Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
- Das Problem mit Du-Botschaften
- Was ist eine echte Ich-Botschaft?
- Die Erfolgsformel für Ich-Botschaften
- Beispiele für Ich-Botschaften im Konfliktgespräch
- Vorteile von Ich-Botschaften
- Kritik: So redet doch kein normaler Mensch
- Thomas Gordon und das Gordon-Modell
- Und wenn ich doch mal in die Vorwurfsfalle tappe?
- Beispiele: Du-Botschaften in Ich-Botschaften umformulieren
„Du bist wieder zu spät!“ oder „Nie hörst du zu!“ Rutschen dir diese Sätze raus, wenn du genervt bist von der notorisch unpünktlichen Mitarbeiterin oder enttäuscht von deinem unachtsamen Partner?
Das Problem mit Du-Botschaften
Kommunikationsexperten nennen diese Sätze Du-Botschaften. Das Problem daran: Sie benennen Schuldige und setzen dein Gegenüber herab. Gut möglich, dass dein Partner dich daraufhin anpampt: „Hast du eine Ahnung, was bei uns auf der Arbeit los ist? Deine ewigen Vorwürfe kann ich nicht gebrauchen.“
Auch deine Mitarbeiterin wird nach einer Du-Botschaft kaum offen sein für ein Konfliktgespräch. Wahrscheinlicher ist, dass sie genervt ist und sich rechtfertigt: „Wir sind so knapp besetzt, die Hütte brennt. Da kann es ja wohl passieren, dass man zu spät zum Meeting kommt!“
Die Lösung: Ich-Botschaften. Sie gelten als wichtige Strategie in schwierigen Gesprächen. Doch vielen Chefinnen und Chefs fällt es schwer, sie richtig anzuwenden. „Führungskräfte sagen in meinen Trainingseinheiten oft ‚Oh, jetzt habe ich schon wieder du gesagt‘“, so Camelia Reinert-Buss, Business-Coachin und Trainerin für Führungskräfte.
Was ist eine echte Ich-Botschaft?
„Ich will, dass du ab jetzt pünktlich kommst“ oder „Ich möchte, dass du nicht auf dein Handy schaust, während wir sprechen“ – die Sätze klingen zwar nach Ich-Botschaften. Doch im Grunde sind sie nur eine andere Verpackung für „Du sollst gefällig!“ oder „Immer machst du!“. „Echte Ich-Botschaften legen den Fokus auf die eigenen Beobachtungen, Gefühle und Bedürfnisse“, erklärt Camelia Reinert-Buss.
In einer Ich-Botschaft
- schilderst du zunächst sachlich deine Beobachtung,
- benennst dann das Gefühl, das die Beobachtung in dir ausgelöst hat und stellst eine Beziehung her zwischen dem Gefühl und einem Wert oder Bedürfnis, das dabei verletzt wurde.
- Dann kannst du noch einen Wunsch äußern. Worum bittest du dein Gegenüber? Welchen Vorschlag hast du? Wichtig: Diese Bitte sollte konkret und kurzfristig erfüllbar sein.
Die Erfolgsformel für Ich-Botschaften
Wer Konflikte konstruktiv angehen möchte, sollte also folgende Formel für Ich-Botschaften kennen:
Ich + Beobachtung (Sachaussage) + meine Bedürfnisse und Gefühle + mein Wunsch

Beispiele für Ich-Botschaften im Konfliktgespräch
Bleiben wir beim Beispiel der Mitarbeiterin, die ständig zu spät kommt. Ein genervtes „Du bist schon wieder unpünktlich!“ bringt dich nicht weiter. Doch dahinter steckt eine echte Ich-Botschaft. Zum Beispiel diese:
„Ich habe eine halbe Stunde auf dich gewartet und mich total geärgert, weil ich viel zu tun habe. Ich fühle mich nicht ernstgenommen und nicht respektiert.“
Was würde passieren, wenn du das sagst? Womöglich würde die Mitarbeiterin einlenken: „Das tut mir leid. Ich wollte dich nicht kränken.“ Die Gesprächsebene wäre dann sofort eine andere: weg von der Eskalation, hin zum Dialog. Ihr findet gemeinsam eine Lösung für das Problem. Eine echte und ehrliche Ich-Botschaft sorgt für mehr Verständnis und Kompromissbereitschaft.
