Dienstreise und Arbeitszeit
Können Arbeitnehmer Reisezeiten als Überstunden aufschreiben?

Fahrtzeiten bei einer Geschäftsreise als Arbeitszeit aufschreiben, auch wenn sie die Füße hochlegen – dürfen Mitarbeiter das? Was bei Dienstreisen als Arbeitszeit gilt und was nicht.

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Dienstreise und Arbeitszeit
© Iuliia Savinova / iStock / Getty Images Plus

Morgens mit dem Auto zum üblichen Arbeitsort in einer Werkstatt in Köln fahren, zu Fuß zehn Minuten zur Kundin drei Straßen weiter laufen oder einen Geschäftspartner in Bochum treffen: Das Arbeitsrecht unterscheidet bei diesen drei Tätigkeiten zwischen Wegezeiten (Fahrt zur üblichen Arbeitsstätte), dem Dienstgang (Arbeitstermin an nahe gelegenem Ort) und einer Dienstreise (Reisetätigkeiten aus beruflichen Gründen an einem weiter entfernten Ort).

Besonders die Dienstreise birgt Konfliktpotential zwischen Arbeitnehmer und -geber: Sie ist nur für wenige Berufsgruppen gesetzlich geregelt, etwa für Richterinnen und Soldaten (siehe dazu das Bundesreisekostengesetz (BRKG)).

Das Arbeitszeitgesetz schreibt allerdings vor, wie lange ein Arbeitstag maximal sein darf: Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf demnach acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur dann verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Ist ein Mitarbeiter während der Arbeitszeit unterwegs, ist das unproblematisch. Schließlich kommt er selbst mit einer Dienstreise nicht über die erlaubte tägliche Stundenzahl. Doch was, wenn die Dienstreise darüber hinausgeht? Auf einem anderen Blatt steht außerdem, ob Reisezeiten zu vergüten sind.

So stellen sich für beide Seiten Fragen: Was gehört zur Arbeitszeit? Was müssen Arbeitgeber bezahlen, wenn die Reise beispielsweise nach Feierabend oder am Wochenende stattfinden soll? Was gilt, wenn der Arbeitsvertrag nicht klar regelt, was bei An- und Abreise zur Arbeitszeit zählt – und es auch sonst keine Regelungen etwa in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen gibt? Ein Überblick über Fahrtzeiten, Freizeit bei Geschäftsreisen, auswärtige Fortbildungen und Vereinbarungen, die Arbeitgeber im Vorfeld treffen sollten.

An- und Abreise bei Dienstreisen: Was gilt als Arbeitszeit?

Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln während der regulären Arbeitszeit

Grundsätzlich gilt: Reist ein Mitarbeiter während seiner regulären Arbeitszeit geschäftlich, zählen der Flug, die Zug- oder Fährfahrt als normale Arbeitszeit, die auch zu vergüten ist. „Auch wenn der Arbeitnehmer sich auf einer Zugfahrt zurücklehnt und gar nicht arbeitet, gilt das während der regulären Arbeitszeit als Arbeit“, erklärt Christina Gehrig, Rechtsanwältin bei der Kanzlei Hasselbach.

Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln nach Feierabend, am Wochenende oder an Feiertagen

Angenommen, ein Kundentermin in einer anderen Stadt findet am Montagmorgen statt, die Mitarbeiterin muss also bereits am Sonntag anreisen – an einem Tag, an dem sie normalerweise frei hat. „Wenn eine Dienstreise nicht während der regulären Arbeitszeit stattfindet, kommt es immer darauf an, ob der Arbeitgeber angeordnet hat, dass der Arbeitnehmer unterwegs arbeiten soll oder nicht“, sagt Gehrig (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.07.2006, 9 AZR 519/05). Sprich: Weist die Chefin an, dass die Mitarbeiterin am Sonntag im Zug arbeitet, so zählt das als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und die Reisezeit muss als Überstunden erfasst werden.

Ordnet die Chefin das nicht an, gilt die Fahrt nicht als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Das bedeutet: Zählt die Fahrtzeit nicht als Arbeitszeit, kann der Arbeitstag der Mitarbeiterin inklusive Reisezeit auch länger als 8 oder 10 Stunden dauern.

Mehr zum Thema: Überstundenzuschlag: Pflicht – oder freiwillig?

Wichtig zu wissen: Unabhängig davon, ob die reine Fahrtzeit als Arbeitszeit zu werten ist oder nicht, muss sie bei Dienstreisen vergütet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (siehe Abschnitt: Vergütung von Fahrtzeiten).

Achtung: Wenn eine Dienstreisende ohne ausdrückliche Anweisung beispielsweise im Zug freiwillig arbeitet, kann sie sich womöglich auf die sogenannte Beanspruchungstheorie berufen – eine Regelung vom Bundesarbeitsgericht: „Das heißt, auch wenn es nicht angewiesen war und auch wenn es außerhalb der regulären Arbeitszeit ist: Wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass er während der Fahrt im überwiegenden Interesse für den Arbeitgeber gearbeitet hat – also beansprucht wurde – kann es trotzdem als Arbeitszeit gelten. Das ist aber Auslegungssache und kann zu Streit führen“, erläutert Gehrig.

