Dunning-Kruger-Effekt
“Ich kann alles!“ So kontern Sie Selbstüberschätzung im Team

Wer sich ständig selbst überschätzt, leidet vermutlich unter dem Dunning-Kruger-Effekt. Wie Chefs mit betroffenen Mitarbeitern umgehen – oder zumindest sich selbst davon befreien.

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Dunning-Kruger-Effekt
© MirageC / Moment / Gettyimages

Sie halten sich selbst für genial – doch die Leistung der Mitarbeiter ist eher mau? In der Psychologie gibt es für das Phänomen der Selbstüberschätzung einen Fachbegriff: Den Dunning-Kruger-Effekt. Er besagt, dass sich wenig kompetente Menschen im Vergleich zu anderen für überdurchschnittlich fähig halten.

Gerade im Arbeitsleben kann das natürlich zu Missstimmung im Team führen oder ganz konkret den Unternehmenserfolg gefährden, wenn Anforderungen nicht, oder nur schlecht, erfüllt werden. Wie also mit einem Dunning-Kruger-Fall im eigenen Team umgehen? Können Sie schon im Bewerbungsgespräch erkennen, ob ein Kandidat zur Selbstüberschätzung neigt? Und wie merke ich selbst, ob ich meine Fähigkeiten überschätze? Zwei Personalexperten geben Antworten.

Das ist der Dunning-Kruger-Effekt

Die beiden Psychologen Dunning und Kruger testeten im Jahr 1999 erstmals ihren Verdacht, dass Inkompetenz oft mit einer verzerrten Einschätzung des eigenen Könnens einhergeht ein. In vier Experimenten mussten Studierenden Aufgaben in den Bereichen Humor, logisches Denken und englische Grammatik lösen –  und danach ihre eigene Leistung bewerten.

Ihre Ergebnisse fassten die beiden Psychologen so zusammen: Menschen mit dem geringsten Wissen, überschätzen ihre Kompetenz am meisten. Gleichzeitig sind sie aber nicht in der Lage, ihre mangelnden Fähigkeiten zu erkennen – und weil sie ihre Wissenslücken nicht erkennen, sind sie auch nicht motiviert, diese zu schließen. Menschen, die auf einem Gebiet besondere Experten sind, unterschätzen sich dagegen sogar oft. Ihre überlegene Kompetenz wird von den weniger Fähigen zudem unterschätzt.

Warum Selbstüberschätzung zum Selbstbild gehört

„Eine Erklärung für den Dunning-Kruger-Effekt ist, dass Menschen mit besonders geringer Qualifikation das Grundwissen fehlt, um zu erkennen, wie komplex eine Aufgabe wirklich ist“, erklärt Psychologieprofessor Uwe Kanning.

Das Phänomen ist weit verbreitet und in vielen Studien belegt. Tatsächlich schätzt sich ein Großteil der Menschen laufend positiver und leistungsfähiger ein als sie sind.  „In den Experimenten von Dunning und Kruger hat sich rund die Hälfte der Probanden selbst überschätzt, bei etwa einem Viertel kamen besondere Inkompetenz und Selbstüberschätzung zusammen“, sagt der Psychologieprofessor. „Im Alltag gehen wir daher von einer ähnlichen Verbreitung in der Bevölkerung aus.“

Die Experten
Prof. Dr. Uwe Kanning lehrt als Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück. Er beschäftigt sich unter anderem mit den Themen Personalauswahl, Eignungsdiagnostik und Soziale Kompetenz.
 
Susanne Delfs ist Inhaberin von Delfs & Kollegen, einer Personal- und Organisationsberatung aus Neu-Ulm. Sie berät Unternehmer unter anderem beim Onboarding, in der Konfliktmoderation oder bei Teamtrainings.

Ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung gehört zu unserem Selbstbild. „Menschen verfolgen unbewusst viele Strategien, um ihren Selbstwert zu bestätigen oder zu erhalten. Wenn uns etwas nicht gelingt, suchen wir die Schuld meist bei äußeren Faktoren. Erleben wir Erfolge, glauben wir eher, dass wir selbst dafür verantwortlich sind“, erklärt Kanning.

