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Wie wichtig es ist, offen für neue Wege zu sein und seine kognitive Flexibilität zu trainieren, hat Elaine Fox mit 17 selbst erlebt. Fox, die heute als Psychologin und Neurowissenschaftlerin in Oxford und an der Universität Adelaide lehrt, hatte sich damals zunächst gegen ein Studium entschieden. Sie wollte Steuerberaterin werden. Doch schnell wurde ihr klar, dass sie in diesem Job nicht glücklich würde.
Sich noch an der Uni einzuschreiben erschien ihr als einziger Ausweg. Leider kam ihr diese Erkenntnis einen Tag bevor die Einschreibefrist endete. Die zentrale Bewerbungsstelle befand sich Hunderte Kilometer von ihrer Heimatstadt Dublin entfernt. Mit der Post wären die Unterlagen nicht mehr rechtzeitig angekommen. Fox war verzweifelt, als ihre Mutter einen Vorschlag machte: Sie buchte Tickets für den Spätzug und eine Unterkunft. Auf der Fahrt füllte Fox die Formulare aus – und konnte sie am nächsten Tag rechtzeitig einreichen und so einen Studienplatz ergattern.
Kognitive Flexibilität macht erfolgreich – und lässt sich mit einfachen Übungen trainieren
Diese Erfahrung prägte die Psychologin und führte sie schließlich zu ihrem Forschungsschwerpunkt: Flexibilität und Resilienz. Neben ihren Studien coacht sie auch Unternehmer und Spitzensportlerinnen. Ihre wichtigste Erkenntnis aus Wissenschaft und Praxis bringt sie in ihrem Buch „Das Switch-Prinzip“ (dtv, 384 Seiten, 19 Euro) auf den Punkt: Ein beweglicher Geist verbessere die Chancen auf Erfolg und Glück dramatisch. Ebenso konnte sie feststellen, dass ein unflexibler Geist Angst und Stress fördere.
Die gute Nachricht für Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich ständig an neue Gegebenheiten anpassen müssen: Geistige Flexibilität kann man trainieren. Fünf Übungen, die sich leicht in den Alltag einbauen lassen.
Übung 1: Der schnelle Aufgabenwechsel
- Notiere dir drei bis vier Aufgaben, die jeweils nicht länger als 10 bis 15 Minuten dauern. Etwa eine E-Mail schreiben, einen Kunden anrufen oder den Schreibtisch aufräumen.
- Überlege, wie viele Minuten du für jede dieser Aufgaben brauchen wirst, und schreibe die Zahl auf. Entscheide dann, in welcher Reihenfolge du sie angehst.
- Stell dir einen Wecker auf die Zeit, die du dir vorgenommen hast, und beginne mit der ersten Aufgabe. Sobald die Zeit um ist, hörst du auf – egal, wie weit du mit der Bearbeitung gekommen bist.
- Mache eine kurze Pause, dann stellst du den Wecker auf die Zeit, die du für die nächste Aufgabe eingeplant hast, und legst los. Bis es das nächste Mal klingelt.
Ein schöner Nebeneffekt: Wenn du diese Übung regelmäßig machst, lernst du, den Zeitbedarf für bestimmte Aufgaben besser einzuschätzen. Laut Fox überschätzen die meisten Menschen, wie lange eine einfache Tätigkeit wie das Schreiben einer E-Mail tatsächlich dauert.
Fortgeschrittene können die Übung variieren. Stelle dafür den Wecker so ein, dass er in willkürlichen Intervallen klingelt. Wenn du etwa drei Aufgaben in einer halben Stunde erledigen willst, lass den Wecker fünf, sechs oder sieben Mal klingeln. Jedes Mal musst du auf der Stelle unterbrechen, was du gerade tust, und unverzüglich zur nächsten Aufgabe springen. Das führt dazu, dass du die Aufgaben mehrfach bearbeitest, aber nur für jeweils kurze Zeit.
Produktivitätsexperten werden an dieser Stelle die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, der schnelle Wechsel raubt Energie und ist nicht besonders effizient. Doch das Hin- und Herspringen bewirke wahre Wunder für die Flexibilität des Gehirns, so Fox.
Übung 2: Wofür könnte ich es noch benutzen?
