Chefs Bewerbern näherbringen, wie ihre Firma tickt – und ihnen den entscheidenden Anstoß geben, sich für ihr Unternehmen zu entscheiden. Im Gespräch mit Kunden und Partnern Mit einer Geschichte holen Unternehmer ihre Firma aus der Anonymität. Sie bleiben Kunden oder Geschäftspartnern im Gedächtnis und schaffen Vertrauen. In Vorträgen und Reden Ob auf der Weihnachtsfeier, anlässlich der Verabschiedung eines langjährigen Kollegen oder vor einem Fachpublikum: Eine kleine Geschichte verhindert, dass das Publikum langsam wegdöst. Auf der Unternehmenswebsite Menschen machen gern Geschäfte mit Menschen. Und sie wollen wissen, was ihr Gegenüber antreibt. Auf der „Über uns“-Seite können Unternehmer ihre Gründungsgeschichte erzählen und ihrer Zielgruppe zeigen, warum sie tun, was sie tun. In Präsentationen Im Meeting, beim Treffen mit Kunden oder Geschäftspartnern: Wenn Unternehmer kleine Anekdoten erzählen, haben sie die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer garantiert. In Interviews und in der Pressearbeit Journalisten lieben spannende, einzigartige Geschichten. Wenn Unternehmer anschaulich und mit konkreten Beispielen von ihren Krisen und Erfolgen erzählen, können sie bei der Presse punkten.
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