Staffing
Mitarbeiter, die ihren Chef mobben? Ja, das gibt es

Sie verweigern die Arbeit, verbreiten Gerüchte über ihren Vorgesetzten oder greifen ihn verbal an: Wenn Mitarbeiter den Chef mobben, spricht man von Staffing. Was Unternehmer dagegen tun können.

26. Juli 2024, 10:18 Uhr, von Lisa Büntemeyer und Miriam Mueller-Stahl

Staffing
Staffing ist ein Tabu-Thema. Umso wichtiger ist, es ernst zu nehmen, wenn Mobbing gegen Vorgesetzte erfolgt.
© nicoletaionescu / iStock / Getty Images Plus

Was ist Staffing?

Eins vorweg: In den meisten Fällen sind es Mitarbeitende, die unter Mobbing am Arbeitsplatz leiden, weil Kollegen oder Chefs sie schikanieren. Aber auch Mobbing gegen Vorgesetzte kommt vor. Staffing nennen Experten das Phänomen, wenn einzelne Mitarbeitende die Führungskraft mobben. Im extremsten Fall kann es sogar sein, dass sich das ganze Team gegen den Chef stellt.

Warum ist Staffing ein Tabu-Thema?

Führungskräfte reden nicht gerne über Mobbing durch Mitarbeiter. Das sagt Psychologe und Therapeut Klaus Mucha, der sich seit mehr als 30 Jahren mit Staffing und Mobbing in Unternehmen beschäftigt: „Meiner Erfahrung nach geben Führungskräfte ungern zu, dass sie gemobbt werden. Das kratzt an ihrer Souveränität. Mit Mobbing wird häufig verbunden, dass es nur schwachen Leuten passiert – obwohl das nicht stimmt.“

Besonders schwierig: Wenn der Chef gemobbt wird, leidet seine Souveränität womöglich auch bei jenen, die mit dem Mobbing nichts zu tun haben. Umso wichtiger ist es, die Ursachen von Staffing zu erkennen und rechtzeitig dagegen vorzugehen.

Wo beginnt Mobbing gegen den Chef?

Wenn ein Mitarbeiter im Streit mit seiner Chefin beispielsweise „Du spinnst, du Idiotin!“ brüllt, ist das natürlich daneben, aber kein Staffing als eine Ausprägung von Mobbing.

Von Mobbing spricht man grundsätzlich erst, wenn jemand einen anderen systematisch über einen längeren Zeitraum schikaniert, mit dem Plan, ihn zu schädigen. Das Ziel von Mobbing sei, „jemanden fertigzumachen oder aus einem Unternehmen zu drängen“, sagt Psychologe Mucha. Im Gegensatz zum Cheffing, das durchaus produktiv sein kann, hat Staffing ausschließlich negative Aspekte.

Mobbing – und damit eben auch Staffing – kann für die Opfer psychische und körperliche Auswirkungen haben. Ganz abgesehen davon, dass sich niemand in einem Umfeld wohlfühlt, in dem er ständiger Schikane ausgesetzt ist. „Nach einer Phase der Wut empfinden viele Betroffene Angst, die so groß werden kann, dass sie gar nicht mehr zur Arbeit kommen“, erklärt Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing. Diese Angst führe dazu, dass sich Menschen immer weiter zurückziehen und depressiv werden können. Das gilt für Angestellte genauso wie für den Chef, der gemobbt wird.

Leest betont: Wer gemobbt wird, ist weniger leistungsfähig, die Zahl der Krankheitstage steigt. Womöglich verlässt die Person irgendwann das Unternehmen, um dem Staffing zu entkommen.

Wie äußert sich Mobbing gegen Vorgesetzte?

Arbeitsverweigerung, falsche Terminabsprachen oder fiese Gerüchte verbreiten: Staffing hat viele Gesichter. Meist ist es weniger offensichtlich als Mobbing gegen Kollegen oder Bossing, also Schikane durch Vorgesetzte. Dass Mitarbeitende offen die Chefin oder den Chef mobben, kommt laut Uwe Leest selten vor. Das Schikanieren von Vorgesetzten könne sich beispielsweise eher darin äußern, dass Mitarbeitende der Führungskraft Informationen vorenthalten, sie bewusst nicht zu Terminen einladen oder im Kollegenkreis oder vor Kunden schlecht über sie reden.

Was sind deutliche Staffing-Beispiele?

Klaus Mucha hat 15 Jahre lang im betrieblichen Gesundheitsmanagement der Berliner Verwaltung gearbeitet und dort mehrere Fälle von Mobbing gegen Vorgesetzte beobachtet.

