Interventionsgespräch
Wie Sie Mitarbeiter mit Alkoholproblemen ansprechen sollten – und wie nicht

Alkohol am Arbeitsplatz: Ein heikles Thema – auch, weil Chefs oft nicht wissen, wie sie es ansprechen sollen. Ein Experte erklärt, wie’s geht. Und warum es sich lohnt, früh aktiv zu werden.

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Trinkt ihr Mitarbeiter heimlich, wird es Zeit für ein Interventionsgespräch.
Trinkt ihr Mitarbeiter heimlich, wird es Zeit für ein Interventionsgespräch.
© Steve Outram / Photographer's Choice RF / Photocase

Acht Millionen Menschen in Deutschland trinken so viel Alkohol, dass ihr Konsum als riskant gilt. Ein Fact-Sheet der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen versammelt schockierende Zahlen zum Thema Alkohol am Arbeitsplatz. Das schadet nicht nur den Betroffenen selbst, indem es die Lebensqualität und -erwartung reduziert, wie eine aktuelle Meta-Analyse gezeigt hat. Auch für Arbeitgeber hat es drastische Folgen, wenn Angestellte zu viel Alkohol trinken. Es kann zu Arbeitsunfällen kommen und die Zahl ihrer Fehltage ist durch den Konsum deutlich erhöht: Je nach Studie liegt sie bis zu fünf Mal über jener Zeit, die Menschen ohne Alkoholproblem der Arbeit fernbleiben.

Es ist für Arbeitgeber also nicht nur eine Frage der Fürsorge, Arbeitnehmer darauf anzusprechen, wenn sie Anzeichen eines problematischen Alkoholkonsums zeigen. Sondern auch wichtig, um langfristig die Produktivität zu sichern. Doch wie gelingt solch ein Gespräch? Und was bringt das? Peter Raiser von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen weiß Antworten.

impulse: Herr Raiser, wie wahrscheinlich ist es, dass Unternehmer einen Mitarbeiter mit Alkoholproblemen in der Belegschaft haben?

Peter Raiser: Laut Schätzung erfüllt von 20 Mitarbeitern im Schnitt einer die Kriterien klinischer Alkoholabhängigkeit oder des Alkoholmissbrauchs.

Gibt es Branchen, die besonders betroffen sind?

Hier ist die Studienlage nicht zufriedenstellend. Was sich aber sagen lässt: Je höher das Stresslevel im Job, desto höher das Risiko einer Abhängigkeit. Denn Alkohol wird oft genutzt, um Stress – kurzfristig – zu kompensieren. Und: Männer sind in allen Altersgruppen statistisch betrachtet gefährdeter als Frauen.

Müssen Arbeitgeber rechtlich gesehen aktiv werden, wenn ein Mitarbeiter eine Fahne hat?

Zur Person
peter raiserDr. Peter Raiser ist stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Hauptststelle für Suchtfragen – und arbeitet als Referent für Grundsatzfragen unter anderem zum Thema „Alkohol am Arbeitsplatz“.

Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Diese greift beispielsweise, wenn jemand akut alkoholisiert ist und damit die Arbeitssicherheit gefährdet – etwa, weil er einen Gabelstapler fährt oder eine Maschine bedient. Komme ich zu der Einschätzung, dass ich die betroffene Person nicht ohne Sicherheitsrisiko beschäftigen kann, muss ich als Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Mitarbeiter sicher bis nach Hause kommt. Unternehmer sollten aber früher aktiv werden, also sobald sich jemand auffällig verhält – schon im eigenen Interesse.

Wie meinen Sie das? Wenn jemand seine Arbeit trotzdem gut macht, könnte man als Chef ja auch sagen: „Das ist nicht mein Problem“…

Wir wissen heute, dass bereits ein problematischer Alkoholkonsum – also noch keine Abhängigkeit – ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen mit sich bringt, etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Mitarbeiter frühzeitig darauf anzusprechen, kann also helfen, die Produktivität zu sichern und später langen Erkrankungszeiten vorzubeugen. Und in Zeiten des Fachkräftemangels viele möglichst gesunde Mitarbeiter zu haben und zu halten.

Ok! Was sind denn typische Anzeichen, die auf ein Alkoholproblem hindeuten?

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Solche, die jeder aus seiner Alltagserfahrung kennt: eine Fahne, verwaschene Sprache, unsicherer Gang – all das deutet auf akuten Alkoholeinfluss hin.

Was, wenn ich als Chef nicht nah genug am Mitarbeiter bin, um solche Auffälligkeiten mitzubekommen?

