Brainstorming
Diese Regeln machen jedes Brainstorming produktiver

Ihr Brainstorming führt zu nichts? Dann nutzen Sie die Methode wahrscheinlich falsch. Diese Tipps und Regeln helfen, im Team gute Ideen zu entwickeln – und die besten zu erkennen.

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Ein Brainstorming hilft, unter vielen Ideen die beste zu finden.
© Ruslan-Grumble / Fotolia.com

Was bei Brainstormings oft schief läuft

Wir verkaufen zu wenig. Dagegen müssen wir unbedingt etwas tun. Schnell heißt es: „Lasst uns mal ein Brainstorming machen.“ Gute Idee! Und dann? Sitzen fünf, sechs kluge Menschen um einen Tisch herum und starren verlegen auf das Flip-Chart in der Ecke. Der erste Vorschlag kommt von einem jungen Kollegen – und wird gleich abgeschmettert: „Haben wir schon mal probiert, das klappt nicht.“ So geht es weiter. Und am Ende sind alle genervt, weil sie eine Stunde ihrer wertvollen Zeit geopfert haben und trotzdem ohne Lösung dastehen.

„Solange Brainstormings ein Platzhalter für ‚Wir haben keine Ahnung, lass uns mal nachdenken‘ sind, werden sie scheitern“, sagt Andrea Windolph, Autorin, Beraterin und Projektmanagement-Expertin. „Ohne Moderator, ohne konkrete Fragestellung und ohne Beachtung der Regeln wird das Brainstorming zu dem, was ihm immer wieder angekreidet wird: einer Verschwendung produktiver Arbeitszeit.“ Richtig angewendet aber können Brainstormings ein effektives und vor allem leicht einsetzbares Tool zur Ideensammlung sein. Wer die folgenden Punkte beachtet, bekommt das leicht hin.

Wann sind Brainstormings überhaupt sinnvoll?

Immer dann, wenn Sie Antworten auf eine klar definierte Frage suchen. Andrea Windolph empfiehlt Brainstormings als Kreativitätsmethode eher für ungewöhnliche Fälle, zu denen Ihren Mitarbeitern spontan erst einmal gar nichts einfällt, als für übliche, wiederkehrende Probleme.

Zwei Beispiele aus der Praxis: Der Kunde einer Werbeagentur ist unzufrieden mit seiner Außendarstellung, also werden Vorschläge gesucht, um das Image aufzupolieren. Oder: Ein Unternehmen verliert Marktanteile und der Chef fragt sich, welche neuen Kundengruppen er für sein Produkt interessieren könnte.

Der Ablauf: Wie funktioniert ein erfolgreiches Brainstorming?

Die Teilnehmer: Ein Brainstorming kann mit zwei Teilnehmern gelingen oder mit 20. Allgemein gilt laut Andrea Windolph eine Gruppengröße von vier bis acht Personen als unkompliziert: groß genug, um genügend Ideen sammeln zu können, aber nicht zu groß, als dass sich die Gruppe nicht mehr handhaben ließe.

Die Methode lebt von abwegigen Gedankengängen. Eine bunte Zusammensetzung kann also nicht schaden. „Wenn alle Anwesenden ohnehin täglich zusammenarbeiten, sind neuartige Ideen unwahrscheinlich“, so Andrea Windolph. Sie empfiehlt, bei der Auswahl mutig zu sein und auch einen fachfremden Quereinsteiger, die Praktikantin oder den Koch aus der Kantine einzuladen.

Zur Person
Andrea WindolphAndrea Windolph schreibt auf ihrem Blog Projekte leicht gemacht über Projektmanagement, berät Unternehmen und bietet E-Learning-Kurse an. Mit ihrem Partner Alexander Blumenau hat sie das Buch 42 Fragen - Brainstorming geschrieben.

Die Dauer: Die Ideenfindung sollte – je nach Fragestellung und Anzahl der Teilnehmer – zwischen fünf und 30 Minuten dauern. Wenn es gerade gut läuft, können Sie diese Phase auch verlängern. Für die zweite Phase, die Ideenbewertung, müssen Sie ebenfalls genügend Zeit einplanen. Insgesamt sollten Sie für das Meeting 30 bis 60 Minuten ansetzen.

