BEM-Gespräch
Was Arbeitgeber über das BEM-Gespräch wissen müssen

Ein Mitarbeiter fällt lange aus? Wann Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten müssen und welche Rolle das BEM-Gespräch bei einer krankheitsbedingten Kündigung spielt.

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Wir müssen reden! Ein BEM-Gespräch soll klären, wie länger erkrankte Mitarbeiter wieder dauerhaft arbeitsfähig werden.
© Marie Maerz / photocase.de

Eine lange Krankheit, ein schwerer Unfall, eine dauerhafte Überlastung: Fällt ein Mitarbeiter länger aus, müssen Arbeitgeber nicht nur die liegen gebliebene Arbeit neu verteilen. Sie sind auch dazu verpflichtet, dem Mitarbeiter ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Im sogenannten BEM-Gespräch sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausloten, wie der Mitarbeiter wieder dauerhaft arbeitsfähig werden kann. Was Arbeitgeber dabei beachten müssen.

Wann ist ein BEM-Gespräch Pflicht?

Ist ein Mitarbeiter im Laufe eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten. Das regelt § 167 Absatz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Ob der Mitarbeiter sechs Wochen am Stück nicht arbeiten konnte oder mehrmals kürzer krank war, spielt keine Rolle. Auch, ob es sich um verschiedene Erkrankungen oder immer um die gleiche handelte, ist dabei egal. Und: Bei der Berechnung gelten die letzten zwölf Monate, nicht das Kalenderjahr.

Generell steht jedem Mitarbeiter ein BEM zu – egal ob schwerbehindert oder nicht, befristet oder unbefristet angestellt, Teil- oder Vollzeit. Wenn Arbeitgeber nicht die Initiative für ein BEM ergreifen, drohen ihnen allerdings auch keine Sanktionen. „Relevant wird es nur, wenn dem Mitarbeiter später aus krankheitsbedingten Gründen gekündigt werden soll“, so Bertram Petzoldt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Dresden (mehr zu BEM und krankheitsbedingten Kündigungen siehe unten).

„Ob ein BEM wirklich sinnvoll ist, hängt von der Erkrankung ab und der Einschätzung, ob die Arbeitsfähigkeit auch in Zukunft bedroht ist“, so Petzoldt. „Angenommen, ein Mitarbeiter hat sich bei einem Verkehrsunfall das Bein gebrochen, muss länger ins Krankenhaus und fällt durch eine anschließende Reha-Maßnahme insgesamt sechs Wochen aus. Wenn man davon ausgeht, dass er wieder ganz gesund wird und nach der Genesung normal arbeiten kann, ist ein BEM vermutlich nicht notwendig – es sei denn, der Mitarbeiter verlangt danach.“

Anders sei es, wenn ein Arbeitnehmer wiederholt und längerfristig an der gleichen Erkrankung leidet, wenn man eine generelle Überlastung vermutet oder etwa nach einer schweren Tumorerkrankung die vollständige Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in Frage gestellt ist. Dann gilt zu prüfen: Wie kann man die Aufgaben und den Arbeitsbereich so verändern, dass der Mitarbeiter wieder zur Arbeitsfähigkeit zurückfindet?

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Wen müssen Arbeitgeber am BEM-Gespräch beteiligen?

Der Arbeitgeber lädt den betroffenen Arbeitnehmer und, wenn vorhanden, den Betriebs- oder Personalrat zum Erstgespräch und den weiteren Gesprächen ein. Auch der Werks- oder Betriebsarzt kann hinzugezogen werden. Ist der Mitarbeiter schwerbehindert oder gleichgestellt, muss auch die Schwerbehindertenvertretung eingeladen werden. Als gleichgestellt gelten Menschen mit einer Behinderung, die sie stark einschränkt. Ihr so genannter Grad der Behinderung ist jedoch nicht so hoch wie bei einem Schwerbehinderten. Weitere Infos dazu gibt die Bundesagentur für Arbeit. Bei all diesen Beteiligten hat der Arbeitnehmer aber ein Veto-Recht – er bestimmt, ob er sie dabei haben möchte oder nicht. Ein Anrecht auf einen Anwalt bei dem Gespräch haben Arbeitnehmer laut Petzoldt nicht.

