Sinnorientierte Stellenanzeigen
„Den Sinn eines Jobs zu betonen, bedeutet nicht, ihn zu beschönigen“

Viele Stellenanzeigen sind austauschbar – und vernachlässigen die Bedürfnisse der Bewerberinnen und Bewerber, sagt Recruiting-Experte Henner Knabenreich. Im Interview erklärt er, wie es besser geht.

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Sinnorientierte Stellenanzeigen
© Javier Zayas Photography / Moment / Getty Images

impulse: Herr Knabenreich, was stört Sie an Stellenanzeigen, wie sie heute aussehen?
Henner Knabenreich: Sie sind häufig generisch und austauschbar. Es gibt nur wenige, bei denen sich die Verfasser offensichtlich Gedanken um die Zielgruppe gemacht haben, die sie ansprechen wollen. Um Bewerber abzuholen, muss man die Perspektive der Zielgruppe einnehmen, ihre Erwartungen und Bedürfnisse berücksichtigen. Und sich dann fragen, wie man neben den Aufgaben und Anforderungen den Sinn der Aufgaben vermittelt, die potenzielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen sollen.

Wieso ist der Sinn wichtig?
Aus der Positiven Psychologie wissen wir: Menschen, die in ihrem Job Sinn sehen, sind ganz anders motiviert. Sinn hängt auch damit zusammen, sich einzubringen und zu erleben, dass das eigene Handeln etwas bewirkt. Wer das empfindet, ist produktiver und leistungsfähiger. Und davon profitiert das gesamte Unternehmen.

Wie können Unternehmen den Sinn in einer Stellenanzeige hervorheben?
Ein Entsorgungsunternehmen könnte zum Beispiel statt „Du bist Müllmann und leerst die Mülltonnen aus“ schreiben: „Mit deiner Arbeit sorgst du dafür, dass unsere Stadt sauberer und sicherer wird.” Das zeigt dem Bewerber, dass es einen größeren, gesellschaftlichen Wert in der Aufgabe gibt.

Und wie können Unternehmen diesen Sinn in Stellen finden?
Spannend finde ich dabei den Gedanken des Golden Circle. Der bezieht sich darauf, dass Unternehmen ihr Warum in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation stellen sollen. Also den Sinn und Zweck des Unternehmens. Warum machen wir eigentlich, was wir machen? Was ist unsere Vision? Das lässt sich auch auf jeden Job herunterbrechen, weil in jedem Job auch ein Warum steckt.

Besteht nicht die Gefahr, dadurch falsche Erwartungen zu wecken?
Den Sinn eines Jobs zu betonen, bedeutet nicht, ihn zu beschönigen oder zu verschweigen, welche Aufgaben er umfasst. Wenn wir beim Beispiel der Müllabfuhr bleiben: Die Bewerber müssen sich darauf einstellen, schwere körperliche und auch schmutzige Arbeit zu verrichten. Aber sie sind eben auch draußen und auf den Beinen unterwegs, statt an einem Schreibtisch zu sitzen. Entscheidend ist es, bei der Wahrheit zu bleiben und Transparenz zu zeigen. Es gibt viele Menschen, die gerne bereit sind, einen Beitrag zu leisten – auch wenn der Job in unseren eigenen Augen möglicherweise nicht attraktiv erscheint. Wenn es gelingt, in der Stellenanzeige das Warum, den Sinn der Aufgabe darzustellen, wird dies im Zweifel einen ganz anderen Effekt auf Jobsuchende haben als die üblichen Standardfloskeln.

Was bedeutet das für die Stellenanzeige?
Die Formulierung ist entscheidend – da sind wir wieder bei der Zielgruppe: Wen spricht man eigentlich an? Welche Bedürfnisse und Erwartungen hat diese Zielgruppe? Wie adressiert man sie am besten? Darüber wird sich meistens noch zu wenig Gedanken gemacht. In vielen Unternehmen gibt die Fachabteilung eine nüchterne Stellenbeschreibung durch, die oft eins zu eins von der Personalabteilung als Vorlage für Stellenanzeigen übernommen wird. Das Problem: Diese bestehen dann aus einer Aneinanderreihung von Stichpunkten, wo die Aufgaben anhand von Substantivierungen aufgezählt werden und wenig präzise sind. Dazu kommt, dass das Anforderungsprofil stark auf die Erfahrung der Bewerber fokussiert ist – nicht auf deren Stärken, Talente, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen.

Der Experte
Henner Knabenreich Henner Knabenreich ist Personalmarketing-Coach und schreibt auf seinem Blog zu Themen rund um Recruiting und Personalmarketing.

