Leere nach Erfolgen
Alles erreicht und trotzdem unglücklich – kennen Sie dieses Gefühl?

Statt einen hart erarbeiteten Erfolg zu feiern, macht sich innere Leere breit? Ein Humanbiologe und Coach erklärt im Interview, warum das Denkmuster dahinter typisch menschlich ist und wie Sie es durchbrechen.

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Leere nach Erfolgen
© Juan Moyano / Moment RF / Getty Images

impulse: Viele Menschen haben das schon einmal erlebt: Man hat ein schwieriges Projekt abgeschlossen, an dem man lange gearbeitet hat. Aber anstatt sich zu freuen, fällt man in ein Loch. Warum passiert das?
Daniel Holzinger: Wir haben oft überzogene Erwartungen daran, wie glücklich uns etwas machen wird. Wenn Sie monatelang an etwas gearbeitet haben, fühlen Sie sich danach vermutlich erst einmal erschöpft. Vielleicht sind Sie auch erleichtert, dass Sie es geschafft haben. Aber das überwältigende Glücksgefühl, das Sie sich im Vorfeld ausgemalt haben, stellt sich nicht ein.

Meine Erwartung war doch erst einmal, das Projekt erfolgreich abzuschließen.
Das Verrückte an Erwartungen ist: Wenn sie nicht erfüllt werden, sind wir enttäuscht. Wenn sie übertroffen werden, dann freuen wir uns. Aber wenn unsere Erwartungen erfüllt werden, wenn Sie also genau das erreichen, was Sie angestrebt haben: Dann freuen Sie sich nicht dauerhaft.

Es macht einen also nicht glücklich, seine Ziele zu erreichen?
Zumindest ist es keine Garantie. Ich hatte mal einen Klienten, der sich am Ende seines Berufslebens ein großes Wohnmobil gekauft hat. Er dachte, dass ihn das erfüllen würde. Doch dann saß er in diesem Wohnmobil und war depressiv. Er konnte einfach nicht verstehen, warum ihn die Erfüllung seines Lebenstraums nicht glücklich machte. Und das machte ihn noch unglücklicher.

Der Experte
Daniel Holzinger ist promovierter Humanbiologe und arbeitet seit vielen Jahren als Business-Coach. Zu seinen Kunden zählen auch erfolgreiche Leistungssportler, etwa der ehemalige Fußball-Profi Thomas Hitzlsperger.

Was haben Sie ihm geraten?
Ich habe ihn gefragt, ob es an dem Wohnmobil etwas auszusetzen gab. Er hatte es wochenlang konfiguriert, alles selbst ausgesucht, mit seinem eigenen Geld bezahlt. Alles war genau so, wie er es sich erträumt hatte. Also sagte ich zu ihm: Dann hast du auch keinen Grund, dich zu freuen. Wenn wir bekommen, was wir wollten, freuen wir uns nicht. Ich habe versucht, ihm zu dieser Einsicht zu verhelfen und ihm zu zeigen, wie gut es ihm eigentlich geht. Nach ein paar Sitzungen hatte er verstanden, in welche Falle er getappt war.

Wenn ich erst einmal mein Ziel erreicht habe, werde ich glücklich – das ist also ein Irrglaube. Wie verhindere ich, in diese Falle zu tappen?
Der erste Schritt ist, das Phänomen zu verstehen. Sie machen sich von äußeren Umständen abhängig und glauben, dass es Ihnen gut gehen wird, wenn Sie etwas Bestimmtes geschafft haben. Aber wenn Sie dieses Ziel erreichen, merken Sie, dass es Sie nicht zwangsläufig erfüllt. Wo liegt also Ihr Problem? Haben Ihre negativen Gefühle mit dem Ziel zu tun, das Sie erreicht haben? Oder mit Ihrem Denken und Ihren eigenen Erwartungen?

Man steht sich mit seinen Erwartungen selbst im Weg?
Genau. Ich kenne das selbst. Wir haben unsere Hochzeitsreise in Australien verbracht. Vorher hatte ich viele Reiseführer studiert, verschiedene Routen geplant und mir ein sehr genaues Bild von diesem Land gemacht. Und wissen Sie, wie ich mich dort gefühlt habe? Ernüchtert. Aber nicht Australien hat mich getäuscht, sondern meine Vorstellung davon.

