Serendipität
Diesen einen Erfolgsfaktor übersehen die meisten

Einige Menschen scheinen das Glück anzuziehen. Ein Grund: Sie wissen Zufälle für sich zu nutzen. Serendipität heißt dieses Phänomen. Zufalls-Forscher Christian Busch verrät, wie dies auch Ihnen besser gelingt.

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Mindset ändern
© Flavio Coelho / Moment / Getty Images

Herr Busch, Sie beschäftigen sich seit Jahren wissenschaftlich mit dem Zufall. Und Sie sagen: Es ist nicht nur Zufall, ob jemand ein Glückspilz oder ein Pechvogel ist. Wie kommen Sie darauf?
Es gibt blindes Glück und aktives Glück. Blindes Glück und Unglück ist passiv – es widerfährt uns ohne unser Zutun. Das gilt zum Beispiel bei der Frage, ob man in eine liebevolle Familie hereingeboren wird oder nicht. Und dann gibt es die sogenannte Serendipität: Hier kommt es darauf an, wie wir mit dem Zufall umgehen, dass wir eine aktive Rolle spielen. Da unterscheiden sich oft Pechvögel von Glückspilzen: Glückspilze reagieren tendenziell aktiver auf Zufälle. Und erleben dadurch mehr von dem, was andere dann „glückliche Zufälle“ nennen.

Haben Sie ein Beispiel?
Es gibt viele Experimente in dieser Richtung. Zum Beispiel: Forscher haben in einem Experiment zwei Menschen in ein Café geschickt. Direkt vor den Eingang legten sie einen Geldschein, drinnen besetzten sie alle Tische, die Personen mussten sich also zu jemandem dazusetzen. Die eine Testperson bezeichnete sich im Vorgespräch als Glückspilz, die andere sich als Pechvogel.

Der Pechvogel übersah den Geldschein, setzte sich neben einen erfolgreichen Geschäftsmann – und schwieg. Der Glückspilz sah das Geld, hob es auf, setzte sich ebenfalls neben den erfolgreichen Geschäftsmann und führte ein Gespräch mit ihm. Im Nachgang berichtete diese Person, es sei ein „großartiger Tag“ gewesen – Geld, neuer Kontakt und potentiell eine neue Möglichkeit. Der Pechvogel dagegen sprach von einem „völlig ereignislosen“ Morgen. Die Chancen in der Situation wurde komplett anders genutzt, je nach Mindset.

Wer erfolgreich sein will, sollte sich also mehr auf Zufälle einlassen und viel weniger planen?
Ja und nein! Serendipität bedeutet nicht, ohne Plan loszulaufen und zu schauen, was einem wohl Zufälliges widerfährt. Im Gegenteil. Ich forsche mit Kollegen und Kolleginnen viel zur Frage, was erfolgreiche CEOs von weniger erfolgreichen unterscheidet. Dabei kommt heraus: Erstere sind richtig gut darin, die Richtung vorzugeben, in die es gehen soll. Gleichzeitig aber wissen sie eben: Wir können nicht alles planen und wollen es auch nicht – denn im Zufall liegen unglaubliche Chancen!

Wenn dann wirklich etwas Unerwartetes passiert, beispielsweise Kunden zufälligerweise ein Produkt anders benutzen als man anfangs dachte, sind sie besser gewappnet. Und in der Lage, sich zu fragen: Was können wir daraus lernen? Um als Unternehmerin oder Unternehmer erfolgreich zu sein, heißt es heute immer, den Erfolgsfaktor Zufall einzukalkulieren.

Warum?
In einer Welt, die sich so schnell ändert wie unsere, können Sie oft nur gut bestehen, wenn Sie das Unerwartete nicht als Feind sehen, sondern als Verbündeten. Die meisten Menschen unterschätzen im Alltag die positiven Möglichkeiten, die im Unerwarteten liegen – und lassen sie deshalb ungenutzt verstreichen.

Wie geht es denn besser?
Ein Beispiel für Serendipität, das ich sehr mag, ist das eines chinesischen Waschmaschinenherstellers. Dort riefen Bauern bei der Servicehotline an, sinngemäß mit der Beschwerde: „Eure blöden Waschmaschinen gehen immer kaputt. Wir versuchen, unsere Kartoffeln darin zu reinigen – und dann das!“ Die übliche Reaktion wäre: „Tja, damit verfällt eure Garantie leider. Für Kartoffeln ist die Waschmaschine ja nicht gemacht!“

Dieser Hersteller aber dachte: Ok, dass jemand Kartoffeln in die Trommel packt, ist unerwartet, damit hat niemand gerechnet. Aber: Es gibt ja wahrscheinlich viele Bauern auf der Welt, die das gleiche Problem haben. Warum bauen wir also nicht einen größeren Schmutzfilter ein und verkaufen die Kartoffelwaschmaschine als neues Produkt? Und genau das geschah.