Zur Person
Bertram Petzoldt ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Prof. Dr. Queißer & Partner in Dresden.

Was, wenn der Arbeitnehmer das BEM ablehnt?

Arbeitnehmer sind nicht zu einem BEM verpflichtet. Der Arbeitgeber muss sie schon im Einladungsschreiben darauf hinweisen, dass ihre Teilnahme freiwillig ist. Auch nachdem sie einmal zugestimmt haben, können Arbeitnehmer ein BEM jederzeit stoppen. Bei einer möglichen krankheitsbedingten Kündigung können sie sich dann aber nicht auf ein fehlendes BEM berufen.

Gibt es Vorgaben, wie ein BEM-Gespräch ablaufen soll?

„Das Gesetz bleibt da sehr vage“, so Petzoldt. Das Verfahren soll ergebnisoffen sein und individuelle Lösungen ermöglichen – immer mit dem Ziel, die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu überwinden, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu verhindern und den Arbeitsplatz möglichst zu erhalten.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil (BAG, Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 198/09) lediglich Mindeststandards für ein BEM-Verfahren festgelegt. Will sich ein Arbeitgeber bei Gericht darauf berufen, dass er ein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren durchgeführt hat, müssen folgende Anforderungen mindestens erfüllt sein:

  • Die gesetzlich zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen waren einbezogen, also der Betriebs- oder Personalrat, der Betriebsarzt, die Schwerbehindertenvertretung oder das Integrationsamt – falls der Arbeitnehmer deren Teilnahme nicht abgelehnt hat.
  • In den Gespräche mit dem Arbeitnehmer wurden  keine vernünftigen Anpassungsmöglichkeiten ausgeschlossen.
  • Die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge wurden sachlich erörtert.

„In einem ersten Gespräch wird in der Regel geklärt, ob der Arbeitnehmer überhaupt dazu bereit ist“, so Petzoldt. Der Arbeitgeber muss außerdem erklären, warum ein BEM aus seiner Sicht notwendig ist und welches Ziel er damit verfolgt. In diesem Gespräch können Arbeitgeber laut Petzoldt auch darauf hinweisen, dass andernfalls eine krankheitsbedingte Kündigung drohen könnte.

BEM-Gespräch und die ärztliche Schweigepflicht

Petzoldt empfiehlt, im ersten Gespräch auch zu klären, ob der Arbeitnehmer bereit ist, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. „Eine ärztliche Stellungnahme ist für den Erfolg eines BEM entscheidend. Ohne die Preisgabe bestimmter Daten funktioniert es oft nicht – der Arbeitgeber muss schließlich wissen, was aus ärztlicher Sicht überhaupt möglich ist und worauf er Rücksicht nehmen muss“, so der Arbeitsrechtler. Aber: Arbeitnehmer sind nicht dazu verpflichtet, ihre Diagnose preiszugeben.

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Welche Maßnahmen können in einem BEM-Gespräch diskutiert werden?

Jeder Beteiligte darf Vorschläge einbringen, wie man dem Arbeitnehmer dabei helfen kann, wieder zurück in seinen Job zu finden. Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel

  • den derzeitigen Arbeitsplatz technisch oder organisatorisch umzugestalten, etwa ein höhenverstellbarer Schreibtisch für einen Mitarbeiter mit Bandscheibenvorfall zu kaufen
  • die Weiterbeschäftigung zu anderen Arbeitsbedingungen, zum Beispiel die Arbeitszeit reduzieren
  • Qualifizierungsmaßnahmen, zum Beispiel einen Mitarbeiter aus dem Lager im Umgang mit einer Datenbank-Software zu schulen
  • den Mitarbeiter auf einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz zu versetzen, etwa vom Außendienst in die Verwaltung
  • Betreuung durch den Integrationsfachdienst bei schwerbehinderten Menschen
  • den Mitarbeiter stufenweise wiedereinzugliedern nach 74 SGB V, 44 SGB IX, zum Beispiel mit dem so genannten Hamburger Modell

„Oft geht es beim BEM darum, über einen gewissen Zeitraum die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters zu testen“, so Petzoldt. Etwa indem man sich darauf einigt, mit einer relativ geringen Arbeitsmenge von drei oder vier Stunden am Tag zu starten und die Arbeitszeit dann im Laufe eines festgelegten Zeitraums wieder zu steigern.

