Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes
Diese Erleichterungen gelten jetzt für die Einstellung von Nicht-EU-Bürgern

Weniger Bürokratie, schnellere Verfahren: Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll es für Unternehmen einfacher machen, Talente aus Nicht-EU-Staaten einzustellen. Am 1. März 2024 sind wichtige Änderungen für Migranten mit Berufserfahrung in Kraft getreten.

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Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes
© Javier Zayas Photography / Moment / Getty images

Schon heute fehlen in Deutschland hunderttausende Fachkräfte. Um die Lücke zu verkleinern, will die Bundesregierung die Einwanderung aus Staaten außerhalb der EU erleichtern und die Hürden senken. Gelingen soll dies mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Zum 1. März treten wichtige Neuerungen für Unternehmerinnen und Unternehmer in Kraft. Ein Überblick.

Was sich ab dem 1. März 2024 für Fachkräfte mit Berufserfahrung ändert

Fachkräfte können einen Aufenthaltstitel für eine konkrete Beschäftigung erhalten. Dafür müssen sie über einen im Ausland erworbenen und dort staatlich anerkannten Hochschul- oder Berufsabschluss verfügen und in den fünf Jahren zuvor mindestens zwei Jahre lang einschlägige Berufserfahrung gesammelt haben.

Wichtige Neuerung: Der Abschluss muss seit dem 1. März 2024 nicht mehr zwingend wie zuvor in Deutschland anerkannt werden. „Das waren bisher sehr langwierige, bürokratische Anerkennungsverfahren, beispielsweise im Pflegebereich“, sagt Martina Schlamp, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei vangard in Hamburg. Oft seien Ausbildungen nur teilweise anerkannt worden, und die Fachkräfte mussten bestimmte Lehrgänge absolvieren. Während dieser Zeit habe man in diesem Beruf nicht arbeiten dürfen.

Allerdings ist auch hier ein Mindestgehalt von über 39.000 Euro erforderlich, wenn das einstellende Unternehmen nicht tarifgebunden ist. Gerade in der Gastronomie oder Hotellerie werden sich mit dieser hohen Gehaltsschwelle die Nachwuchssorgen nicht lösen lassen, sagen Kritiker.

Wer das erforderliche Mindestgehalt nicht erreicht, muss weiterhin seinen Berufsabschluss anerkennen lassen. Neu ist jedoch, dass die Person bereits in Deutschland arbeiten darf, während das Anerkennungsverfahren läuft – wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Fachkraft für notwendige Qualifikationen freizustellen.

Eine Ausnahme gilt bereits seit 2020 für IT-Spezialisten. Sie müssen weder eine Berufsausbildung noch ein Hochschulstudium nachweisen. Seit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes müssen sie zudem lediglich zwei Jahre Berufserfahrung besitzen und mindestens 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze verdienen.

Die Expertin
Martina Schlamp ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Kanzlei vangard in Hamburg. Sie berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Anwerbung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten und begleitet sie bei den aufenthaltsrechtlichen Prozessen.

Was seit November 2023 für Fachkräfte mit Hochschulabschluss gilt

Ein etabliertes und sehr häufig genutztes Mittel zur Fachkräfteeinwanderung ist die „Blaue Karte EU“. Sie ist ein Aufenthaltstitel für Hochschulabsolventen aus Nicht-EU-Staaten.

Um diese zu erhalten, mussten ausländische Fachkräfte früher einen deutschen Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Stellenzusage, ein jährliches Mindestbruttogehalt von aktuell 58.400 Euro sowie einen anerkannten Hochschulabschluss vorweisen. Für Beschäftigte in den Berufsfeldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und der Humanmedizin (ausgenommen Zahnmedizin) galt ein verringertes jährliches Mindestbruttogehalt von 45.552 Euro.

Diese Gehaltsschwelle sank mit der Reform zum 18. November 2023 spürbar – für die meisten Berufe auf 50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung. Das bedeutet für ausländische Fachkräfte: Sie benötigen für die Blaue Karte künftig nur noch ein Mindestbruttogehalt von 45.300 Euro (2024). IT-ler oder Ingenieure müssen noch ein Mindestgehalt von rund 41.041,80 Euro vorweisen (45,3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung im Jahr 2024).