Die vier Grundregeln

Wie die meisten Kreativitätstechniken funktioniert auch das Brainstorming nur mit klaren Regeln. Der Moderator muss darauf achten, dass jeder sie verstanden hat und sich daran hält. Ihrem Team fällt das schwer? Dann schreiben Sie die vier Grundsätze für alle sichtbar auf ein Whiteboard oder Flip-Chart.

Brainstorming-Regel Nr. 1: Keine Kritik

Die wichtigste Regel und zugleich die, die am häufigsten gebrochen wird: Während des Brainstormings dürfen die Ideen nicht bewertet werden, und seien sie noch so abwegig. Selbst wenn es sich nach völligem Unsinn anhört – lassen Sie den Teilnehmer reden! Auch Totschlag-Argumente und Killerphrasen wie „Das funktioniert nicht“ sind verboten.

Brainstorming-Regel Nr. 2: Quantität vor Qualität

Natürlich möchte jeder mit besonders cleveren Ideen glänzen. Doch darum geht es im ersten Schritt gar nicht. Die Teilnehmer bremsen sich selbst aus, wenn sie versuchen, gleich die beste Lösung zu finden. Also: Erst einmal her mit allen Einfällen. Ausgesiebt wird später.

Brainstorming-Regel Nr. 3: Kein Copyright auf Ideen

Es ist ausdrücklich erlaubt, die Ideen anderer Teilnehmer zu klauen oder sich von ihnen inspirieren zu lassen.

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Brainstorming-Regel Nr. 4: Unbedingt herumspinnen

Vom Thema abkommen, phantasieren, frei assoziieren – was in normalen Meetings alle auf die Palme bringt, ist im Brainstorming erwünscht. Wer weiß, vielleicht bringt der auf den ersten Blick bescheuerte Vorschlag einen Mitstreiter auf eine richtig gute Idee.

Die Fragestellung

Machen Sie deutlich, worum es in dem Termin geht. Die Fragestellung gehört groß auf ein Flip-Chart oder Whiteboard. Wie immer gilt: Je unklarer Ihr Ziel formuliert ist, desto schlechter wird das Ergebnis.

Die vier Phasen des Brainstormings

Phase 1: Ideen finden und sammeln

Alle wissen Bescheid und kennen die Regeln? Dann kann es losgehen. Der Moderator schreibt alle geäußerten Ideen auf Kärtchen und hängt diese auf. Damit wertvolle Einfälle nicht verloren gehen, sollten alle Teilnehmer zusätzlich auch Zettel und Stift parat haben und ihre eigenen Ideen notieren, während andere sprechen.

Phase 2: Ideen sortieren

Im zweiten Schritt gilt es, die Ideenflut gemeinsam zu strukturieren. Lassen sich die Vorschläge in Kategorien einteilen? Gruppieren Sie die Kärtchen entsprechend.

Phase 3: Ideen bewerten

Was sich vorher alle verkneifen mussten, darf jetzt raus: die Kritik an einzelnen Ideen. Aussortiert wird, was sich als unsinnig und nicht umsetzbar herausstellt. Ob Sie diese Phase mit allen Teilnehmern oder in kleinerer Runde angehen, ist Geschmackssache. Wichtig ist: Am Ende bleibt eine Liste mit den vielversprechendsten Ideen übrig.

Phase 4: Die Nachbereitung

Die schönsten Ideen nützen wenig, wenn sie nicht weiterverfolgt werden. Halten Sie fest, welche Ideen Sie näher betrachten wollen, welche Schritte dafür notwendig sind und wer sich darum kümmert. Bei der Verfeinerung guter Ideen kann es auch helfen, eine Mindmap zu erstellen.