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Wichtig ist, bei den Gesprächen ein Protokoll zu führen, alle besprochenen Maßnahmen zu notieren und festzuhalten, ob der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zustimmen oder sie ablehnen. Schätzen Chef oder Mitarbeiter eine Maßnahme als nicht umsetzbar ein, dürfen sie sie ablehnen.

Müssen sich Arbeitnehmer an die Vereinbarungen aus dem BEM halten?

Nein. Der Arbeitnehmer kann das BEM ohne Angaben von Gründen jederzeit beenden. Der Arbeitgeber ist in der Pflicht, die gemeinsam besprochenen Maßnahmen erst einmal umsetzen, sofern sie in seiner Macht stehen, wirtschaftlich vertretbar sind und sich eine krankheitsbedingte Kündigung dadurch vermeiden lässt. Zeigt sich aber, dass sie nicht zum vereinbarten Ziel führt, kann er die Maßnahme abbrechen. Das BEM-Verfahren kann dann erneut aufgenommen werden –  mit dem Ziel, eine andere Lösung zu finden.

Wie lange dauert ein BEM?

Dazu gibt es keine Vorgaben. Es ist möglich, dass ein BEM-Gespräch schon geführt wird, bevor der Mitarbeiter wieder in den Betrieb zurückkehrt. So bleibt dem Arbeitgeber eine gewisse Vorlaufzeit, um Anpassung am Arbeitsplatz umzusetzen. „Theoretisch kann ein BEM auch über Jahre laufen“, sagt Petzoldt.

Im Fall von schweren Erkrankungen könne es immer wieder Rückschläge geben. „Ab einem gewissen Zeitpunkt stellt sich dann aber natürlich die Frage, ob das Ziel, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und sicherzustellen, erreicht werden kann.“

Welche Rolle spielt das BEM-Gespräch bei einer Kündigung wegen Krankheit?

Kündigt ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter krankheitsbedingt, ohne ihm vorher ein BEM angeboten zu haben, hat er es bei einer Kündigungsschutzklage in der Regel sehr schwer. „Ein BEM ist keine formale Voraussetzung für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung“, so Petzoldt. Allerdings wird die Kündigung ohne BEM meist als unverhältnismäßig eingestuft. Der Arbeitgeber muss darlegen können, dass keine mildere Maßnahme in Betracht kam und er alles dafür unternommen hat, um eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.

Lesen Sie dazu auch: 8 Irrtümer rund um krankheitsbedingte Kündigungen

Eine Ausnahme gilt laut Bundesarbeitsgericht, wenn es dem Arbeitgeber gelingt nachzuweisen, dass ein BEM ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre (BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 565/14 und BAG, Urteil vom 16.07.2015, 2 AZR 15/15).

BEM und Datenschutz

Die Datenerhebung und -verarbeitung für das BEM bedarf laut Petzoldt einer ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung des Arbeitnehmers. Schon im Einladungsschreiben sollte der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass Daten erhoben und verarbeitet werden und in welchem Umfang und für welchen Zweck das geschieht. Spätestens im Gespräch muss er erläutern, welche Personen dann Zugriff auf die Daten haben. Arbeitgeber müssen außerdem alle, die mit der Durchführung des BEM beauftragt und daran beteiligt sind, auf ihre besondere Schweigepflicht hinweisen.

Zudem sollte man laut Petzoldt beachten, dass nur solche Daten erhoben werden dürfen, deren Kenntnis der Arbeitgeber benötigt, um ein ordnungsgemäßes BEM durchführen zu können.