Wann Chefs hellhörig werden sollten

Tatsächlich kann sich der Dunning-Kruger-Effekt zunächst sogar positiv auf die Karriere auswirken. Denn die Unerfahrenen treten ja besonders selbstbewusst auf und überzeugen damit ihr Umfeld – auch wenn ihnen eigentlich die Fähigkeiten fehlen.  Oder sie sind mutig genug, Aufgaben zu übernehmen, für die sie eigentlich nicht qualifiziert sind.

Schwierig wird es, wenn große Inkompetenz auf große Selbstverliebtheit trifft. So sind Narzissten häufiger als andere Gruppen vom Dunning-Kruger-Effekt betroffen. Solche Mitarbeiter können dann auch leicht die Motivation des gesamten Teams gefährden und es kann zu Konflikten kommen. Eher introvertierte Mitarbeiter fühlen sich von den Überselbstbewussten bedrängt und ziehen sich zurück. „Wenn der inkompetente, aber selbstbewusste Mitarbeiter dann auch noch besonders herausfordernde Projekte bekommt, die er nicht so gut erledigt, schleicht sich schnell schlechte Stimmung ein“, sagt Coach Susanne Delfs.

Die „Anfängerblase“ der Selbstüberschätzung

Ob die Schere zwischen Selbsteinschätzung und Kompetenz auseinanderklafft, hat laut Delfs aber auch mit der Sozialisation von Menschen zu tun. Viele Chefs glauben zum Beispiel, dass die Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten bei der Generation Z fast schon zum Standard gehört. „Die meisten Mitglieder der Generation Z haben von ihren Eltern und Großeltern viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als die Generation vor ihnen. Gleichzeitig sind die Erwartungen an ihren beruflichen Werdegang im Familien- und Freundeskreis sehr hoch“, sagt Delfs. Junge Menschen seien daher zwar sehr selbstbewusst und wüssten um ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt.  Gleichzeitig fehle ihnen aber oft ein realistischer Bezugsrahmen, um ihre tatsächlichen Kompetenzen einschätzen zu können.

Dass sich gerade Berufseinsteiger überschätzen, ohne ihre Wissenslücken zu bemerken, hatte Dunning bereits in einer späteren Studie nachgewiesen. Er nannte das die „Anfängerblase der Selbstüberschätzung“. Den Anfänger reicht schon ein bisschen Erfahrung und schon übersteigt die Selbsteinschätzung die eigentliche Leistung. Die gute Nachricht für genervte Chefs: Mit dem Lernzuwachs nimmt der Effekt auch wieder ab.

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Mit Feedback aus der Selbstüberschätzungsfalle

Wie aber nun mit Mitarbeitern umgehen, die sich wirklich gnadenlos selbst überschätzen – und damit auch den Erfolg des Unternehmens gefährden?

Jeder Chef träumt zwar von einem selbstreflektierten und -organisierten Mitarbeiter. Doch einem Angestellten mit einer völlig überzogenen Selbsteinschätzung kann man nicht durch ein einmaliges Coaching dazu bringen, eine realistische Wahrnehmung seiner Kompetenzen zu entwickeln. „Aus der Forschung wissen wir: Grundlegende Verhaltensweisen oder Einstellungen eines Mitarbeiters verändern zu wollen, gelingt eher selten – und ist ein sehr langwieriges Unterfangen“, sagt Psychologieprofessor Uwe Kanning.

Schnelleren Erfolg verspricht nach Ansicht der Experten ein Vorgehen in kleinen Schritten. Da der Dunning-Kruger-Effekt dazu führt, dass Menschen ihre Inkompetenz nicht erkennen, sehen sie auch keinen Grund, Wissenslücken zu schließen. Daher ist es wichtig, zunächst einen Rahmen für die Selbsteinschätzung zu schaffen, bevor Fähigkeiten trainiert werden können.

