Angst vor KI
Wer hat Angst vor ChatGPT? So reagieren Sie klug auf Unsicherheiten im Team

KI-Programme wie ChatGPT lösen bei vielen Ängste aus. Eine KI-Expertin und Psychologin erklärt, wie Führungskräfte damit umgehen sollten. Und wie sie verhindern, ungewollt selbst Ängste zu schüren.

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Angst vor KI
© Mensent Photography / Moment / Getty images

impulse: Frau Weitz, Sie sind Psychologin und Informatikerin ­­– wie erklären Sie sich, dass Programme wie ChatGPT bei vielen Menschen Ängste hervorrufen?

Katharina Weitz: ChatGPT markiert einen heftigen Umbruch. Denn das Programm zeigt: Künstliche Intelligenz ist keine Nischentechnologie mehr, mit der sich nur Universitäten oder Tech-Unternehmen befassen. Es ist keine spezialisierte Software, die für ein Unternehmen entwickelt wurde, um etwa Produktionsabläufe zu automatisieren. Sondern etwas, das in unseren Alltag eindringen und das Leben vieler Leute beeinflussen wird. ChatGPT ist unglaublich einfach zu benutzen: Jeder kann es verwenden, Jung wie Alt. Das macht es zum Thema in Gesprächen am Frühstückstisch. Und verdeutlicht damit: ChatGPT wird die Gesellschaft ganz sicher verändern.

Gerade, dass ChatGPT so einfach ist, schürt also Ängste?

In gewisser Weise ja. Wichtig zu wissen: Immer, wenn es eine neue Technik gibt, ist das mit Skepsis verbunden. Und das ist auch grundsätzlich gesund – weil Skepsis dazu führt, dass Menschen nicht zu allem Ja und Amen sagen, sondern sich Gedanken über die Konsequenzen machen. Im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz kommt dazu häufig die Furcht vor einem Kontrollverlust.

Also, platt gesprochen, die Angst, intelligente Maschinen könnten die Weltherrschaft übernehmen?

Genau. Einige Menschen haben das Gefühl, dass sich unsere Welt ein wenig der von Science-Fiction-Filmen angleicht, in denen autonome, selbstdenkende Maschinen eigene Wertevollstellungen und Bedürfnisse entwickeln, die nicht den unseren entsprechen. Diese Angst wird in gewisser Weise von Programmen wie ChatGPT befeuert: Jeder kann sehen, dass KI inzwischen elaboriert klingende Antworten generieren kann – etwas, was vor wenigen Monaten für die meisten noch unmöglich schien. Da kann man schon Angst davor bekommen, was die KI noch so kann und wo das hinführt. Das liegt aber nicht an der KI selber, sondern daran, dass Menschen sich nicht ausreichend damit beschäftigen.

Wie meinen Sie das?

Viele Menschen denken, ein KI-Programm wie ChatGPT lerne selbstständig, entwickle sich also eigenständig fort, könne sich Wissen aneignen, kreativ denken. Aber so ist es nicht: KI muss trainiert werden – und kann nur auf den Wissensfundus zurückgreifen, mit dem man sie gefüttert hat. Wer das nicht weiß, weil er sich nicht damit beschäftigt, überschätzt KI stark – und kann sich dann natürlich schnell davor ängstigen, welchen Einfluss sie auf das eigene Leben nehmen wird, besonders auch im beruflichen Kontext. Und sich Fragen stellen wie: Macht KI meine Arbeit überflüssig? Oder: Bin ich kompetent genug, um meinen Arbeitsplatz zu behalten, wenn KI kommt? Kann ich dann noch mithalten?

Die Expertin
Katharina WeitzKatharina Weitz ist Erzieherin, Psychologin und Informatikerin. Seit 2018 forscht sie an der Universität Augsburg zur Frage, wie sich Künstliche Intelligenz für Menschen nachvollziehbar gestalten lässt – und vermittelt Wissen zu Informatik und KI in Workshops, Vorträgen, Videos und Büchern.

Woran erkenne ich denn als Führungskraft, dass Teammitglieder solche Ängste plagen?

An der Art, wie sie mit dem Thema umgehen. Wichtig ist dabei, zwischen gesunder Skepsis und eher unguter Angst unterscheiden zu können.