Die im Rahmen des BEM erhobenen Daten haben nichts in der Personalakte verloren. Dort darf nur aufgenommen werden, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter ein BEM angeboten hat, ob er damit einverstanden war oder nicht und welche konkreten Maßnahmen sie besprochen und umgesetzt haben. Der Arbeitgeber muss außerdem sicherstellen, dass nur der berechtigte Personenkreis Zugriff auf die BEM-Akte hat, also nur diejenigen, die mit der Durchführung beauftragt sind.

Eine lange Krankheit, ein schwerer Unfall, eine dauerhafte Überlastung: Fällt ein Mitarbeiter länger aus, müssen Arbeitgeber nicht nur die liegen gebliebene Arbeit neu verteilen. Sie sind auch dazu verpflichtet, dem Mitarbeiter ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Im sogenannten BEM-Gespräch sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausloten, wie der Mitarbeiter wieder dauerhaft arbeitsfähig werden kann. Was Arbeitgeber dabei beachten müssen. Wann ist ein BEM-Gespräch Pflicht? Ist ein Mitarbeiter im Laufe eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten. Das regelt § 167 Absatz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Ob der Mitarbeiter sechs Wochen am Stück nicht arbeiten konnte oder mehrmals kürzer krank war, spielt keine Rolle. Auch, ob es sich um verschiedene Erkrankungen oder immer um die gleiche handelte, ist dabei egal. Und: Bei der Berechnung gelten die letzten zwölf Monate, nicht das Kalenderjahr. Generell steht jedem Mitarbeiter ein BEM zu – egal ob schwerbehindert oder nicht, befristet oder unbefristet angestellt, Teil- oder Vollzeit. Wenn Arbeitgeber nicht die Initiative für ein BEM ergreifen, drohen ihnen allerdings auch keine Sanktionen. „Relevant wird es nur, wenn dem Mitarbeiter später aus krankheitsbedingten Gründen gekündigt werden soll“, so Bertram Petzoldt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Dresden (mehr zu BEM und krankheitsbedingten Kündigungen siehe unten). „Ob ein BEM wirklich sinnvoll ist, hängt von der Erkrankung ab und der Einschätzung, ob die Arbeitsfähigkeit auch in Zukunft bedroht ist“, so Petzoldt. „Angenommen, ein Mitarbeiter hat sich bei einem Verkehrsunfall das Bein gebrochen, muss länger ins Krankenhaus und fällt durch eine anschließende Reha-Maßnahme insgesamt sechs Wochen aus. Wenn man davon ausgeht, dass er wieder ganz gesund wird und nach der Genesung normal arbeiten kann, ist ein BEM vermutlich nicht notwendig – es sei denn, der Mitarbeiter verlangt danach.“ Anders sei es, wenn ein Arbeitnehmer wiederholt und längerfristig an der gleichen Erkrankung leidet, wenn man eine generelle Überlastung vermutet oder etwa nach einer schweren Tumorerkrankung die vollständige Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in Frage gestellt ist. Dann gilt zu prüfen: Wie kann man die Aufgaben und den Arbeitsbereich so verändern, dass der Mitarbeiter wieder zur Arbeitsfähigkeit zurückfindet? Wen müssen Arbeitgeber am BEM-Gespräch beteiligen? Der Arbeitgeber lädt den betroffenen Arbeitnehmer und, wenn vorhanden, den Betriebs- oder Personalrat zum Erstgespräch und den weiteren Gesprächen ein. Auch der Werks- oder Betriebsarzt kann hinzugezogen werden. Ist der Mitarbeiter schwerbehindert oder gleichgestellt, muss auch die Schwerbehindertenvertretung eingeladen werden. Als gleichgestellt gelten Menschen mit einer Behinderung, die sie stark einschränkt. Ihr so genannter Grad der Behinderung ist jedoch nicht so hoch wie bei einem Schwerbehinderten. Weitere Infos dazu gibt die Bundesagentur für Arbeit. Bei all diesen Beteiligten hat der Arbeitnehmer aber ein Veto-Recht – er bestimmt, ob er sie dabei haben möchte oder nicht. Ein Anrecht auf einen Anwalt bei dem Gespräch haben Arbeitnehmer laut Petzoldt nicht. Was, wenn der Arbeitnehmer