Besitzer einer Blauen Karte sollen künftig schneller die Erlaubnis bekommen, dauerhaft in der EU bleiben zu dürfen. Außerdem können sie leichter den Arbeitgeber wechseln und ihre Familie nachholen.

Weitere Erleichterungen für Fachkräfte mit Hochschul- oder Berufsabschluss

Wer einen Abschluss hat, darf seit dem 18. November 2023 darüber hinaus laut dem Gesetz „jede qualifizierte Beschäftigung ausüben“, also auch Stellen annehmen, die nicht der ursprünglichen Qualifikation entsprechen. „Man konnte früher beispielsweise nicht als Arzt in einem völlig anderen Beruf arbeiten“, sagt Arbeitsrechtlerin Schlamp, die seit vielen Jahren Unternehmen bei der Anwerbung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten berät und bei den aufenthaltsrechtlichen Prozessen begleitet. Die Einschätzung, ob ein Bewerber für eine Arbeit geeignet ist, überlasse man künftig den Unternehmen. „Das ist eine große Erleichterung, das eröffnet ganz neue Spielräume für Arbeitgeber.“

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Wer eine Chancenkarte erhält

Für Menschen mit einer ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss wird zur Arbeitssuche zum 1. Juni 2024 eine „Chancenkarte“ auf Basis eines Punktesystems eingeführt. Für Kriterien wie Qualifikation, Berufserfahrung oder Deutschkenntnisse werden Punkte vergeben. Wer mindestens sechs Punkte hat, erwirbt eine Chancenkarte – vorausgesetzt, der Lebensunterhalt ist gesichert.

Die Chancenkarte gilt für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr. Sie berechtigt zur Suche nach einem Arbeitsplatz in Deutschland sowie dazu, bestimmte Probearbeiten für jeweils höchstens zwei Wochen oder eine Nebenbeschäftigung von durchschnittlich insgesamt höchstens zwanzig Stunden je Woche auszuüben. „Das ist für das Recruiting von Arbeitgebern interessant, weil auf dieser Basis ausländische Fachkräfte schon im Land sein können“, sagt Schlamp.

Die Karte soll um bis zu zwei Jahre verlängert werden können, wenn der Ausländer einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt.

Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen Ausländerinnen und Ausländer mindestens deutsche Sprachkenntnisse auf dem Level A1 vorweisen.

Was sich für Fachkräfte ohne Berufserfahrung ändert

Für ausländische Fachkräfte ohne Berufsausbildung oder Studium war es bisher kaum möglich, in Deutschland zu arbeiten. Eine der wenigen Möglichkeiten war bisher die sogenannte Westbalkan-Regelung, auf deren Basis Arbeitgeber jährlich bis zu 25.000 Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien nach Deutschland holen und beschäftigen konnten.

Aufgrund der hohen Nachfrage mussten die Betroffenen laut Schlamp aber teilweise bis zu einem Jahr warten, um bei den Deutschen Botschaften ein Visum zu beantragen.

Die Regelung war zunächst bis Ende 2023 befristet, gilt ab dem 1. Juni 2024 aber unbegrenzt. Außerdem steigt das Kontingent auf 50.000 Arbeitskräfte. Menschen aus diesen sechs Staaten können jede Art von Beschäftigung in Deutschland ausüben, ohne eine berufliche Qualifikation nachweisen zu müssen.

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Ein Visum beziehungsweise ein Aufenthaltstitel auf Basis der Westbalkanregelung gilt entweder für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses oder – falls das Arbeitsverhältnis keine Befristung enthält – zunächst für maximal vier Jahre.

Erstmals soll es außerdem ein Zuwanderungskontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte aus anderen Ländern als dem Westbalkan geben, die einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen. Der Entwurf einer neuen Beschäftigungsverordnung sieht vor, dass tarifgebundene Arbeitgeber oder Unternehmen in Branchen mit allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ausländische Angestellte unabhängig von deren Qualifikation beschäftigen können. Diese Neuerung trat wiederum zum 1. März 2024 in Kraft.