Wie reagieren denn Menschen, die nicht nur skeptisch sind, sondern wirklich Angst haben?

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Es gibt in der Psychologie dieses Muster, wie Menschen auf Stress reagieren, also etwa, wenn sie Angst haben – fight, flight or freeze. Das heißt: Menschen kämpfen, flüchten oder stellen sich tot. Solche Reaktionen können auch Menschen zeigen, denen KI Angst macht. Wer dagegen ankämpft, lehnt die Technik oft proaktiv ab. Stellt Fragen wie: Wozu brauchen wir das – es läuft doch alles auch so prima? Oder weigert sich, die Programme anzuwenden, stöpselt manchmal sogar Maschinen aus, die mit KI arbeiten.

Wer dagegen flüchtet oder sich totstellt, zieht sich zurück. Versucht, den Umgang mit KI zu meiden. Und wirkt, wenn es nicht zu vermeiden ist, möglicherweise verzweifelt.

Gibt es noch ein Anzeichen, das zeigt: Hier ängstigt sich jemand?

Wenn eine Person sehr emotional wird, ist das oft ein Hinweis auf Angst. Ich selbst merke das häufig in Gesprächen nach einem Vortrag. Neulich kam eine Frau auf mich zu und sprach mich auf den offenen Brief an, in dem Prominente wie Elon Musk eine sechsmonatige Pause bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz gefordert hatten. Sie meinte: „Diesen Brief haben so viele berühmte Persönlichkeiten unterschrieben – heißt das, dass die KI gefährlich ist und alles übernehmen kann?“ Aus dieser Person hat ganz klar Angst gesprochen.

Auch wenn die Ablehnung der Technik extrem ist, zeigt das meist Angst an.

Im Unterschied zu Menschen, die nur skeptisch sind?

Genau. Skeptische Personen gehen leichter in den Austausch. Wenn Sie als Chefin diejenigen fragen würden, was sie möchten und was nicht, wo ihnen KI helfen kann und wo sicher nicht – dann könnten skeptische Menschen das formulieren. Sie würden Bedenken äußern, vielleicht auch viele, zugleich jedoch einen gewissen Pragmatismus zeigen: Sie würden überlegen, was sind die Chancen, was sind die Risiken. Und sie wären in der Lage, sich vertieft mit dem Thema auseinanderzusetzen. So etwas schaffen Menschen kaum, die etwa aus der Angst heraus agieren, die KI könnte sie überrollen oder ihre Arbeit übernehmen.

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Wie sollten Führungskräfte denn reagieren, wenn sie Ängste in ihrem Team bemerken?

Sie sollten die Ängste unbedingt ansprechen. Bei Führungsarbeit gilt ja das Motto: Störungen haben Vorrang – und Ängste sind so eine Störung. Wenn Sie die ignorieren, verschwinden sie deshalb nicht. Sondern brodeln vor sich hin und kommen irgendwann ungut zum Vorschein.

Wie zum Beispiel?

Etwa, wenn klar wird, dass einige die neuen KI-Systeme einfach nicht nutzen. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir vor kurzem eine Führungskraft erzählt hat. In einer Druckerei sollte eine KI dafür sorgen, dass der Drucker am Ende ein möglichst schönes Druckbild ausspuckt – die Mitarbeitenden hatten nur zu kontrollieren, ob das auch geklappt hat. Weil ein Mitarbeiter der KI aber nicht traute, hat er immer wieder vorher in den Ablauf eingegriffen. So dauerte es ewig, bis die Maschine kalibriert war. Und das Ergebnis war auch nicht perfekt.

Dieses Denken: „Ich kann das besser. Denn wenn es nicht so ist, bin ich bald meinen Job los“ kommt häufiger vor. Adressieren Führungskräfte so etwas nicht, belastet das nicht nur die Mitarbeitenden – sondern kann langfristig auch die Betriebsabläufe stören und dem Unternehmen schaden.

Wie spreche ich als Führungskraft Ängste am besten an, etwa beim Stichwort ChatGPT?