Ein anderes Beispiel: In den Berichten eines Mitarbeiters häufen sich Fehler. Du bist genervt, weil das für dich doppelte Arbeit bedeutet. Eine typische Du-Botschaft wäre: „Du arbeitest so schludrig, dein Bericht ist wieder voller Fehler!“
Eine Ich-Botschaft dagegen vermeidet Vorwürfe und Abwertung:
„Ich habe bemerkt, dass es in deinen Berichten einige Fehler gab. Das macht mir Sorgen, weil mir Qualität und ein professionelles Auftreten vor unseren Kunden super wichtig sind. Ich wünsche mir, dass du dir in Zukunft die Zeit nimmst, deine Berichte nochmal in Ruhe zu prüfen. Wie können wir dich dafür freischaufeln?“
Vorteile von Ich-Botschaften
„Ich-Botschaften helfen, die Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen“, sagt Stephan Kowalski, Führungskräftetrainer und Experte für Motivation. Allein durch den veränderten Satzbau richte man den Blick nach innen, statt sein Gegenüber zu bewerten. „Ich komme weg von der Problemorientierung hin zur Lösungsorientierung“, erklärt er.
Business-Coachin Camelia Reinert-Buss sagt: „Ich-Botschaften sorgen für Klarheit. Mein Gegenüber weiß, wie ich mich fühle und was ich mir wünsche. Dann kann man besser miteinander arbeiten.“
Kritik: So redet doch kein normaler Mensch
Vielen Führungskräften fällt es schwer, im Alltag Ich-Botschaften zu verwenden. Eine häufige Reaktion: Das fühlt sich gekünstelt an. „Zu denken: ‚Ich war bei einem Seminar und ab jetzt benutze ich nur noch Ich-Botschaften‘ – so funktioniert das natürlich nicht. Die Kommunikation sollte authentisch sein“, sagt die Expertin Reinert-Buss.
Stephan Kowalski empfiehlt, Ich-Botschaften gezielt zu üben. Verwende sie in planbaren Situationen, zum Beispiel in Mitarbeitergesprächen. Es hilft auch, sich selbst zu reflektieren: „Wann verwende ich Du-Botschaften? Wann bringt mich das nicht weiter? An diesen Stellen kannst du ansetzen und die Kommunikation verändern.“
„Es kann eine große Umstellung sein, die eigenen Gefühle offen anzusprechen“, sagt Kowalski. „Viele Führungskräfte versuchen, Gefühle aus dem Arbeitsalltag herauszuhalten.“ Er ermutigt dazu, Ich-Botschaften eine Chance zu geben. „Der Nutzen ist enorm. Wenn man anfängt, über seine Gefühle zu reden, kommt nicht nur Feedback bei den Mitarbeitenden an. Man wirkt auch insgesamt nahbarer und menschlicher.“
Thomas Gordon und das Gordon-Modell
Der US-amerikanische Psychologe Thomas Gordon prägte den Begriff „Ich-Botschaften“ in den 1970er Jahren. Er entwickelte ein Modell, um die Kommunikation zwischen Eltern und Kind zu analysieren. Konflikte lassen sich demnach am besten lösen, wenn man Ich-Botschaften sendet, aktiv zuhört und so genannte Kommunikationssperren vermeidet. Das „Gordon-Modell“ gilt als effektives Werkzeug für gewaltfreie Kommunikation und Konfliktlösung und lässt sich auch auf andere Gesprächssituationen übertragen, etwa in der Partnerschaft oder in Unternehmen.
Und wenn ich doch mal in die Vorwurfsfalle tappe?
