BEM-Gespräch
Ein Teammitglied fällt lange aus? Das musst du zum BEM wissen

Ständig krank? Wann du Mitarbeitenden ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten musst und welche Rolle das BEM-Gespräch bei einer krankheitsbedingten Kündigung spielt.

Aktualisiert am 28. August 2025, 09:15 Uhr, von Julia Müller, Redakteurin und Programmleiterin der impulse-Akademie

Abstrakte Abbildung: Zwei Hände berühren zwei Sprechblasen, die wie Puzzleteile ineinander greifen.
Im BEM-Gespräch sucht man gemeinsam nach Lösungen, wie kranke Mitarbeitende wieder arbeitsfähig werden.
© cienpies / iStock / Getty Images Plus

Das Wichtigste in Kürze

Arbeitgeber müssen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten, wenn Mitarbeitende mehr als sechs Wochen im Jahr krank sind. Für Mitarbeitende ist die Teilnahme am BEM-Gespräch freiwillig, sie können jederzeit abbrechen. Ziel des BEM-Gesprächs ist es, gemeinsam die Arbeitsfähigkeit der betroffenen Person zu sichern. Ohne BEM ist eine krankheitsbedingte Kündigung vor Gericht schwer durchsetzbar.

Eine lange Krankheit, ein schwerer Unfall, eine dauerhafte Überlastung: Fallen Mitarbeitende länger aus, müssen Arbeitgeber nicht nur die liegengebliebene Arbeit neu verteilen. Sie sind auch dazu verpflichtet, dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Im sogenannten BEM-Gespräch sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausloten, wie die erkrankte Person wieder dauerhaft arbeitsfähig werden kann. Was du dabei beachten musst.

Wann ist ein BEM-Gespräch Pflicht?

Sind Mitarbeitende im Laufe eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten. Das regelt § 167 Absatz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Ob der Mitarbeiter sechs Wochen am Stück nicht arbeiten konnte oder mehrmals kürzer krank war, spielt keine Rolle. Auch, ob es sich um verschiedene Erkrankungen oder immer um die gleiche handelte, ist dabei egal. Und: Bei der Berechnung gelten die letzten zwölf Monate, nicht das Kalenderjahr.

Generell steht jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin ein BEM zu – egal ob schwerbehindert oder nicht, befristet oder unbefristet angestellt, Teil- oder Vollzeit. Wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht die Initiative für ein BEM ergreifen, drohen ihnen allerdings auch keine Sanktionen. „Relevant wird es nur, wenn dem Mitarbeiter später aus krankheitsbedingten Gründen gekündigt werden soll“, so Bertram Petzoldt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Dresden (mehr dazu unter dem Punkt BEM-Gespräch und Kündigung wegen Krankheit).

„Ob ein BEM wirklich sinnvoll ist, hängt von der Erkrankung ab und der Einschätzung, ob die Arbeitsfähigkeit auch in Zukunft bedroht ist“, sagt Petzoldt. „Angenommen, ein Mitarbeiter hat sich bei einem Verkehrsunfall das Bein gebrochen, muss länger ins Krankenhaus und fällt durch eine anschließende Reha-Maßnahme insgesamt sechs Wochen aus. Wenn man davon ausgeht, dass er wieder ganz gesund wird und nach der Genesung normal arbeiten kann, ist ein BEM vermutlich nicht notwendig – es sei denn, der Mitarbeiter verlangt danach.“

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Anders sei es, wenn ein Teammitglied wiederholt und längerfristig an der gleichen Erkrankung leidet, wenn man eine generelle Überlastung vermutet oder etwa nach einer schweren Tumorerkrankung die vollständige Leistungsfähigkeit in Frage gestellt ist. Dann gilt zu prüfen: Wie kann man die Aufgaben und den Arbeitsbereich so verändern, dass der Mitarbeiter wieder arbeitsfähig wird?

Wen müssen Arbeitgeber am BEM-Gespräch beteiligen?

Der Arbeitgeber lädt den betroffenen Arbeitnehmer und, wenn vorhanden, den Betriebs- oder Personalrat zum Erstgespräch und den weiteren Gesprächen ein. Auch der Werks- oder Betriebsarzt kann hinzugezogen werden. Ist der Mitarbeiter schwerbehindert oder gleichgestellt, muss auch die Schwerbehindertenvertretung eingeladen werden. Als gleichgestellt gelten Menschen mit einer Behinderung, die sie stark einschränkt. Ihr so genannter Grad der Behinderung ist jedoch nicht so hoch wie bei einem Schwerbehinderten. Weitere Infos dazu gibt die Bundesagentur für Arbeit. Bei all diesen Beteiligten hat der Arbeitnehmer aber ein Veto-Recht – er bestimmt, ob er sie dabei haben möchte oder nicht.