Schritt 1: Klares Feedback geben

Coachin Delfs rät bei besonders übertriebener Selbstbeweihräucherung zu einem Feedback, das Realität und Selbstbild wieder in Einklang bringt. „Wenn jemand von einer bombastischen Leistung spricht, dann klären Sie zunächst, was Sie eigentlich mit „bombastisch“ meinen – und betonen Sie gleichzeitig, was an der erbrachten Leistung schon gut war.“  Denn die „warme Dusche“ aus Lob mildert den Schock der Kritik. So fällt es dem Mitarbeiter leichter, sie anzunehmen. Im nächsten Schritt sollte gemeinsam durchgesprochen werden, was zu einer „bombastischen“ Leistung noch fehlt – und Hilfe angeboten werden, wie diese Ziele erreicht werden können.

Das Feedback sollte außerdem auf konkrete Prozesse oder Ergebnisse bezogen sein und ohne Schuldzuweisungen auskommen. „Menschen mit ihrem Scheitern zu konfrontieren, bringt nichts, die machen nur emotional zu“, sagt Uwe Kanning. Besser sei es, die eigenen Beobachtungen mitzuteilen und konkrete Verbesserungsvorschläge zu geben.

Eine gute Feedback-Kultur könne aber nur von oben nach unten aufgebaut werden. „Dazu müssen die Führungspositionen im Unternehmen mit Menschen besetzt werden, die über eine gute Selbstreflexion verfügen“, sagt Kanning. Die gelebte Praxis der Führungsmannschaft sei entscheidend.

Schritt 2: Fachwissen nachschulen

Hat man gemeinsam mit dem Mitarbeiter Wissenslücken identifiziert, müssen diese natürlich auch geschlossen werden, etwa durch konkreter Fortbildung. Denn der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt auch, dass Menschen verstehen, dass sie Fehler machen, sobald sie ihr Wissen erweitern.

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Das Problem: In vielen Unternehmen entfällt schon der erste Schritt, weil es gar keine Feedback-Kultur gibt. „Wenn ich keine Rückmeldung bekomme, gehe ich als Mensch aber davon aus, dass ich alles richtig mache“, sagt Susanne Delfs. Selbstüberschätzung kann daher auch bei langjährigen Mitarbeitern in einer feedbackarmen Unternehmenskultur entstehen.

Wie Sie Tendenzen im Bewerbungsgespräch aufdecken

Am besten ist es natürlich, erst gar nicht auf Mitarbeiter zu setzen, die ihre eigenen Kompetenzen radikal überschätzen. „Bei der Personalauswahl sollte man auf jeden Fall auf die Fähigkeit zur Selbstreflexion achten“, sagt Kanning. Testen kann man das beispielsweise, wenn Kandidaten Arbeitsproben erledigen oder bei Rollenspielen in einem Assessment Center – eben da, wo man Verhalten beobachten kann.

„Wenn sie dann den Bewerber bitten, die eigene Leistung selbst einzuschätzen, bekommen Sie schon einen guten Eindruck, wie weit seine Einschätzung von ihrer Beobachtung entfernt ist“, sagt Kanning. Dabei muss aber der Stressfaktor der Bewerbungssituation sowie die grundsätzliche Tendenz zu Selbstüberschätzung im Bewerbungsgespräch einkalkuliert werden.

Coachin Susanne Delfs setzt in ihrer Beratungspraxis auf die klassischen Fragen nach Stärken und Schwächen – auch wenn die bekanntermaßen von den Bewerbern im Vorhinein eintrainiert werden. „Wichtig ist dann, nach konkreten Situationen und möglichst vielen Details zu fragen.“ Die verraten etwas darüber, ob es sich um die echte Reflektion einer Situation handelt – oder ob die Antwort auswendig gelernt wurde.