In der Psychologie wird diese Übung der „Unusual Uses Test“ genannt, es geht also um ungewöhnliche Verwendungszwecke. Such dir einen Alltagsgegenstand, zum Beispiel eine Tasse, und überlege fünf Minuten lang: „Wofür könnte ich sie noch benutzen?“
Natürlich zum Trinken. Aber sie könnte auch als Briefbeschwerer, Stifthalter, Blumenvase oder Messbecher dienen – oder du könntest mit ihr eine Wespe einfangen.
Diese kleine Übung öffnet den Geist für verschiedene Möglichkeiten und fördert Kreativität und geistige Beweglichkeit. Probier sie das nächste Mal im Zug, im Flugzeug oder im Wartezimmer aus. Und falls du Kinder hast: Mach die Übung doch einmal gemeinsam mit ihnen.
Übung 3: Was könnte noch dahinterstecken?
Wer sein Denken und Handeln flexibel an Situationen anpassen kann, geht gelassener mit Krisen und Ärgernissen um. Elaine Fox erklärt in ihrem Buch: „Flexiblere Verbindungen im eigenen Gehirn lassen sich fördern, indem wir bei der Interpretation der Ereignisse um uns herum winzige Justierungen vornehmen.“
Dafür gibt es eine einfache Übung: Achte auf Situationen, die dich ärgern oder aufregen – etwa, wenn eine Mitarbeiterin eine Aufgabe nicht pünktlich erledigt. Ein naheliegender Gedanke wäre: „Sie ist faul.“ Oder: „Sie nimmt mich nicht ernst.“
Versuch stattdessen, deinen Geist bewusst zu stoppen, bevor er diese negativen Abkürzungen nimmt. Frage dich: „Was könnte noch dahinterstecken?“ Vielleicht hat deine Mitarbeiterin gerade private Sorgen? Vielleicht ist ihr nicht klar, wie wichtig die Aufgabe für dich ist? Oder sie braucht Hilfe, traut sich aber nicht, danach zu fragen?
Wenn du diese Übung regelmäßig machst, lockerst du die Verknüpfungen in deinem Gehirn, wirst offener und flexibler – und begegnest deinem Umfeld mit mehr Verständnis und Gelassenheit.
Übung 4: Der sechsfache Perspektivenwechsel
Auch gezielter Perspektivwechsel trainiert deine geistige Beweglichkeit. Fox nutzt dafür gern eine spielerische Übung:
Notiere die Namen von sechs Menschen, die du bewunderst, und weise ihnen Zahlen von 1 bis 6 zu. Es können Personen sein, die du kennst, Berühmtheiten oder fiktive Charaktere.
Dann wende dich einer Frage zu, die dich gerade beschäftigt – zum Beispiel, ob du ein bestimmtes Geschäftsfeld ausweiten solltest. Wirf nun einen Würfel und versuche, dein Problem aus der Perspektive dieser Person zu betrachten.
Was würde Harry Potter tun? Wie würde Jürgen Klopp entscheiden? Welchen Weg würde deine beste Freundin wählen, welchen deine Großmutter?
Mit der Zeit, so Fox, gewöhnst du dich daran, Probleme aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.
Übung 5: Frage nicht „Warum?“, sondern „Wie?“
Laut Elaine Fox gibt es eine wissenschaftlich erwiesene Methode, um garantiert unglücklich zu werden: darüber zu grübeln, warum dir etwas Schlechtes passiert ist.
Um diese Gedankenspirale zu vermeiden, kannst du üben, Probleme lösungsorientiert zu betrachten – indem du sie in deinem Kopf bewusst umformulierst.
Statt dich zu fragen: „Warum haben wir diesen Auftrag verloren?“ oder „Warum streite ich ständig mit meiner Partnerin?“, stell lieber „Wie“- oder „Was“-Fragen:
„Wie kann ich die Situation jetzt verbessern?“ oder „Was kann ich konkret tun, damit es uns wieder besser geht?“
Schon die Art, wie du dir Fragen stellst, hilft, flexibel zu denken und dich auf neue Lösungen einzulassen.
Mit diesen fünf Übungen für kognitive Flexibilität trainierst du spielerisch deine geistige Beweglichkeit. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Quelle:
Elaine Fox (2022): Das Switch-Prinzip. Mit mentaler Flexibilität jede Veränderung im Leben meistern, München: dtv.