Besser wäre es, gar keine Erwartungen zu haben?
Das ist meine Lehre daraus, ja. Ich versuche, mir vorher kein Bild zu machen, dann kann ich mich überraschen lassen. Das ist nicht die ultimative Lösung. Aber es hilft, sich das immer wieder vor Augen zu führen. Egal, ob Sie Ihr Jahresziel erreichen, ein Haus bauen oder einen teuren Urlaub buchen – Sie haben immer bestimmte Erwartungen daran. Und häufig werden Sie enttäuscht. Aber nicht vom Haus, dem Urlaub oder dem erreichten Erfolg, sondern von sich selbst. Kognitive Dissonanz nennt man das in der Fachsprache.

Es ist das eine, sich dieses Phänomen bewusst zu machen. Aber wie kommt man raus aus diesem Denkmuster?
Eine meditative Sicht auf die Welt hilft. Die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. Mein Lehrer hat einmal zu mir gesagt, die größte Macht im Leben ist, Nein zu sagen. Etwas nicht zu tun, nicht zu wollen, auf etwas zu verzichten. Und sich von der verrückten Forderung freizumachen, ständig glücklich sein zu wollen.

Wie bitte? Ist es nicht menschlich, nach dem Glück zu streben?
Es steckt in uns Menschen, dass wir von nichts genug bekommen können. Aber wenn man alles erreicht hat und sich dann auch noch darüber ärgert, weil sich das erhoffte Glücksgefühl nicht einstellt – das ist absurd. Ich glaube, dass ein gutes und zufriedenes Leben nicht unbedingt ein glückliches Leben sein muss.

Und wie sähe so ein gutes und zufriedenes Leben dann aus?
Mein Ratschlag wäre, emotional und intellektuell zu reifen und sich zu fragen: Bin ich kindisch, brauche ich dieses ständige Glücksgefühl? Oder kann ich erkennen, dass in meinem Leben eigentlich alles in bester Ordnung ist, und das dann gutheißen? Mit der Zeit wird Ihnen bewusst werden, dass das Gefühl von Zufriedenheit und Erfüllung nicht von äußeren Umständen abhängt, sondern von unserer Denkweise.