Laut Petzold war die Frage, ob Arbeitnehmer bei den Gesprächen Anrecht auf einen Anwalt haben, lange umstritten. „Die einen Gerichte sahen das so, die anderen so“, sagt er. Seit einer Gesetzesänderung 2021 herrscht darüber jedoch Klarheit. Nun gilt: „Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.“ Das könne selbstverständlich auch ein Anwalt sein, so Petzoldt. Er betont: „Eine Vertrauensperson meint jedoch eine Person und nicht mehrere.“

Dürfen Arbeitnehmer das BEM ablehnen?

Arbeitnehmer sind nicht zu einem BEM verpflichtet. Der Arbeitgeber muss sie schon im Einladungsschreiben darauf hinweisen, dass ihre Teilnahme freiwillig ist. Auch nachdem sie einmal zugestimmt haben, können Arbeitnehmer ein BEM jederzeit stoppen. Bei einer möglichen krankheitsbedingten Kündigung können sie sich dann aber nicht auf ein fehlendes BEM berufen.

Gibt es Vorgaben, wie ein BEM-Gespräch ablaufen soll?

„Das Gesetz bleibt da sehr vage“, so Petzoldt. Das Verfahren soll ergebnisoffen sein und individuelle Lösungen ermöglichen – immer mit dem Ziel, die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu überwinden, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu verhindern und den Arbeitsplatz möglichst zu erhalten.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil (BAG, Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 198/09) lediglich Mindeststandards für ein BEM-Verfahren festgelegt. Will sich ein Arbeitgeber bei Gericht darauf berufen, dass er ein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren durchgeführt hat, müssen folgende Anforderungen mindestens erfüllt sein:

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  • Die gesetzlich zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen waren einbezogen, also der Betriebs- oder Personalrat, der Betriebsarzt, die Schwerbehindertenvertretung oder das Integrationsamt – falls der Arbeitnehmer deren Teilnahme nicht abgelehnt hat.
  • In den Gesprächen mit dem Arbeitnehmer wurden keine vernünftigen Anpassungsmöglichkeiten ausgeschlossen.
  • Die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge wurden sachlich erörtert.

„In einem ersten Gespräch wird in der Regel geklärt, ob der Arbeitnehmer überhaupt dazu bereit ist, sich auf das BEM einzulassen“, so Petzoldt. Der Arbeitgeber muss außerdem erklären, warum ein BEM aus seiner Sicht notwendig ist und welches Ziel er damit verfolgt.

BEM-Gespräch und die ärztliche Schweigepflicht

Petzoldt empfiehlt, im ersten Gespräch auch zu klären, ob die betroffene Person bereit ist, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. „Eine ärztliche Stellungnahme ist für den Erfolg eines BEM entscheidend. Ohne die Preisgabe bestimmter Daten funktioniert es oft nicht – der Arbeitgeber muss schließlich wissen, was aus ärztlicher Sicht überhaupt möglich ist und worauf er Rücksicht nehmen muss“, so der Arbeitsrechtler. Aber: Arbeitnehmer sind nicht dazu verpflichtet, ihre Diagnose preiszugeben.

Welche Maßnahmen können in einem BEM-Gespräch diskutiert werden?

Jeder Beteiligte darf Vorschläge einbringen, wie man dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin dabei helfen kann, wieder zurück in den Job zu finden. Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel:

  • den derzeitigen Arbeitsplatz technisch oder organisatorisch umzugestalten, zum Beispiel für eine Mitarbeiterin mit Bandscheibenvorfall Hilfsmittel zu kaufen, damit sie weniger schwer heben muss
  • die Weiterbeschäftigung zu anderen Arbeitsbedingungen, etwa, indem die Arbeitszeit reduziert wird
  • Qualifizierungsmaßnahmen, zum Beispiel einen Mitarbeiter aus dem Lager im Umgang mit einer Datenbank-Software zu schulen
  • die Mitarbeiterin auf einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz zu versetzen, etwa vom Außendienst in die Verwaltung
  • Betreuung durch den Integrationsfachdienst bei schwerbehinderten Menschen
  • den Mitarbeiter stufenweise wiedereinzugliedern nach 74 SGB V, 44 SGB IX, zum Beispiel mit dem so genannten „Hamburger Modell“, bei dem die Arbeitszeit und die Aufgaben schrittweise gesteigert werden

„Oft geht es beim BEM darum, über einen gewissen Zeitraum die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters zu testen“, so Petzoldt. Etwa indem man sich darauf einigt, mit einer relativ geringen Arbeitsmenge von drei oder vier Stunden am Tag zu starten und die Arbeitszeit dann im Laufe eines festgelegten Zeitraums wieder zu steigern. Schätzen Chef oder Mitarbeiter eine Maßnahme als nicht umsetzbar ein, dürfen sie sie auch ablehnen.

Ist es Pflicht, beim BEM-Gespräch Protokoll zu führen?