Dunning-Kruger-Effekt: So erkennen Sie Warnsignale an sich selbst

Besonders gefährlich ist es aus Kannings Sicht, wenn sich Führungskräfte im Dunning-Kruger-Stil überschätzen. „Der Effekt kann besonders gravierende Folgen haben, wenn Menschen in wichtigen Positionen Entscheidungen treffen, denn auch gut ausgebildete Menschen sind vor dieser Form der Selbstüberschätzung nicht gefeit, wenn sie sich neuen Aufgaben stellen“, sagt er.

Wer nur Metakompetenzen, aber kein Fachwissen in einem Thema hat, sollte auch nicht alleine Entscheidungen treffen – sondern gezielt kompetentere Kollegen einbinden. „Eine gute Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass sie bereit ist, von Mitarbeitern zu lernen, die über mehr Wissen und Erfahrung verfügen – auch wenn die in der Hierarchie unter ihnen stehen“, sagt Kanning.

Ob man als Chef selbst falsch liegt, ist allerdings schwer zu erkennen – denn offene Kritik am Boss wird in den meisten Unternehmen eher nicht geäußert. Eine Serie von Fehlentscheidungen kann laut Kanning ein erstes Warnsignal sein. Fragen Sie sich dann: Habe ich diese Entscheidungen alleine, vielleicht sogar entgegen des Rats enger Mitarbeiter getroffen? Hatte ich genug Informationen, um mein mögliches Scheitern absehen zu können? „Ihr Ziel sollte es sein, kompetent genug zu werden, um die eigene Inkompetenz zu reflektieren“, sagt Kanning.

Fangen Mitarbeiter an, den Kontakt zu meiden, ist das ein besonders radikaler Weckruf. „Wenn sich Menschen aus einer Beziehung zurückziehen, hat das immer einen Grund“, sagt Coachin Susanne Delfs. „Oft wird die Kritik, die niemand offen aussprechen will, dann auch in zynische Bemerkungen oder ironische Kommentare verpackt.“

In solchen Situationen kann ein Feedback helfen, bei dem das gesamte berufliche Umfeld anonym befragt wird, um ehrliche Antworten zu bekommen. Man spricht hier vom 360-Grad-Feedback, das allerdings auch mit großem Aufwand verbunden ist.

Der direktere Weg, um an eine ungeschminkte Rückmeldung zu kommen: Fragen Sie Freunde und Vertraute explizit danach. Denn auch für Chefs gilt: Den Schattenseiten des Dunning-Kruger-Effekts entkommt man nur durch schonungslose Selbstreflexion.