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Fahrten im PKW

Manchmal ist es sinnvoll, den Mitarbeiter zu bitten, mit dem eigenen Auto, einem Mietwagen oder einem Firmenwagen eine Geschäftsreise anzutreten: Etwa wenn der Zielort per Zug schlecht oder gar nicht zu erreichen ist oder der Mitarbeiter viel Material transportieren muss.

„Ordnet der Chef an, dass der Mitarbeiter selber den PKW fährt, ist das als Arbeit zu werten“, sagt Gehrig. Das gilt auch außerhalb der regulären Arbeitszeit, der- oder diejenige kann sich in diesem Fall für die Fahrtzeit Überstunden aufschreiben. Schließlich muss der Angestellte sich beim Autofahren auf den Verkehr konzentrieren und kann anders als im Zug oder Flugzeug nicht die Füße hochlegen und wegdämmern. Doch Achtung: Der Arbeitstag inklusive Reisezeit darf nicht mehr als zehn Stunden betragen.

Stellt der Chef seinem Mitarbeiter frei, ob er mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln reist, und dieser entscheidet sich für das Auto, zählt eine Fahrt außerhalb der regulären Arbeitszeit nicht zur Arbeitszeit. Denn der Angestellte hätte sich auch in den Zug setzen und ausruhen können.

Hiervon kann jedoch eine Ausnahme gemacht werden, wenn die Anreise mit Zug oder Flugzeug erheblich kostspieliger oder zeitintensiver ist. Dann kann, je nach den Umständen des Einzelfalls, auch eine Arbeitszeit vorliegen.

Regelungen für Beifahrerinnen und Beifahrer

Für Beifahrer in einem Auto gilt außerhalb der normalen Arbeitszeit pauschal die Regel, dass sie keine Überstunden aufschreiben dürfen. Schließlich nehmen sie nicht aktiv am Straßenverkehr teil und können dabei im Auto auch kaum arbeiten. Wird allerdings vom Beifahrer dennoch eine Arbeitstätigkeit ausgeführt, wie etwa eine Telefonat, dann kann dies auch als Arbeitszeit gewertet werden.

Die Expertinnen
Christina Gehrig, Anwältin Kanzlei HasselbachChristina Gehrig ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei Hasselbach in Köln und Bonn. Ihre Schwerpunkte sind Familien- und Arbeitsrecht.
Kathrin Bürger, Kanzlei Advant BeitenDr. Kathrin Bürger ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Seitz Rechtsanwälte in München. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Würzburg und machte in New York ihren Master. Seit 2021 wird die Arbeitsrechtlerin in der weltweiten Datenbank "Best Lawyers" geführt.

Vergütung von Fahrtzeiten

Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2018 gelten neue Regelungen für die Bezahlung von Fahrtzeiten bei Dienstreisen. Reist ein Angestellter beispielsweise nach einem achtstündigen Arbeitstag nach Feierabend noch drei Stunden mit dem Zug von einer Dienstreise nach Hause, liegt – wie zuvor beschrieben – zwar keine Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz vor (vorausgesetzt, es wurde keine Mehrarbeit angeordnet).

Die Arbeitszeit muss aber vergütet werden, wenn die Reise erforderlich ist. „Gibt der Arbeitgeber das Reisemittel und den Reiseverlauf vor, ist diejenige Reisezeit erforderlich, die der Arbeitnehmer benötigt, um entsprechend den Vorgaben des Arbeitgebers das Reiseziel zu erreichen“, sagt Kathrin Bürger, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Seitz Rechtsanwälte in München. Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl des Reisemittels und/oder des Reiseverlaufs, sei der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, das kostengünstigste Reisemittel und den schnellstmöglichen zumutbaren Reiseverlauf zu wählen. Heißt: Wenn der oder die Beschäftigte die Reisezeit so zeit- und kostengünstig wie möglich hält, muss der Arbeitgeber die Reisezeit vergüten.

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Von Beschäftigten mit gehobenen Positionen und hohen Gehältern kann allerdings erwartet werden, dass sie ein gewisses Kontingent an Reisezeiten unentgeltlich erbringen. Bei hohen Gehältern können Reisezeiten damit schon abgegolten sein.

Bürger zufolge können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Vergütung aber abweichend regeln. Etwa indem sie im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass für Reisezeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit ein niedrigerer Stundensatz angesetzt wird. Oder dass sie für die Reisezeiten Überstunden gutschreiben.

