Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
- Gehaltskürzungen nur in Ausnahmefällen erlaubt
- Gehaltskürzung im Krankheitsfall
- Selbstverschuldete Unfälle
- Schlechte Leistungen
- Unentschuldigtes Fehlen
- Minusstunden
- Verrechnung zu hoher Lohnzahlungen
- Fehler und Schäden
- Gehaltskürzungen in einer Krise
- Sonderzahlungen streichen
- Leistungs- oder erfolgsbezogene Boni
- Höhe von Lohnkürzungen
Gehaltskürzungen sind nur in Ausnahmefällen erlaubt
„Gehaltskürzungen sind im deutschen Arbeitsrecht der absolute Ausnahmefall“, sagt Trixi Hoferichter, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Würzburg. Dass Unternehmen ihren Angestellten ihre Gehälter in der vertraglich vereinbarten Höhe auszahlen müssen, ist gesetzlich festgeschrieben (§ 611a Absatz 2 BGB).
Unabhängig von den Gründen, aus denen ein Unternehmen Gehälter senken möchte, ist eine Gehaltssenkung nie ohne Einwilligung der betroffenen Mitarbeitenden möglich. „Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitnehmer stillschweigend weiterarbeitet. Man braucht explizit das Einverständnis“, sagt Nina Hartmann, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin der Kanzlei CMS Hasche Sigle aus München. Das neue, geringere Gehalt muss in einem Änderungsvertrag festgehalten werden, den beide Seiten unterschreiben.
Verweigern Arbeitnehmer die Zustimmung zu einem niedrigeren Gehalt, ist es für Arbeitgeber kaum möglich, ein Gehalt zu senken. Theoretisch gibt es noch die Änderungskündigung. Doch für diese gelten strengere Regelungen als für eine reguläre Kündigung und sie hat vor Gericht selten Bestand, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhebt.
„Eine Änderungskündigung, um das Entgelt zu reduzieren, geht nur in absoluten Ausnahmefällen. Nämlich dann, wenn in einer wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens ein umfassender Sanierungsplan vorliegt und alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind“, sagt die Arbeitsrechtlerin Hartmann.
Die häufigsten Gründe, warum Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Gehalt kürzen wollen – und wann das rechtens ist.
Gehaltskürzung im Krankheitsfall
In den ersten sechs Wochen einer Krankheit sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, den Lohn fortzuzahlen. „Es geht dabei um eine Lastenverteilung zwischen den Arbeitgebern und den Krankenkassen. Die Gesetzgebung sieht vor, dass die Versicherungsgemeinschaft bei Arbeitnehmern nicht sofort eintreten muss, sondern erstmal die Arbeitgeber einspringen sollen“, erklärt Nina Hartmann. Nach Ablauf der sechs Wochen müssen Arbeitgeber das Gehalt nicht weiterzahlen. Die gesetzliche Krankenkasse springt dann mit Krankengeld ein.
Auch wenn Angestellte ausfallen, weil sie ihr krankes Kind versorgen, können Arbeitgeber das Gehalt nicht kürzen.
Es gibt für diesen Fall jedoch eine Ausnahme: „Es kann im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass § 616 BGB für die Erkrankung eines Kindes des Arbeitnehmers nicht gilt“, sagt Trixi Hoferichter. Der genannte Paragraf schreibt vor, dass ein Arbeitnehmer den Anspruch auf seine Vergütung nicht dadurch verliert, „dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“ Ist der Paragraf im Arbeitsvertrag ausgeschlossen, werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Regel unbezahlt freigestellt, um ihr Kind zu pflegen. Die Krankenkasse des Teammitglieds übernimmt einen Teil seines oder ihres Gehalts.