Häufig weisen noch andere Anzeichen auf Alkoholprobleme hin: Mitarbeiter fehlen montags häufig – und haben immer wieder die gleiche unglaubwürdige Entschuldigung. Sie wirken eventuell weniger konzentriert, arbeiten qualitativ schlechter, sind leicht reizbar, verhalten sich unangemessen gegenüber Kollegen oder Kunden. So etwas kann natürlich mit allem Möglichen in Zusammenhang stehen – aber eben auch mit Alkohol. Deshalb sollten Unternehmer diesen Punkt immer im Kopf haben.

Wie kann ich denn abklären, ob jemand wirklich alkoholabhängig ist?

Gar nicht – denn es ist nicht die Aufgabe von Unternehmern, eine klinische Diagnose zu stellen.

Was ist dann ihre Aufgabe?

Arbeitgeber sollten sich für das Thema „problematischer Alkoholkonsum“ sensibilisieren, damit sie Auffälligkeiten bemerken. Diese sollten sie dokumentieren – und dann möglichst schnell das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen.

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Was ja aber für beide Seiten extrem unangenehm ist…

Sicher! Aber solche Gespräche werden ja nicht angenehmer, wenn ich sie als Chef hinausschiebe. Außerdem ist es auch wirtschaftlich sinnvoll, frühzeitig in die Kommunikation zu gehen. Denn das Ziel solcher Gespräche ist ja, Hilfe anzubieten und Mitarbeiter damit langfristig in die Lage zu versetzen, ihren Job gut ausüben zu können. Je früher das geschieht, desto besser lässt sich eine mögliche Erkrankung aufhalten oder bessern.

Wie bereite ich mich auf so ein Gespräch idealerweise vor?

Erstmal sollten sich Unternehmer klarmachen, welche Art Gespräch sie führen müssen. In einem Klärungsgespräch etwa geht es darum, festzustellen, wo genau das Problem liegt. Dafür ist es gut, wenn Arbeitgeber Vorfälle genau dokumentiert haben, anhand derer sie dem Mitarbeiter verdeutlichen können, warum offensichtlich etwas nicht stimmt. Das Ziel wäre dann, zu vermitteln, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen dürfen – und dass der Mitarbeiter deshalb sein Problem angehen sollte.

Welchen anderen Gesprächstyp gibt es noch?

Das Fürsorge-Gespräch. Dieses ist angebracht, wenn das Alkoholproblem bereits bekannt ist oder sehr offensichtlich. In so einem Gespräch geht es darum, Sorge zum Ausdruck zu bringen und aktiv Hilfe anzubieten. Deshalb empfiehlt es sich hier, im Vorfeld etwa Kontaktdaten und Websites von Beratungsstellen zu recherchieren oder Flyer zu besorgen, die Sie im Gespräch an den Mitarbeiter weitergeben können.

Was kann ich tun, wenn das Gegenüber alles abblockt?

Eine solche Reaktion ist wahrscheinlich! Schildern Sie die Vorfälle genau, erklären Sie, dass Dritte diese Geschehnisse bestätigt haben. Und machen Sie deutlich, dass Sie es nicht akzeptieren werden, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten weiter vernachlässigt und das Betriebsklima weiter stört. Formulieren Sie außerdem sachlich und deutlich die Erwartung, dass sich der Mitarbeiter Hilfe holt – damit sich die Vorfälle der Vergangenheit nicht wiederholen. Wichtig: Auch wenn das Gegenüber noch so ablehnend oder persönlich wird, alles abstreitet oder gar aggressiv argumentiert: Bleiben Sie konsequent auf der Sachebene. Also nie zurückblaffen, persönliche Enttäuschung zeigen oder gar Vorwürfe äußern.

Und wenn der Mitarbeiter uneinsichtig bleibt?

Dann ist das in dem Moment sein gutes Recht. Wichtig ist, was der Mitarbeiter danach tut. Ändert er sein Verhalten und fällt nicht mehr negativ auf, sollten Sie nach etwa vier bis sechs Wochen ein sogenanntes Rückmeldegespräch führen. Und erklären, dass die Sache damit für Sie erledigt ist.

Was aber, falls er weiterhin Mist baut?

Dann führen Sie ein weiteres Gespräch, in dem Sie ihn eindringlicher auffordern, sich Hilfe zu suchen. Eine gute Orientierung für den gesamten Interventions-Prozess bietet der so genannte Stufenplan für Suchtprobleme. Diesen haben große Konzerne als Leitlinie entwickelt, die den Umgang mit auffälligen Mitarbeitern regelt. Er eignet sich aber auch für kleinere Unternehmen. Der Plan erklärt fünf Stufen der Intervention – von Stufe zu Stufe wird es ernster.

