Sanktionen für Mitarbeiter
Der wieder! Das sollten Sie tun, wenn sich Mitarbeitende nicht an Regeln halten

Die Hälfte des Teams kommt zu spät. Den Konferenzraum räumt auch keiner auf. Zeit für einen Anpfiff und Sanktionen? Wie Sie eleganter für Disziplin sorgen können, erklären zwei Führungs-Profis.

17. Mai 2024, 14:17 Uhr, von Wiebke Harms, Wirtschaftsredakteurin

Sanktionen für Mitarbeiter zu erstellen sollte Team-Aufgabe sein.
Krümeln statt arbeiten? Das ist ein möglicher Fall, in dem Sanktionen für Mitarbeiter sinnvoll sein könnten.
© SasaJo / iStockphoto / Getty Images

Das Meeting ist vorbei. Was bleibt? Wenn es schlecht gelaufen ist, nur die Kaffeetasse dieses einen Kollegen, der seinen Becher immer wieder im Besprechungsraum vergisst.

Eine Lappalie, die jedoch andere Teammitglieder und auch Führungskräfte gehörig nerven kann. Genauso wie regelmäßiges Zuspätkommen, nicht nachgefüllte Papierfächer am Drucker oder Croissant-Krümel auf Schreibtischen. Für den Umgang mit diesen kleinen Fehltritten fehlen Führungskräften arbeitsrechtlich geregelte Sanktionsmöglichkeiten. Denn solche Verfehlungen rechtfertigen keine Disziplinarmaßnahmen, wie eine Ermahnung oder eine Abmahnung.

Trotzdem sollten Führungskräfte handeln, wenn die Stimmung oder die Zusammenarbeit im Team insgesamt unter den kleinen Regelbrüchen leidet.

Sanktionen nicht als Führungsaufgabe betrachten

Doch wie gelingt der kluge Umgang mit den vermeintlichen Kleinigkeiten? Viele denken als Erstes an kleine Strafen für Fehlverhalten – zwei Euro in die Kaffeekasse für den Becher auf dem Konferenztisch oder ein Kuchen für regelmäßig zu spätes Erscheinen. Der Diplom-Psychologe Winfried Berner hält dieses Vorgehen nicht für den besten Weg: „Wünschen Sie sich als Führungskraft, dass die Disziplin im Team hauptsächlich durch ein Sanktionsregime aufrechterhalten wird?“

Wer mit Sanktionen droht, weckt in Mitarbeitenden vor allem Widerstände. Dazu ist es Berner zufolge so gut wie unmöglich, die Regeltreue als Führungskraft allein im Blick zu behalten. „Dann wären Sie nur noch damit beschäftigt, die Einhaltung von Regeln zu gewährleisten und zu kontrollieren“, so Berner. „In Fällen, wo die Mitverantwortung der Teammitglieder erforderlich wäre, es aber gerade keine Sanktionen gibt, lässt das Team die Führungskraft dann auflaufen“, sagt Berner. Überspitzt gesagt: Wer mit Sanktionen droht, wenn Kaffeetassen stehenbleiben, wird damit nicht erreichen, dass Wassergläser auch weggeräumt werden.

Führungskräfte sind nicht allein für die Disziplin verantwortlich

Statt als Chefin oder Chef Regeln festzulegen und mit Sanktionen zu drohen, sollte das Team sich  gemeinschaftlich auf Richtlinien für eine gute Zusammenarbeit verständigen. Das hat gleich zwei große Vorteile:

  1. Alle wissen, was das Ziel ist.
  2. Weil die Kolleginnen und Kollegen sich gemeinsam darauf geeinigt haben, fühlen sich die einzelnen Teammitglieder verantwortlich, das gemeinsame Ziel auch zu erreichen.

„Wenn alle im Team sagen, auf diese Sanktionen verständigen wir uns, dann ist es viel, viel schwerer, sich dem zu entziehen. Und das liegt daran, dass der Liebesentzug durch die Gruppe immer stärker wirkt als der Liebesentzug durch die Führungskraft“, sagt der Führungskräfte-Trainer Stephan Kowalski.

Wichtig ist, als Führungskraft nicht in eine Rolle als Schiedsrichter zu geraten. „In den Situationen richten sich alle Augen erwartungsvoll auf die Chefin oder den Chef. Aber für Kontrolle zu sorgen, sollte nicht allein an der Führungskraft hängenbleiben“, sagt Berner.

Wenn sich Kolleginnen und Kollegen über Regelbrüche anderer beschweren, sollten Führungskräfte darum nicht direkt einschreiten. „Besser ist dann zu sagen: Besprecht ihr das als Team, aber ich moderiere das Gespräch gern“, rät Kowalski.