Und das führt dazu, dass sich Leute seltener bewerben?
Absolut. Zum Beispiel denken viele Leute, sie müssten dem Anforderungsprofil zu 100 Prozent entsprechen, sonst bewerben sie sich nicht. Personaler nehmen aber auch Anforderungen auf, die nicht zwingend erforderlich sind. Das heißt, sie schließen von vornherein potenzielle Bewerber aus.

Oder aber es bewerben sich die Falschen, weil die Aufgaben nicht klar sind. Im schlimmsten Fall stelle ich einen Mitarbeiter ein, der nach kurzer Zeit feststellt: Das ist hier ja ganz anders, als ich erwartet hatte.

Aber gibt es nicht auch Leute, die einfach Geld verdienen wollen und den Sinn gar nicht brauchen?
Das ist eine gute Frage, die ich nicht abschließend beantworten kann. Mit Sicherheit gibt es die. Wovon ich aber überzeugt bin: Jeder Mensch ist dankbar, wenn man ihm Wertschätzung entgegenbringt. Aber mit Stichpunkten in Stellenbeschreibungen und nicht am Jobsuchenden orientierten Inhalten lässt sich diese Wertschätzung kaum transportieren und für Begeisterung sorgen, sich auf die Stelle zu bewerben.

Haben Sie ein Beispiel, wie es besser geht?
Ich hatte einen Kunden, der Mitarbeiter für ein Plasmaspende-Zentrum suchte. Der Einstieg zu seinen Stellenanzeigen war sehr klassisch: Was macht das Unternehmen und für wen.

Wir haben dann auf die Zielgruppe geschaut, in diesem Fall waren es Medizinische Fachangestellte. Alternativ zur üblichen Selbstbeweihräucherung entstand dann eine Formulierung, die die Zielgruppe unmittelbar adressiert: „Du bist MFA und suchst eine attraktive Alternative zu Schicht-, Pflege-, Rettungs- und Gesundheitsdienst? Du hast keine Lust mehr auf Doppelschichten und Nachtdienste und willst endlich wieder Zeit für Familie und Freunde haben? Du suchst einen sicheren Arbeitsplatz mit einer mehr als fairen Vergütung? Wenn du Bock auf ein cooles Team hast und gemeinsam mit uns Leben retten willst, dann melde dich bei uns.“

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Es kommt darauf an, wie man die Person an die Stelle heranführt. Wir haben uns also auf den Sinn konzentriert – und auf die Vorteile, wie die Work-Life-Balance und die Vergütung. Wenn ich damit starte, bleiben die Leute eher dran als bei einer Beschreibung des Unternehmens.

Also sollten die Benefits im Vordergrund stehen?
Ich beobachte in der Praxis den Trend, alle Benefits in Stellenanzeigen noch vor den Aufgaben zu nennen. Denn viele denken, dass sie die Leute darüber bekommen. Doch das ist ein Trugschluss. Benefits sind das Zünglein an der Waage, sie erregen im ersten Moment vielleicht Aufmerksamkeit – aber sie sind nicht der Hauptgrund für einen Jobwechsel.

Schaut man sich Studien an, zeigt sich immer wieder, dass Aufgabenbeschreibung und Anforderungsprofil die wichtigsten Punkte bei der Stellensuche sind. Deswegen sollten Unternehmen viel mehr Wert darauf legen, sie ansprechend zu gestalten. Das Problem mit Benefits ist, dass sie häufig austauschbar sind. Und wenn die Aufgaben langweilig sind und die Führung schlecht, dann bringt auch ein Jobticket oder 35 Tage Urlaub nichts.

Wie könnte denn eine Aufgabenbeschreibung aussehen, die mehr Bewerberinnen und Bewerber anspricht?
Sie sollte möglichst praxisbezogen und in ganzen Sätzen sein, damit die Bewerber sich in die Aufgabe hineinversetzen können und eine Vorstellung bekommen, was auf sie zukommt. Und auch die Anforderungen sollten im Kontext der Aufgaben stehen. Nehmen Sie etwa Teamfähigkeit – das ist die am meisten verwendete Floskel. Nur stellt sich jeder etwas anderes darunter vor. Man sollte also klar machen, wieso es Teamfähigkeit für diesen Job braucht und wann sie relevant ist.