Sie halten sich selbst für genial - doch die Leistung der Mitarbeiter ist eher mau? In der Psychologie gibt es für das Phänomen der Selbstüberschätzung einen Fachbegriff: Den Dunning-Kruger-Effekt. Er besagt, dass sich wenig kompetente Menschen im Vergleich zu anderen für überdurchschnittlich fähig halten. Gerade im Arbeitsleben kann das natürlich zu Missstimmung im Team führen oder ganz konkret den Unternehmenserfolg gefährden, wenn Anforderungen nicht, oder nur schlecht, erfüllt werden. Wie also mit einem Dunning-Kruger-Fall im eigenen Team umgehen? Können Sie schon im Bewerbungsgespräch erkennen, ob ein Kandidat zur Selbstüberschätzung neigt? Und wie merke ich selbst, ob ich meine Fähigkeiten überschätze? Zwei Personalexperten geben Antworten. Das ist der Dunning-Kruger-Effekt Die beiden Psychologen Dunning und Kruger testeten im Jahr 1999 erstmals ihren Verdacht, dass Inkompetenz oft mit einer verzerrten Einschätzung des eigenen Könnens einhergeht ein. In vier Experimenten mussten Studierenden Aufgaben in den Bereichen Humor, logisches Denken und englische Grammatik lösen -  und danach ihre eigene Leistung bewerten. Ihre Ergebnisse fassten die beiden Psychologen so zusammen: Menschen mit dem geringsten Wissen, überschätzen ihre Kompetenz am meisten. Gleichzeitig sind sie aber nicht in der Lage, ihre mangelnden Fähigkeiten zu erkennen – und weil sie ihre Wissenslücken nicht erkennen, sind sie auch nicht motiviert, diese zu schließen. Menschen, die auf einem Gebiet besondere Experten sind, unterschätzen sich dagegen sogar oft. Ihre überlegene Kompetenz wird von den weniger Fähigen zudem unterschätzt. Warum Selbstüberschätzung zum Selbstbild gehört „Eine Erklärung für den Dunning-Kruger-Effekt ist, dass Menschen mit besonders geringer Qualifikation das Grundwissen fehlt, um zu erkennen, wie komplex eine Aufgabe wirklich ist“, erklärt Psychologieprofessor Uwe Kanning. Das Phänomen ist weit verbreitet und in vielen Studien belegt. Tatsächlich schätzt sich ein Großteil der Menschen laufend positiver und leistungsfähiger ein als sie sind.  „In den Experimenten von Dunning und Kruger hat sich rund die Hälfte der Probanden selbst überschätzt, bei etwa einem Viertel kamen besondere Inkompetenz und Selbstüberschätzung zusammen“, sagt der Psychologieprofessor. „Im Alltag gehen wir daher von einer ähnlichen Verbreitung in der Bevölkerung aus.“ [zur-person] Ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung gehört zu unserem Selbstbild. „Menschen verfolgen unbewusst viele Strategien, um ihren Selbstwert zu bestätigen oder zu erhalten. Wenn uns etwas nicht gelingt, suchen wir die Schuld meist bei äußeren Faktoren. Erleben wir Erfolge, glauben wir eher, dass wir selbst dafür verantwortlich sind“, erklärt Kanning. Wann Chefs hellhörig werden sollten Tatsächlich kann sich der Dunning-Kruger-Effekt zunächst sogar positiv auf die Karriere auswirken. Denn die Unerfahrenen treten ja besonders selbstbewusst auf und überzeugen damit ihr Umfeld - auch wenn ihnen eigentlich die Fähigkeiten fehlen.  Oder sie sind mutig genug, Aufgaben zu übernehmen, für die sie eigentlich nicht qualifiziert sind. Schwierig wird es, wenn große Inkompetenz auf große Selbstverliebtheit trifft. So sind Narzissten häufiger als andere Gruppen vom Dunning-Kruger-Effekt betroffen. Solche Mitarbeiter können dann auch leicht die Motivation des gesamten Teams gefährden und es kann zu Konflikten kommen. Eher introvertierte Mitarbeiter fühlen sich von den Überselbstbewussten bedrängt und ziehen sich zurück. „Wenn der inkompetente, aber selbstbewusste Mitarbeiter dann auch noch besonders herausfordernde Projekte bekommt, die er nicht so gut erledigt, schleicht sich schnell schlechte Stimmung ein“, sagt Coach Susanne Delfs. Die „Anfängerblase“ der Selbstüberschätzung Ob die Schere zwischen Selbsteinschätzung