Indem Sie den offenen Austausch mit dem ganzen Team suchen. Also eine Möglichkeit schaffen, Ängste von sich aus ansprechen zu können. Als Chefin könnten Sie etwa sagen: „Hey, ChatGPT ist gerade in aller Munde, ich habe mir dazu auch Gedanken gemacht. Lasst uns mal darüber reden – mich interessiert, was ihr davon haltet.“ Oder Sie lassen Angestellte, die schon Expertise haben, einen Vortrag vorm gesamten Team halten – mit anschließender Fragerunde.

Je niedrigschwelliger der Austausch ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Leute ihre Bedenken zu dem Thema äußern. Und eben auch Ängste, wie etwa die Angst vor Arbeitsplatzverlust.

Das kann ja aber nur der erste Schritt sein, oder?

Klar. Abgesehen von einem solchen ersten Austausch sollten Sie die Menschen dazu bringen, sich mit der KI praktisch zu beschäftigen. Denn was wir nicht kennen, macht uns häufig besonders viel Angst. Umgekehrt baut sich die Angst oft ab, wenn wir uns dem nähern, was uns ängstigt. Deshalb empfehle ich als zweiten Schritt immer einen Workshop, in dem beispielsweise alle einmal ChatGPT ausprobieren können – und in dem gemeinsam überlegt wird, ob und wie man die KI im Unternehmen einsetzen könnte.

Auch kostenlose Online-Kurse sind eine gute Idee. Manche Mitarbeitende informieren sich lieber in einem eher privaten, geschützten Rahmen. Wichtig dabei: Auch für Online-Kurse sollten Sie genügend Arbeitszeit zur Verfügung stellen. Die Leute müssen genügend Raum haben, sich richtig einzuarbeiten. Sonst machen sie es sehr wahrscheinlich nicht. Es absolviert ja auch niemand in seiner Freizeit einen Erste-Hilfe-Kurs, nur weil im Unternehmen Ersthelfer gebraucht werden.

Warum ist es so wichtig, die Technik zu beherrschen – es geht bei Ängsten doch um ein Gefühl?

Sicher. Aber das Gefühl wird dann besonders heftig ausfallen, wenn dazu der Eindruck kommt, keine Kontrolle über die Technik zu haben. Diese Kontrolle bekommen wir zurück, wenn wir beispielsweise verstehen, was KI kann und was nicht. Wem klar wird, dass ChatGPT beispielsweise nicht strategisch denken kann und kein unternehmensspezifisches Wissen parat hat – es sei denn, es wurde damit trainiert –, der kommt von der Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, schnell zu einer realistischen Einschätzung der Lage. Etwa so: „Ok, Aspekt X und Aspekt Y meiner Tätigkeit wird ChatGPT vielleicht bald übernehmen können. Aspekt Z aber sicher nicht! Wie kann ich mich denn jetzt weiterbilden, um im Bereich Z einen noch sinnvolleren Beitrag leisten zu können?“

Was mache ich als Führungskraft, wenn ich merke: Jemand hat weiterhin Angst?

Dann wird es Zeit für ein Vier-Augen-Gespräch. Wenn sich eine Person beispielsweise weigert, KI zu verwenden, dann sollten Sie in diesem Gespräch Ihre Erwartungen klar kommunizieren und deutlich machen, dass es Konsequenzen haben wird, wenn es nicht geschieht. Das hat dann aber nichts mehr mit der KI an sich zu tun, sondern ist ein Führungsthema. Denn KI ist am Ende des Tages nur eine neue Technologie, so wie beispielsweise eine neue Buchhaltungssoftware. Und wenn Sie entschieden haben, dass diese genutzt wird, dann sollte jedes Teammitglied das auch umsetzen.

Wie kann ich verhindern, ungewollt selbst Ängste zu schüren oder zu verstärken?

Indem Sie Ihrem Team die Technik nicht einfach so vor die Nase setzen – etwa, weil Sie selbst so begeistert davon sind und in fünf Minuten zehn Einsatzmöglichkeiten für ChatGPT identifiziert haben. So ein „Wir machen das jetzt alle mal, weil das so cool ist“-Angang überfordert Angestellte schnell, ganz besonders jene, die KI eher skeptisch oder gar ängstlich gegenüberstehen.

Angenommen, ich finde KI und ChatGPT als Chefin selber total gruselig. Das sollte ich auch nicht sagen, richtig?