Hintergrund des BAG-Urteils von 2018

Geklagt hatte ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der für seinen Job nach China reisen musste. Pro Reisetag wurden ihm acht Stunden Arbeitszeit bezahlt. Doch der Mitarbeiter verlangte mehr – er hatte für die Hin- und Rückreise China vier Tage gebraucht. Das BAG gab ihm Recht und bestätigte, dass die volle Reisezeit zu vergüten sei.

Erforderlichkeit der Reisezeit

Neu an dem Urteil war, dass darin der Begriff der „Erforderlichkeit der Reisezeit“ erklärt wurde. Gehrig: „Bei dem Urteil wurde festgehalten, dass nicht die tatsächliche Reisezeit entscheidend war, sondern die Reisezeit, die man bei einem Non-Stop-Flug gebraucht hätte.“ Der Kläger hatte auf eigenen Wunsch eine längere Flugstrecke mit Zwischenstopp gewählt – der Betrieb hatte ihm eine kürzere Anreise vorgeschlagen. Und musste letztlich auch nur die Reisezeit für die kürzere Reisestrecke bezahlen.

Für Unternehmerinnen und Unternehmer heißt das: Fährt beispielsweise eine Mitarbeiterin von Berlin nach München, muss der Arbeitgeber nur den Direktweg als Reisezeit vergüten. Entscheidet sie sich, einen Umweg über Frankfurt zu machen, weil sie dort beispielsweise einen Verwandten treffen möchte, zählt dieser Umweg nicht zur Arbeitszeit – es ist schließlich ihre private Entscheidung.

Was gilt am Ziel der Dienstreise als Arbeitszeit?

Am Ziel der Dienstreise angekommen, gilt für den Mitarbeiter seine übliche Arbeitszeit – auch dann, wenn ein Meeting erst eine Stunde nach dem üblichen Arbeitsstart beginnt und der Mitarbeiter ausschlafen und in Ruhe frühstücken kann. Der Mitarbeiter muss diese Stunde nicht nachholen. Der Chef kann den Angestellten aber anweisen, die Stunde vor dem Meeting für die Arbeit zu nutzen.

Muss ein Arbeitnehmer außerhalb seiner üblichen Arbeitszeit nicht für die Firma tätig werden, hat er Freizeit – genau wie zu Hause. Das Recht spricht hier von Ruhezeit: muss der Mitarbeiter zwischen zwei Meetings am Wochenende drei Stunden totschlagen, geht abends privat essen, schläft oder sieht im Hotel fern, muss der Arbeitgeber das nicht bezahlen.

Überstunden

Für Überstunden gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen wie im Betrieb: Arbeiten Angestellte außerhalb der regulären Arbeitszeit, leisten sie Mehrarbeit. Diese Überstunden müssen Arbeitgeber streng genommen allerdings anordnen oder nachträglich genehmigen. Außerdem müssen diese in jedem Fall erforderlich sein.

Geschäftsessen

Ob ein Restaurantbesuch mit einem Kunden oder Geschäftspartner als Arbeitszeit zu werten ist, hängt laut Gehrig vom Einzelfall ab. „Man bespricht beim Essen auch Dienstliches, es ist also im Interesse des Arbeitgebers“, sagt die Anwältin. „Gehört das Geschäftsessen zum Beispiel zur Kontaktpflege oder für Vertragsanbahnungen zu den Aufgaben des Arbeitnehmers, ist es als Arbeitszeit zu werten.“ Anders sieht es aus, wenn das Essen mit dem Kunden oder Geschäftspartner in erster Linie ein privates Vergnügen ist.

Gehrig empfiehlt, für solche Fälle allgemeine Regelungen im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festzuhalten – denn auch bei privaten Essen mit Kundinnen und Kunden werde häufig über die Arbeit gesprochen. Feste Regelungen ersparen Chefs später nervenzehrende Diskussionen und unzufriedene Arbeitnehmer.

Was gilt bei Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit?

In Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit oder Gleitzeitmodellen mit einer Kernarbeitszeit von beispielsweise drei oder vier Stunden ist es kniffliger. Rechtsanwältin Gehrig empfiehlt, Regelungen zu Reisetätigkeiten in den Betriebsvereinbarungen festzuhalten: „Es ist wichtig, dass man solche Vereinbarungen hat und sich daran langhangeln kann. Sonst wird es schnell zu kompliziert. Gleitzeitmodelle müssen ohnehin genau in Betriebsvereinbarungen geregelt werden, weil die Arbeitszeit nicht konkret festgelegt ist.“

Hat ein Mitarbeiter eine regelmäßige Arbeitszeit – etwa von 8 bis 16 Uhr, auch wenn ihm freistehen würde, zu anderen Zeiten zu arbeiten –, können Chefinnen und Chefs Gehrig zufolge bei Dienstreisen auch diese Zeiten berücksichtigen.

Welche Regelungen gibt es für Außendienstler?

Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst gelten andere Regeln als bisher beschrieben: „Das Reisen gehört zu ihrer regulären Arbeitspflicht“, sagt Christina Gehrig. „Die An- und Abreise zu und von einem Kunden gilt hier immer als Arbeitszeit.“

Ist der Arbeitnehmer während der gesamten Dienstreise über die Firma versichert?

