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Nicht immer sind Führungskräfte zufrieden mit der Einstellung oder dem Verhalten ihrer Mitarbeiter. Doch nicht jeder Mensch verträgt Kritik – und sei sie noch so sachlich und wertschätzend formuliert. Mal reagieren Mitarbeiter irritiert, mal verletzt oder gar aggressiv. Chefinnen und Chefs stellt ein solches Verhalten vor die Frage: Wie gehe ich mit Menschen um, die keine Kritik vertragen?
Ein Mitarbeiter ist nicht kritikfähig? Das könnten die Ursachen sein
Selbstbewusste Mitarbeiter reagieren souverän auf Sätze wie „Ich würde mir von dir zuweilen einen größeren Einsatz wünschen“ oder „Mein Eindruck ist, du setzt manchmal die Prioritäten falsch.“ Sie fragen zum Beispiel nach: „Wann würdest du dir mehr Einsatz wünschen?“ Oder: „Kannst du mir ein, zwei Beispiele nennen für die aus deiner Warte falsche Prioritätensetzung?“
Bei Mitarbeitern mit einem eher schwachen Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein sieht die Sache anders aus: Sie beziehen Kritik oft auf ihre Person. Sie werten sie als persönlichen Angriff, als eine Art Liebesentzug – auch, wenn sie sich nur auf ihr Verhalten in bestimmten Situationen bezieht.
Entsprechend reagieren sie: verletzt oder bockig, abwehrend oder resignativ – und manchmal sogar feindselig, weil sie die Aussage als Bedrohung erfahren. Diese Reaktion erfolgt so reflexartig, dass sie das Gesagte gar nicht mehr hören.
Die Reaktion auf Kritik: Abwertung, Angriff oder Schweigen
Erleben Mitarbeiter mit geringem Selbstwertgefühl Kritik als persönlichen Angriff, sehen sie oft nur zwei Möglichkeiten zu reagieren:
- Sie werten die Person, die ihnen das Feedback gab, gedanklich ab („Was will der Idiot? Was maßt der sich an?“)
- Und/oder sie starten einen Gegenangriff und versuchen, den Feedbackgeber ebenfalls zu verletzen – zum Beispiel mit Aussagen wie „Wenn du nie klare Ansagen machst, dann …“ Oder: „Wenn du ständig die Ziele änderst, dann …“
Manche trauen sich zwar nicht, ihren Chef oder ihre Chefin offen zu kritisieren: Immerhin sind sie ihre disziplinarischen Vorgesetzten und entscheiden über ihre Karriere. Doch auch bei ihnen kommt die Botschaft nicht an. Empfinden sie ein Feedback als ungerecht, verfallen sie in beredtes Schweigen und äußern ihre Kritik anschließend lautstark im Kollegenkreis.
Das hilft im Umgang mit Mitarbeitern, die keine Kritik vertragen
Wollen Führungskräfte mit diesen Mitarbeitern zusammenarbeiten, müssen sie auch ihnen immer wieder negative Rückmeldungen geben. Doch wie lässt sich vermeiden, dass die Situation eskaliert und womöglich emotionale Wunden entstehen, die der weiteren Zusammenarbeit schaden?
Die Antwort ist einfach: Halte dich sehr genau an die Feedbackregeln und versuche, konstruktive Kritik zu üben. Alles andere liefert deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Vorwand, deine Kritik nicht zu akzeptieren. Die folgenden 13 Punkte solltest du beachten:
Zuhörer ausschließen
Artikuliere persönliche Kritik stets im Vier-Augen-Gespräch, also nie im Beisein Dritter. So vermeidest du es, den Kritisierten bloßzustellen.
Störungen verhindern
Sorge für einen passenden Gesprächsrahmen – an einem Ort, an dem ihr ungestört seid.
Zeitdruck vermeiden
Führe das Gespräch nicht zwischen Tür und Angel. Vereinbare mit dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin einen Termin, so dass auch sie sich vorbereiten können, und nimm dir ausreichend Zeit für die Unterhaltung.
Ziel kommunizieren
Nenne dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin zu Beginn nochmals das Ziel des Gesprächs: die (Zusammen-)Arbeit in der Vergangenheit reflektieren, die wechselseitigen Erwartungen klären und die Zusammenarbeit auf ein noch solideres Fundament stellen.
