Weglassen üben
Wie Sie souveräner loslassen – und Unsicherheit als Ressource nutzen

Ein Blick auf die eigene Persönlichkeit hilft, Ballast abzuwerfen und erfolgreicher zu sein. Dieses Weglassen kann man üben, meint Thomas Schöller, Psychologe und systemischer Organisationsberater.

Aktualisiert am 13. November 2024, 14:47 Uhr, von Kathrin Halfwassen, Redakteurin

Knoten aus bunten Schnüren auf giftgrünem Hintergrund.
Sich im Weglassen zu üben und von Routinen zu lösen, fühlt sich nach Kontrollverlust an – macht das Leben aber leichter.
© Marie Hickman / Stone / Getty Images

impulse: Herr Schöller, warum fällt es Menschen so schwer, etwas wegzulassen?
Thomas Schöller: Das hat viel mit der menschlichen Psyche zu tun. Wir wollen laufend besser werden, uns weiterentwickeln. Weiterentwicklung verbinden wir immer mit dem Aufbau von neuem Wissen und neuen Fähigkeiten. Damit, Neues zu erlernen. Bei Erwachsenen geht es aber meist um ein Umlernen, besser noch Verlernen.

Das bedeutet auch, Altes loszulassen. Was vielen schwerfällt, weil es ein Kontrollverlust ist, Routinen gefährdet werden und alte Überzeugungen infrage gestellt ­werden müssen. Hinzu kommt das Gefühl, in der Vergangenheit etwas falsch gemacht zu haben.

Und: Es ist auch eine Frage der persönlichen Grund­orientierung, wie gut jemand loslassen kann.

Inwiefern?
Wenn bei Ihnen etwa die Persönlichkeitsmerkmale „Ordnung“ und „Struktur“ stark ausgeprägt sind, werden Sie sich schwerer damit tun als ein offener, veränderungsliebender und visionärer Mensch. Diese Person wird dann aber andere Herausforderungen haben – etwa weil sie möglicherweise den Drang hat, ihr Unternehmen jeden Tag neu zu erfinden, und damit die Angestellten überfordert. Sie sollten überlegen: Wie kann ich das Fehlende aufbauen? Oder aber – was meist einfacher ist –, sich gute Leute ins Boot holen, die das, was Sie nicht haben, gut abdecken.

Und wenn beide Merkmale gleichermaßen stark ausgeprägt sind?
Dann werden Sie starke innere Konflikte bemerken, zwischen dem Wunsch, Altes beizubehalten, und dem, neue Pfade zu suchen. Das muss kein Problem sein – Sie müssen es nur wieder reflektieren und lernen, auf diesem Spannungsbogen souverän zu schwingen. Also zu überlegen: Von welcher Eigenschaft braucht es gerade mehr?

Inwieweit fällt Unternehmerinnen und Unternehmern Weglassen besonders schwer?
Die Fähigkeit zum Loslassen hängt viel mit Glaubenssätzen zusammen: Sie sind ja die Basis dafür, welche Entscheidungen wir treffen und wie wir im Alltag agieren. Als Coach begegnen mir bei Unternehmerinnen und Unternehmern häufig Glaubenssätze,wie: „Ich muss immer Neues lernen, um noch effizienter zu werden“; „Wenn ich nicht alles selber im Blick habe, geht das Unternehmen den Bach runter“; „Ich darf keine Fehler machen“; „Nur wenn ich Top-Leistungen bringe, werde ich geliebt“. Solche Glaubenssätze erschweren Loslassen enorm – auf vielen Ebenen.

Wie genau?
Effizienz ist ein gutes Ziel in einer komplizierten Welt, in der Dinge vielleicht vielfältig sind und Maschinen aufwendig konstruiert, sich mit fach­licher Expertise Zusammenhänge und Entwicklungen aber gut berechnen und Probleme lösen lassen. Heute ist die Welt aber nicht kompliziert, sondern komplex: Markt und Kundenbedürfnisse entwickeln sich immer schneller, es gibt nur noch selten richtig oder falsch, Dinge, die sich widersprechen, können alle richtig und wichtig sein.


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