5 typische Fehler beim Brainstorming

Diese Fallstricke sollten Sie unbedingt vermeiden:

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  1. Das Brainstorming dient nur als Alibi, um das Team einzubinden – die Entscheidung ist längst gefallen. Unter dieser Voraussetzung können Sie den Termin gleich absagen. Reine Zeitverschwendung!
  1. Es fehlt eine konkrete Fragestellung. Ein Brainstorming ist nicht einfach ein Termin zum gemeinsamen Nachdenken, es braucht eine Struktur. Das Ziel des Treffens muss allen Beteiligten klar sein.
  1. Der Moderator bricht die Ideenfindung zu früh ab. Nachdem naheliegende Ideen geäußert wurden, kommt es laut Andrea Windolph oft zu einer unangenehmen Stille. Die müssen Sie aushalten – und dann gezielt nach weiteren Ideen fragen. Oft kämen dann die besten Vorschläge.
  1. Der Moderator hat das Meeting nicht im Griff. Wenn sich die Teilnehmer nicht an die Regeln oder den Zeitplan halten, mutiert der Termin laut Windolph zur Endlosdiskussion oder zum Kaffeekränzchen. Beides ist nicht zielführend.
  1. Der Moderator treibt zurückhaltende Teilnehmer in die Enge. Wer im Laufe eines Brainstormings von selbst nichts sagt, wird es vermutlich auch nicht tun, wenn Sie ihn direkt ansprechen. Besser wirkt laut der Brainstorming-Expertin eine indirekte Frage in die Runde: „Gibt es vielleicht noch Vorschläge von jemandem, von dem wir noch nichts gehört haben?“.

Alles Bullshit? Warum es so viel Kritik an Brainstormings gibt

In vielen Büros gelten Brainstormings inzwischen als veraltet oder sinnlos. Die Zeit titelte sogar: „Brainstorming ist Bullshit“. Tatsächlich gibt es Studien, die besagen, dass beim gemeinsamen Gedankensturm weniger gesammelt werden, als wenn Einzelpersonen konzentriert nachdenken. Origineller sind die Gruppenideen den Studien zufolge auch nicht.

Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Hierarchien innerhalb der Gruppe beeinflussen das Ergebnis. Vor dem Chef will sich der Auszubildende nicht blamieren, also hält er lieber den Mund. Oder äußert nur Ideen, von denen er glaubt, dass sie dem Chef gefallen könnten.
  • Introvertierten Teilnehmern fällt es schwer, sich einzubringen.
  • Statt sich gegenseitig zu beflügeln, kann es passieren, dass sich die Teilnehmer gegenseitig blockieren. Etwa, weil sie warten müssen, bis ein anderer Teilnehmer ausgeredet hat, und ihre Ideen nicht gleich frei äußern können. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen „Produktionsblockierung“.

Der Kreativitätsexperte Peter Pakulat sieht die Methode insgesamt kritisch. „Brainstorming ist unkreativ. Man denkt an das Naheliegende, geht nur kleine Wege und nutzt das prominent Abgelegte. Bei der kreativen Ideenfindung sollen außenstehende Flecken erreicht werden und nicht bereits abgespeicherte Daten“, sagt er.

Er kritisiert vor allem den Ansatz ‚Du darfst alles denken, was du willst‘. Das funktioniere nicht besonders gut, weil unser Gehirn ein Routine-Organ sei und wir eine Struktur bräuchten, um wirklich kreativ zu werden. Das ist auch sein Hauptkritikpunkt an der Walt-Disney-Methode. Kreativitätsmethoden wie Mindmapping oder Design Thinking hält Pakulat für erfolgversprechender.

Andrea Windolph sieht das differenzierter: „Niemand behauptet, dass ein Brainstorming die ultimative Weisheit darstellt. Es ist aber eine von vielen Kreativitätstechniken, die zu neuen und innovativen Ideen führen kann – wenn sie richtig durchgeführt wird.“ Kommen Sie mit einem klassischen Brainstorming nicht weiter, empfiehlt sie, eine dieser Varianten auszuprobieren:

Brainwriting

„Das Brainwriting ist eine hervorragende Möglichkeit, um einige der Nachteile des klassischen Brainstormings auszugleichen“, so Windolph. Dabei erfolgt die erste Phase der Ideenfindung und -sammlung nicht mündlich in der Gruppe. Stattdessen schreibt jeder Teilnehmer seine Ideen allein auf.  Auch die anschließende Ideenbewertung kann beim Brainwriting anonym erfolgen, zum Beispiel mit einem Punktesystem. Die Vorteile:

  • Introvertierten Teilnehmern fällt es oft leichter, ihre Ideen aufzuschreiben statt sie laut zu äußern.
  • Bei Teilnehmern mit unterschiedlichen Hierarchiestufen werden niedriger gestellte Teilnehmer nicht eingeschüchtert und können sich in einem geschützten Rahmen äußern.
  • Alle Teilnehmer werden dazu gezwungen, zunächst für sich zu denken, ohne sich von der Gruppenmeinung beeinflussen zu lassen.

