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Können Arbeitnehmer halbe Urlaubstage nehmen? Über diese Frage kommt es immer wieder zu Diskussionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Eine pauschale Antwort lässt sich nicht geben: Denn es kommt drauf an, ob es sich um den gesetzlichen oder vertraglichen Urlaubsanspruch handelt. Das Urlaubsrecht in Deutschland regelt die Rahmenbedingungen für den Anspruch auf Erholung und Auszeit vom Arbeitsalltag.
Was steht im Bundesurlaubsgesetz?
Arbeitet ein Mitarbeiter fünf Tage pro Woche, hat er laut Bundesurlaubsgesetz einen Anspruch auf 20 Tage Urlaub – und für diesen gesetzlichen Urlaubsanspruch gelten strenge Regeln. Der Gesetzgeber sieht diesen Anspruch als notwendig an, um die Erholung im Urlaub sicherzustellen und die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fördern.
Anders sieht es beim vertraglichen Urlaubsanspruch aus: Hat beispielsweise eine Mitarbeiterin laut Arbeitsvertrag 30 Urlaubstage, sind zehn Tage davon vertragliche Urlaubstage. „Beim vertraglichen Urlaubsanspruch – also bei allem, was über 20 Tage hinausgeht – kann man letztlich vereinbaren, was man will, so lange die Vereinbarung hinreichend transparent ist“, sagt Kai Bodenstedt, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei DLA Piper in Hamburg.
Gibt es halbe Urlaubstage bei gesetzlichem Urlaubsanspruch?
Beim gesetzlichen Urlaubsanspruch können nur ganze Urlaubstage genommen werden. Halbe Urlaubstage gibt es nicht. „Gewährt der Arbeitgeber dennoch einen halben Urlaubstag, wäre diese Vereinbarung nichtig und der Mitarbeiter würde seinen vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch behalten“, sagt Bodenstedt. Der halbe Urlaubstag würde also so behandelt, als wäre er gar nicht genommen worden.
Dennoch kann es sein, dass einer Mitarbeiterin rein rechnerisch ein anteiliger Urlaubstag zusteht. Wenn sie das Unternehmen verlässt, sei es durch Eigenkündigung oder betriebsbedingte Kündigung, muss der Urlaubsanspruch anteilig berechnet werden. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiterin für jeden vollen Monat, den sie im Jahr gearbeitet hat, Anspruch auf einen Teil ihres Jahresurlaubs hat.
Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter kündigt nach sieben Monaten im Unternehmen. Pro Monat hat er einen gesetzlichen Urlaubsanspruch von 1,67 Tagen (20 Tage gesetzlicher Urlaubsanspruch jährlich / 12 Monate = 1,67 Urlaubstage pro Monat). Sein gesetzlicher Urlaubsanspruch beträgt damit 11,69 Urlaubstage (1,67 Urlaubstage pro Monat * 7 Monate = 11,69 Tage gesetzlicher Urlaubsanspruch).
Bei einem Wert von 0,5 oder mehr wird die Zahl der Urlaubstage aufgerundet. Der Mitarbeiter in unserem Beispiel hat also Anspruch auf 12 Tage Urlaub – und nicht auf 11,69 Tage.
Anders sieht es aus, wenn sich bei der Berechnung ein Wert wie 11,3 ergibt. Dann bleibt es – zumindest laut Gesetz – bei 0,3 Urlaubstagen. „Der Arbeitnehmer kann dann auch 0,3 Urlaubstage nehmen“, sagt Bodenstedt. Arbeitgeber können selbstverständlich aber auch kulant sein und die 0,3 Urlaubstage auf einen ganzen oder halben Tag aufrunden.
Wie lassen sich halbe Urlaubstage beim vertraglichen Urlaubsanspruch regeln?
Anders sieht es beim vertraglichen Urlaubsanspruch aus: Zwar haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, Urlaubstage aus dem vertraglichen Urlaubsanspruch als halbe Urlaubstage nehmen zu dürfen. Sind Arbeitgeber und Mitarbeiter sich einig, kann dieser Urlaub jedoch in Form von halben Urlaubstagen genommen werden.
Möchten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dies erlauben, empfiehlt Bodenstedt, mit den Arbeitnehmern eine schriftliche Vereinbarung über halbe Urlaubstage zu schließen: Darin sollte festgehalten sein, dass halbe Urlaubstage aus dem vertraglichen Urlaubsanspruch genommen werden. Ohne eine solche Vereinbarung bestehe die Gefahr, dass es später zu Streitigkeiten komme – weil nicht klar sei, ob halbe Tage vom gesetzlichen oder vertraglichen Urlaubsanspruch genommen werden. Und das wiederum könnte zur Folge haben, dass die Vereinbarung nichtig und damit ungültig ist (siehe oben).
Was gilt für Heiligabend und Silvester?
Ob Mitarbeitende an Heiligabend und Silvester einen ganzen oder halben Urlaubstag nehmen müssen, hängt davon ab, was im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung festgelegt worden ist. So sind beispielsweise in vielen Tarifverträgen der 24. und 31. Dezember als halber Arbeitstag definiert. „Wenn das entsprechend geregelt ist, müssen Mitarbeiter auch nur einen halben Tag Urlaub nehmen, wenn sie freihaben wollen“, so Bodenstedt. Gibt es keine abweichenden Regelungen in Arbeits- oder Tarifverträgen, sind Heiligabend und Silvester also ganz normale Arbeitstage.
Sind Arbeitgeber verpflichtet, halbe Urlaubstage jederzeit zu gewähren?
Gestattet ein Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin grundsätzlich, halbe Urlaubstage zu nehmen, ist das kein Freifahrtschein für Mitarbeitende, diesen Urlaub zu nehmen, wann immer sie wollen. Zwar besagt das Bundesurlaubsgesetz (Paragraf 7): „Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.“
Arbeitgeber können Urlaubswünsche aber auch ablehnen und beispielsweise eine Urlaubssperre verhängen. Vorausgesetzt, es gibt „dringende betriebliche Belange“ oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die, wie es im Gesetz heißt, „unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen“: beispielsweise Alleinerziehende oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern.
Beruft sich der Arbeitgeber auf dringende betriebliche Gründe, muss er erklären, warum der Urlaub nicht gewährt werden kann.
Die Urlaubsplanung gleicht in vielen Teams einem Tetris-Spiel: Wer hat welche Wünsche, wer ist wann da und wann weg – und wie geht das Ganze am Ende auf? Dieser Kalender schafft Übersicht.
Kai Bodenstedt ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei DLA Piper, einer international tätigen Anwaltskanzlei mit fünf Standorten in Deutschland.
