Überzogene Erwartungen an Chefs
„Es ist leicht, über Führungskräfte zu schimpfen – aber schwer, eine zu sein“

Flache Hierarchien, Augenhöhe, Wertschätzung – die Ansprüche an Führungskräfte sind hoch. Dabei wird gern mal vergessen, dass sie auch nur Menschen sind, findet Unternehmerin Dina Reit.

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Dina Reit, SK Laser
Dina Reit, Co-Geschäftsführerin des mittelständischen Maschinenbau-Betriebs SK Laser.
© SK Laser

Es ist total normal geworden, über Chefinnen und Chefs zu schimpfen. Ob bei LinkedIn oder in Zeitungen: Überall wird über Führungskräfte hergezogen. Dann wird aufgelistet, was sie alles falsch machen und wie sie mit ihrem schlimmen Verhalten die besten Mitarbeiter vergraulen. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich schon irgendwo gelesen habe: Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sondern ihre schlechten Chefs. Das ärgert mich.

Vor vier Jahren bin ich in unser Familienunternehmen SK Laser eingestiegen. Da war ich 27 Jahre alt. Anfangs habe ich normal mitgearbeitet und alle Bereiche von der Buchhaltung bis zur Produktion kennengelernt. 2022 wurde ich Co-Geschäftsführerin neben meinem Vater. Seit diesem Jahr übernehme ich einen Großteil der Geschäfte. Mein Vater arbeitet inzwischen Teilzeit 20 Stunden die Woche.

Seit ich für die Führung unseres Teams verantwortlich bin, merke ich, vor welche Herausforderungen einen die neue Arbeitswelt als Führungskraft stellt. Die Erwartungshaltung von Mitarbeitenden ist teilweise sehr hoch.

An Führungskräfte werden unrealistische Maßstäbe angelegt

Selbstverständlich ist mir gute Führung wichtig. Ich habe da hohe Ansprüche an mich und will mich stetig verbessern. Aber ich habe auch den Eindruck, dass es sich manche Leute etwas zu einfach machen. Es ist leicht, über Führungskräfte zu schimpfen – aber schwer, eine zu sein.

Mitarbeitenden, so mein Gefühl, wird oft sehr viel Verständnis entgegengebracht und sehr viel Menschlichkeit zugestanden. Viele legen aber bei Führungskräften ganz andere, unrealistische Maßstäbe an. Da werden zwei Fronten aufgebaut, was mir sehr widerstrebt. Das Team auf der einen Seite und der böse Chef auf der anderen Seite.

Wertschätzung verwenden einige als Totschlagargument

Ein Beispiel: Ich sehe es als meinen Job als Führungskraft, Veränderung anzustoßen. Und dafür ist ehrliche Kritik nötig. Doch teilweise habe ich das Gefühl, als Chefin gar nichts Negatives mehr sagen zu dürfen – insbesondere gegenüber der Generation Z.

Wenn ich manchmal eine Kleinigkeit anspreche, bei der ich denke, dass es ein Verbesserungspotenzial gibt, höre ich: „Das ist jetzt aber nicht besonders wertschätzend.“ Ich möchte konstruktives Feedback geben. Dabei muss ich aber auch sagen können, wenn etwas nicht so gut läuft.

Die Gastautorin
Dina Reit ist Co-Geschäftsführerin von SK Laser, einem mittelständischen Maschinenbau-Betrieb in Wiesbaden, der Laserprodukte für die Industrie herstellt. Sie ist Nachfolgerin und führt das Unternehmen aktuell noch gemeinsam mit ihrem Vater.

Wer Entscheidungen treffen will, muss Verantwortung übernehmen

Vielen Angestellten ist es heute wichtig, selbst Entscheidungen treffen zu können. Das begrüße ich total. Aber gleichzeitig kann man dann auch erwarten, dass die Menschen Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen.

Stattdessen heißt es schnell, wenn etwas schiefläuft: „Oh, die Führungskraft ist schlecht, die motiviert und befähigt nicht genug.“ Wir sind doch alle mündige Menschen! Als Führungskraft setze ich den Rahmen. Klar! Aber alle sollten auch für ihre eigenen Fehler geradestehen und ihr eigenes Verhalten reflektieren.

