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Hast du meistens in Besprechungen die besten Ideen? Nicken alle Anwesenden einmütig, wenn du einen Vorschlag machst? Eine letzte Frage noch: Sitzt du als Chef oder Chefin in diesen Runden? Falls ja, dann musst du jetzt stark sein: Wahrscheinlich sind deine Ideen nicht so außergewöhnlich gut, wie die Zustimmung deines Teams vermuten lässt. Stattdessen bewegt vermutlich der sogenannte HiPPO-Effekt deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu, deinen Ideen und Vorschlägen so uneingeschränkt zuzustimmen. Das Akronym HiPPO steht für „Highest Paid Person’s Opinion“. Auf Deutsch übersetzt heißt das: die Meinung der höchstbezahlten Person. Diese wird unbewusst als informierter und wertvoller wahrgenommen als die Wortmeldungen von Kolleginnen und Kollegen, die in der Hierarchie weiter unten stehen oder weniger Erfahrung haben.
Darum ist der HiPPO-Effekt gefährlich
„Wenn die HiPPO etwas sagt, könnten wir uns den Rest oft sparen, weil sowieso alle anderen das sagen, was die HiPPO sagt“, fasst Florian Rustler, Mitgründer der Innovationsberatung Creaffective, das Problem zusammen. Denn Menschen neigen dazu, bei den Kolleginnen und Kollegen mit dem höchsten Status am meisten Wissen und Kompetenz zu vermuten. Wir sind es gewohnt, Autoritäten zu vertrauen. In der Wissenschaft heißt dieses vielfach in Experimenten nachgewiesene Phänomen „Authority Bias“.
Beeinflussen die Wortmeldungen der Führungskraft oder auch erfahrener Kolleginnen und Kollegen jedoch Entscheidungen über die Maßen, führt das zu Problemen. „Alle anderen halten sich zurück und die Diskussion steuert in eine Richtung, die HiPPO vorgibt“, so Rustler. „Wenn wir in einer Besprechung die Intelligenz der Gruppe nutzen oder verschiedene Aspekte betrachten wollen, um eine gute Entscheidung zu treffen, wirkt der HiPPO-Effekt kontraproduktiv.“ Oft haben Führungskräfte tatsächlich mehr Erfahrung oder sie sind fachlich besonders versiert – das schützt sie jedoch nicht davor, falsch zu liegen, und garantiert auch nicht, dass sie auf die besten Ideen kommen.
4 Tricks, um den HiPPO-Effekt einzudämmen
Diese vier Tricks helfen, den Einfluss von Führungskräften auf Entscheidungen zu begrenzen – und so den HiPPO-Effekt einzudämmen:
1. Vertraue nicht auf Bauchgefühle
Als Erfinder des Acronyms HiPPO gilt der Webanalyst Avinash Kaushik. Er soll den Begriff in seinem 2007 veröffentlichten Buch „Web Analytics: An Hour a Day“ zum ersten Mal benutzt haben. Statt auf Meinungen oder Bauchgefühle sollten Unternehmen so viel wie möglich anhand von Daten entscheiden, findet er. Denn wo Fakten und Daten vorliegen, beeinflussen Haltungen und Meinungen Entscheidungen weniger und vermindern so auch den HiPPO-Effekt.
2. Lasse die anderen zuerst reden
Ein einfacher aber sehr wirksamer Trick, um die Meinungen der anderen in einer Besprechung nicht zu beeinflussen: Warte als Führungskraft mit deinem Redebeitrag, bis alle anderen gesprochen haben. Durch das Abwarten lenkst du die Diskussion nicht versehentlich in die von dir angedachte Richtung, sondern gibst Ideen aus dem Team Raum. Du kannst auch Meetingformate ausprobieren, die verhindern, dass Meinungen sich gegenseitig beeinflussen. Eine Möglichkeit sind Silent Meetings.
3. Delegiere Entscheidungen
Wenn fachliche Expertise gefragt ist, stellt sich die Frage: Musst du als Chefin oder Chef diese Entscheidung zwingend selbst treffen? In vielen Fällen könnten Fachabteilungen schneller und besser abwägen, was zu tun ist – doch aus Gewohnheit entscheidet die nächste Hierarchiestufe. Checke darum, welche Entscheidungen du delegieren kannst.
4. Nimm dich zurück
In vielen Unternehmen moderiert, wer das Meeting einberufen hat – und das sind meistens die Chefinnen und Chefs. Doch wer eine Diskussion leitet und gleichzeitig mitentscheidet, schafft es in den wenigsten Fällen, neutral zu bleiben. Du offenbarst beim Moderieren – auch unterbewusst mit kleinen Gesten und Nebensätzen –, welche Gedanken und Vorschläge du besonders gut findest. Das beeinflusst, wie dein Team entscheidet. Die Moderation abzugeben, hilft deswegen gegen den HiPPO-Effekt.
Genauso wie die Moderation hat auch der Besprechungsort einen Einfluss. Das Vertriebsmeeting mit den Regionalleiterinnen und -leitern findet bei dir im Büro statt? Keine gute Idee. Denn im Chefbüro fällt es Mitarbeitenden schwerer, gegensätzliche Ansätze zu vertreten oder konträrer Ideen zu den deinen zu äußern.
Der Einfluss der Unternehmenskultur
Wie stark der HiPPO-Effekt in einem Unternehmen wirkt, hängt auch von der Organisationskultur ab. In einer hierarchisch organisierten Firma haben Mitarbeitende wenig Anreize, zu hinterfragen, was Vorgesetzte sagen. Dementsprechend ist der HiPPO-Effekt dort stärker ausgeprägt als in einem Unternehmen mit flacheren Hierarchien. Florian Rustler arbeitet viel in China und Taiwan. Dort sei oft schon beim Betreten eines Raumes spürbar, wer HiPPO ist – „Ohne, dass jemand etwas gesagt hat“, erzählt Rustler.

Florian Rustler ist Organisationsberater, Facilitator und Trainer. Er berät Kunden unter anderem in Fragen der Organisationsdynamik, wie zum Beispiel Meetingkultur. Er ist außerdem Mitgründer des Beratungsunternehmens Creaffective.