Es besteht keine Pflicht zu protokollieren. Der Arbeitsrechtler rät jedoch, alle im BEM-Gespräch besprochenen Maßnahmen in einem Protokoll zu notieren und festzuhalten, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugestimmt oder sie abgelehnt haben.

Müssen sich Arbeitnehmer an die Vereinbarungen aus dem BEM halten?

Nein. Der Arbeitnehmer kann das BEM ohne Angaben von Gründen jederzeit beenden. Der Arbeitgeber ist in der Pflicht, die gemeinsam besprochenen Maßnahmen erst einmal umzusetzen, sofern sie in seiner Macht stehen, wirtschaftlich vertretbar sind und sich eine krankheitsbedingte Kündigung dadurch vermeiden lässt. Zeigt sich aber, dass eine Maßnahme nicht zum vereinbarten Ziel führt, kann sie der Arbeitgeber abbrechen. Das BEM-Verfahren kann dann erneut aufgenommen werden –  mit dem Ziel, eine andere Lösung zu finden.

Wie lange dauert ein BEM?

Dazu gibt es keine Vorgaben. Es ist möglich, dass ein BEM-Gespräch schon geführt wird, bevor der Mitarbeiter wieder in den Betrieb zurückkehrt. So bleibt dem Arbeitgeber eine gewisse Vorlaufzeit, um Anpassung am Arbeitsplatz umzusetzen. „Theoretisch kann ein BEM auch über Jahre laufen“, sagt Petzoldt.

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Im Fall von schweren Erkrankungen könne es immer wieder Rückschläge geben. „Ab einem gewissen Zeitpunkt stellt sich dann aber natürlich die Frage, ob das Ziel, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und sicherzustellen, erreicht werden kann.“

Als abgeschlossen gilt ein BEM, wenn die betroffene Person wieder arbeitsfähig ist – oder der „ergebnisoffene Suchprozess“ abgeschlossen ist, da sich keine weiteren Ansätze mehr ergeben, um die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. „Anders als der Arbeitnehmer darf der Arbeitgeber das BEM nicht einfach einseitig beenden“, so der Anwalt. „Hält der Arbeitgeber den Suchprozess aus seiner Sicht für beendet, hat er das Ergebnis den Beteiligten mitzuteilen und diese zur Stellungnahme aufzufordern.“

Ist der Arbeitnehmer nach einem abgeschlossenen BEM wiederum mehr als sechs Wochen im Laufe von zwölf Monaten arbeitsunfähig, muss laut Petzold ein weiteres BEM angeboten werden.

Welche Rolle spielt das BEM-Gespräch bei einer Kündigung wegen Krankheit?

Wer einem Mitarbeiter krankheitsbedingt kündigt, ohne ihm vorher ein BEM angeboten zu haben, hat es nach Einschätzung des Arbeitsrechtlers bei einer Kündigungsschutzklage in der Regel sehr schwer. „Ein BEM ist keine formelle Voraussetzung für eine spätere Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen“, so Petzoldt. Allerdings werde das BEM im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geprüft. „Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kein BEM angeboten, muss er im Zweifel nachweisen, dass ein BEM zu keinem Ergebnis geführt hätte. Hierfür ist natürlich Voraussetzung, dass der Arbeitgeber weiß, weshalb der Arbeitnehmer überhaupt arbeitsunfähig ist.“ (BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 565/14 und BAG, Urteil vom 16.07.2015, 2 AZR 15/15).

Mehr dazu hier: 8 Irrtümer rund um krankheitsbedingte Kündigungen

BEM und Datenschutz

Der Arbeitnehmer muss der Datenerhebung und -verarbeitung im BEM laut Petzoldt schriftlich zustimmen. Schon im Einladungsschreiben sollte der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass Daten erhoben und verarbeitet werden und in welchem Umfang und für welchen Zweck das geschieht. Spätestens im Gespräch muss dann erklärt werden, welche Personen Zugriff auf diese Daten haben. Arbeitgeber müssen außerdem alle, die mit der Durchführung des BEM beauftragt und daran beteiligt sind, auf ihre besondere Schweigepflicht hinweisen.

Zudem sollte man laut Petzoldt beachten, dass nur Daten erhoben werden dürfen, die der Arbeitgeber benötigt, um ein ordnungsgemäßes BEM durchführen zu können.

Wichtig: Die im Rahmen des BEM erhobenen Daten haben nichts in der Personalakte verloren. Dort darf nur aufgenommen werden, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter ein BEM angeboten hat, ob er damit einverstanden war oder nicht und welche konkreten Maßnahmen besprochen und umgesetzt wurden. Der Arbeitgeber muss außerdem sicherstellen, dass nur der berechtigte Personenkreis Zugriff auf die BEM-Akte hat.

Der Experte

Bertram Petzoldt ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht in der Kanzlei Prof. Dr. Queißer & Partner in Dresden.

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