Die 6-5-3-Methode

Noch klarer strukturiert ist die 6-5-3-Methode. Das Konzept: Sechs Teilnehmer sollen in fünf Minuten je drei Lösungsvorschläge für ein Problem erarbeiten. Dafür bekommt jeder ein Blatt mit einer Tabelle, die aus drei Spalten und sechs Zeilen besteht. In die obersten drei Spalten trägt jeder Teilnehmer seine drei Ideen ein, dafür gibt der Moderator fünf Minuten Zeit. Danach werden die Blätter im Uhrzeigersinn an den Nachbarn weitergegeben – und der muss die Ideen des Vorgängers in der nächsten Zeile aufgreifen, ergänzen oder erweitern. So entstehen in kürzester Zeit Dutzende Ideen – und im Idealfall sind darunter einige, die wirklich zünden.

Mehr dazu: 6-3-5-Methode: Wie Sie 108 Ideen in 30 Minuten sammeln

Brainswarming

Auch in dieser Variante werden die Ideen schriftlich festgehalten – auf Post-its. Anschließend klebt jeder seine Zettel an eine Wand. Im dritten Schritt sortieren und verknüpfen alle gemeinsam die gesammelten Vorschläge. Ein Moderator ist in der Phase der Ideenfindung und -sammlung nicht notwendig. Weiterer Vorteil des Brainswarmings: Der Prozess kann zeitversetzt und mit verschiedenen Gruppen stattfinden und sich sogar über mehrere Tage hinziehen. Entwickelt wurde die Technik von dem US-amerikanischen Psychologen Tony McCaffrey.

Extra-Tipps für Chefs, um die Ideenfindung im Team zu fördern

Lassen Sie Ihre Mitarbeiter brainstormen – ohne Sie!

Je nachdem, wie hierarchisch Ihr Unternehmen strukturiert ist, kann allein schon Ihre Anwesenheit die Kreativität killen. „Wenn dann noch der Vorgesetzte das Meeting leitet, entsteht schnell der Eindruck, der Einzelne könne bewertet und an seinen Beiträgen gemessen werden. Das hemmt. Und manche Mitarbeiter werden sich unter Umständen in den Vordergrund spielen, um den Chef zu beeindrucken“, so Andrea Windolph. Wenn Sie trotzdem dabei sein wollen: Lassen Sie einen Ihrer Mitarbeiter moderieren.

Setzen Sie vorab Ziele.

Einfach und effektiv: Legen Sie als Team vor dem eigentlichen Brainstorming gemeinsam fest, wie viele Ideen in der Session gefunden werden sollen. Auch der Vergleich mit einem vorherigen Treffen kann laut Windolph ein guter Anreiz sein. Die Kollegen haben in der 30-minütigen Sitzung 60 Ideen gesammelt? Wir schaffen doch mehr!

Und zum Schluss ein Blick zurück: Wem haben wir das Brainstorming, die Mutter aller Kreativitätstechniken, eigentlich zu verdanken?

Der Amerikaner Alex F. Osborn gilt als Erfinder des Brainstormings. 1919 gründete er eine Werbeagentur in New York, aus der das inzwischen weltweit agierende Unternehmen BBDO entstand. Nach einigen Jahren im Beruf war der Werbefachmann genervt von den ergebnis- und ideenlosen Besprechungen mit seinen Mitarbeitern. Also entwickelte er ein Verfahren, das kreativen Ideen zur Problemlösung mehr Raum geben sollte – und beschrieb es mit den Worten „using the brain to storm a problem“.

Grundregeln wie „keine Kritik“ und „jeder Beitrag ist willkommen“ legte Osborn schon damals fest. Inspiriert hat ihn angeblich eine seit hunderten Jahren im Hinduismus angewendete Technik namens „Prai Barshana“.