So extrem ausdrücken sollten Sie es nicht, nein. Bedenken und Skepsis sachlich vermitteln können Sie aber sehr wohl – für viele Angestellte ist es wahrscheinlich sogar erleichternd, zu merken, hey, der Chefin geht es auch nicht anders als mir. Sie müssen nur klarmachen, dass Sie sich trotzdem mit dem Thema KI auseinandersetzen. Als Chefin sind Sie das Role Model: Wenn Sie der Technik ein bisschen skeptisch gegenüberstehen, sie aber dennoch ausprobieren, dann überträgt sich diese Offenheit auf Ihre Mitarbeitende. Und manche denken vielleicht: „Wenn die Chefin ChatGPT dennoch benutzt, kann es ja auch mal versuchen.“

Also lieber ein wenig skeptisch als hyperbegeistert?

Das kann man so nicht sagen. Die Hauptsache ist: Nehmen Sie Ihre Teammitglieder mit. Bei einer Abrechnungssoftware etwa sagen Sie ja auch nicht: „Ich persönlich finde dieses Programm hier spitze, damit arbeitet ihr ab Montag – jetzt macht mal.“ Sondern Sie fragen nach, was Ihre Angestellten von einer solchen Software bräuchten, wo genau diese eingesetzt werden soll, was sie können muss – ehe Sie sie kaufen. Und wenn Sie sich dann entschieden haben, schulen Sie Ihre Teammitglieder und begleiten die Einführung der Software über ein paar Monate.

Nicht anders ist es mit KI: Auch da sollten Sie abfragen, was Ihre Angestellten denken, wo Sie Potenzial etwa für den Einsatz von ChatGPT sehen und wo Schwierigkeiten. Letzteres ist übrigens besonders wichtig für sehr begeisterte Führungskräfte: Die übersehen in ihrer Euphorie mögliche Probleme gern.

Haben Sie noch einen letzten Tipp, um das Team mitzunehmen?

Versuchen Sie, ein bisschen Leichtigkeit in das Thema zu bringen, es unterhaltsam zu gestalten. Auf diese Weise gelingt es leichter, alle ein bisschen zu erden. Also klarzumachen: KI-Programme wie ChatGPT sind ein Werkzeug – nicht ein System, das das Leben der einzelnen bedroht. Hinzu kommt: Wer lacht, kann nicht gleichzeitig Angst haben.

Wie sorgen Sie selbst für Leichtigkeit bei dem Thema?

Vorträge zu ChatGPT fange ich immer damit an, dass ich die KI auffordere, ein Gedicht über ein Butterbrot zu schreiben – im Stil von Goethe. Das kommt meist sehr gut an, weil das Ergebnis natürlich lustig ist.