Während einer Dienstreise mit Übernachtung haben Mitarbeiter in der Regel auch Freizeit, sei es das Feierabendbier, ein morgendlicher Spaziergang oder die Übernachtung im Hotelzimmer. Der gesetzliche Unfallschutz besteht für den Mitarbeiter – wie auch zu Hause – in der Freizeit nicht.

Rechtsanwältin Gehrig: „Wenn man zum Kunden reist, ist die An- und Abreise versichert. Aber wenn das mit der geschäftlichen Tätigkeit gar nicht zu tun hat, dann ist das der privaten Sphäre zuzuordnen.“ Stürzt der oder die Mitarbeitende etwa bei einem privaten Kneipenbesuch nach Feierabend, ist der Unfall nicht über den Arbeitgeber versichert.

Entsprechend urteilte das Sozialgericht Frankfurt 2017: Die Klägerin war während einer Dienstreise in ihrem Hotelzimmer gestürzt und hatte sich den Oberschenkel gebrochen – ihr Arbeitgeber erkannte den Sturz nicht als Arbeitsunfall an. Das Gericht gab dem Arbeitgeber Recht, weil „es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt“ hat. (Urteil vom 23.11.2017, Az. S 8 U 47/16)

Fortbildungen, Lehrgänge, Weiterbildungen: Gleiche Regelungen wie bei Dienstreisen?

Reist ein Mitarbeiter für eine Fortbildung an einen anderen Ort, kommt es laut Gehrig in Sachen Arbeitszeit darauf an, ob die Weiterbildung verpflichtend oder freiwillig ist.

  • Fortbildungen, die Chefs anordnen: An- und Abreise und der Lehrgang an sich zählen als Arbeit, sofern die während der regulären Arbeitszeit stattfinden. Außerhalb der üblichen Arbeitszeit gelten die gleichen Regelungen wie zuvor beschrieben.
  • Freiwillige Fortbildung, die ein Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch besucht: Wegezeiten und Fortbildung zählen nicht zu Arbeitszeit. Aber: „Die meisten Arbeitgeber stellen Arbeitnehmer dafür frei“, ergänzt Gehrig.

Sollten Arbeitgeber Dienstreisen im Arbeitsvertrag regeln?

Dienst- oder Geschäftsreisen sind im Arbeitszeitgesetz nicht explizit geregelt. Stehen gar keine Regelungen dazu im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen, sind Arbeitnehmer und -geber womöglich aufgeschmissen: Der oder die Reisende weiß nicht, was als Arbeitszeit gilt und geht eventuell davon aus, dass sogar auswärtige Übernachtungen zur Arbeit zählen und er fröhlich Überstunden anhäufen kann. Das kann auf beiden Seiten zu Frust und Streit führen.

Gehrig empfiehlt daher, Regelungen zu Geschäftsreisen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen: „Das ist immer eine gute Idee. Denn so wissen die Arbeitnehmer, was bei einer Dienstreise auf sie zukommt.“ Insbesondere wenn eine Position mit häufigen Reisen verbunden ist, lohnt es sich, genauere Regelungen – etwa auch zu Geschäftsessen – im Arbeitsvertrag festzulegen.

Die Anwältin rät allerdings auch, zusätzlich konkrete Anweisungen zu verschiedenen Dienstreisen zu erteilen – denn im Arbeitsvertrag können Chefs kaum auf jeden Einzelfall eingehen. Wichtig sei, dass diese individuellen Anweisungen nicht gegen den Arbeitsvertrag widersprechen. Alternativ kann sinnvoll sein, eine Betriebsvereinbarung zu schließen, wenn es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt.

Wichtig für Dienstreisen ins Ausland: Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer auf einer mit einer A1-Bescheinigung ausstatten – ohne das gesetzlich vorgeschriebene Dokument, kann es sonst teuer werden.

Mehr dazu: A1-Bescheinigung: Welche Bußgelder auf Dienstreisen drohen

Im öffentlichen Dienst gilt: Reisezeit außerhalb der normalen Arbeitszeit wird nur in Ausnahmefällen als Arbeitszeit vergütet (§ 44 Abs. 2 Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD), § 17, Absatz 2 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT)).

Grundlegende Regeln zur Arbeitszeit

Grundsätzlich müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich an die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) halten:

  • Mitarbeiter dürfen die Arbeitszeit von (in der Regel) acht Stunden nicht überschreiten, in Ausnahmefällen sind zehn Stunden möglich. Pausenzeiten müssen Arbeitnehmer abziehen.
  • Nach Arbeitsende muss der Arbeitnehmer mindestens elf Stunden Ruhezeit zur Verfügung haben.
  • Arbeiten Angestellte während einer Dienstreise an einem Sonntag (was laut §10 Arbeitszeitgesetz nur für bestimmte Berufsgruppen zulässig ist), müssen ihre Chefs ihnen laut §11 ArbZG innerhalb von zwei Wochen einen Ersatzruhetag gewähren. Außerdem müssen mindestens 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben.
  • Für manche Branchen gelten für die obigen Regelungen Ausnahmen. Etwa in Krankenhäusern, bei Piloten, Kapitänen, Busfahrern oder in der Gastronomie (§14 ArbZG)

Für Beamte, Richterinnen und Soldaten sind Regelungen zu Dienstreisen um Bundesreisekostengesetz festgelegt.