Von folgenden zwei Staffing-Beispielen berichtet Mucha: „In einem Fall haben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Arbeit verzögert, geradezu verweigert, und so die Ergebnisse ihrer Vorgesetzten sabotiert. Sie hatten immer irgendwelche Ausreden – das war pure Schikane.“

In einem anderen Fall konnte sich eine junge Führungskraft nicht gegen ältere Mitarbeitende durchsetzen. Sie erkannten die Autorität des Mannes nicht an und ignorierten seine Anweisungen. Letztlich erledigte er viele Aufgaben selbst, die er eigentlich delegieren wollte.

Anzeige
5 Tipps zur Steigerung des Verkaufspreises des Unternehmens
5 Tipps zur Steigerung des Verkaufspreises des Unternehmens
Die Suche nach einem Unternehmensnachfolger ist komplex. Ein spezialisierter Unternehmensberater agiert als Moderator und verhindert Fehler

Warum ist Staffing im Internet so brisant?

Mobbing durch Mitarbeiter erfolgt schon längst nicht mehr nur im Büro, sondern auch online. So kommt es laut Leest immer wieder vor, dass Beschäftigte in Foren oder Chat-Gruppen über ihre Chefs lästern, Videoaufnahmen oder gefakte Bilder verbreiten – mit dem Ziel, andere auf ihre Seite zu ziehen und die Vorgesetzten fertigzumachen. In sozialen Netzwerken hätten Angestellte sogar Fake-Profile ihres Chefs angelegt und mit entsprechenden Posts versucht, seinen Ruf zu schädigen. Die Crux bei Cybermobbing: Täter bleiben hier weitgehend unerkannt und Gerüchte und Verleumdungen verbreiten sich schnell.

Welche Ursachen hat Staffing?

Warum Mitarbeiter ihren Chef mobben, ist von Fall zu Fall verschieden. Folgende Ursachen stecken besonders häufig hinter Mobbing gegenüber Vorgesetzten:

  • Neid: Wer eine steile Karriere hinlegt, weckt manchmal Neid bei jenen, die leer ausgegangen sind. Auch wenn junge Führungskräfte neu in ein Unternehmen kommen und plötzlich ein Team von älteren, erfahrenen Kollegen leiten, könne es laut den Experten vorkommen, dass die Älteren den Neuling nicht ernst nehmen und entsprechend behandeln.
  • Schnelle Veränderungen: Wenn Unternehmer neue Führungskräfte einstellen, die beispielsweise in ihrem Team alte Strukturen über den Haufen werfen, kann auch das zu Konflikten führen. Möglicherweise fühlen alt eingesessene Mitarbeitende sich überrumpelt und rebellieren mit Staffing gegen den neuen Chef.
  • Unklare Zuständigkeiten: „Wenn keiner genau weiß, was er oder sie darf, Konkurrenzen entstehen und man sich wichtiger nimmt als andere, ist das oft eine Quelle von Mobbing“, sagt Mucha.
  • Schlechtes Betriebsklima: In Unternehmen, in denen das Betriebsklima schlecht und die Arbeitsfreude gering ist, ist es Mucha zufolge wahrscheinlicher, dass Mitarbeiter den Chef mobben – denn letztlich seien diese für klare Zuständigkeiten und Arbeitsabläufe verantwortlich. „Mobbing kann ein Zeichen dafür sein, dass der Chef oder die Chefin die Organisationsstrukturen der Firma verbessern muss“, so der Experte.
  • Schlechte Führungsarbeit: „Es kann sein, dass Staffing ein Zeichen von schlechter Führung ist“, sagt Mucha. Daher sei es wichtig, sich als Chefin oder Chef zu hinterfragen: Behandle ich meine Mitarbeitenden ungerecht? Kontrolliere ich zu viel? In welchem Ton spreche ich mit ihnen und werde ich manchmal ausfällig?
  • Provokatives Verhalten des Chefs: Wer als Führungskraft alle rumkommandiert oder herablassend mit seinen Mitarbeitenden spricht, kann zur Zielscheibe von Mobbing werden. Nach Muchas Erfahrung gibt es bei Staffing häufig keine reinen Opfer, weil sich Vorgesetzte und Mitarbeiter gegenseitig schikanieren. „Oft fliegen die Fetzen in beide Richtungen“, sagt Mucha.

Staffing im Unternehmen – was kann ich tun?

Ob Unternehmer selbst unter Staffing leiden oder ihre Team- oder Abteilungsleiter von Mobbing betroffen sind: Sie sollten auf keinen Fall die Augen davor verschließen – denn je länger man das Problem ignoriert, desto schlimmer wird es.