und Kompetenz auseinanderklafft, hat laut Delfs aber auch mit der Sozialisation von Menschen zu tun. Viele Chefs glauben zum Beispiel, dass die Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten bei der Generation Z fast schon zum Standard gehört. „Die meisten Mitglieder der Generation Z haben von ihren Eltern und Großeltern viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als die Generation vor ihnen. Gleichzeitig sind die Erwartungen an ihren beruflichen Werdegang im Familien- und Freundeskreis sehr hoch“, sagt Delfs. Junge Menschen seien daher zwar sehr selbstbewusst und wüssten um ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt.  Gleichzeitig fehle ihnen aber oft ein realistischer Bezugsrahmen, um ihre tatsächlichen Kompetenzen einschätzen zu können. Dass sich gerade Berufseinsteiger überschätzen, ohne ihre Wissenslücken zu bemerken, hatte Dunning bereits in einer späteren Studie nachgewiesen. Er nannte das die „Anfängerblase der Selbstüberschätzung“. Den Anfänger reicht schon ein bisschen Erfahrung und schon übersteigt die Selbsteinschätzung die eigentliche Leistung. Die gute Nachricht für genervte Chefs: Mit dem Lernzuwachs nimmt der Effekt auch wieder ab. Mit Feedback aus der Selbstüberschätzungsfalle Wie aber nun mit Mitarbeitern umgehen, die sich wirklich gnadenlos selbst überschätzen – und damit auch den Erfolg des Unternehmens gefährden? Jeder Chef träumt zwar von einem selbstreflektierten und -organisierten Mitarbeiter. Doch einem Angestellten mit einer völlig überzogenen Selbsteinschätzung kann man nicht durch ein einmaliges Coaching dazu bringen, eine realistische Wahrnehmung seiner Kompetenzen zu entwickeln. „Aus der Forschung wissen wir: Grundlegende Verhaltensweisen oder Einstellungen eines Mitarbeiters verändern zu wollen, gelingt eher selten - und ist ein sehr langwieriges Unterfangen“, sagt Psychologieprofessor Uwe Kanning. Schnelleren Erfolg verspricht nach Ansicht der Experten ein Vorgehen in kleinen Schritten. Da der Dunning-Kruger-Effekt dazu führt, dass Menschen ihre Inkompetenz nicht erkennen, sehen sie auch keinen Grund, Wissenslücken zu schließen. Daher ist es wichtig, zunächst einen Rahmen für die Selbsteinschätzung zu schaffen, bevor Fähigkeiten trainiert werden können. Schritt 1: Klares Feedback geben Coachin Delfs rät bei besonders übertriebener Selbstbeweihräucherung zu einem Feedback, das Realität und Selbstbild wieder in Einklang bringt. „Wenn jemand von einer bombastischen Leistung spricht, dann klären Sie zunächst, was Sie eigentlich mit „bombastisch“ meinen - und betonen Sie gleichzeitig, was an der erbrachten Leistung schon gut war.“  Denn die „warme Dusche“ aus Lob mildert den Schock der Kritik. So fällt es dem Mitarbeiter leichter, sie anzunehmen. Im nächsten Schritt sollte gemeinsam durchgesprochen werden, was zu einer „bombastischen“ Leistung noch fehlt - und Hilfe angeboten werden, wie diese Ziele erreicht werden können. Das Feedback sollte außerdem auf konkrete Prozesse oder Ergebnisse bezogen sein und ohne Schuldzuweisungen auskommen. „Menschen mit ihrem Scheitern zu konfrontieren, bringt nichts, die machen nur emotional zu“, sagt Uwe Kanning. Besser sei es, die eigenen Beobachtungen mitzuteilen und konkrete Verbesserungsvorschläge zu geben. Eine gute Feedback-Kultur könne aber nur von oben nach unten aufgebaut werden. „Dazu müssen die Führungspositionen im Unternehmen mit Menschen besetzt werden, die über eine gute Selbstreflexion verfügen“, sagt Kanning. Die gelebte Praxis der Führungsmannschaft sei entscheidend. Schritt 2: Fachwissen nachschulen Hat man gemeinsam mit dem Mitarbeiter Wissenslücken identifiziert, müssen diese natürlich auch geschlossen werden, etwa durch konkreter Fortbildung. Denn der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt auch, dass Menschen verstehen, dass