Wann sollte ich als Arbeitgeber mit Kündigung drohen?

Das ist stets die allerletzte Möglichkeit einer Sanktion. Unternehmer sollten diese Karte nie ohne Not ziehen – und schon gar nicht in den Vier-Augen-Gesprächen zu Beginn des Stufenplans. Auch, weil es erfahrungsgemäß kontraproduktiv ist.

Was ist hilft stattdessen?

Dem Mitarbeiter klarzumachen, dass es Ihnen als Chef darum geht, Hilfestellung zu leisten und den Mitarbeiter langfristig zu halten. Wenn eine Abhängigkeit diagnostiziert ist, können Sie beispielsweise versichern, dass Sie seinen Platz in der Belegschaft freihalten, falls eine Therapie ansteht. Solche Unterstützung hilft Betroffenen, eine Behandlung erfolgreich abzuschließen – da ist die Studienlage eindeutig.

Aber wenn das Hilfsangebot nicht zieht, muss ich als Unternehmer doch irgendwann deutlich werden…

Ja sicher. Aber ehe Sie eine Kündigung androhen, sollte beispielsweise eine Abmahnung erfolgen – passiert das nicht, würden Unternehmer einen Kündigungsschutzprozess sehr wahrscheinlich verlieren. Auch hier hilft der Stufenplan: Er regelt genau, wann welche Sanktionen sinnvoll sind.

Welche Fehler machen Unternehmer außerdem typischerweise im Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz?

Mir begegnen immer noch Chefs, die das Problem verharmlosen nach dem Motto: „Ach, jeder trinkt doch mal einen über den Durst.“ Andere achten zu wenig darauf, die Umstände so zu gestalten, dass ein Gespräch weniger unangenehm wird.

Wie kann das gelingen?

Wählen Sie einen Raum, in dem Sie und der Mitarbeiter ungestört sind. Sprechen Sie das Thema nicht kurz vorm Wochenende oder dem Feierabend an. Planen Sie das Gespräch gut und bereiten Sie sich auf die ganze Palette möglicher Reaktionen vor. Achten Sie darauf, dass der Angesprochene nüchtern ist. Im Rückblick sind Betroffene häufig dankbar dafür, dass ihnen jemand den Ernst der Lage deutlich gemacht hat. Vielen öffnet eine Warnung des Chefs die Augen für die Situation, in der sie sich befinden. Arbeitgeber, die das Gespräch suchen, tun also etwas Gutes! Das als positiven Grundgedanken im Kopf zu haben, ist das Allerwichtigste.

Wenn ein Mitarbeiter alkoholbedingt länger erkrankt war, kann zum Wiedereinstieg ein so genanntes BEM-Gespräch nötig sein. Mehr dazu hier: BEM-Gespräch: Was Arbeitgeber wissen müssen