impulse: Frau Weitz, Sie sind Psychologin und Informatikerin ­­– wie erklären Sie sich, dass Programme wie ChatGPT bei vielen Menschen Ängste hervorrufen? Katharina Weitz: ChatGPT markiert einen heftigen Umbruch. Denn das Programm zeigt: Künstliche Intelligenz ist keine Nischentechnologie mehr, mit der sich nur Universitäten oder Tech-Unternehmen befassen. Es ist keine spezialisierte Software, die für ein Unternehmen entwickelt wurde, um etwa Produktionsabläufe zu automatisieren. Sondern etwas, das in unseren Alltag eindringen und das Leben vieler Leute beeinflussen wird. ChatGPT ist unglaublich einfach zu benutzen: Jeder kann es verwenden, Jung wie Alt. Das macht es zum Thema in Gesprächen am Frühstückstisch. Und verdeutlicht damit: ChatGPT wird die Gesellschaft ganz sicher verändern. Gerade, dass ChatGPT so einfach ist, schürt also Ängste? In gewisser Weise ja. Wichtig zu wissen: Immer, wenn es eine neue Technik gibt, ist das mit Skepsis verbunden. Und das ist auch grundsätzlich gesund – weil Skepsis dazu führt, dass Menschen nicht zu allem Ja und Amen sagen, sondern sich Gedanken über die Konsequenzen machen. Im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz kommt dazu häufig die Furcht vor einem Kontrollverlust. Also, platt gesprochen, die Angst, intelligente Maschinen könnten die Weltherrschaft übernehmen? Genau. Einige Menschen haben das Gefühl, dass sich unsere Welt ein wenig der von Science-Fiction-Filmen angleicht, in denen autonome, selbstdenkende Maschinen eigene Wertevollstellungen und Bedürfnisse entwickeln, die nicht den unseren entsprechen. Diese Angst wird in gewisser Weise von Programmen wie ChatGPT befeuert: Jeder kann sehen, dass KI inzwischen elaboriert klingende Antworten generieren kann – etwas, was vor wenigen Monaten für die meisten noch unmöglich schien. Da kann man schon Angst davor bekommen, was die KI noch so kann und wo das hinführt. Das liegt aber nicht an der KI selber, sondern daran, dass Menschen sich nicht ausreichend damit beschäftigen. Wie meinen Sie das? Viele Menschen denken, ein KI-Programm wie ChatGPT lerne selbstständig, entwickle sich also eigenständig fort, könne sich Wissen aneignen, kreativ denken. Aber so ist es nicht: KI muss trainiert werden – und kann nur auf den Wissensfundus zurückgreifen, mit dem man sie gefüttert hat. Wer das nicht weiß, weil er sich nicht damit beschäftigt, überschätzt KI stark – und kann sich dann natürlich schnell davor ängstigen, welchen Einfluss sie auf das eigene Leben nehmen wird, besonders auch im beruflichen Kontext. Und sich Fragen stellen wie: Macht KI meine Arbeit überflüssig? Oder: Bin ich kompetent genug, um meinen Arbeitsplatz zu behalten, wenn KI kommt? Kann ich dann noch mithalten? [zur-person] Woran erkenne ich denn als Führungskraft, dass Teammitglieder solche Ängste plagen? An der Art, wie sie mit dem Thema umgehen. Wichtig ist dabei, zwischen gesunder Skepsis und eher unguter Angst unterscheiden zu können. Wie reagieren denn Menschen, die nicht nur skeptisch sind, sondern wirklich Angst haben? Es gibt in der Psychologie dieses Muster, wie Menschen auf Stress reagieren, also etwa, wenn sie Angst haben – fight, flight or freeze. Das heißt: Menschen kämpfen, flüchten oder stellen sich tot. Solche Reaktionen können auch Menschen zeigen, denen KI Angst macht. Wer dagegen ankämpft, lehnt die Technik oft proaktiv ab. Stellt Fragen wie: Wozu brauchen wir das – es läuft doch alles auch so prima? Oder weigert sich, die Programme anzuwenden, stöpselt manchmal sogar Maschinen aus, die mit KI arbeiten. Wer dagegen flüchtet oder sich totstellt, zieht sich zurück. Versucht, den Umgang mit KI zu meiden. Und wirkt, wenn es nicht zu vermeiden ist, möglicherweise verzweifelt. Gibt es noch ein Anzeichen, das zeigt: Hier ängstigt sich jemand? Wenn eine Person sehr emotional wird, ist das oft ein Hinweis auf Angst. Ich selbst merke das häufig in Gesprächen nach einem Vortrag. Neulich kam eine Frau auf mich zu und sprach mich auf den offenen Brief an, in dem Prominente wie Elon Musk eine sechsmonatige Pause bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz gefordert hatten. Sie meinte: „Diesen Brief haben so viele berühmte Persönlichkeiten unterschrieben – heißt das, dass die KI gefährlich ist und alles übernehmen kann?