Wichtig: Arbeitgeber müssen die Arbeitskräfte, die unter diese Regelung fallen, zu den geltenden tariflichen Bedingungen beschäftigen und die Reisekosten übernehmen. Das Kontingent setzt die Bundesagentur für Arbeit fest: Für das Jahr 2024 liegt es bei 25.000 ausländischen Arbeitskräften für alle Branchen. Erntehelfer in der Landwirtschaft sind davon ausgenommen.

Welche Neuerung für Fachkräfte mit Touristenvisum gilt

Bisher musste eine Einreise aus den meisten Nicht-EU-Ländern zwingend mit einem zweckgebundenen Visum erfolgen. Wer mit einem Touristenvisum ins Land kam und einen Arbeitsplatz in Aussicht hatte, musste früher wieder ausreisen und im Heimatland ein Arbeitsvisum beantragen. Mit einem Touristenvisum habe man bisher niemals einen Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde beantragen können, selbst wenn man einen Arbeitsplatz in Aussicht hatte, sagt Martina Schlamp.

Bis zur Ausstellung des erforderlichen Visums seien oft „locker zwei bis drei Monate vergangen.“ Nach der Einreise nach Deutschland mussten Fachkräfte noch einen Aufenthaltstitel bei den Ausländerbehörden beantragen.

In Zukunft soll dieser bürokratische Aufwand deutlich sinken: Fachkräfte sollen auch mit einem Touristenvisum in Deutschland eine Blaue Karte EU oder einen anderen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit beantragen können.

Was die Reform im Hinblick auf den Familiennachzug gebracht hat

Mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes können nicht nur Ehepartner und Kinder, sondern auch die Eltern und Schwiegereltern einer Fachkraft eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Was sich für Asylbewerber ändert

Auch Asylbewerber sollen es in Zukunft leichter haben, hier zu arbeiten – sie können ihren Asylantrag zurückziehen und eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit beantragen, ohne auszureisen und ein Visumsverfahren durchlaufen zu haben. Das setzt unter anderem voraus,

  • dass sie vor dem 29. März 2023 eingereist sind,
  • eine entsprechende Qualifikation und ein Arbeitsplatzangebot haben,
  • oder sich bereits in einem Arbeitsverhältnis befinden.

„Dieser Spurwechsel war bisher nicht möglich, selbst wenn man einen Hochschulabschluss oder einen Job in Aussicht hatte“, sagt Schlamp.