Acht Millionen Menschen in Deutschland trinken so viel Alkohol, dass ihr Konsum als riskant gilt. Ein Fact-Sheet der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen versammelt schockierende Zahlen zum Thema Alkohol am Arbeitsplatz. Das schadet nicht nur den Betroffenen selbst, indem es die Lebensqualität und -erwartung reduziert, wie eine aktuelle Meta-Analyse gezeigt hat. Auch für Arbeitgeber hat es drastische Folgen, wenn Angestellte zu viel Alkohol trinken. Es kann zu Arbeitsunfällen kommen und die Zahl ihrer Fehltage ist durch den Konsum deutlich erhöht: Je nach Studie liegt sie bis zu fünf Mal über jener Zeit, die Menschen ohne Alkoholproblem der Arbeit fernbleiben. Es ist für Arbeitgeber also nicht nur eine Frage der Fürsorge, Arbeitnehmer darauf anzusprechen, wenn sie Anzeichen eines problematischen Alkoholkonsums zeigen. Sondern auch wichtig, um langfristig die Produktivität zu sichern. Doch wie gelingt solch ein Gespräch? Und was bringt das? Peter Raiser von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen weiß Antworten. impulse: Herr Raiser, wie wahrscheinlich ist es, dass Unternehmer einen Mitarbeiter mit Alkoholproblemen in der Belegschaft haben? Peter Raiser: Laut Schätzung erfüllt von 20 Mitarbeitern im Schnitt einer die Kriterien klinischer Alkoholabhängigkeit oder des Alkoholmissbrauchs. Gibt es Branchen, die besonders betroffen sind? Hier ist die Studienlage nicht zufriedenstellend. Was sich aber sagen lässt: Je höher das Stresslevel im Job, desto höher das Risiko einer Abhängigkeit. Denn Alkohol wird oft genutzt, um Stress – kurzfristig – zu kompensieren. Und: Männer sind in allen Altersgruppen statistisch betrachtet gefährdeter als Frauen. Müssen Arbeitgeber rechtlich gesehen aktiv werden, wenn ein Mitarbeiter eine Fahne hat? Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Diese greift beispielsweise, wenn jemand akut alkoholisiert ist und damit die Arbeitssicherheit gefährdet – etwa, weil er einen Gabelstapler fährt oder eine Maschine bedient. Komme ich zu der Einschätzung, dass ich die betroffene Person nicht ohne Sicherheitsrisiko beschäftigen kann, muss ich als Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Mitarbeiter sicher bis nach Hause kommt. Unternehmer sollten aber früher aktiv werden, also sobald sich jemand auffällig verhält – schon im eigenen Interesse. Wie meinen Sie das? Wenn jemand seine Arbeit trotzdem gut macht, könnte man als Chef ja auch sagen: „Das ist nicht mein Problem“… Wir wissen heute, dass bereits ein problematischer Alkoholkonsum – also noch keine Abhängigkeit – ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen mit sich bringt, etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Mitarbeiter frühzeitig darauf anzusprechen, kann also helfen, die Produktivität zu sichern und später langen Erkrankungszeiten vorzubeugen. Und in Zeiten des Fachkräftemangels viele möglichst gesunde Mitarbeiter zu haben und zu halten. Ok! Was sind denn typische Anzeichen, die auf ein Alkoholproblem hindeuten? Solche, die jeder aus seiner Alltagserfahrung kennt: eine Fahne, verwaschene Sprache, unsicherer Gang – all das deutet auf akuten Alkoholeinfluss hin. Was, wenn ich als Chef nicht nah genug am Mitarbeiter bin, um solche Auffälligkeiten mitzubekommen? Häufig weisen noch andere Anzeichen auf Alkoholprobleme hin: Mitarbeiter fehlen montags häufig – und haben immer wieder die gleiche unglaubwürdige Entschuldigung. Sie wirken eventuell weniger konzentriert, arbeiten qualitativ schlechter, sind leicht reizbar, verhalten sich unangemessen gegenüber Kollegen oder Kunden. So etwas kann natürlich mit allem Möglichen in Zusammenhang stehen – aber eben auch mit Alkohol. Deshalb sollten Unternehmer diesen Punkt immer im Kopf haben. Wie kann ich denn abklären, ob jemand wirklich alkoholabhängig ist? Gar nicht – denn es ist nicht die Aufgabe von Unternehmern, eine klinische Diagnose zu stellen. Was ist dann ihre Aufgabe? Arbeitgeber sollten sich für das Thema „problematischer Alkoholkonsum“ sensibilisieren, damit sie Auffälligkeiten bemerken. Diese sollten sie dokumentieren – und dann möglichst schnell das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen. Was ja aber für beide Seiten extrem unangenehm ist… Sicher! Aber solche Gespräche werden ja nicht angenehmer, wenn ich sie als Chef hinausschiebe. Außerdem ist es auch wirtschaftlich sinnvoll, frühzeitig in die Kommunikation zu gehen. Denn das Ziel solcher Gespräche ist ja, Hilfe anzubieten und Mitarbeiter damit langfristig in die Lage zu versetzen, ihren Job gut ausüben zu können. Je früher das geschieht, desto besser lässt sich eine mögliche Erkrankung aufhalten oder bessern. Wie bereite ich mich auf so ein Gespräch idealerweise vor? Erstmal sollten sich Unternehmer klarmachen, welche Art Gespräch sie führen müssen. In einem