Charles Hutchison Clark, ein Mitarbeiter Osborns, griff dessen Methode des „Gedankensturms“ auf und entwickelte daraus eine systematische Kreativitätstechnik, die er in dem 1958 erschienenen Standardwerk „Brainstorming – Methoden der Zusammenarbeit und Ideenfindung“ erläuterte.

Sie arbeiten lieber mit Checklisten? Osborn-Checkliste: Ideen finden nach Anleitung

Für impulse-Mitglieder gibt es außerdem eine Vorlage der Osborn-Checkliste zum Herunterladen: Osborn-Checkliste: Für frische Ideen, wie sich Angebote weiterentwickeln lassen

Was bei Brainstormings oft schief läuft Wir verkaufen zu wenig. Dagegen müssen wir unbedingt etwas tun. Schnell heißt es: "Lasst uns mal ein Brainstorming machen." Gute Idee! Und dann? Sitzen fünf, sechs kluge Menschen um einen Tisch herum und starren verlegen auf das Flip-Chart in der Ecke. Der erste Vorschlag kommt von einem jungen Kollegen – und wird gleich abgeschmettert: "Haben wir schon mal probiert, das klappt nicht." So geht es weiter. Und am Ende sind alle genervt, weil sie eine Stunde ihrer wertvollen Zeit geopfert haben und trotzdem ohne Lösung dastehen. "Solange Brainstormings ein Platzhalter für 'Wir haben keine Ahnung, lass uns mal nachdenken' sind, werden sie scheitern", sagt Andrea Windolph, Autorin, Beraterin und Projektmanagement-Expertin. "Ohne Moderator, ohne konkrete Fragestellung und ohne Beachtung der Regeln wird das Brainstorming zu dem, was ihm immer wieder angekreidet wird: einer Verschwendung produktiver Arbeitszeit." Richtig angewendet aber können Brainstormings ein effektives und vor allem leicht einsetzbares Tool zur Ideensammlung sein. Wer die folgenden Punkte beachtet, bekommt das leicht hin. Wann sind Brainstormings überhaupt sinnvoll? Immer dann, wenn Sie Antworten auf eine klar definierte Frage suchen. Andrea Windolph empfiehlt Brainstormings als Kreativitätsmethode eher für ungewöhnliche Fälle, zu denen Ihren Mitarbeitern spontan erst einmal gar nichts einfällt, als für übliche, wiederkehrende Probleme. Zwei Beispiele aus der Praxis: Der Kunde einer Werbeagentur ist unzufrieden mit seiner Außendarstellung, also werden Vorschläge gesucht, um das Image aufzupolieren. Oder: Ein Unternehmen verliert Marktanteile und der Chef fragt sich, welche neuen Kundengruppen er für sein Produkt interessieren könnte. Der Ablauf: Wie funktioniert ein erfolgreiches Brainstorming? Die Teilnehmer: Ein Brainstorming kann mit zwei Teilnehmern gelingen oder mit 20. Allgemein gilt laut Andrea Windolph eine Gruppengröße von vier bis acht Personen als unkompliziert: groß genug, um genügend Ideen sammeln zu können, aber nicht zu groß, als dass sich die Gruppe nicht mehr handhaben ließe. Die Methode lebt von abwegigen Gedankengängen. Eine bunte Zusammensetzung kann also nicht schaden. "Wenn alle Anwesenden ohnehin täglich zusammenarbeiten, sind neuartige Ideen unwahrscheinlich", so Andrea Windolph. Sie empfiehlt, bei der Auswahl mutig zu sein und auch einen fachfremden Quereinsteiger, die Praktikantin oder den Koch aus der Kantine einzuladen. Die Dauer: Die Ideenfindung sollte – je nach Fragestellung und Anzahl der Teilnehmer – zwischen fünf und 30 Minuten dauern. Wenn es gerade gut läuft, können Sie diese Phase auch verlängern. Für die zweite Phase, die Ideenbewertung, müssen Sie ebenfalls genügend Zeit einplanen. Insgesamt sollten Sie für das Meeting 30 bis 60 Minuten ansetzen. Die vier Grundregeln Wie die meisten Kreativitätstechniken funktioniert auch das Brainstorming nur mit klaren Regeln. Der Moderator muss darauf achten, dass jeder sie verstanden hat und sich daran