“ Aus dieser Person hat ganz klar Angst gesprochen. Auch wenn die Ablehnung der Technik extrem ist, zeigt das meist Angst an. Im Unterschied zu Menschen, die nur skeptisch sind? Genau. Skeptische Personen gehen leichter in den Austausch. Wenn Sie als Chefin diejenigen fragen würden, was sie möchten und was nicht, wo ihnen KI helfen kann und wo sicher nicht – dann könnten skeptische Menschen das formulieren. Sie würden Bedenken äußern, vielleicht auch viele, zugleich jedoch einen gewissen Pragmatismus zeigen: Sie würden überlegen, was sind die Chancen, was sind die Risiken. Und sie wären in der Lage, sich vertieft mit dem Thema auseinanderzusetzen. So etwas schaffen Menschen kaum, die etwa aus der Angst heraus agieren, die KI könnte sie überrollen oder ihre Arbeit übernehmen. [mehr-zum-thema] Wie sollten Führungskräfte denn reagieren, wenn sie Ängste in ihrem Team bemerken? Sie sollten die Ängste unbedingt ansprechen. Bei Führungsarbeit gilt ja das Motto: Störungen haben Vorrang – und Ängste sind so eine Störung. Wenn Sie die ignorieren, verschwinden sie deshalb nicht. Sondern brodeln vor sich hin und kommen irgendwann ungut zum Vorschein. Wie zum Beispiel? Etwa, wenn klar wird, dass einige die neuen KI-Systeme einfach nicht nutzen. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir vor kurzem eine Führungskraft erzählt hat. In einer Druckerei sollte eine KI dafür sorgen, dass der Drucker am Ende ein möglichst schönes Druckbild ausspuckt – die Mitarbeitenden hatten nur zu kontrollieren, ob das auch geklappt hat. Weil ein Mitarbeiter der KI aber nicht traute, hat er immer wieder vorher in den Ablauf eingegriffen. So dauerte es ewig, bis die Maschine kalibriert war. Und das Ergebnis war auch nicht perfekt. Dieses Denken: „Ich kann das besser. Denn wenn es nicht so ist, bin ich bald meinen Job los“ kommt häufiger vor. Adressieren Führungskräfte so etwas nicht, belastet das nicht nur die Mitarbeitenden – sondern kann langfristig auch die Betriebsabläufe stören und dem Unternehmen schaden. Wie spreche ich als Führungskraft Ängste am besten an, etwa beim Stichwort ChatGPT? Indem Sie den offenen Austausch mit dem ganzen Team suchen. Also eine Möglichkeit schaffen, Ängste von sich aus ansprechen zu können. Als Chefin könnten Sie etwa sagen: „Hey, ChatGPT ist gerade in aller Munde, ich habe mir dazu auch Gedanken gemacht. Lasst uns mal darüber reden – mich interessiert, was ihr davon haltet.“ Oder Sie lassen Angestellte, die schon Expertise haben, einen Vortrag vorm gesamten Team halten – mit anschließender Fragerunde. Je niedrigschwelliger der Austausch ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Leute ihre Bedenken zu dem Thema äußern. Und eben auch Ängste, wie etwa die Angst vor Arbeitsplatzverlust. Das kann ja aber nur der erste Schritt sein, oder? Klar. Abgesehen von einem solchen ersten Austausch sollten Sie die Menschen dazu bringen, sich mit der KI praktisch zu beschäftigen. Denn was wir nicht kennen, macht uns häufig besonders viel Angst. Umgekehrt baut sich die Angst oft ab, wenn wir uns dem nähern, was uns ängstigt. Deshalb empfehle ich als zweiten Schritt immer einen Workshop, in dem beispielsweise alle einmal ChatGPT ausprobieren können – und in dem gemeinsam überlegt wird, ob und wie man die KI im Unternehmen einsetzen könnte. Auch kostenlose Online-Kurse sind eine gute Idee. Manche Mitarbeitende informieren sich lieber in einem eher privaten, geschützten Rahmen. Wichtig dabei: Auch für Online-Kurse sollten Sie genügend Arbeitszeit zur Verfügung stellen. Die Leute müssen genügend Raum haben, sich richtig einzuarbeiten. Sonst machen sie es sehr wahrscheinlich nicht. Es absolviert ja auch niemand in seiner Freizeit einen Erste-Hilfe-Kurs, nur weil im Unternehmen Ersthelfer gebraucht werden. Warum ist es so wichtig, die Technik zu beherrschen – es geht bei Ängsten doch um ein Gefühl? Sicher. Aber das Gefühl wird dann besonders heftig ausfallen, wenn