das BEM ablehnt? Arbeitnehmer sind nicht zu einem BEM verpflichtet. Der Arbeitgeber muss sie schon im Einladungsschreiben darauf hinweisen, dass ihre Teilnahme freiwillig ist. Auch nachdem sie einmal zugestimmt haben, können Arbeitnehmer ein BEM jederzeit stoppen. Bei einer möglichen krankheitsbedingten Kündigung können sie sich dann aber nicht auf ein fehlendes BEM berufen. Gibt es Vorgaben, wie ein BEM-Gespräch ablaufen soll? „Das Gesetz bleibt da sehr vage“, so Petzoldt. Das Verfahren soll ergebnisoffen sein und individuelle Lösungen ermöglichen – immer mit dem Ziel, die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu überwinden, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu verhindern und den Arbeitsplatz möglichst zu erhalten. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil (BAG, Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 198/09) lediglich Mindeststandards für ein BEM-Verfahren festgelegt. Will sich ein Arbeitgeber bei Gericht darauf berufen, dass er ein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren durchgeführt hat, müssen folgende Anforderungen mindestens erfüllt sein: Die gesetzlich zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen waren einbezogen, also der Betriebs- oder Personalrat, der Betriebsarzt, die Schwerbehindertenvertretung oder das Integrationsamt – falls der Arbeitnehmer deren Teilnahme nicht abgelehnt hat. In den Gespräche mit dem Arbeitnehmer wurden  keine vernünftigen Anpassungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge wurden sachlich erörtert. „In einem ersten Gespräch wird in der Regel geklärt, ob der Arbeitnehmer überhaupt dazu bereit ist“, so Petzoldt. Der Arbeitgeber muss außerdem erklären, warum ein BEM aus seiner Sicht notwendig ist und welches Ziel er damit verfolgt. In diesem Gespräch können Arbeitgeber laut Petzoldt auch darauf hinweisen, dass andernfalls eine krankheitsbedingte Kündigung drohen könnte. BEM-Gespräch und die ärztliche Schweigepflicht Petzoldt empfiehlt, im ersten Gespräch auch zu klären, ob der Arbeitnehmer bereit ist, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. „Eine ärztliche Stellungnahme ist für den Erfolg eines BEM entscheidend. Ohne die Preisgabe bestimmter Daten funktioniert es oft nicht – der Arbeitgeber muss schließlich wissen, was aus ärztlicher Sicht überhaupt möglich ist und worauf er Rücksicht nehmen muss“, so der Arbeitsrechtler. Aber: Arbeitnehmer sind nicht dazu verpflichtet, ihre Diagnose preiszugeben. Welche Maßnahmen können in einem BEM-Gespräch diskutiert werden? Jeder Beteiligte darf Vorschläge einbringen, wie man dem Arbeitnehmer dabei helfen kann, wieder zurück in seinen Job zu finden. Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel den derzeitigen Arbeitsplatz technisch oder organisatorisch umzugestalten, etwa ein höhenverstellbarer Schreibtisch für einen Mitarbeiter mit Bandscheibenvorfall zu kaufen die Weiterbeschäftigung zu anderen Arbeitsbedingungen, zum Beispiel die Arbeitszeit reduzieren Qualifizierungsmaßnahmen, zum Beispiel einen Mitarbeiter aus dem Lager im Umgang mit einer Datenbank-Software zu schulen den Mitarbeiter auf einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz zu versetzen, etwa vom Außendienst in die Verwaltung Betreuung durch den Integrationsfachdienst bei schwerbehinderten Menschen den Mitarbeiter stufenweise wiedereinzugliedern nach 74 SGB V, 44 SGB IX, zum Beispiel mit dem so genannten Hamburger Modell „Oft geht es beim BEM darum, über einen gewissen Zeitraum die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters zu testen“, so Petzoldt. Etwa indem man sich darauf einigt, mit einer relativ geringen Arbeitsmenge von drei oder vier Stunden am Tag zu starten und die Arbeitszeit dann im Laufe eines