Schon heute fehlen in Deutschland hunderttausende Fachkräfte. Um die Lücke zu verkleinern, will die Bundesregierung die Einwanderung aus Staaten außerhalb der EU erleichtern und die Hürden senken. Gelingen soll dies mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Zum 1. März treten wichtige Neuerungen für Unternehmerinnen und Unternehmer in Kraft. Ein Überblick. Was sich ab dem 1. März 2024 für Fachkräfte mit Berufserfahrung ändert Fachkräfte können einen Aufenthaltstitel für eine konkrete Beschäftigung erhalten. Dafür müssen sie über einen im Ausland erworbenen und dort staatlich anerkannten Hochschul- oder Berufsabschluss verfügen und in den fünf Jahren zuvor mindestens zwei Jahre lang einschlägige Berufserfahrung gesammelt haben. Wichtige Neuerung: Der Abschluss muss seit dem 1. März 2024 nicht mehr zwingend wie zuvor in Deutschland anerkannt werden. „Das waren bisher sehr langwierige, bürokratische Anerkennungsverfahren, beispielsweise im Pflegebereich“, sagt Martina Schlamp, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei vangard in Hamburg. Oft seien Ausbildungen nur teilweise anerkannt worden, und die Fachkräfte mussten bestimmte Lehrgänge absolvieren. Während dieser Zeit habe man in diesem Beruf nicht arbeiten dürfen. Allerdings ist auch hier ein Mindestgehalt von über 39.000 Euro erforderlich, wenn das einstellende Unternehmen nicht tarifgebunden ist. Gerade in der Gastronomie oder Hotellerie werden sich mit dieser hohen Gehaltsschwelle die Nachwuchssorgen nicht lösen lassen, sagen Kritiker. Wer das erforderliche Mindestgehalt nicht erreicht, muss weiterhin seinen Berufsabschluss anerkennen lassen. Neu ist jedoch, dass die Person bereits in Deutschland arbeiten darf, während das Anerkennungsverfahren läuft – wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Fachkraft für notwendige Qualifikationen freizustellen. Eine Ausnahme gilt bereits seit 2020 für IT-Spezialisten. Sie müssen weder eine Berufsausbildung noch ein Hochschulstudium nachweisen. Seit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes müssen sie zudem lediglich zwei Jahre Berufserfahrung besitzen und mindestens 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze verdienen. Was seit November 2023 für Fachkräfte mit Hochschulabschluss gilt Ein etabliertes und sehr häufig genutztes Mittel zur Fachkräfteeinwanderung ist die "Blaue Karte EU". Sie ist ein Aufenthaltstitel für Hochschulabsolventen aus Nicht-EU-Staaten. Um diese zu erhalten, mussten ausländische Fachkräfte früher einen deutschen Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Stellenzusage, ein jährliches Mindestbruttogehalt von aktuell 58.400 Euro sowie einen anerkannten Hochschulabschluss vorweisen. Für Beschäftigte in den Berufsfeldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und der Humanmedizin (ausgenommen Zahnmedizin) galt ein verringertes jährliches Mindestbruttogehalt von 45.552 Euro. Diese Gehaltsschwelle sank mit der Reform zum 18. November 2023 spürbar – für die meisten Berufe auf 50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung. Das bedeutet für ausländische Fachkräfte: Sie benötigen für die Blaue Karte künftig nur noch ein Mindestbruttogehalt von 45.300 Euro (2024). IT-ler oder Ingenieure müssen noch ein Mindestgehalt von rund 41.041,80 Euro vorweisen (45,3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung im Jahr 2024). Besitzer einer Blauen Karte sollen künftig schneller die Erlaubnis bekommen, dauerhaft in der EU bleiben zu dürfen. Außerdem können sie leichter den Arbeitgeber wechseln und ihre Familie nachholen. [mehr-zum-thema] Weitere Erleichterungen für Fachkräfte mit Hochschul- oder Berufsabschluss Wer einen Abschluss hat, darf seit dem 18. November 2023 darüber hinaus laut dem Gesetz „jede qualifizierte Beschäftigung ausüben“, also auch Stellen annehmen, die nicht der ursprünglichen Qualifikation entsprechen. „Man konnte früher beispielsweise nicht als Arzt in einem völlig anderen Beruf arbeiten“, sagt Arbeitsrechtlerin Schlamp, die seit vielen Jahren Unternehmen bei der Anwerbung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten berät und bei den aufenthaltsrechtlichen Prozessen begleitet. Die Einschätzung, ob ein Bewerber für eine Arbeit geeignet ist, überlasse man künftig den Unternehmen. „Das ist eine große Erleichterung, das eröffnet ganz neue Spielräume für Arbeitgeber.