dazu der Eindruck kommt, keine Kontrolle über die Technik zu haben. Diese Kontrolle bekommen wir zurück, wenn wir beispielsweise verstehen, was KI kann und was nicht. Wem klar wird, dass ChatGPT beispielsweise nicht strategisch denken kann und kein unternehmensspezifisches Wissen parat hat – es sei denn, es wurde damit trainiert –, der kommt von der Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, schnell zu einer realistischen Einschätzung der Lage. Etwa so: „Ok, Aspekt X und Aspekt Y meiner Tätigkeit wird ChatGPT vielleicht bald übernehmen können. Aspekt Z aber sicher nicht! Wie kann ich mich denn jetzt weiterbilden, um im Bereich Z einen noch sinnvolleren Beitrag leisten zu können?“ Was mache ich als Führungskraft, wenn ich merke: Jemand hat weiterhin Angst? Dann wird es Zeit für ein Vier-Augen-Gespräch. Wenn sich eine Person beispielsweise weigert, KI zu verwenden, dann sollten Sie in diesem Gespräch Ihre Erwartungen klar kommunizieren und deutlich machen, dass es Konsequenzen haben wird, wenn es nicht geschieht. Das hat dann aber nichts mehr mit der KI an sich zu tun, sondern ist ein Führungsthema. Denn KI ist am Ende des Tages nur eine neue Technologie, so wie beispielsweise eine neue Buchhaltungssoftware. Und wenn Sie entschieden haben, dass diese genutzt wird, dann sollte jedes Teammitglied das auch umsetzen. Wie kann ich verhindern, ungewollt selbst Ängste zu schüren oder zu verstärken? Indem Sie Ihrem Team die Technik nicht einfach so vor die Nase setzen – etwa, weil Sie selbst so begeistert davon sind und in fünf Minuten zehn Einsatzmöglichkeiten für ChatGPT identifiziert haben. So ein „Wir machen das jetzt alle mal, weil das so cool ist“-Angang überfordert Angestellte schnell, ganz besonders jene, die KI eher skeptisch oder gar ängstlich gegenüberstehen. Angenommen, ich finde KI und ChatGPT als Chefin selber total gruselig. Das sollte ich auch nicht sagen, richtig? So extrem ausdrücken sollten Sie es nicht, nein. Bedenken und Skepsis sachlich vermitteln können Sie aber sehr wohl – für viele Angestellte ist es wahrscheinlich sogar erleichternd, zu merken, hey, der Chefin geht es auch nicht anders als mir. Sie müssen nur klarmachen, dass Sie sich trotzdem mit dem Thema KI auseinandersetzen. Als Chefin sind Sie das Role Model: Wenn Sie der Technik ein bisschen skeptisch gegenüberstehen, sie aber dennoch ausprobieren, dann überträgt sich diese Offenheit auf Ihre Mitarbeitende. Und manche denken vielleicht: „Wenn die Chefin ChatGPT dennoch benutzt, kann es ja auch mal versuchen.“ Also lieber ein wenig skeptisch als hyperbegeistert? Das kann man so nicht sagen. Die Hauptsache ist: Nehmen Sie Ihre Teammitglieder mit. Bei einer Abrechnungssoftware etwa sagen Sie ja auch nicht: „Ich persönlich finde dieses Programm hier spitze, damit arbeitet ihr ab Montag – jetzt macht mal.“ Sondern Sie fragen nach, was Ihre Angestellten von einer solchen Software bräuchten, wo genau diese eingesetzt werden soll, was sie können muss – ehe Sie sie kaufen. Und wenn Sie sich dann entschieden haben, schulen Sie Ihre Teammitglieder und begleiten die Einführung der Software über ein paar Monate. Nicht anders ist es mit KI: Auch da sollten Sie abfragen, was Ihre Angestellten denken, wo Sie Potenzial etwa für den Einsatz von ChatGPT sehen und wo Schwierigkeiten. Letzteres ist übrigens besonders wichtig für sehr begeisterte Führungskräfte: Die übersehen in ihrer Euphorie mögliche Probleme gern. Haben Sie noch einen letzten Tipp, um das Team mitzunehmen? Versuchen Sie, ein bisschen Leichtigkeit in das Thema zu bringen, es unterhaltsam zu gestalten. Auf diese Weise gelingt es leichter, alle ein bisschen zu erden. Also klarzumachen: KI-Programme wie ChatGPT sind ein Werkzeug – nicht ein System, das das Leben der einzelnen bedroht. Hinzu kommt: Wer lacht, kann nicht gleichzeitig Angst haben. Wie sorgen Sie selbst für Leichtigkeit bei dem Thema? Vorträge zu ChatGPT fange ich immer damit an, dass ich die KI auffordere, ein Gedicht über ein Butterbrot zu schreiben – im Stil von Goethe. Das kommt meist sehr gut an, weil das Ergebnis natürlich lustig ist.