hält. Ihrem Team fällt das schwer? Dann schreiben Sie die vier Grundsätze für alle sichtbar auf ein Whiteboard oder Flip-Chart. Brainstorming-Regel Nr. 1: Keine Kritik Die wichtigste Regel und zugleich die, die am häufigsten gebrochen wird: Während des Brainstormings dürfen die Ideen nicht bewertet werden, und seien sie noch so abwegig. Selbst wenn es sich nach völligem Unsinn anhört – lassen Sie den Teilnehmer reden! Auch Totschlag-Argumente und Killerphrasen wie "Das funktioniert nicht" sind verboten. Brainstorming-Regel Nr. 2: Quantität vor Qualität Natürlich möchte jeder mit besonders cleveren Ideen glänzen. Doch darum geht es im ersten Schritt gar nicht. Die Teilnehmer bremsen sich selbst aus, wenn sie versuchen, gleich die beste Lösung zu finden. Also: Erst einmal her mit allen Einfällen. Ausgesiebt wird später. Brainstorming-Regel Nr. 3: Kein Copyright auf Ideen Es ist ausdrücklich erlaubt, die Ideen anderer Teilnehmer zu klauen oder sich von ihnen inspirieren zu lassen. Brainstorming-Regel Nr. 4: Unbedingt herumspinnen Vom Thema abkommen, phantasieren, frei assoziieren – was in normalen Meetings alle auf die Palme bringt, ist im Brainstorming erwünscht. Wer weiß, vielleicht bringt der auf den ersten Blick bescheuerte Vorschlag einen Mitstreiter auf eine richtig gute Idee. Die Fragestellung Machen Sie deutlich, worum es in dem Termin geht. Die Fragestellung gehört groß auf ein Flip-Chart oder Whiteboard. Wie immer gilt: Je unklarer Ihr Ziel formuliert ist, desto schlechter wird das Ergebnis. Die vier Phasen des Brainstormings Phase 1: Ideen finden und sammeln Alle wissen Bescheid und kennen die Regeln? Dann kann es losgehen. Der Moderator schreibt alle geäußerten Ideen auf Kärtchen und hängt diese auf. Damit wertvolle Einfälle nicht verloren gehen, sollten alle Teilnehmer zusätzlich auch Zettel und Stift parat haben und ihre eigenen Ideen notieren, während andere sprechen. Phase 2: Ideen sortieren Im zweiten Schritt gilt es, die Ideenflut gemeinsam zu strukturieren. Lassen sich die Vorschläge in Kategorien einteilen? Gruppieren Sie die Kärtchen entsprechend. Phase 3: Ideen bewerten Was sich vorher alle verkneifen mussten, darf jetzt raus: die Kritik an einzelnen Ideen. Aussortiert wird, was sich als unsinnig und nicht umsetzbar herausstellt. Ob Sie diese Phase mit allen Teilnehmern oder in kleinerer Runde angehen, ist Geschmackssache. Wichtig ist: Am Ende bleibt eine Liste mit den vielversprechendsten Ideen übrig. Phase 4: Die Nachbereitung Die schönsten Ideen nützen wenig, wenn sie nicht weiterverfolgt werden. Halten Sie fest, welche Ideen Sie näher betrachten wollen, welche Schritte dafür notwendig sind und wer sich darum kümmert. Bei der Verfeinerung guter Ideen kann es auch helfen, eine Mindmap zu erstellen. 5 typische Fehler beim Brainstorming Diese Fallstricke sollten Sie unbedingt vermeiden: Das Brainstorming dient nur als Alibi, um das Team einzubinden – die Entscheidung ist längst gefallen. Unter dieser Voraussetzung können Sie den Termin gleich absagen. Reine Zeitverschwendung! Es fehlt eine konkrete Fragestellung. Ein Brainstorming ist nicht einfach ein Termin zum gemeinsamen Nachdenken, es braucht eine Struktur. Das Ziel des Treffens muss allen Beteiligten klar sein. Der Moderator bricht die Ideenfindung zu früh ab. Nachdem naheliegende Ideen geäußert wurden, kommt es laut Andrea Windolph oft zu einer unangenehmen Stille. Die müssen Sie aushalten – und dann gezielt nach weiteren Ideen fragen. Oft kämen dann die besten Vorschläge. Der Moderator hat das Meeting nicht im Griff. Wenn sich die