Nahbarkeit ist das Ziel – birgt aber Gefahren

Ich habe einige schlaflose Nächte erlebt, weil mich Personalangelegenheiten so mitgenommen haben. Ich gebe mein Bestes, um fair und menschlich zu handeln. Trotzdem passieren mir Fehler. Ich weiß, dass Führung nicht nur einfach ist. Und der Druck von außen ist enorm, dem Ideal einer vermeintlich perfekten Führungskraft zu entsprechen. Dabei kann keiner von uns über Wasser gehen.

Was mir hilft, wenn mir der Druck zu viel wird, ist der Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern. Wie geht ihr damit um? Ich freue mich über eure Kommentare!

Es ist total normal geworden, über Chefinnen und Chefs zu schimpfen. Ob bei LinkedIn oder in Zeitungen: Überall wird über Führungskräfte hergezogen. Dann wird aufgelistet, was sie alles falsch machen und wie sie mit ihrem schlimmen Verhalten die besten Mitarbeiter vergraulen. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich schon irgendwo gelesen habe: Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sondern ihre schlechten Chefs. Das ärgert mich. Vor vier Jahren bin ich in unser Familienunternehmen SK Laser eingestiegen. Da war ich 27 Jahre alt. Anfangs habe ich normal mitgearbeitet und alle Bereiche von der Buchhaltung bis zur Produktion kennengelernt. 2022 wurde ich Co-Geschäftsführerin neben meinem Vater. Seit diesem Jahr übernehme ich einen Großteil der Geschäfte. Mein Vater arbeitet inzwischen Teilzeit 20 Stunden die Woche. Seit ich für die Führung unseres Teams verantwortlich bin, merke ich, vor welche Herausforderungen einen die neue Arbeitswelt als Führungskraft stellt. Die Erwartungshaltung von Mitarbeitenden ist teilweise sehr hoch. An Führungskräfte werden unrealistische Maßstäbe angelegt Selbstverständlich ist mir gute Führung wichtig. Ich habe da hohe Ansprüche an mich und will mich stetig verbessern. Aber ich habe auch den Eindruck, dass es sich manche Leute etwas zu einfach machen. Es ist leicht, über Führungskräfte zu schimpfen – aber schwer, eine zu sein. Mitarbeitenden, so mein Gefühl, wird oft sehr viel Verständnis entgegengebracht und sehr viel Menschlichkeit zugestanden. Viele legen aber bei Führungskräften ganz andere, unrealistische Maßstäbe an. Da werden zwei Fronten aufgebaut, was mir sehr widerstrebt. Das Team auf der einen Seite und der böse Chef auf der anderen Seite. Wertschätzung verwenden einige als Totschlagargument Ein Beispiel: Ich sehe es als meinen Job als Führungskraft, Veränderung anzustoßen. Und dafür ist ehrliche Kritik nötig. Doch teilweise habe ich das Gefühl, als Chefin gar nichts Negatives mehr sagen zu dürfen – insbesondere gegenüber der Generation Z. Wenn ich manchmal eine Kleinigkeit anspreche, bei der ich denke, dass es ein Verbesserungspotenzial gibt, höre ich: „Das ist jetzt aber nicht besonders wertschätzend.“ Ich möchte konstruktives Feedback geben. Dabei muss ich aber auch sagen können, wenn etwas nicht so gut läuft. [zur-person] Wer Entscheidungen treffen will, muss Verantwortung übernehmen Vielen Angestellten ist es heute wichtig, selbst Entscheidungen treffen zu können. Das begrüße ich total. Aber gleichzeitig kann man dann auch erwarten, dass die Menschen Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen. Stattdessen heißt es schnell, wenn etwas schiefläuft: „Oh, die Führungskraft ist schlecht, die motiviert und befähigt nicht genug.“ Wir sind doch alle mündige Menschen! Als Führungskraft setze ich den Rahmen. Klar! Aber alle sollten auch für ihre eigenen Fehler geradestehen und ihr eigenes Verhalten reflektieren. [mehr-zum-thema] Nahbarkeit ist das Ziel – birgt aber Gefahren Ich habe einige schlaflose Nächte erlebt, weil mich Personalangelegenheiten so mitgenommen haben. Ich gebe mein Bestes, um fair und menschlich zu handeln. Trotzdem passieren mir Fehler. Ich weiß, dass Führung nicht nur einfach ist. Und der Druck von außen ist enorm, dem Ideal einer vermeintlich perfekten Führungskraft zu entsprechen. Dabei kann keiner von uns über Wasser gehen. Was mir hilft, wenn mir der Druck zu viel wird, ist der Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern. Wie geht ihr damit um? Ich freue mich über eure Kommentare!
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