Naikan-Methode
Hat’s gekracht? Wie Sie Konflikte lösen mit 3 Fragen

Mit der Naikan-Methode können Sie Teamkonflikte nachhaltig lösen. Dazu müssen Sie nur drei Fragen stellen. So setzen Sie die Technik in Ihrem Team Schritt für Schritt ein.

4. September 2024, 10:15 Uhr, von Jelena Altmann, leitende Redakteurin

Illustration einer Bombe
Damit ein Teamkonflikt nicht eskaliert, können Führungskräfte die Naikan-Methode einsetzen.
© Marie Maerz / photocase.de

Teamkonflikte sind im Arbeitsalltag unvermeidbar: Mitarbeitende streiten über Kleinigkeiten, sticheln sich gegenseitig in Meetings oder wettern gegen Kollegen. Helfen kann die Naikan-Methode. Mit ihr lassen sich Konflikte mit drei Fragen lösen – und jeder kann sie anwenden. „Naikan ist relativ unkompliziert und sehr wirksam“, erklärt Dieter Rösner, Coach und Experte für agiles Arbeiten. Er arbeitet seit zehn Jahren mit der Methode.

Was ist die Naikan-Methode?

Eigentlich handelt es sich bei Naikan um eine Meditationsform aus Japan. Sie dient dazu, sich in schwierigen Situationen selbst zu reflektieren, eigene Handlungsmuster und Glaubenssätze zu erkennen und zu hinterfragen. Im Zentrum der Methode stehen immer drei Fragen, mit denen man sich intensiv beschäftigt:

  1. Was habe ich gegeben?
  2. Was habe ich bekommen?
  3. Welche Schwierigkeiten habe ich gemacht?

Naikan lässt sich aber auch in Teams anwenden, sowohl bei zwei Leuten als auch bei großen Gruppen mit bis zu zwanzig Teammitgliedern. Je nach Gruppengröße können Konflikte im Team mit Naikan in drei Stunden bis anderthalb Tagen gelöst sein.

Dafür braucht es nicht zwingend einen Coach oder Mediator. Führungskräfte können die Moderation übernehmen, erklärt Rösner. „Wichtig ist, dass die Mitarbeiter der Person in hohem Maße vertrauen.“

Konflikte lösen mit 3 Fragen – so funktioniert‘s

Coach Dieter Rösner empfiehlt, die Naikan-Methode in sechs Schritten umzusetzen.

Schritt 1 der Naikan-Methode: Aufgabe stellen

Das Team kommt in einem Raum zusammen. Der Moderator stellt die Naikan-Methode vor und lässt das Team auf die Biografie des Teamkonflikts zurückblicken: Wie ist der Streit entstanden und wie hat er sich entwickelt? Dies tut jeder still für sich.

Anschließend stellt der Moderator die Aufgabe. Jede Person soll für sich diese drei typischen Naikan-Fragen beantworten:

  1. Was habe ich von meinem Team bekommen? Mit dieser Frage soll sich jede Person vergegenwärtigen, wann ihr das Team geholfen hat, inwiefern die Zusammenarbeit bereichernd war und was sie ohne Team nicht oder nicht so gut erreicht hätte.
  2. Was habe ich meinem Team gegeben? In der zweiten Frage geht es darum, sich bewusst zu machen, wie man sich selbst im Team eingebracht oder was die eigene Arbeit bewirkt hat. Zum Beispiel, wenn man Teammitgliedern Arbeit abgenommen oder Verantwortung für bestimmte Aufgaben übernommen hat.
  3. Welche Schwierigkeiten habe ich meinem Team gemacht? Bei dieser Frage muss sich jeder selbstkritisch beleuchten: Wen oder was habe ich behindert, wann war ich ungerecht, wo habe ich andere bei der Arbeit gestört, wo habe ich mich nicht teamgemäß verhalten? Zum Beispiel durch Unpünktlichkeit, durch harsche Kritik oder durch emotionale Ausbrüche.

Ziel der Übung: „Die Fragen helfen, den Blick auf sich selbst zu richten und Schuldzuweisungen zu minimieren“, erklärt Rösner. Eine wichtige Voraussetzung, um Teamkonflikte zu lösen. Deshalb sollten die Fragen genau in diesem Wortlaut gestellt und nicht umformuliert werden.

Schritt 2 der Naikan-Methode: Fragen beantworten

Nun zieht sich die Mitarbeitenden einzeln an einen stillen Platz zurück und beschäftigen sich 30 Minuten lang mit den drei Fragen. Die Antworten werden idealerweise auf einem Flipchartblatt notiert, weil diese später den anderen vorgestellt werden sollen.

Wichtige Regel in diesem Schritt: Die Moderation muss darauf achten, dass sich alle wirklich allein mit den Fragen beschäftigen, auf dem Platz sitzen bleiben und sich nicht mit anderen austauschen.