“ Wer eine Chancenkarte erhält Für Menschen mit einer ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss wird zur Arbeitssuche zum 1. Juni 2024 eine „Chancenkarte“ auf Basis eines Punktesystems eingeführt. Für Kriterien wie Qualifikation, Berufserfahrung oder Deutschkenntnisse werden Punkte vergeben. Wer mindestens sechs Punkte hat, erwirbt eine Chancenkarte – vorausgesetzt, der Lebensunterhalt ist gesichert. Die Chancenkarte gilt für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr. Sie berechtigt zur Suche nach einem Arbeitsplatz in Deutschland sowie dazu, bestimmte Probearbeiten für jeweils höchstens zwei Wochen oder eine Nebenbeschäftigung von durchschnittlich insgesamt höchstens zwanzig Stunden je Woche auszuüben. „Das ist für das Recruiting von Arbeitgebern interessant, weil auf dieser Basis ausländische Fachkräfte schon im Land sein können“, sagt Schlamp. Die Karte soll um bis zu zwei Jahre verlängert werden können, wenn der Ausländer einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen Ausländerinnen und Ausländer mindestens deutsche Sprachkenntnisse auf dem Level A1 vorweisen. Was sich für Fachkräfte ohne Berufserfahrung ändert Für ausländische Fachkräfte ohne Berufsausbildung oder Studium war es bisher kaum möglich, in Deutschland zu arbeiten. Eine der wenigen Möglichkeiten war bisher die sogenannte Westbalkan-Regelung, auf deren Basis Arbeitgeber jährlich bis zu 25.000 Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien nach Deutschland holen und beschäftigen konnten. Aufgrund der hohen Nachfrage mussten die Betroffenen laut Schlamp aber teilweise bis zu einem Jahr warten, um bei den Deutschen Botschaften ein Visum zu beantragen. Die Regelung war zunächst bis Ende 2023 befristet, gilt ab dem 1. Juni 2024 aber unbegrenzt. Außerdem steigt das Kontingent auf 50.000 Arbeitskräfte. Menschen aus diesen sechs Staaten können jede Art von Beschäftigung in Deutschland ausüben, ohne eine berufliche Qualifikation nachweisen zu müssen. Ein Visum beziehungsweise ein Aufenthaltstitel auf Basis der Westbalkanregelung gilt entweder für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses oder - falls das Arbeitsverhältnis keine Befristung enthält - zunächst für maximal vier Jahre. Erstmals soll es außerdem ein Zuwanderungskontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte aus anderen Ländern als dem Westbalkan geben, die einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen. Der Entwurf einer neuen Beschäftigungsverordnung sieht vor, dass tarifgebundene Arbeitgeber oder Unternehmen in Branchen mit allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ausländische Angestellte unabhängig von deren Qualifikation beschäftigen können. Diese Neuerung trat wiederum zum 1. März 2024 in Kraft. Wichtig: Arbeitgeber müssen die Arbeitskräfte, die unter diese Regelung fallen, zu den geltenden tariflichen Bedingungen beschäftigen und die Reisekosten übernehmen. Das Kontingent setzt die Bundesagentur für Arbeit fest: Für das Jahr 2024 liegt es bei 25.000 ausländischen Arbeitskräften für alle Branchen. Erntehelfer in der Landwirtschaft sind davon ausgenommen. Welche Neuerung für Fachkräfte mit Touristenvisum gilt Bisher musste eine Einreise aus den meisten Nicht-EU-Ländern zwingend mit einem zweckgebundenen Visum erfolgen. Wer mit einem Touristenvisum ins Land kam und einen Arbeitsplatz in Aussicht hatte, musste früher wieder ausreisen und im Heimatland ein Arbeitsvisum beantragen. Mit einem Touristenvisum habe man bisher niemals einen Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde beantragen können, selbst wenn man einen Arbeitsplatz in Aussicht hatte, sagt Martina Schlamp. Bis zur Ausstellung des erforderlichen Visums seien oft „locker zwei bis drei Monate vergangen.“ Nach der Einreise nach Deutschland mussten Fachkräfte noch einen Aufenthaltstitel bei den Ausländerbehörden beantragen. In Zukunft soll dieser bürokratische Aufwand deutlich sinken: Fachkräfte sollen auch mit einem Touristenvisum in Deutschland eine Blaue Karte EU oder einen anderen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit beantragen können. Was die Reform im Hinblick auf den Familiennachzug gebracht hat Mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes können nicht nur Ehepartner und Kinder, sondern auch die Eltern und Schwiegereltern einer Fachkraft eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Was sich für Asylbewerber ändert Auch Asylbewerber sollen es in Zukunft leichter haben, hier zu arbeiten - sie können ihren Asylantrag zurückziehen und eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit beantragen, ohne auszureisen und ein Visumsverfahren durchlaufen zu haben. Das setzt unter anderem voraus, dass sie vor dem 29. März 2023 eingereist sind, eine entsprechende Qualifikation und ein Arbeitsplatzangebot haben, oder sich bereits in einem Arbeitsverhältnis befinden. „Dieser Spurwechsel war bisher nicht möglich, selbst wenn man einen Hochschulabschluss oder einen Job in Aussicht hatte“, sagt Schlamp.
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