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impulse: Viele Menschen haben das schon einmal erlebt: Man hat ein schwieriges Projekt abgeschlossen, an dem man lange gearbeitet hat. Aber anstatt sich zu freuen, fällt man in ein Loch. Warum passiert das? Daniel Holzinger: Wir haben oft überzogene Erwartungen daran, wie glücklich uns etwas machen wird. Wenn Sie monatelang an etwas gearbeitet haben, fühlen Sie sich danach vermutlich erst einmal erschöpft. Vielleicht sind Sie auch erleichtert, dass Sie es geschafft haben. Aber das überwältigende Glücksgefühl, das Sie sich im Vorfeld ausgemalt haben, stellt sich nicht ein. Meine Erwartung war doch erst einmal, das Projekt erfolgreich abzuschließen. Das Verrückte an Erwartungen ist: Wenn sie nicht erfüllt werden, sind wir enttäuscht. Wenn sie übertroffen werden, dann freuen wir uns. Aber wenn unsere Erwartungen erfüllt werden, wenn Sie also genau das erreichen, was Sie angestrebt haben: Dann freuen Sie sich nicht dauerhaft. Es macht einen also nicht glücklich, seine Ziele zu erreichen? Zumindest ist es keine Garantie. Ich hatte mal einen Klienten, der sich am Ende seines Berufslebens ein großes Wohnmobil gekauft hat. Er dachte, dass ihn das erfüllen würde. Doch dann saß er in diesem Wohnmobil und war depressiv. Er konnte einfach nicht verstehen, warum ihn die Erfüllung seines Lebenstraums nicht glücklich machte. Und das machte ihn noch unglücklicher. [zur-person] Was haben Sie ihm geraten? Ich habe ihn gefragt, ob es an dem Wohnmobil etwas auszusetzen gab. Er hatte es wochenlang konfiguriert, alles selbst ausgesucht, mit seinem eigenen Geld bezahlt. Alles war genau so, wie er es sich erträumt hatte. Also sagte ich zu ihm: Dann hast du auch keinen Grund, dich zu freuen. Wenn wir bekommen, was wir wollten, freuen wir uns nicht. Ich habe versucht, ihm zu dieser Einsicht zu verhelfen und ihm zu zeigen, wie gut es ihm eigentlich geht. Nach ein paar Sitzungen hatte er verstanden, in welche Falle er getappt war. Wenn ich erst einmal mein Ziel erreicht habe, werde ich glücklich – das ist also ein Irrglaube. Wie verhindere ich, in diese Falle zu tappen? Der erste Schritt ist, das Phänomen zu verstehen. Sie machen sich von äußeren Umständen abhängig und glauben, dass es Ihnen gut gehen wird, wenn Sie etwas Bestimmtes geschafft haben. Aber wenn Sie dieses Ziel erreichen, merken Sie, dass es Sie nicht zwangsläufig erfüllt. Wo liegt also Ihr Problem? Haben Ihre negativen Gefühle mit dem Ziel zu tun, das Sie erreicht haben? Oder mit Ihrem Denken und Ihren eigenen Erwartungen? Man steht sich mit seinen Erwartungen selbst im Weg? Genau. Ich kenne das selbst. Wir haben unsere Hochzeitsreise in Australien verbracht. Vorher hatte ich viele Reiseführer studiert, verschiedene Routen geplant und mir ein sehr genaues Bild von diesem Land gemacht. Und wissen Sie, wie ich mich dort gefühlt habe? Ernüchtert. Aber nicht Australien hat mich getäuscht, sondern meine Vorstellung davon. Besser wäre es, gar keine Erwartungen zu haben? Das ist meine Lehre daraus, ja. Ich versuche, mir vorher kein Bild zu machen, dann kann ich mich überraschen lassen. Das ist nicht die ultimative Lösung. Aber es hilft, sich das immer wieder vor Augen zu führen. Egal, ob Sie Ihr Jahresziel erreichen, ein Haus bauen oder einen teuren Urlaub buchen – Sie haben immer bestimmte Erwartungen daran. Und häufig werden Sie enttäuscht. Aber nicht vom Haus, dem Urlaub oder dem erreichten Erfolg, sondern von sich selbst. Kognitive Dissonanz nennt man das in der Fachsprache. [mehr-zum-thema] Es ist das eine, sich dieses Phänomen bewusst zu machen. Aber wie kommt man raus aus diesem Denkmuster? Eine meditative Sicht auf die Welt hilft. Die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. Mein Lehrer hat einmal zu mir gesagt, die größte Macht im Leben ist, Nein zu sagen. Etwas nicht zu tun, nicht zu wollen, auf etwas zu verzichten. Und sich von der verrückten Forderung freizumachen, ständig glücklich sein zu wollen. Wie bitte? Ist es nicht menschlich, nach dem Glück zu streben? Es steckt in uns Menschen, dass wir von nichts genug bekommen können. Aber wenn man alles erreicht hat und sich dann auch noch darüber ärgert, weil sich das erhoffte Glücksgefühl nicht einstellt – das ist absurd. Ich glaube, dass ein gutes und zufriedenes Leben nicht unbedingt ein glückliches Leben sein muss. Und wie sähe so ein gutes und zufriedenes Leben dann aus? Mein Ratschlag wäre, emotional und intellektuell zu reifen und sich zu fragen: Bin ich kindisch, brauche ich dieses ständige Glücksgefühl? Oder kann ich erkennen, dass in meinem Leben eigentlich alles in bester Ordnung ist, und das dann gutheißen? Mit der Zeit wird Ihnen bewusst werden, dass das Gefühl von Zufriedenheit und Erfüllung nicht von äußeren Umständen abhängt, sondern von unserer Denkweise.
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