Ziel der Übung: Die Mitarbeitenden sollen sich zuerst selbst reflektieren. „In den Fragen steckt eine enorme Dynamik“, sagt Rösner. „Meistens schreiben die Leute sehr viel, obwohl sie sich das am Anfang nicht vorstellen konnten.“

Schritt 3 der Naikan-Methode: Feedback geben

Achtung: Für diesen Schritt bitte viel Zeit einplanen, denn es findet nun ein strukturierter Austausch statt. Nach der Stillarbeit treffen sich immer nur zwei Teammitglieder, bei größeren Gruppen drei, tragen den jeweils anderen die Antworten auf die drei Naikan-Fragen vor und geben sich gegenseitig Feedback. Die Kollegen gleichen ihre Selbst- und Fremdwahrnehmungen ab und ergänzen Beobachtungen, die andere möglicherweise übersehen haben.

Diese Runde dauert so lange, bis jeder mit jedem gesprochen hat. „Wichtig hierbei ist, dass die allgemeinen Feedback-Regeln beachtet werden“, sagt Rösner. Zum Beispiel können sich die Teammitglieder am 3W-Feedback orientieren. Der Zeitrahmen für die Gespräche liegt bei zwanzig bis dreißig Minuten.

Bei kleinen Teams mit bis zu sechs Mitarbeitenden kann der Austausch auch in der Gesamtgruppe erfolgen.

Ziel der Übung: Die Mitarbeitenden lernen mithilfe der Naikan-Methode, wie sie von anderen wahrgenommen werden, und sollen Verständnis für das Verhalten des anderen entwickeln.

Schritt 4 der Naikan-Methode: Eindrücke teilen

Nach dem Austausch kommen alle Teammitglieder wieder in einem Raum zusammen, um kurz über ihre Eindrücke und Erfahrungen mit sich selbst und der Naikan-Methode zu sprechen. Jeder sollte nicht länger als fünf Minuten sprechen.

Ziel der Übung: „Er ist sehr wichtig, dass jeder seine Gefühle loswerden kann, die nicht auf den Teamkonflikt bezogen sind“, sagt Rösner. Seiner Erfahrung nach sprechen die Teilnehmenden oft über ihre Ängste vor negativen Reaktionen der Kollegen, sind aber auch stolz auf ihren Mut zur Offenheit.

Schritt 5 der Naikan-Methode: Veränderungen anstoßen

Im vorletzten Schritt zieht sich jeder noch einmal allein für zwanzig Minuten zurück mit den folgenden drei Aufgaben:

  1. Sich ein paar Minuten Zeit nehmen, um die positiven Momente mit dem Team in Gedanken anzunehmen und zu würdigen
  2. Aufschreiben, was sich bei einem selbst geändert hat
  3. Notieren, was derjenige künftig ändern will, zum Beispiel: pünktlicher sein, Kritik nicht persönlich nehmen, öfter mal Nein sagen, Kollegen ausreden lassen.

Ziel der Übung: Die Teilnehmenden sollen in die Zukunft blicken und die persönlichen Entwicklungsvorhaben festlegen.

Schritt 6 der Naikan-Methode: Vereinbarungen treffen

In der letzten Runde wird gemeinsam an Veränderungen gearbeitet. Alle Teilnehmer kommen zusammen, um ihre aufgeschriebenen Antworten vorzutragen und um zu erklären, was sie künftig verändern wollen, um Teamkonflikte zu vermeiden.

Ziel der Übung: Verbindlichkeit erzeugen. Wer seine Vorsätze in der Gemeinschaft transparent macht, fühlt sich eher verpflichtet, diese auch umzusetzen.

„Es ist auch okay, wenn jemand nicht komplett alle Wünsche der anderen erfüllen kann“, sagt Coach Rösner. Zum Beispiel kann der chaotisch-unzuverlässige Teamkollege die anderen bitten, hin und wieder nachsichtig mit ihm zu sein. Ein weiterer Zweck der letzten Runde: Die Mitarbeitenden üben ein, die Unterschiedlichkeit ihrer Kollegen und Kolleginnen anzunehmen und als Bereicherung anzuerkennen.

Eignet sich die Naikan-Methode bei jedem Teamkonflikt?

„Es gibt keine Methode, die alle Probleme lösen kann“, schränkt Rösner ein. Die Naikan-Methode wirkt nur dann, wenn der Konflikt noch nicht völlig eskaliert ist, wenn die Kontrahenten also noch in der Lage sind, miteinander zu reden und sich zuzuhören – und nicht nur verbale Angriffe abwehren.

In sehr komplexen Fällen sind weitere Coachings notwendig. Bei einem weniger schweren Teamkonflikt ist die Naikan-Methode aber eine einfache Technik, um den Konflikt mit drei Fragen zu lösen und den Grundstein für eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen.

Zur Person
Dieter Rösner arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Trainer, Coach und Unternehmensberater. Der Experte aus Feucht bei Nürnberg hat sich unter anderem auf agiles Arbeiten, Teamentwicklung und Konfliktlösung spezialisiert.

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