Teilnehmer nicht an die Regeln oder den Zeitplan halten, mutiert der Termin laut Windolph zur Endlosdiskussion oder zum Kaffeekränzchen. Beides ist nicht zielführend. Der Moderator treibt zurückhaltende Teilnehmer in die Enge. Wer im Laufe eines Brainstormings von selbst nichts sagt, wird es vermutlich auch nicht tun, wenn Sie ihn direkt ansprechen. Besser wirkt laut der Brainstorming-Expertin eine indirekte Frage in die Runde: "Gibt es vielleicht noch Vorschläge von jemandem, von dem wir noch nichts gehört haben?". Alles Bullshit? Warum es so viel Kritik an Brainstormings gibt In vielen Büros gelten Brainstormings inzwischen als veraltet oder sinnlos. Die Zeit titelte sogar: "Brainstorming ist Bullshit". Tatsächlich gibt es Studien, die besagen, dass beim gemeinsamen Gedankensturm weniger gesammelt werden, als wenn Einzelpersonen konzentriert nachdenken. Origineller sind die Gruppenideen den Studien zufolge auch nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe: Hierarchien innerhalb der Gruppe beeinflussen das Ergebnis. Vor dem Chef will sich der Auszubildende nicht blamieren, also hält er lieber den Mund. Oder äußert nur Ideen, von denen er glaubt, dass sie dem Chef gefallen könnten. Introvertierten Teilnehmern fällt es schwer, sich einzubringen. Statt sich gegenseitig zu beflügeln, kann es passieren, dass sich die Teilnehmer gegenseitig blockieren. Etwa, weil sie warten müssen, bis ein anderer Teilnehmer ausgeredet hat, und ihre Ideen nicht gleich frei äußern können. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen "Produktionsblockierung". Der Kreativitätsexperte Peter Pakulat sieht die Methode insgesamt kritisch. „Brainstorming ist unkreativ. Man denkt an das Naheliegende, geht nur kleine Wege und nutzt das prominent Abgelegte. Bei der kreativen Ideenfindung sollen außenstehende Flecken erreicht werden und nicht bereits abgespeicherte Daten“, sagt er. Er kritisiert vor allem den Ansatz ‚Du darfst alles denken, was du willst‘. Das funktioniere nicht besonders gut, weil unser Gehirn ein Routine-Organ sei und wir eine Struktur bräuchten, um wirklich kreativ zu werden. Das ist auch sein Hauptkritikpunkt an der Walt-Disney-Methode. Kreativitätsmethoden wie Mindmapping oder Design Thinking hält Pakulat für erfolgversprechender. Andrea Windolph sieht das differenzierter: "Niemand behauptet, dass ein Brainstorming die ultimative Weisheit darstellt. Es ist aber eine von vielen Kreativitätstechniken, die zu neuen und innovativen Ideen führen kann - wenn sie richtig durchgeführt wird." Kommen Sie mit einem klassischen Brainstorming nicht weiter, empfiehlt sie, eine dieser Varianten auszuprobieren: Brainwriting "Das Brainwriting ist eine hervorragende Möglichkeit, um einige der Nachteile des klassischen Brainstormings auszugleichen", so Windolph. Dabei erfolgt die erste Phase der Ideenfindung und -sammlung nicht mündlich in der Gruppe. Stattdessen schreibt jeder Teilnehmer seine Ideen allein auf.  Auch die anschließende Ideenbewertung kann beim Brainwriting anonym erfolgen, zum Beispiel mit einem Punktesystem. Die Vorteile: Introvertierten Teilnehmern fällt es oft leichter, ihre Ideen aufzuschreiben statt sie laut zu äußern. Bei Teilnehmern mit unterschiedlichen Hierarchiestufen werden niedriger gestellte Teilnehmer nicht eingeschüchtert und können sich in einem geschützten Rahmen äußern. Alle Teilnehmer werden dazu gezwungen, zunächst für sich zu denken, ohne sich von der Gruppenmeinung beeinflussen zu lassen. Die 6-5-3-Methode Noch klarer strukturiert ist die 6-5-3-Methode. Das Konzept: Sechs Teilnehmer