Auch Menschen, die sich schon seit vielen Jahren mit gewaltfreier Kommunikation und Ich-Botschaften beschäftigen, rutscht ab und an eine Du-Botschaft raus. Je höher das eigene Stresslevel und je wichtiger das Thema, desto eher könne es passieren, sagt Camelia Reinert-Buss. „Das sagt auch immer etwas über uns selbst aus und über die Frage: Wie enttäuscht bin ich gerade über die Beziehung zu meinem Gegenüber allgemein?“
Nach einem emotionalen Ausbruch gebe es immer die Möglichkeit, mit etwas Abstand eine zweite Rückmeldung zu geben. Etwa: „Ich war gestern Abend sehr wütend, das tut mir leid.“ Oder „Ich glaube, ich habe dich mit meiner Aussage verletzt. Das war nicht meine Absicht, bitte entschuldige.“
Hast du generell ein vertrauensvolles Verhältnis zu deinem Team, wird dir eine vorwurfsvolle Du-Botschaft oder ein lautes Wort vermutlich verziehen. „Dann denken sich die Mitarbeiter vielleicht: ‚Oha, der ist gerade im Stress, alles gut‘“, so die Expertin.
Ist die Beziehung zu einem Teammitglied dagegen belastet, ist es laut Reinert-Buss besonders wichtig, achtsam zu kommunizieren, Ich-Botschaften zu senden und viele Fragen zu stellen.
impulse-Mitglieder finden hier einen Download: Spickzettel für Konfliktgespräche: 44 Fragen, mit denen du Konflikte löst
Beispiele: Du-Botschaften in Ich-Botschaften umformulieren
Drei weitere Beispiele, wie sich Du-Botschaften in Ich-Botschaften umformulieren lassen:
| Du-Botschaft | Ich-Botschaft |
| „Du bist immer total unzuverlässig und vergisst alle deine Termine.“ | „Ich habe bemerkt, dass du zum vereinbarten Termin nicht dagewesen bist. Ich bin deshalb verärgert, weil mir Verlässlichkeit wichtig ist.“ |
| „Du hörst nicht richtig zu – und alle im Team sind genervt davon.“ | „Ich habe gesehen, dass du während der letzten Präsentation immer wieder auf dein Handy geschaut hast. Ich bin deshalb genervt, weil mir Fokus wichtig ist.“ |
| „Du bist die ganze Woche schon so schlecht drauf!“ | „Die letzten Tage habe ich gemerkt, dass du sehr kurz angebunden warst. Ich mache mir Sorgen. Mir ist wichtig, dass es dir gut geht. Wie kann ich dir denn helfen? Was kann ich tun, damit es dir besser geht?“ |
Du merkst: Mit einer Ich-Botschaft sprichst du das Problem klar und deutlich an, bleibst dabei aber sachlich, weil du zwischen Problem und Person trennst. Und weil du über dich selbst und deine Gefühle sprichst, weist du deinem Gegenüber keine Schuld zu und wertest die Person nicht ab. Stattdessen gibst du deinem Gesprächspartner die Chance, deine negativen Gefühle zu verstehen. Das macht es wahrscheinlicher, dass dein Gegenüber deine Rückmeldung annimmt – und ihr im Konfliktgespräch gemeinsam eine Lösung findet.
Camelia Reinert-Buss begleitet seit mehr als 15 Jahren Führungskräfte, Unternehmerinnen und Unternehmer und Vorstände bei Transformationsprozessen, der Neupositionierung und Nachfolgefragen. Sie ist Senior Business Coach, Beirätin und Teil eines Familienunternehmens mit mehr als 2000 Mitarbeitenden.
Stephan Kowalski ist Führungskräftetrainer und Experte für Motivation, Visioning und Spezialisierung. Als Unternehmer hat er selbst jahrelang praktische Führungserfahrung gesammelt. Für impulse hat er den Online-Kurs „Klar und souverän führen“ konzipiert.