Morgens mit dem Auto zum üblichen Arbeitsort in einer Werkstatt in Köln fahren, zu Fuß zehn Minuten zur Kundin drei Straßen weiter laufen oder einen Geschäftspartner in Bochum treffen: Das Arbeitsrecht unterscheidet bei diesen drei Tätigkeiten zwischen Wegezeiten (Fahrt zur üblichen Arbeitsstätte), dem Dienstgang (Arbeitstermin an nahe gelegenem Ort) und einer Dienstreise (Reisetätigkeiten aus beruflichen Gründen an einem weiter entfernten Ort). Besonders die Dienstreise birgt Konfliktpotential zwischen Arbeitnehmer und -geber: Sie ist nur für wenige Berufsgruppen gesetzlich geregelt, etwa für Richterinnen und Soldaten (siehe dazu das Bundesreisekostengesetz (BRKG)). Das Arbeitszeitgesetz schreibt allerdings vor, wie lange ein Arbeitstag maximal sein darf: Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf demnach acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur dann verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Ist ein Mitarbeiter während der Arbeitszeit unterwegs, ist das unproblematisch. Schließlich kommt er selbst mit einer Dienstreise nicht über die erlaubte tägliche Stundenzahl. Doch was, wenn die Dienstreise darüber hinausgeht? Auf einem anderen Blatt steht außerdem, ob Reisezeiten zu vergüten sind. So stellen sich für beide Seiten Fragen: Was gehört zur Arbeitszeit? Was müssen Arbeitgeber bezahlen, wenn die Reise beispielsweise nach Feierabend oder am Wochenende stattfinden soll? Was gilt, wenn der Arbeitsvertrag nicht klar regelt, was bei An- und Abreise zur Arbeitszeit zählt – und es auch sonst keine Regelungen etwa in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen gibt? Ein Überblick über Fahrtzeiten, Freizeit bei Geschäftsreisen, auswärtige Fortbildungen und Vereinbarungen, die Arbeitgeber im Vorfeld treffen sollten. An- und Abreise bei Dienstreisen: Was gilt als Arbeitszeit? Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln während der regulären Arbeitszeit Grundsätzlich gilt: Reist ein Mitarbeiter während seiner regulären Arbeitszeit geschäftlich, zählen der Flug, die Zug- oder Fährfahrt als normale Arbeitszeit, die auch zu vergüten ist. „Auch wenn der Arbeitnehmer sich auf einer Zugfahrt zurücklehnt und gar nicht arbeitet, gilt das während der regulären Arbeitszeit als Arbeit“, erklärt Christina Gehrig, Rechtsanwältin bei der Kanzlei Hasselbach. Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln nach Feierabend, am Wochenende oder an Feiertagen Angenommen, ein Kundentermin in einer anderen Stadt findet am Montagmorgen statt, die Mitarbeiterin muss also bereits am Sonntag anreisen – an einem Tag, an dem sie normalerweise frei hat. „Wenn eine Dienstreise nicht während der regulären Arbeitszeit stattfindet, kommt es immer darauf an, ob der Arbeitgeber angeordnet hat, dass der Arbeitnehmer unterwegs arbeiten soll oder nicht“, sagt Gehrig (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.07.2006, 9 AZR 519/05). Sprich: Weist die Chefin an, dass die Mitarbeiterin am Sonntag im Zug arbeitet, so zählt das als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und die Reisezeit muss als Überstunden erfasst werden. Ordnet die Chefin das nicht an, gilt die Fahrt nicht als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Das bedeutet: Zählt die Fahrtzeit nicht als Arbeitszeit, kann der Arbeitstag der Mitarbeiterin inklusive Reisezeit auch länger als 8 oder 10 Stunden dauern. Mehr zum Thema: Überstundenzuschlag: Pflicht – oder freiwillig? Wichtig zu wissen: Unabhängig davon, ob die reine Fahrtzeit als Arbeitszeit zu werten ist oder nicht, muss sie bei Dienstreisen vergütet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (siehe Abschnitt: Vergütung von Fahrtzeiten). Achtung: Wenn eine Dienstreisende ohne ausdrückliche Anweisung beispielsweise im Zug freiwillig arbeitet, kann sie sich womöglich auf die sogenannte Beanspruchungstheorie berufen – eine Regelung vom Bundesarbeitsgericht: „Das heißt, auch wenn es nicht angewiesen war und auch wenn es außerhalb der regulären Arbeitszeit ist: Wenn der Arbeitnehmer nachweisen kann, dass er während der Fahrt im überwiegenden Interesse für den Arbeitgeber gearbeitet hat – also beansprucht wurde – kann es trotzdem als Arbeitszeit gelten. Das ist aber Auslegungssache und kann zu Streit führen“, erläutert