Am Unternehmen arbeiten
„Ich wurde nicht als CEO geboren“

Wie lernt man, ein guter Leader für sein Team zu sein und nicht zum Mikromanager zu mutieren? impulse-Blogger Björn Waide erzählt, wie er seinen Weg gefunden hat.

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Am Unternehmen arbeiten
Ein guter Leader arbeitet am Unternehmen und hält sich aus dem operativen Geschäft raus, findet impulse-Blogger Björn Waide.
© MonthiraYodtiwong / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Wann ich zuletzt eine Zeile Code geschrieben habe, kann ich nicht genau sagen. Es muss eine ganze Weile her sein. Dabei habe ich Informatik studiert und war es als Produktmanager gewohnt, Features und Produkte maßgeblich zu gestalten. Aber als CEO lege ich nicht mehr selbst am Produkt, also an unserer Software, Hand an.

Weil ich das Programmieren aufgrund der kreativen Möglichkeiten geliebt habe, ist das einerseits schade; weil ich nun aber andere Chancen zur Gestaltung eines ganzen Unternehmens habe, komme ich andererseits sehr gut darüber hinweg. Im Ernst: Ich habe gelernt, dass meine Rolle die Arbeit am Unternehmen erfordert, nicht im Unternehmen. Diese Erkenntnis hat aber ihre Zeit gebraucht.

“Wer leitet das Unternehmen, während du die Arbeit der anderen machst?”

Wir Menschen – das behaupte ich – lieben unseren Beruf besonders dann, wenn wir in ihm aktiv gestalten können. Mancher interpretiert das aber über und kommt vom Hundertsten ins Tausendste, erledigt nicht (nur) seine, sondern auch die Aufgaben von Kolleginnen und Kollegen. Dieses Mikromanagement ist absolut schädlich – vor allem als Unternehmer.

Auch ich habe mich zeitweise in den Strudel treiben lassen und versucht, Team-Mitgliedern hier und da mit meinem Fachwissen weiterzuhelfen; sprich: ihre Aufgaben zu meinen zu machen. So habe ich vor allem zu Beginn meiner Zeit bei Smartsteuer oft das Projektmanagement zur Entwicklung neuer Features in die Hand genommen, was viel von meiner Zeit in Anspruch genommen hat. Mir wurde klar, dass das so nicht geht, und mir kam der Gedanke: „Wer leitet eigentlich das Unternehmen, während du gerade die Arbeit der anderen machst?“

Ich will mich um die strategische Weiterentwicklung kümmern

Im Notfall da zu sein, Brände zu löschen, das gehört zu den Pflichten eines guten Leaders. Nehmen diese Anlässe jedoch Überhand, dann ist das ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Dann hilft nur das Hinterfragen, das Analysieren, und im Zweifel stehen am Ende personelle Entscheidungen wie das Engagieren weiterer Experten. In meinem Fall konnte ich feststellen: Das Unternehmen bringe ich nicht durch operatives Einmischen voran, sondern durch die strategische Weiterentwicklung von Produkt und Organisation. Eines meiner Kernanliegen ist, ideale Arbeitsbedingungen für das Team zu schaffen – zum Beispiel, als wir verhandelten, wie die neuen, offen gestalteten Büroflächen so genutzt werden können, dass alle sich wohlfühlen.

Weil ich nicht als CEO geboren wurde, sondern wie die meisten „Quereinsteiger“ bin, musste ich mir bestimmte Fähigkeiten aneignen und Strategien entwickeln, um mich selbst im Sinne des Unternehmens zu organisieren. Den Blick fürs Ganze bekomme ich – neben der offenen Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen – am besten durch das bewusste Reflektieren meiner Arbeit und Ideen.

Zeit fürs „Big Picture“: Morgens, mittags, mittwochs

Durch eine Urlaubslektüre („The Miracle Morning: The Not-So-Obvious Secret Guaranteed to Transform Your Life“ von Hal Elrod) wurde mir die Kraft bestimmter selbstreflektiver Prinzipien richtig bewusst und so habe ich begonnen, meinen Alltag danach zu strukturieren. Seither habe ich beispielsweise eine Morgenroutine etabliert: Um 5:30 Uhr stehe ich auf, mache Sport, meditiere, lese, denke nach und verbringe dann Zeit mit meinen Kindern, ehe sie in die Schule gehen und ich mich an den Schreibtisch setze.