sie Fehler machen, sobald sie ihr Wissen erweitern. Das Problem: In vielen Unternehmen entfällt schon der erste Schritt, weil es gar keine Feedback-Kultur gibt. „Wenn ich keine Rückmeldung bekomme, gehe ich als Mensch aber davon aus, dass ich alles richtig mache“, sagt Susanne Delfs. Selbstüberschätzung kann daher auch bei langjährigen Mitarbeitern in einer feedbackarmen Unternehmenskultur entstehen. Wie Sie Tendenzen im Bewerbungsgespräch aufdecken Am besten ist es natürlich, erst gar nicht auf Mitarbeiter zu setzen, die ihre eigenen Kompetenzen radikal überschätzen. „Bei der Personalauswahl sollte man auf jeden Fall auf die Fähigkeit zur Selbstreflexion achten“, sagt Kanning. Testen kann man das beispielsweise, wenn Kandidaten Arbeitsproben erledigen oder bei Rollenspielen in einem Assessment Center – eben da, wo man Verhalten beobachten kann. „Wenn sie dann den Bewerber bitten, die eigene Leistung selbst einzuschätzen, bekommen Sie schon einen guten Eindruck, wie weit seine Einschätzung von ihrer Beobachtung entfernt ist“, sagt Kanning. Dabei muss aber der Stressfaktor der Bewerbungssituation sowie die grundsätzliche Tendenz zu Selbstüberschätzung im Bewerbungsgespräch einkalkuliert werden. Coachin Susanne Delfs setzt in ihrer Beratungspraxis auf die klassischen Fragen nach Stärken und Schwächen – auch wenn die bekanntermaßen von den Bewerbern im Vorhinein eintrainiert werden. „Wichtig ist dann, nach konkreten Situationen und möglichst vielen Details zu fragen.“ Die verraten etwas darüber, ob es sich um die echte Reflektion einer Situation handelt – oder ob die Antwort auswendig gelernt wurde. Dunning-Kruger-Effekt: So erkennen Sie Warnsignale an sich selbst Besonders gefährlich ist es aus Kannings Sicht, wenn sich Führungskräfte im Dunning-Kruger-Stil überschätzen. „Der Effekt kann besonders gravierende Folgen haben, wenn Menschen in wichtigen Positionen Entscheidungen treffen, denn auch gut ausgebildete Menschen sind vor dieser Form der Selbstüberschätzung nicht gefeit, wenn sie sich neuen Aufgaben stellen“, sagt er. Wer nur Metakompetenzen, aber kein Fachwissen in einem Thema hat, sollte auch nicht alleine Entscheidungen treffen – sondern gezielt kompetentere Kollegen einbinden. „Eine gute Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass sie bereit ist, von Mitarbeitern zu lernen, die über mehr Wissen und Erfahrung verfügen – auch wenn die in der Hierarchie unter ihnen stehen“, sagt Kanning. [mehr-zum-thema] Ob man als Chef selbst falsch liegt, ist allerdings schwer zu erkennen – denn offene Kritik am Boss wird in den meisten Unternehmen eher nicht geäußert. Eine Serie von Fehlentscheidungen kann laut Kanning ein erstes Warnsignal sein. Fragen Sie sich dann: Habe ich diese Entscheidungen alleine, vielleicht sogar entgegen des Rats enger Mitarbeiter getroffen? Hatte ich genug Informationen, um mein mögliches Scheitern absehen zu können? „Ihr Ziel sollte es sein, kompetent genug zu werden, um die eigene Inkompetenz zu reflektieren“, sagt Kanning. Fangen Mitarbeiter an, den Kontakt zu meiden, ist das ein besonders radikaler Weckruf. „Wenn sich Menschen aus einer Beziehung zurückziehen, hat das immer einen Grund“, sagt Coachin Susanne Delfs. „Oft wird die Kritik, die niemand offen aussprechen will, dann auch in zynische Bemerkungen oder ironische Kommentare verpackt.“ In solchen Situationen kann ein Feedback helfen, bei dem das gesamte berufliche Umfeld anonym befragt wird, um ehrliche Antworten zu bekommen. Man spricht hier vom 360-Grad-Feedback, das allerdings auch mit großem Aufwand verbunden ist. Der direktere Weg, um an eine ungeschminkte Rückmeldung zu kommen: Fragen Sie Freunde und Vertraute explizit danach. Denn auch für Chefs gilt: Den Schattenseiten des Dunning-Kruger-Effekts entkommt man nur durch schonungslose Selbstreflexion.