Und wie geht das?
Man muss mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen, die diesen Job machen. Was macht den Job für sie aus? Was genau sind ihre Aufgaben? Welchen Anteil nehmen die einzelnen Tätigkeiten ein? Was sind große Herausforderungen oder typische Probleme, mit denen sie im Job zu tun haben? Und was sind zu erzielende Ergebnisse? Welche Situationen machen ihnen Spaß? Dann erfährt man Dinge, die in normalen Stellenanzeigen wahrscheinlich nicht auftauchen, weil man sich auf die Vorlagen der Fachabteilung fokussiert – anstatt mit den Menschen zu sprechen.

impulse: Herr Knabenreich, was stört Sie an Stellenanzeigen, wie sie heute aussehen? Henner Knabenreich: Sie sind häufig generisch und austauschbar. Es gibt nur wenige, bei denen sich die Verfasser offensichtlich Gedanken um die Zielgruppe gemacht haben, die sie ansprechen wollen. Um Bewerber abzuholen, muss man die Perspektive der Zielgruppe einnehmen, ihre Erwartungen und Bedürfnisse berücksichtigen. Und sich dann fragen, wie man neben den Aufgaben und Anforderungen den Sinn der Aufgaben vermittelt, die potenzielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen sollen. Wieso ist der Sinn wichtig? Aus der Positiven Psychologie wissen wir: Menschen, die in ihrem Job Sinn sehen, sind ganz anders motiviert. Sinn hängt auch damit zusammen, sich einzubringen und zu erleben, dass das eigene Handeln etwas bewirkt. Wer das empfindet, ist produktiver und leistungsfähiger. Und davon profitiert das gesamte Unternehmen. Wie können Unternehmen den Sinn in einer Stellenanzeige hervorheben? Ein Entsorgungsunternehmen könnte zum Beispiel statt „Du bist Müllmann und leerst die Mülltonnen aus“ schreiben: „Mit deiner Arbeit sorgst du dafür, dass unsere Stadt sauberer und sicherer wird.” Das zeigt dem Bewerber, dass es einen größeren, gesellschaftlichen Wert in der Aufgabe gibt. Und wie können Unternehmen diesen Sinn in Stellen finden? Spannend finde ich dabei den Gedanken des Golden Circle. Der bezieht sich darauf, dass Unternehmen ihr Warum in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation stellen sollen. Also den Sinn und Zweck des Unternehmens. Warum machen wir eigentlich, was wir machen? Was ist unsere Vision? Das lässt sich auch auf jeden Job herunterbrechen, weil in jedem Job auch ein Warum steckt. Besteht nicht die Gefahr, dadurch falsche Erwartungen zu wecken? Den Sinn eines Jobs zu betonen, bedeutet nicht, ihn zu beschönigen oder zu verschweigen, welche Aufgaben er umfasst. Wenn wir beim Beispiel der Müllabfuhr bleiben: Die Bewerber müssen sich darauf einstellen, schwere körperliche und auch schmutzige Arbeit zu verrichten. Aber sie sind eben auch draußen und auf den Beinen unterwegs, statt an einem Schreibtisch zu sitzen. Entscheidend ist es, bei der Wahrheit zu bleiben und Transparenz zu zeigen. Es gibt viele Menschen, die gerne bereit sind, einen Beitrag zu leisten – auch wenn der Job in unseren eigenen Augen möglicherweise nicht attraktiv erscheint. Wenn es gelingt, in der Stellenanzeige das Warum, den Sinn der Aufgabe darzustellen, wird dies im Zweifel einen ganz anderen Effekt auf Jobsuchende haben als die üblichen Standardfloskeln. Was bedeutet das für die Stellenanzeige? Die Formulierung ist entscheidend – da sind wir wieder bei der Zielgruppe: Wen spricht man eigentlich an? Welche Bedürfnisse und Erwartungen hat diese Zielgruppe? Wie adressiert man sie am besten? Darüber wird sich meistens noch zu wenig Gedanken gemacht. In vielen Unternehmen gibt die Fachabteilung eine nüchterne Stellenbeschreibung durch, die oft eins zu eins von der Personalabteilung als Vorlage für Stellenanzeigen übernommen wird. Das Problem: Diese bestehen dann aus einer Aneinanderreihung von Stichpunkten, wo die Aufgaben anhand von Substantivierungen aufgezählt werden und wenig präzise sind. Dazu kommt, dass das Anforderungsprofil stark auf die Erfahrung der Bewerber fokussiert ist – nicht auf deren Stärken, Talente, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen. [zur-person] Und das führt dazu, dass sich Leute seltener bewerben? Absolut. Zum Beispiel denken viele Leute, sie müssten