Klärungsgespräch etwa geht es darum, festzustellen, wo genau das Problem liegt. Dafür ist es gut, wenn Arbeitgeber Vorfälle genau dokumentiert haben, anhand derer sie dem Mitarbeiter verdeutlichen können, warum offensichtlich etwas nicht stimmt. Das Ziel wäre dann, zu vermitteln, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen dürfen – und dass der Mitarbeiter deshalb sein Problem angehen sollte. Welchen anderen Gesprächstyp gibt es noch? Das Fürsorge-Gespräch. Dieses ist angebracht, wenn das Alkoholproblem bereits bekannt ist oder sehr offensichtlich. In so einem Gespräch geht es darum, Sorge zum Ausdruck zu bringen und aktiv Hilfe anzubieten. Deshalb empfiehlt es sich hier, im Vorfeld etwa Kontaktdaten und Websites von Beratungsstellen zu recherchieren oder Flyer zu besorgen, die Sie im Gespräch an den Mitarbeiter weitergeben können. Was kann ich tun, wenn das Gegenüber alles abblockt? Eine solche Reaktion ist wahrscheinlich! Schildern Sie die Vorfälle genau, erklären Sie, dass Dritte diese Geschehnisse bestätigt haben. Und machen Sie deutlich, dass Sie es nicht akzeptieren werden, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten weiter vernachlässigt und das Betriebsklima weiter stört. Formulieren Sie außerdem sachlich und deutlich die Erwartung, dass sich der Mitarbeiter Hilfe holt – damit sich die Vorfälle der Vergangenheit nicht wiederholen. Wichtig: Auch wenn das Gegenüber noch so ablehnend oder persönlich wird, alles abstreitet oder gar aggressiv argumentiert: Bleiben Sie konsequent auf der Sachebene. Also nie zurückblaffen, persönliche Enttäuschung zeigen oder gar Vorwürfe äußern. Und wenn der Mitarbeiter uneinsichtig bleibt? Dann ist das in dem Moment sein gutes Recht. Wichtig ist, was der Mitarbeiter danach tut. Ändert er sein Verhalten und fällt nicht mehr negativ auf, sollten Sie nach etwa vier bis sechs Wochen ein sogenanntes Rückmeldegespräch führen. Und erklären, dass die Sache damit für Sie erledigt ist. Was aber, falls er weiterhin Mist baut? Dann führen Sie ein weiteres Gespräch, in dem Sie ihn eindringlicher auffordern, sich Hilfe zu suchen. Eine gute Orientierung für den gesamten Interventions-Prozess bietet der so genannte Stufenplan für Suchtprobleme. Diesen haben große Konzerne als Leitlinie entwickelt, die den Umgang mit auffälligen Mitarbeitern regelt. Er eignet sich aber auch für kleinere Unternehmen. Der Plan erklärt fünf Stufen der Intervention – von Stufe zu Stufe wird es ernster. Wann sollte ich als Arbeitgeber mit Kündigung drohen? Das ist stets die allerletzte Möglichkeit einer Sanktion. Unternehmer sollten diese Karte nie ohne Not ziehen – und schon gar nicht in den Vier-Augen-Gesprächen zu Beginn des Stufenplans. Auch, weil es erfahrungsgemäß kontraproduktiv ist. Was ist hilft stattdessen? Dem Mitarbeiter klarzumachen, dass es Ihnen als Chef darum geht, Hilfestellung zu leisten und den Mitarbeiter langfristig zu halten. Wenn eine Abhängigkeit diagnostiziert ist, können Sie beispielsweise versichern, dass Sie seinen Platz in der Belegschaft freihalten, falls eine Therapie ansteht. Solche Unterstützung hilft Betroffenen, eine Behandlung erfolgreich abzuschließen – da ist die Studienlage eindeutig. Aber wenn das Hilfsangebot nicht zieht, muss ich als Unternehmer doch irgendwann deutlich werden… Ja sicher. Aber ehe Sie eine Kündigung androhen, sollte beispielsweise eine Abmahnung erfolgen – passiert das nicht, würden Unternehmer einen Kündigungsschutzprozess sehr wahrscheinlich verlieren. Auch hier hilft der Stufenplan: Er regelt genau, wann welche Sanktionen sinnvoll sind. Welche Fehler machen Unternehmer außerdem typischerweise im Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz? Mir begegnen immer noch Chefs, die das Problem verharmlosen nach dem Motto: „Ach, jeder trinkt doch mal einen über den Durst.“ Andere achten zu wenig darauf, die Umstände so zu gestalten, dass ein Gespräch weniger unangenehm wird. Wie kann das gelingen? Wählen Sie einen Raum, in dem Sie und der Mitarbeiter ungestört sind. Sprechen Sie das Thema nicht kurz vorm Wochenende oder dem Feierabend an. Planen Sie das Gespräch gut und bereiten Sie sich auf die ganze Palette möglicher Reaktionen vor. Achten Sie darauf, dass der Angesprochene nüchtern ist. Im Rückblick sind Betroffene häufig dankbar dafür, dass ihnen jemand den Ernst der Lage deutlich gemacht hat. Vielen öffnet eine Warnung des Chefs die Augen für die Situation, in der sie sich befinden. Arbeitgeber, die das Gespräch suchen, tun also etwas Gutes! Das als positiven Grundgedanken im Kopf zu haben, ist das Allerwichtigste. Wenn ein Mitarbeiter alkoholbedingt länger erkrankt war, kann zum Wiedereinstieg ein so genanntes BEM-Gespräch nötig sein. Mehr dazu hier: BEM-Gespräch: Was Arbeitgeber wissen müssen
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