Ich erlaube mir im Laufe eines Tages außerdem Momente der bewussten Ineffektivität. Das hat nichts mit Prokrastination oder Arbeiten im Elfenbeinturm zu tun, im Gegenteil: Wenn ich mir die Zeit zum Nachdenken nehme, komme ich immer mit frischen Ideen zurück ins Büro, die dann in größerer Runde auf die Probe gestellt werden. So kam mir beispielsweise in einem dieser Momente die Idee für unser Feature der Sofort-Erstattung, dank der User nicht mehr monatelang auf ihre Rückzahlung vom Finanzamt warten müssen, sondern direkt nach Abgabe der Steuererklärung über Smartsteuer einen Gutschein in Höhe der berechneten Erstattungssumme erhalten können.

Außerdem verbringe ich gern die Mittagszeit allein, um bestimmte Themen oder Herausforderungen des Vormittags zu reflektieren und mich auf kommende Termine und To-dos vorzubereiten. Die wichtigste Entscheidung aber war, mittwochs ins “Coffee Office” zu gehen. Statt am heimischen Küchentisch – wie beim Homeoffice – trinke ich dann den einen oder anderen Kaffee in meinem Lieblings-Café und arbeite dort in Ruhe (auch dank Kopfhörern mit Noise-Cancelling-Funktion). Dass mir diese „Auszeit“ hilft, am Unternehmen zu arbeiten, ist mir auf einer Dienstreise mit viel Wartezeit bewusst geworden. Plötzlich hatte ich Zeit für Dinge, die ich seit Monaten immer wieder aufgeschoben hatte, von denen aber – im Nachhinein betrachtet – wichtige Impulse für unser Unternehmen ausgingen.

Ich mische mich nicht mehr ins operative Geschäft ein

Das operative Einmischen lasse ich heute sein; nur bei Workshops für Produktinnovationen nehme ich mir die Freiheit, mich auch mal in Details zu verlieren – ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren.

Meine Erfahrungen zeigen mir, dass Selbstreflexion und bewusstes Abstandnehmen extrem wichtig sind, um sich selbst und die Organisation immer wieder neu zu kalibrieren. Das heißt natürlich nicht, dass man als Unternehmer alles mit sich selbst ausmachen soll; stattdessen sind die Methoden hilfreich, um neue Perspektiven in die Team-Diskussion zu bringen. Ich will nicht müde werden, das zu wiederholen: Die wichtigste Aufgabe als Unternehmenslenker ist es, am Unternehmen zu arbeiten, nicht im Unternehmen.