Gehrig. Fahrten im PKW Manchmal ist es sinnvoll, den Mitarbeiter zu bitten, mit dem eigenen Auto, einem Mietwagen oder einem Firmenwagen eine Geschäftsreise anzutreten: Etwa wenn der Zielort per Zug schlecht oder gar nicht zu erreichen ist oder der Mitarbeiter viel Material transportieren muss. „Ordnet der Chef an, dass der Mitarbeiter selber den PKW fährt, ist das als Arbeit zu werten“, sagt Gehrig. Das gilt auch außerhalb der regulären Arbeitszeit, der- oder diejenige kann sich in diesem Fall für die Fahrtzeit Überstunden aufschreiben. Schließlich muss der Angestellte sich beim Autofahren auf den Verkehr konzentrieren und kann anders als im Zug oder Flugzeug nicht die Füße hochlegen und wegdämmern. Doch Achtung: Der Arbeitstag inklusive Reisezeit darf nicht mehr als zehn Stunden betragen. Stellt der Chef seinem Mitarbeiter frei, ob er mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln reist, und dieser entscheidet sich für das Auto, zählt eine Fahrt außerhalb der regulären Arbeitszeit nicht zur Arbeitszeit. Denn der Angestellte hätte sich auch in den Zug setzen und ausruhen können. Hiervon kann jedoch eine Ausnahme gemacht werden, wenn die Anreise mit Zug oder Flugzeug erheblich kostspieliger oder zeitintensiver ist. Dann kann, je nach den Umständen des Einzelfalls, auch eine Arbeitszeit vorliegen. Regelungen für Beifahrerinnen und Beifahrer Für Beifahrer in einem Auto gilt außerhalb der normalen Arbeitszeit pauschal die Regel, dass sie keine Überstunden aufschreiben dürfen. Schließlich nehmen sie nicht aktiv am Straßenverkehr teil und können dabei im Auto auch kaum arbeiten. Wird allerdings vom Beifahrer dennoch eine Arbeitstätigkeit ausgeführt, wie etwa eine Telefonat, dann kann dies auch als Arbeitszeit gewertet werden. [zur-person] Vergütung von Fahrtzeiten Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2018 gelten neue Regelungen für die Bezahlung von Fahrtzeiten bei Dienstreisen. Reist ein Angestellter beispielsweise nach einem achtstündigen Arbeitstag nach Feierabend noch drei Stunden mit dem Zug von einer Dienstreise nach Hause, liegt – wie zuvor beschrieben – zwar keine Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz vor (vorausgesetzt, es wurde keine Mehrarbeit angeordnet). Die Arbeitszeit muss aber vergütet werden, wenn die Reise erforderlich ist. "Gibt der Arbeitgeber das Reisemittel und den Reiseverlauf vor, ist diejenige Reisezeit erforderlich, die der Arbeitnehmer benötigt, um entsprechend den Vorgaben des Arbeitgebers das Reiseziel zu erreichen", sagt Kathrin Bürger, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Seitz Rechtsanwälte in München. Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl des Reisemittels und/oder des Reiseverlaufs, sei der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, das kostengünstigste Reisemittel und den schnellstmöglichen zumutbaren Reiseverlauf zu wählen. Heißt: Wenn der oder die Beschäftigte die Reisezeit so zeit- und kostengünstig wie möglich hält, muss der Arbeitgeber die Reisezeit vergüten. Von Beschäftigten mit gehobenen Positionen und hohen Gehältern kann allerdings erwartet werden, dass sie ein gewisses Kontingent an Reisezeiten unentgeltlich erbringen. Bei hohen Gehältern können Reisezeiten damit schon abgegolten sein. Bürger zufolge können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Vergütung aber abweichend regeln. Etwa indem sie im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass für Reisezeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit ein niedrigerer Stundensatz angesetzt wird. Oder dass sie für die Reisezeiten Überstunden gutschreiben. Hintergrund des BAG-Urteils von 2018 Geklagt hatte ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der für seinen Job nach China reisen musste. Pro Reisetag wurden ihm acht Stunden Arbeitszeit bezahlt. Doch der Mitarbeiter verlangte mehr – er hatte für die Hin- und Rückreise China vier Tage gebraucht. Das BAG gab ihm Recht und bestätigte, dass die volle Reisezeit zu vergüten sei. Erforderlichkeit der Reisezeit Neu an dem Urteil war, dass darin der Begriff der „Erforderlichkeit der Reisezeit“ erklärt wurde. Gehrig: „Bei dem Urteil wurde festgehalten, dass nicht die tatsächliche Reisezeit entscheidend war, sondern die Reisezeit, die man bei einem Non-Stop-Flug gebraucht hätte.