Auch, wenn Betroffenen vor lauter Wut womöglich danach ist, mit den gleichen Waffen zurückzuschießen: Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing warnt vor einer „Gewaltspirale“, die ausgelöst werde, wenn Vorgesetzte ihrerseits mit Gerüchten oder Beleidigungen reagieren. Stattdessen können folgende Maßnahmen helfen:

1.    Das Gespräch mit dem mobbenden Mitarbeiter suchen

Wichtig ist es, dem Täter klarzumachen, dass man sein Verhalten nicht duldet und bei einer Wiederholung arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen. Mucha: „Als Führungskraft müssen Sie klare Grenzen setzen und bei grenzüberschreitenden Handlungen oder Beleidigungen sagen: ‚Dieses Verhalten wollen wir hier nicht.‘“

Leest empfiehlt, sich gut auf das Gespräch vorzubereiten und konkrete Belege für das Staffing zur Hand zu haben. Es sei auch ratsam, das Gespräch nicht unter vier Augen zu führen, sondern mindestens eine Vertrauensperson hinzuzuziehen, etwa aus der Personalabteilung.

Sie wollen solche Konfliktgespräche souveräner führen? impulse-Mitglieder können einen kostenlosen Spickzettel herunterladen, der dabei hilft: Spickzettel für Konfliktgespräche: 44 Fragen, mit denen Sie Konflikte lösen

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaft - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

2.    Wiederholtes Mobbing bestrafen

Ändert der Mitarbeiter sein Verhalten nicht, sollten Chefs Taten folgen lassen. Bei wiederholtem Mobbing gegen die Führungskraft können Unternehmer dem Täter zunächst eine Ermahnung aussprechen. Staffing kann aber auch direkt ein Grund für eine Abmahnung sein. Mobbt der Mitarbeiter den Chef unbeirrt weiter, sollten Arbeitgeber ihm verhaltensbedingt kündigen.

Mucha empfiehlt zudem, ein Ereignis-Tagebuch zu führen: „Darin können gemobbte Vorgesetzte beschreiben, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit was passiert ist.“ Klagt ein mobbender Mitarbeiter gegen seine Kündigung, kann solch ein Tagebuch vor Gericht helfen: „Die Mobbing-Dokumentation in Form eines Tagebuchs gilt vor Gericht zusammen mit dem Nachweis gleichzeitiger Erkrankungen und der eidesstattlichen Versicherung, die Wahrheit zu sagen, quasi als Zeugenersatz“, sagt Mucha.

In Bezug auf das Arbeitsrecht gilt: Schwere Fälle von Staffing sind unter Umständen strafbar. Gerichte können Täter wegen Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede belangen (§ 185 – 187 Strafgesetzbuch) sowie ein Schmerzensgeld oder Schadensersatz verhängen (§ 823 Abs. 1 BGB).

3.    Mit Vertrauenspersonen sprechen

Chefinnen und Chefs, die Mobbing durch Mitarbeiter erleben, sollten nicht nur mit den Tätern über deren Verhalten sprechen, sondern sich auch der Familie oder Freunden anvertrauen. Wer das Schikanieren des Teams schweigend erträgt, mache es laut Leest nur schlimmer. Sein Verein bietet anonym Hilfe und Beratung für Betroffene. In besonders schwerwiegenden Fällen sollten sich Betroffene Hilfe bei einem Psychologen suchen.

4.    Professionelle Hilfe holen

Staffing kann ein Anzeichen dafür sein, dass die Regeln der Zusammenarbeit nicht klar sind oder nicht eingehalten werden. Hier kann zum Beispiel ein Workshop mit einem Coach helfen. „Dabei sollte man mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gemeinsam über Kommunikation und Zusammenarbeit sprechen – quasi eine Grundschulung für gute Zusammenarbeit“, sagt Mucha. Seiner Erfahrung nach sträuben sich manche Beschäftigte zunächst gegen solche Maßnahmen, eben weil der Chef sie anordnet. „Meistens tauen Teilnehmende aber nach einer Weile auf und letztlich profitieren alle von solchen Workshops.“

Auch wenn Staffing selten vorkommt, sollte es ernstgenommen, offen angesprochen und systematisch bekämpft werden.

Die Experten
Uwe Leest ist Vorstandsvorsitzender des Bündnis gegen Cybermobbing. Der Verein leistet Aufklärungs- und Präventionsarbeit zum Thema Mobbing, unter anderem an Schulen.
Klaus Mucha ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut und arbeitete jahrelang als Leiter der Anlaufstelle für Konfliktmanagement in der Berliner Verwaltung. Er beriet dabei Betroffene von Mobbing auf unterschiedlichen Hierarchieebenen und schrieb 2012 ein Buch über Mobbing bei der Polizei.

Mehr lesen über