Die Macht der Missbilligung

Menschen sind soziale Wesen und wollen dazugehören. Deswegen ist es den meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig, nicht unangenehm aufzufallen. Dahinter steckt eine Urangst davor, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.

Die Gruppenzugehörigkeit ist Menschen so wichtig, dass sie allein die Möglichkeit, andere könnten einen Regelbruch beobachten, von Verstößen abhält. In einem Experiment haben Wissenschaftler zum Beispiel in die Wand einer Gemeinschaftsküche eine Scheibe eingebaut, sodass andere von außen in die Küche schauen konnten. „Das hat dazu geführt, dass die Leute mehr aufgeräumt haben. Denn sie konnten auf einmal beobachtet werden“, erzählt Kowalski.

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Die Zusammenarbeit im Team regeln

Ein gemeinsames Verständnis für eine gute Zusammenarbeit lässt sich am besten in einem Workshop erarbeiten. Berner schlägt vor, zuerst gemeinsam zu sammeln: Was stört die einzelnen Teammitglieder? Aber auch: Worin sind wir als Team schon richtig gut? „Mir ist bei dem Thema ganz wichtig, dass man nicht nur über Defizite redet“, sagt Berner. Denn Team-Gewohnheiten, die an einer Ecke gut laufen, können auch bei anderen Problemen helfen.

Jeder Punkt kommt anschließend auf eine Moderationskarte.

Die gesammelten Regelbrüche werden dann thematisch sortiert, zum Beispiel auf einem Flipchart. So bekommen alle einen Überblick, was viele im Team stört. Berner rät, sich als Führungskraft in diesem Prozess zurückzuhalten: „Ich als Vorgesetzter habe auch eine Meinung dazu. Die vertrete ich auch. Aber am Ende müssen wir im Team gemeinsam zu einer Entscheidung kommen.“

Dann arbeitet das Team heraus, welche zwei oder maximal drei Probleme die größte Entlastung brächten, wenn sie gelöst werden. Berner warnt: Das Team sollte sich in diesem Schritt nicht zu viel vornehmen. „Es ist wie bei Neujahrsvorsätzen. Oft nimmt man sich zu Neujahr vor, ich werde nun ein komplett anderer Mensch. Dann ist das Programm eigentlich schon am Abend des Neujahrstags gescheitert“, so Berner.

Für die ausgewählten Punkte überlegt das Team dann, wie es künftig damit umgehen möchte. Zum Beispiel: Ein Team stört, dass die Meetingräume nach Besprechungsende nicht aufgeräumt werden. Fragen, auf die Kolleginnen und Kollegen dann Antworten suchen sollten, sind zum Beispiel:

  • Was genau stört uns daran?
  • Was müsste anders sein, damit wir zufrieden sind?
  • Welche konkreten Schritte nehmen wir uns vor, die wir in Zukunft anders machen wollen?

Konsequenzen vereinbaren

Unbedingt mitdenken sollte das Team dabei den Fall, dass sich nicht alle sofort an die vereinbarten Regeln halten werden.

Deshalb kann zum Beispiel zu den Zielen des Workshops gehören, sich auf Sanktionen wie Geld in die Kaffeekasse, Kuchenbacken, Spülmaschine zu einigen. „Wenn es mir gelingt, das Team dazu zu bringen, Konsequenzen im Vorwege zu vereinbaren, und die werden auch eingehalten, wirkt das sehr viel stärker als irgendeine disziplinarische Maßnahme“, sagt Stephan Kowalski. „Konsequenzen, die vorher vereinbart worden sind, sind eine riesige Hilfe, diese dann später auch umzusetzen.“ Dieses Rückfallmanagement hat einen großen Vorteil für Führungskräfte: Wenn die Konsequenzen allen klar sind, könnte sie niemand mehr als willkürlich wahrnehmen.

Konsequent dranbleiben

Berner rät, beim ersten Workshop direkt einen Termin für ein weiteres Treffen zu dem Thema zu vereinbaren, bei dem eine Zwischenbilanz gezogen wird. Für diesen Folgeworkshop reichen aus seiner Sicht wenige Stunden. Damit solle sich das Team selbst vor Augen führen: Wir lassen das Thema auch in Zukunft nicht schleifen. „Wer sich zwischen beiden Terminen nicht so rühmlich benimmt, muss damit rechnen, dass er oder sie das beim nächsten Workshop aufs Papier geschmiert bekommt“, so Berner.

Die Experten
Stephan Kowalski ist Führungskräfte-Trainer und hat als Unternehmer selbst jahrelang praktische Führungserfahrung gesammelt.
Winfried Berner


Winfried Berner ist Diplom-Psychologe und Gründer des Beratungsunternehmens Die Umsetzungsberatung

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