festgelegten Zeitraums wieder zu steigern. Wichtig ist, bei den Gesprächen ein Protokoll zu führen, alle besprochenen Maßnahmen zu notieren und festzuhalten, ob der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zustimmen oder sie ablehnen. Schätzen Chef oder Mitarbeiter eine Maßnahme als nicht umsetzbar ein, dürfen sie sie ablehnen. Müssen sich Arbeitnehmer an die Vereinbarungen aus dem BEM halten? Nein. Der Arbeitnehmer kann das BEM ohne Angaben von Gründen jederzeit beenden. Der Arbeitgeber ist in der Pflicht, die gemeinsam besprochenen Maßnahmen erst einmal umsetzen, sofern sie in seiner Macht stehen, wirtschaftlich vertretbar sind und sich eine krankheitsbedingte Kündigung dadurch vermeiden lässt. Zeigt sich aber, dass sie nicht zum vereinbarten Ziel führt, kann er die Maßnahme abbrechen. Das BEM-Verfahren kann dann erneut aufgenommen werden –  mit dem Ziel, eine andere Lösung zu finden. Wie lange dauert ein BEM? Dazu gibt es keine Vorgaben. Es ist möglich, dass ein BEM-Gespräch schon geführt wird, bevor der Mitarbeiter wieder in den Betrieb zurückkehrt. So bleibt dem Arbeitgeber eine gewisse Vorlaufzeit, um Anpassung am Arbeitsplatz umzusetzen. „Theoretisch kann ein BEM auch über Jahre laufen“, sagt Petzoldt. [mehr-zum-thema] Im Fall von schweren Erkrankungen könne es immer wieder Rückschläge geben. „Ab einem gewissen Zeitpunkt stellt sich dann aber natürlich die Frage, ob das Ziel, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und sicherzustellen, erreicht werden kann.“ Welche Rolle spielt das BEM-Gespräch bei einer Kündigung wegen Krankheit? Kündigt ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter krankheitsbedingt, ohne ihm vorher ein BEM angeboten zu haben, hat er es bei einer Kündigungsschutzklage in der Regel sehr schwer. „Ein BEM ist keine formale Voraussetzung für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung“, so Petzoldt. Allerdings wird die Kündigung ohne BEM meist als unverhältnismäßig eingestuft. Der Arbeitgeber muss darlegen können, dass keine mildere Maßnahme in Betracht kam und er alles dafür unternommen hat, um eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Lesen Sie dazu auch: 8 Irrtümer rund um krankheitsbedingte Kündigungen Eine Ausnahme gilt laut Bundesarbeitsgericht, wenn es dem Arbeitgeber gelingt nachzuweisen, dass ein BEM ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre (BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 565/14 und BAG, Urteil vom 16.07.2015, 2 AZR 15/15). BEM und Datenschutz Die Datenerhebung und -verarbeitung für das BEM bedarf laut Petzoldt einer ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung des Arbeitnehmers. Schon im Einladungsschreiben sollte der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass Daten erhoben und verarbeitet werden und in welchem Umfang und für welchen Zweck das geschieht. Spätestens im Gespräch muss er erläutern, welche Personen dann Zugriff auf die Daten haben. Arbeitgeber müssen außerdem alle, die mit der Durchführung des BEM beauftragt und daran beteiligt sind, auf ihre besondere Schweigepflicht hinweisen. Zudem sollte man laut Petzoldt beachten, dass nur solche Daten erhoben werden dürfen, deren Kenntnis der Arbeitgeber benötigt, um ein ordnungsgemäßes BEM durchführen zu können. Die im Rahmen des BEM erhobenen Daten haben nichts in der Personalakte verloren. Dort darf nur aufgenommen werden, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter ein BEM angeboten hat, ob er damit einverstanden war oder nicht und welche konkreten Maßnahmen sie besprochen und umgesetzt haben. Der Arbeitgeber muss außerdem sicherstellen, dass nur der berechtigte Personenkreis Zugriff auf die BEM-Akte hat, also nur diejenigen, die mit der Durchführung beauftragt sind.