Lohnkürzungen bei selbstverschuldeten Unfällen
„Die Rechtsprechung sagt, im Grunde genommen gibt es keine Sport- und Freizeitaktivitäten, die so gefährlich sind, dass der Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung ausgeschlossen ist“, sagt Nina Hartmann. Verletzen sich Mitarbeitende beim Drachenfliegen, Bergsteigen, Kickboxen oder anderen risikoreicheren Sportarten, können Arbeitgeber nicht nach dem Prinzip „selbst schuld“ Gehälter kürzen. Nutze jemand jedoch zum Beispiel mangelhafte Ausrüstung, könnten Gerichte in Einzelfällen anders entscheiden, so Hartmann.
Gehaltskürzungen bei schlechten Leistungen
„Wenn Sie fünf Arbeitnehmer haben, die alle denselben Job machen, ist einer immer der schlechteste“, sagt die Juristin Nina Hartmann. „Arbeitnehmer schulden keinen Erfolg. Deswegen ist die Minderung des Arbeitsentgelts wegen schlechter Leistungen im Prinzip ausgeschlossen.“
Anders sieht es aus, wenn Beschäftigte Aufgaben gar nicht erledigen. Dann verstoßen sie gegen die Vereinbarungen in ihrem Arbeitsvertrag. „Bei einer Nichterfüllung können Gehaltskürzungen rechtmäßig sein“, sagt Hartmann. Surft eine Mitarbeiterin etwa stundenlang privat im Internet, statt ihre Aufgaben zu erledigen, kann ein Arbeitgeber theoretisch das Gehalt kürzen.
Ein weiteres Beispiel: Ein Mitarbeiter im Vertrieb reißt regelmäßig seine Zielvorgabe, täglich elf Kunden anzurufen. Seine Kolleginnen und Kollegen hingegen erfüllen das Soll. „Das wäre ein Indiz, dass er seiner Arbeit nicht wie vereinbart nachgeht. Aber das bewegt sich im Bereich des Verdachtes und ist deswegen schwierig“, so Hartmann. „Arbeitgeber sind in solchen Fällen in der Darlegungs- und Beweislast“, gibt sie zu bedenken.
Darum bieten sich Gehaltskürzungen nur als letztes Mittel an, wenn durch Gespräche, andere Angebote oder Maßnahmen wie Ermahnungen und Abmahnungen keine Verbesserungen erzielt werden können.
Lohnkürzungen bei unentschuldigtem Fehlen
Kommt ein Mitarbeiter einmal nicht zur Arbeit, kann der Chef nicht direkt das Gehalt für den Tag einbehalten – unentschuldigtes Fehlen kann aber ein Grund für eine Abmahnung darstellen. Wenn jedoch jemand über einen längeren Zeitraum unentschuldigt fehlt, kann eine Gehaltskürzung zulässig sein.
Gehaltskürzungen als Ausgleich von Minusstunden
„Eine Gehaltskürzung wegen Minusstunden ist arbeitsrechtlich nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer selbst bestimmen kann, wann er seine wöchentliche Arbeitszeit erbringt“, sagt Rechtsanwältin Trixi Hoferichter. „Wenn nur der Arbeitgeber Einfluss auf Ausmaß und Einteilung der Arbeitszeit hat, darf er keine Gehaltskürzung aufgrund von Minusstunden vornehmen.“
In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: Sammelt eine Arbeitnehmerin Minusstunden an, weil sie in Schichtplänen mit weniger Stunden eingeplant wird als in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehen sind, kann ihr Arbeitgeber ihr deswegen nicht den Lohn kürzen.
Führen Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto, wird es noch komplizierter. Solange das Arbeitsverhältnis läuft, ist es in Regel unmöglich, Minusstunden über Gehaltskürzungen auszugleichen, sagt Nina Hartmann. Denn in der Konstruktion des Arbeitszeitkontos ist vorgesehen, dass Arbeitnehmer die Minusstunden nacharbeiten. Ist ein bestimmtes Kontingent überschritten, sollten Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam einen Plan machen, wie die Stunden nachgearbeitet werden können.
Anders sei es jedoch, wenn das Arbeitsverhältnis endet. „Steht das Konto dann im Minus, darf Gehalt zum Ausgleich einbehalten werden“, so die Rechtsanwältin.