Wertschätzung zeigen
Bringe anschließend deine Wertschätzung für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin und ihre Arbeit zum Ausdruck – selbst wenn du persönlich das Gefühl hast: Das habe ich schon hundertmal gesagt. Lobe sie auch für scheinbare Selbstverständlichkeiten, wie dass sie morgens stets pünktlich zur Arbeit kommen. Denn diese „Selbstverständlichkeiten“ sind nicht so selbstverständlich, wie sie Führungskräften oft erscheinen.
Kritik dosieren
Sprich erst danach die kritischen Verhaltensweisen an. Konzentriere dich auf die zwei, drei wirklich relevanten Punkte – auch damit bei deinem Gegenüber nicht das Gefühl entsteht: „Der hat ja an allem etwas auszusetzen.“
Beispiele nennen
Achte darauf, dass deine Kritik sachlich fundiert ist. Belege sie anhand konkreter Beispiele aus dem Arbeitsalltag.
Nicht pauschalieren
Vermeide pauschalisierende und generalisierende Aussagen wie „Das machst du immer so“ oder: „Bei dir kann man sich nie darauf verlassen, dass …“ Denn sie rufen fast automatisch Widerspruch hervor. („Das stimmt nicht! Damals, als du …, habe ich …“)
Dritte nicht zitieren
Sprich für dich und hole andere Personen nicht anonym mit ins Boot („Deine Kollegen sehen das auch so“). Auch das provoziert Widerspruch („Wer behauptet das? Diese Unterstellung lasse ich nicht auf mir sitzen!“). Zudem kannst du dich auf Äußerungen von Dritten, sofern sie sich nicht mit deinen Beobachtungen decken, oft nicht verlassen.
Mitarbeiter einbeziehen
Kennzeichne deine Kritik als deinen Standpunkt, deine Wahrnehmung, deine Interpretation der Dinge, die der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin selbstverständlich anders sehen und bewerten kann. Signalisiere deine Gesprächsbereitschaft hierüber („Wie siehst du das?“, „Nimmst du das auch so wahr?“). Mache jedoch zugleich deutlich, dass die bei der Arbeit zu erreichenden Ziele nicht diskutabel sind.
Wertschätzend bleiben
Bleibe immer wertschätzend in deinen Aussagen – auch dann, wenn dich gewisse Reaktionen deines Gegenübers nerven.
Kritik auf Verhalten beschränken
Mache keine Aussagen, die die ganze Person in Frage stellen („Dazu bist du nicht in der Lage“, „Das ist typisch für dich“), sondern beziehe dich stets auf das kritikwürdige Verhalten.
„Ich-Botschaften“ senden
Vermeide Du-Botschaften, denn diese werden oft als Angriff empfunden. Sprich stattdessen über deine Wahrnehmung und formuliere Ich-Botschaften. Statt „Du hörst mir nicht zu!“, sage lieber: „Ich habe das Gefühl, dich beschäftigen im Moment noch andere Dinge. Das erschwert es dir, dich zu konzentrieren. Trifft das zu?“ Antwortet dein Gegenüber nun mit: „Ja, ich …“, rutscht ihr quasi automatisch in ein Gespräch über die Ursachen des Problems. Dies zu erreichen, ist ein zentrales Ziel aller Feedbackgespräche.
Selbstreflexion: Welchen Anteil habe ich als Führungskraft?
Reagiert ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin sehr bockig oder ablehnend, obwohl du deine Kritik angemessen formuliert hast? Dann ist vielleicht eure Beziehung gestört. Hinterfrage, welche Fehler du in der Vergangenheit womöglich gemacht oder was du versäumt haben könntest. Frage dich beispielsweise:
- Habe ich mir zu wenig Zeit für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin genommen? Habe ich zu selten das Gespräch gesucht?
- Habe ich sie mit ihren Aufgaben allein gelassen? Habe ich zu wenig Unterstützung angeboten?
- Habe ich die Leistungen nicht ausreichend gewürdigt – monetär, verbal oder emotional?
- Habe ich das Gefühl vermittelt, dass ich sie nur als Arbeitskraft wahrnehme und nicht auch als Menschen?
Du kannst den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin übrigens auch direkt fragen – zum Beispiel mit den Worten: „Ich habe den Eindruck, dass du auf meine Rückmeldung eher reserviert reagierst. Trifft das zu?“ Antwortet dein Gegenüber: „Ja“, fragst du: „Warum?“ So findest du heraus, was die (Arbeits-) Beziehung belastet, und kannst diese wieder auf eine gesunde Basis stellen.
Christina Seitter ist Trainerin für Personaldiagnostik, Führungs- und Persönlichkeitsentwicklung und hat eine Praxis für systemische Therapie und Beratung in Böblingen.