sollen in fünf Minuten je drei Lösungsvorschläge für ein Problem erarbeiten. Dafür bekommt jeder ein Blatt mit einer Tabelle, die aus drei Spalten und sechs Zeilen besteht. In die obersten drei Spalten trägt jeder Teilnehmer seine drei Ideen ein, dafür gibt der Moderator fünf Minuten Zeit. Danach werden die Blätter im Uhrzeigersinn an den Nachbarn weitergegeben – und der muss die Ideen des Vorgängers in der nächsten Zeile aufgreifen, ergänzen oder erweitern. So entstehen in kürzester Zeit Dutzende Ideen – und im Idealfall sind darunter einige, die wirklich zünden. Mehr dazu: 6-3-5-Methode: Wie Sie 108 Ideen in 30 Minuten sammeln Brainswarming Auch in dieser Variante werden die Ideen schriftlich festgehalten – auf Post-its. Anschließend klebt jeder seine Zettel an eine Wand. Im dritten Schritt sortieren und verknüpfen alle gemeinsam die gesammelten Vorschläge. Ein Moderator ist in der Phase der Ideenfindung und -sammlung nicht notwendig. Weiterer Vorteil des Brainswarmings: Der Prozess kann zeitversetzt und mit verschiedenen Gruppen stattfinden und sich sogar über mehrere Tage hinziehen. Entwickelt wurde die Technik von dem US-amerikanischen Psychologen Tony McCaffrey. Extra-Tipps für Chefs, um die Ideenfindung im Team zu fördern Lassen Sie Ihre Mitarbeiter brainstormen – ohne Sie! Je nachdem, wie hierarchisch Ihr Unternehmen strukturiert ist, kann allein schon Ihre Anwesenheit die Kreativität killen. "Wenn dann noch der Vorgesetzte das Meeting leitet, entsteht schnell der Eindruck, der Einzelne könne bewertet und an seinen Beiträgen gemessen werden. Das hemmt. Und manche Mitarbeiter werden sich unter Umständen in den Vordergrund spielen, um den Chef zu beeindrucken", so Andrea Windolph. Wenn Sie trotzdem dabei sein wollen: Lassen Sie einen Ihrer Mitarbeiter moderieren. Setzen Sie vorab Ziele. Einfach und effektiv: Legen Sie als Team vor dem eigentlichen Brainstorming gemeinsam fest, wie viele Ideen in der Session gefunden werden sollen. Auch der Vergleich mit einem vorherigen Treffen kann laut Windolph ein guter Anreiz sein. Die Kollegen haben in der 30-minütigen Sitzung 60 Ideen gesammelt? Wir schaffen doch mehr! Und zum Schluss ein Blick zurück: Wem haben wir das Brainstorming, die Mutter aller Kreativitätstechniken, eigentlich zu verdanken? Der Amerikaner Alex F. Osborn gilt als Erfinder des Brainstormings. 1919 gründete er eine Werbeagentur in New York, aus der das inzwischen weltweit agierende Unternehmen BBDO entstand. Nach einigen Jahren im Beruf war der Werbefachmann genervt von den ergebnis- und ideenlosen Besprechungen mit seinen Mitarbeitern. Also entwickelte er ein Verfahren, das kreativen Ideen zur Problemlösung mehr Raum geben sollte – und beschrieb es mit den Worten "using the brain to storm a problem". Grundregeln wie "keine Kritik" und "jeder Beitrag ist willkommen" legte Osborn schon damals fest. Inspiriert hat ihn angeblich eine seit hunderten Jahren im Hinduismus angewendete Technik namens "Prai Barshana". Charles Hutchison Clark, ein Mitarbeiter Osborns, griff dessen Methode des "Gedankensturms" auf und entwickelte daraus eine systematische Kreativitätstechnik, die er in dem 1958 erschienenen Standardwerk "Brainstorming – Methoden der Zusammenarbeit und Ideenfindung" erläuterte. Sie arbeiten lieber mit Checklisten? Osborn-Checkliste: Ideen finden nach Anleitung Für impulse-Mitglieder gibt es außerdem eine Vorlage der Osborn-Checkliste zum Herunterladen: Osborn-Checkliste: Für frische Ideen, wie sich Angebote weiterentwickeln lassen
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