dem Anforderungsprofil zu 100 Prozent entsprechen, sonst bewerben sie sich nicht. Personaler nehmen aber auch Anforderungen auf, die nicht zwingend erforderlich sind. Das heißt, sie schließen von vornherein potenzielle Bewerber aus. Oder aber es bewerben sich die Falschen, weil die Aufgaben nicht klar sind. Im schlimmsten Fall stelle ich einen Mitarbeiter ein, der nach kurzer Zeit feststellt: Das ist hier ja ganz anders, als ich erwartet hatte. [mehr-zum-thema] Aber gibt es nicht auch Leute, die einfach Geld verdienen wollen und den Sinn gar nicht brauchen? Das ist eine gute Frage, die ich nicht abschließend beantworten kann. Mit Sicherheit gibt es die. Wovon ich aber überzeugt bin: Jeder Mensch ist dankbar, wenn man ihm Wertschätzung entgegenbringt. Aber mit Stichpunkten in Stellenbeschreibungen und nicht am Jobsuchenden orientierten Inhalten lässt sich diese Wertschätzung kaum transportieren und für Begeisterung sorgen, sich auf die Stelle zu bewerben. Haben Sie ein Beispiel, wie es besser geht? Ich hatte einen Kunden, der Mitarbeiter für ein Plasmaspende-Zentrum suchte. Der Einstieg zu seinen Stellenanzeigen war sehr klassisch: Was macht das Unternehmen und für wen. Wir haben dann auf die Zielgruppe geschaut, in diesem Fall waren es Medizinische Fachangestellte. Alternativ zur üblichen Selbstbeweihräucherung entstand dann eine Formulierung, die die Zielgruppe unmittelbar adressiert: „Du bist MFA und suchst eine attraktive Alternative zu Schicht-, Pflege-, Rettungs- und Gesundheitsdienst? Du hast keine Lust mehr auf Doppelschichten und Nachtdienste und willst endlich wieder Zeit für Familie und Freunde haben? Du suchst einen sicheren Arbeitsplatz mit einer mehr als fairen Vergütung? Wenn du Bock auf ein cooles Team hast und gemeinsam mit uns Leben retten willst, dann melde dich bei uns.“ Es kommt darauf an, wie man die Person an die Stelle heranführt. Wir haben uns also auf den Sinn konzentriert – und auf die Vorteile, wie die Work-Life-Balance und die Vergütung. Wenn ich damit starte, bleiben die Leute eher dran als bei einer Beschreibung des Unternehmens. Also sollten die Benefits im Vordergrund stehen? Ich beobachte in der Praxis den Trend, alle Benefits in Stellenanzeigen noch vor den Aufgaben zu nennen. Denn viele denken, dass sie die Leute darüber bekommen. Doch das ist ein Trugschluss. Benefits sind das Zünglein an der Waage, sie erregen im ersten Moment vielleicht Aufmerksamkeit – aber sie sind nicht der Hauptgrund für einen Jobwechsel. Schaut man sich Studien an, zeigt sich immer wieder, dass Aufgabenbeschreibung und Anforderungsprofil die wichtigsten Punkte bei der Stellensuche sind. Deswegen sollten Unternehmen viel mehr Wert darauf legen, sie ansprechend zu gestalten. Das Problem mit Benefits ist, dass sie häufig austauschbar sind. Und wenn die Aufgaben langweilig sind und die Führung schlecht, dann bringt auch ein Jobticket oder 35 Tage Urlaub nichts. Wie könnte denn eine Aufgabenbeschreibung aussehen, die mehr Bewerberinnen und Bewerber anspricht? Sie sollte möglichst praxisbezogen und in ganzen Sätzen sein, damit die Bewerber sich in die Aufgabe hineinversetzen können und eine Vorstellung bekommen, was auf sie zukommt. Und auch die Anforderungen sollten im Kontext der Aufgaben stehen. Nehmen Sie etwa Teamfähigkeit – das ist die am meisten verwendete Floskel. Nur stellt sich jeder etwas anderes darunter vor. Man sollte also klar machen, wieso es Teamfähigkeit für diesen Job braucht und wann sie relevant ist. Und wie geht das? Man muss mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen, die diesen Job machen. Was macht den Job für sie aus? Was genau sind ihre Aufgaben? Welchen Anteil nehmen die einzelnen Tätigkeiten ein? Was sind große Herausforderungen oder typische Probleme, mit denen sie im Job zu tun haben? Und was sind zu erzielende Ergebnisse? Welche Situationen machen ihnen Spaß? Dann erfährt man Dinge, die in normalen Stellenanzeigen wahrscheinlich nicht auftauchen, weil man sich auf die Vorlagen der Fachabteilung fokussiert – anstatt mit den Menschen zu sprechen.
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