“ Der Kläger hatte auf eigenen Wunsch eine längere Flugstrecke mit Zwischenstopp gewählt – der Betrieb hatte ihm eine kürzere Anreise vorgeschlagen. Und musste letztlich auch nur die Reisezeit für die kürzere Reisestrecke bezahlen. Für Unternehmerinnen und Unternehmer heißt das: Fährt beispielsweise eine Mitarbeiterin von Berlin nach München, muss der Arbeitgeber nur den Direktweg als Reisezeit vergüten. Entscheidet sie sich, einen Umweg über Frankfurt zu machen, weil sie dort beispielsweise einen Verwandten treffen möchte, zählt dieser Umweg nicht zur Arbeitszeit – es ist schließlich ihre private Entscheidung. [mehr-zum-thema] Was gilt am Ziel der Dienstreise als Arbeitszeit? Am Ziel der Dienstreise angekommen, gilt für den Mitarbeiter seine übliche Arbeitszeit – auch dann, wenn ein Meeting erst eine Stunde nach dem üblichen Arbeitsstart beginnt und der Mitarbeiter ausschlafen und in Ruhe frühstücken kann. Der Mitarbeiter muss diese Stunde nicht nachholen. Der Chef kann den Angestellten aber anweisen, die Stunde vor dem Meeting für die Arbeit zu nutzen. Muss ein Arbeitnehmer außerhalb seiner üblichen Arbeitszeit nicht für die Firma tätig werden, hat er Freizeit – genau wie zu Hause. Das Recht spricht hier von Ruhezeit: muss der Mitarbeiter zwischen zwei Meetings am Wochenende drei Stunden totschlagen, geht abends privat essen, schläft oder sieht im Hotel fern, muss der Arbeitgeber das nicht bezahlen. Überstunden Für Überstunden gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen wie im Betrieb: Arbeiten Angestellte außerhalb der regulären Arbeitszeit, leisten sie Mehrarbeit. Diese Überstunden müssen Arbeitgeber streng genommen allerdings anordnen oder nachträglich genehmigen. Außerdem müssen diese in jedem Fall erforderlich sein. Geschäftsessen Ob ein Restaurantbesuch mit einem Kunden oder Geschäftspartner als Arbeitszeit zu werten ist, hängt laut Gehrig vom Einzelfall ab. „Man bespricht beim Essen auch Dienstliches, es ist also im Interesse des Arbeitgebers“, sagt die Anwältin. „Gehört das Geschäftsessen zum Beispiel zur Kontaktpflege oder für Vertragsanbahnungen zu den Aufgaben des Arbeitnehmers, ist es als Arbeitszeit zu werten.“ Anders sieht es aus, wenn das Essen mit dem Kunden oder Geschäftspartner in erster Linie ein privates Vergnügen ist. Gehrig empfiehlt, für solche Fälle allgemeine Regelungen im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festzuhalten – denn auch bei privaten Essen mit Kundinnen und Kunden werde häufig über die Arbeit gesprochen. Feste Regelungen ersparen Chefs später nervenzehrende Diskussionen und unzufriedene Arbeitnehmer. Was gilt bei Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit? In Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit oder Gleitzeitmodellen mit einer Kernarbeitszeit von beispielsweise drei oder vier Stunden ist es kniffliger. Rechtsanwältin Gehrig empfiehlt, Regelungen zu Reisetätigkeiten in den Betriebsvereinbarungen festzuhalten: „Es ist wichtig, dass man solche Vereinbarungen hat und sich daran langhangeln kann. Sonst wird es schnell zu kompliziert. Gleitzeitmodelle müssen ohnehin genau in Betriebsvereinbarungen geregelt werden, weil die Arbeitszeit nicht konkret festgelegt ist.“ Hat ein Mitarbeiter eine regelmäßige Arbeitszeit – etwa von 8 bis 16 Uhr, auch wenn ihm freistehen würde, zu anderen Zeiten zu arbeiten –, können Chefinnen und Chefs Gehrig zufolge bei Dienstreisen auch diese Zeiten berücksichtigen. Welche Regelungen gibt es für Außendienstler? Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst gelten andere Regeln als bisher beschrieben: „Das Reisen gehört zu ihrer regulären Arbeitspflicht“, sagt Christina Gehrig. „Die An- und Abreise zu und von einem Kunden gilt hier immer als Arbeitszeit.“ Ist der Arbeitnehmer während der gesamten Dienstreise über die Firma versichert? Während einer Dienstreise mit Übernachtung haben Mitarbeiter in der Regel auch Freizeit, sei es das Feierabendbier, ein morgendlicher Spaziergang oder die Übernachtung im Hotelzimmer. Der gesetzliche Unfallschutz besteht für den Mitarbeiter – wie auch zu Hause – in der Freizeit nicht. Rechtsanwältin Gehrig: „Wenn man zum Kunden reist, ist die An- und Abreise versichert. Aber wenn das mit der geschäftlichen Tätigkeit gar nicht zu tun hat, dann ist das der privaten Sphäre zuzuordnen.