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Wann ich zuletzt eine Zeile Code geschrieben habe, kann ich nicht genau sagen. Es muss eine ganze Weile her sein. Dabei habe ich Informatik studiert und war es als Produktmanager gewohnt, Features und Produkte maßgeblich zu gestalten. Aber als CEO lege ich nicht mehr selbst am Produkt, also an unserer Software, Hand an. Weil ich das Programmieren aufgrund der kreativen Möglichkeiten geliebt habe, ist das einerseits schade; weil ich nun aber andere Chancen zur Gestaltung eines ganzen Unternehmens habe, komme ich andererseits sehr gut darüber hinweg. Im Ernst: Ich habe gelernt, dass meine Rolle die Arbeit am Unternehmen erfordert, nicht im Unternehmen. Diese Erkenntnis hat aber ihre Zeit gebraucht. “Wer leitet das Unternehmen, während du die Arbeit der anderen machst?” Wir Menschen – das behaupte ich – lieben unseren Beruf besonders dann, wenn wir in ihm aktiv gestalten können. Mancher interpretiert das aber über und kommt vom Hundertsten ins Tausendste, erledigt nicht (nur) seine, sondern auch die Aufgaben von Kolleginnen und Kollegen. Dieses Mikromanagement ist absolut schädlich – vor allem als Unternehmer. Auch ich habe mich zeitweise in den Strudel treiben lassen und versucht, Team-Mitgliedern hier und da mit meinem Fachwissen weiterzuhelfen; sprich: ihre Aufgaben zu meinen zu machen. So habe ich vor allem zu Beginn meiner Zeit bei Smartsteuer oft das Projektmanagement zur Entwicklung neuer Features in die Hand genommen, was viel von meiner Zeit in Anspruch genommen hat. Mir wurde klar, dass das so nicht geht, und mir kam der Gedanke: "Wer leitet eigentlich das Unternehmen, während du gerade die Arbeit der anderen machst?" Ich will mich um die strategische Weiterentwicklung kümmern Im Notfall da zu sein, Brände zu löschen, das gehört zu den Pflichten eines guten Leaders. Nehmen diese Anlässe jedoch Überhand, dann ist das ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Dann hilft nur das Hinterfragen, das Analysieren, und im Zweifel stehen am Ende personelle Entscheidungen wie das Engagieren weiterer Experten. In meinem Fall konnte ich feststellen: Das Unternehmen bringe ich nicht durch operatives Einmischen voran, sondern durch die strategische Weiterentwicklung von Produkt und Organisation. Eines meiner Kernanliegen ist, ideale Arbeitsbedingungen für das Team zu schaffen - zum Beispiel, als wir verhandelten, wie die neuen, offen gestalteten Büroflächen so genutzt werden können, dass alle sich wohlfühlen. Weil ich nicht als CEO geboren wurde, sondern wie die meisten "Quereinsteiger" bin, musste ich mir bestimmte Fähigkeiten aneignen und Strategien entwickeln, um mich selbst im Sinne des Unternehmens zu organisieren. Den Blick fürs Ganze bekomme ich – neben der offenen Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen – am besten durch das bewusste Reflektieren meiner Arbeit und Ideen. Zeit fürs "Big Picture": Morgens, mittags, mittwochs Durch eine Urlaubslektüre ("The Miracle Morning: The Not-So-Obvious Secret Guaranteed to Transform Your Life" von Hal Elrod) wurde mir die Kraft bestimmter selbstreflektiver Prinzipien richtig bewusst und so habe ich begonnen, meinen Alltag danach zu strukturieren. Seither habe ich beispielsweise eine Morgenroutine etabliert: Um 5:30 Uhr stehe ich auf, mache Sport, meditiere, lese, denke nach und verbringe dann Zeit mit meinen Kindern, ehe sie in die Schule gehen und ich mich an den Schreibtisch setze. Ich erlaube mir im Laufe eines Tages außerdem Momente der bewussten Ineffektivität. Das hat nichts mit Prokrastination oder Arbeiten im Elfenbeinturm zu tun, im Gegenteil: Wenn ich mir die Zeit zum Nachdenken nehme, komme ich immer mit frischen Ideen zurück ins Büro, die dann in größerer Runde auf die Probe gestellt werden. So kam mir beispielsweise in einem dieser Momente die Idee für unser Feature der Sofort-Erstattung, dank der User nicht mehr monatelang auf ihre Rückzahlung vom Finanzamt warten müssen, sondern direkt nach Abgabe der Steuererklärung über Smartsteuer einen Gutschein in Höhe der berechneten Erstattungssumme erhalten können. Außerdem verbringe ich gern die Mittagszeit allein, um bestimmte Themen oder Herausforderungen des Vormittags zu reflektieren und mich auf kommende Termine und To-dos vorzubereiten. Die wichtigste Entscheidung aber war, mittwochs ins “Coffee Office” zu gehen. Statt am heimischen Küchentisch – wie beim Homeoffice – trinke ich dann den einen oder anderen Kaffee in meinem Lieblings-Café und arbeite dort in Ruhe (auch dank Kopfhörern mit Noise-Cancelling-Funktion). Dass mir diese "Auszeit" hilft, am Unternehmen zu arbeiten, ist mir auf einer Dienstreise mit viel Wartezeit bewusst geworden. Plötzlich hatte ich Zeit für Dinge, die ich seit Monaten immer wieder aufgeschoben hatte, von denen aber – im Nachhinein betrachtet – wichtige Impulse für unser Unternehmen ausgingen. Ich mische mich nicht mehr ins operative Geschäft ein Das operative Einmischen lasse ich heute sein; nur bei Workshops für Produktinnovationen nehme ich mir die Freiheit, mich auch mal in Details zu verlieren – ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Meine Erfahrungen zeigen mir, dass Selbstreflexion und bewusstes Abstandnehmen extrem wichtig sind, um sich selbst und die Organisation immer wieder neu zu kalibrieren. Das heißt natürlich nicht, dass man als Unternehmer alles mit sich selbst ausmachen soll; stattdessen sind die Methoden hilfreich, um neue Perspektiven in die Team-Diskussion zu bringen. Ich will nicht müde werden, das zu wiederholen: Die wichtigste Aufgabe als Unternehmenslenker ist es, am Unternehmen zu arbeiten, nicht im Unternehmen.
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