Gehaltskürzungen nach zu hohen Lohnzahlungen
In einem einfachen Fall darf eine Unternehmerin oder ein Unternehmer kurzzeitig das Gehalt kürzen: Wer versehentlich ein zu hohes Gehalt ausgezahlt hat, darf den zu viel bezahlten Betrag mit folgenden Gehältern verrechnen.
Genauso können Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren, dass ein Mitarbeiterdarlehen – also ein Kredit, den der Arbeitgeber einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter gewährt hat – über ein gekürztes Gehalt zurückgezahlt wird.
Lohn kürzen bei Fehlern
Machen Angestellte eine Maschine kaputt, müssen sie den Schaden in den meisten Fällen nicht bezahlen. Mitarbeitende haften nur, wenn sie nachweisbar vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben.
Ist das der Fall, kann der Arbeitgeber Teile des Gehalts zur Aufrechnung des Schadens einbehalten.
Gehalt kürzen in einer Krise
In vielen Unternehmen sind Gehälter der größte Kostenpunkt. Entsprechend naheliegend ist der Gedanke, hier zu sparen, wenn es der Firma nicht gut geht. Jedoch sind Gehaltskürzungen auch im Zuge einer wirtschaftlichen Not des Unternehmens nur möglich, wenn die Belegschaft dem Gehaltsverzicht zustimmt.
Gehaltskürzung durch gestrichene Sonderzahlungen
Mit der Zahlung beispielsweise eines 13. Gehalts, einer Gratifikation zu Weihnachten oder mit dem Urlaubsgeld in der Sommerzeit belohnen Arbeitgeber die Treue ihrer Mitarbeiter – als freiwillige Leistung. Um die Freiheit zu behalten, in schlechten Jahren auf die Sonderzahlungen zu verzichten, sollten Arbeitsverträge Klauseln enthalten, die definieren, unter welchen Umständen Sonderzahlungen wegfallen können. Gibt es keine derartigen Klauseln und zahlt ein Arbeitgeber trotzdem mehrfach Weihnachtsgeld, kann sich schnell eine betriebliche Übung einstellen – und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben dann ein Anrecht auf eine jährliche Sonderzahlung.
Sind Weihnachts- und Urlaubsgeld in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgeschrieben, können Arbeitgeber die Zahlungen nicht einfach einstellen, sondern müssen eine Einigung mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft finden.
Leistungs- oder erfolgsbezogene Sonderzahlungen kürzen
Hier ist eine Lohnkürzung einfacher: Sind Boni an bestimmte Erfolge oder Leistungen geknüpft, dürfen Arbeitgeber sie streichen, wenn das Teammitglied die vorgegebenen Ziele nicht erreicht. Das Grundgehalt darf dagegen nicht sinken.
Höhe von Lohnkürzungen
Nicht nur die Fälle sind selten, in denen Lohnkürzungen überhaupt möglich sind. Arbeitgeber dürfen auch nicht willkürlich die Höhe der Einschnitte festlegen: Auch für gekürzte Löhne gelten die Untergrenzen aus dem Mindestlohngesetz und aus Tarifverträgen, die für das Unternehmen gelten. Zusätzlich müssen Arbeitgeber auch noch die Pfändungsfreigrenze in ihrer jeweils aktuellen Höhe beachten. Seit Juli 2024 beträgt diese 1499,99 Euro. Falls der Arbeitnehmer gesetzliche Unterhaltspflichten erfüllt, liegt die Pfändungsfreigrenze noch höher (§ 850c Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)).
Die Grenze wird jährlich angepasst und wird voraussichtlich ab dem 1. Juli 2025 steigen.
Trixi Hoferichter hat sich mit ihrer Kanzlei in Würzburg auf arbeitsrechtliche Fragen spezialisiert. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht vertritt Arbeitgeber und -nehmer.
Nina Hartmann ist Partnerin für Arbeitsrecht bei der Münchner Kanzlei CMS Hasche Sigle.