“ Stürzt der oder die Mitarbeitende etwa bei einem privaten Kneipenbesuch nach Feierabend, ist der Unfall nicht über den Arbeitgeber versichert. Entsprechend urteilte das Sozialgericht Frankfurt 2017: Die Klägerin war während einer Dienstreise in ihrem Hotelzimmer gestürzt und hatte sich den Oberschenkel gebrochen – ihr Arbeitgeber erkannte den Sturz nicht als Arbeitsunfall an. Das Gericht gab dem Arbeitgeber Recht, weil „es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt“ hat. (Urteil vom 23.11.2017, Az. S 8 U 47/16) Fortbildungen, Lehrgänge, Weiterbildungen: Gleiche Regelungen wie bei Dienstreisen? Reist ein Mitarbeiter für eine Fortbildung an einen anderen Ort, kommt es laut Gehrig in Sachen Arbeitszeit darauf an, ob die Weiterbildung verpflichtend oder freiwillig ist. Fortbildungen, die Chefs anordnen: An- und Abreise und der Lehrgang an sich zählen als Arbeit, sofern die während der regulären Arbeitszeit stattfinden. Außerhalb der üblichen Arbeitszeit gelten die gleichen Regelungen wie zuvor beschrieben. Freiwillige Fortbildung, die ein Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch besucht: Wegezeiten und Fortbildung zählen nicht zu Arbeitszeit. Aber: „Die meisten Arbeitgeber stellen Arbeitnehmer dafür frei“, ergänzt Gehrig. Sollten Arbeitgeber Dienstreisen im Arbeitsvertrag regeln? Dienst- oder Geschäftsreisen sind im Arbeitszeitgesetz nicht explizit geregelt. Stehen gar keine Regelungen dazu im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen, sind Arbeitnehmer und -geber womöglich aufgeschmissen: Der oder die Reisende weiß nicht, was als Arbeitszeit gilt und geht eventuell davon aus, dass sogar auswärtige Übernachtungen zur Arbeit zählen und er fröhlich Überstunden anhäufen kann. Das kann auf beiden Seiten zu Frust und Streit führen. Gehrig empfiehlt daher, Regelungen zu Geschäftsreisen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen: „Das ist immer eine gute Idee. Denn so wissen die Arbeitnehmer, was bei einer Dienstreise auf sie zukommt.“ Insbesondere wenn eine Position mit häufigen Reisen verbunden ist, lohnt es sich, genauere Regelungen – etwa auch zu Geschäftsessen – im Arbeitsvertrag festzulegen. Die Anwältin rät allerdings auch, zusätzlich konkrete Anweisungen zu verschiedenen Dienstreisen zu erteilen – denn im Arbeitsvertrag können Chefs kaum auf jeden Einzelfall eingehen. Wichtig sei, dass diese individuellen Anweisungen nicht gegen den Arbeitsvertrag widersprechen. Alternativ kann sinnvoll sein, eine Betriebsvereinbarung zu schließen, wenn es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt. Wichtig für Dienstreisen ins Ausland: Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer auf einer mit einer A1-Bescheinigung ausstatten – ohne das gesetzlich vorgeschriebene Dokument, kann es sonst teuer werden. Mehr dazu: A1-Bescheinigung: Welche Bußgelder auf Dienstreisen drohen Im öffentlichen Dienst gilt: Reisezeit außerhalb der normalen Arbeitszeit wird nur in Ausnahmefällen als Arbeitszeit vergütet (§ 44 Abs. 2 Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD), § 17, Absatz 2 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT)). Grundlegende Regeln zur Arbeitszeit Grundsätzlich müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich an die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) halten: Mitarbeiter dürfen die Arbeitszeit von (in der Regel) acht Stunden nicht überschreiten, in Ausnahmefällen sind zehn Stunden möglich. Pausenzeiten müssen Arbeitnehmer abziehen. Nach Arbeitsende muss der Arbeitnehmer mindestens elf Stunden Ruhezeit zur Verfügung haben. Arbeiten Angestellte während einer Dienstreise an einem Sonntag (was laut §10 Arbeitszeitgesetz nur für bestimmte Berufsgruppen zulässig ist), müssen ihre Chefs ihnen laut §11 ArbZG innerhalb von zwei Wochen einen Ersatzruhetag gewähren. Außerdem müssen mindestens 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben. Für manche Branchen gelten für die obigen Regelungen Ausnahmen. Etwa in Krankenhäusern, bei Piloten, Kapitänen, Busfahrern oder in der Gastronomie (§14 ArbZG) Für Beamte, Richterinnen und Soldaten sind Regelungen zu Dienstreisen um Bundesreisekostengesetz festgelegt.