Der Experte
Christian Busch ist Professor an der University of Southern California (USC) und lehrt zudem an der London School of Economics. Sein aktuelles Buch „Erfolgsfaktor Zufall“ (Murmann, 29 Euro) zeigt mit vielen praktischen Tipps und Übungen, wie wir Unerwartetes besser für uns nutzen können.

Serendipität ist also eine Mischung aus Zufall und menschlichem Handeln?
Genau. Damit ein Zufall zur Chance wird, braucht es eine Person, die in der Lage ist, Ereignisse, Beobachtungen oder Informationsfragmente zu verstehen – und kreativ neu zu kombinieren. So sind zum Beispiel die Post-its entstanden. Der Forscher Spencer Silver wollte einen starken Klebstoff produzieren, entwickelte aber zufälligerweise das Gegenteil: eine Substanz, die nicht besonders gut klebte. Und überlegte nun: Was kann ich daraus machen? So kam es zu einer neuen Produktlinie, die das Unternehmen „Post-it-Zettel“ nannte.

Wenn ich nun aber zu den eher passiven Pechvögeln gehöre – wie kann ich mich auf mehr Serendipität polen?
Ein Tipp ist, zunächst die Zahl möglicher Zufälle zu erhöhen. Das klappt gut über Gespräche mit anderen – und der sogenannten Hakenstrategie. Es geht dabei darum, bestimmte Informationen von sich zu teilen, an die andere anknüpfen können. Zum Beispiel beim Smalltalk auf Netzwerktreffen oder Konferenzen.

Die sind ja meist eher langweilig und überraschungsbefreit …
Genau! Und warum? Weil die häufigste Frage lautet: „Und, was machst du so beruflich?“ Besser: Überlegen Sie sich im Vorhinein ein paar Dinge, die sie persönlich wirklich interessieren, faszinieren, begeistern. Und bauen Sie diese in Ihre Selbstvorstellung ein. Dadurch entstehen spannende Gespräche fernab von Smalltalk, oft werden zufällige Übereinstimmungen offenbar – und es bilden sich echte Beziehungen aus.

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Aber was bringt das für geschäftlichen Erfolg?
Ein Beispiel: Ich hatte kürzlich einen Workshop mit Unternehmern aus der Gaming-Branche. Ein paar Wochen danach schrieb mir einer der Teilnehmer von einem Erfolg durch die Hakenstrategie. Auf einer Investorenkonferenz hatte er sich wie folgt vorgestellt: „Ich bin XY, mache dies und das. Wofür ich mich aber wirklich interessiere, sind Schwarze Löcher und das Metaverse.“ Darauf sagte einer seiner Gesprächspartner: „Mensch, so ein Zufall, mich faszinieren Schwarze Löcher auch total!“

Die beiden unterhielten sich daraufhin lange und irgendwann fragte der Mann: „Hey du, ich find dich echt gut – wie könnte ich dir denn helfen?“ Er hat dem Workshop-Teilnehmer dann ein paar Investoren vermittelt und ihn bei diesen vorgestellt

Welches Erfolgsgeheimnis lässt sich daraus ableiten?
Der Punkt ist: Wirklich sinnhafte Geschäftsbeziehungen bauen wir auf mit Menschen, die uns interessieren, von denen etwas hängenbleibt, mit denen uns etwas verbindet – und nicht unbedingt  mit solchen, die nur pitchen und ihre Lebensgeschichte erzählen. Wenn Sie mitteilen, was Sie wirklich begeistert, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu treffen, mit dem Sie Berührungspunkte haben. Und damit die Chancen auf glückliche Zufälle.

Diese Hakenstrategie hilft übrigens nicht nur beim generellen Netzwerken, sondern auch in allen anderen Bereichen, etwa im Vertrieb und im Marketing

Abgesehen vom Hakensetzen – wie kann ich noch zu mehr Serendipität gelangen?
Gerade für Menschen, die sich nicht als Glückspilze sehen, gilt es, nach Sinn in Situationen zu schauen. Wenn ich erwarte, dass eine Konferenz langweilig sein wird, dann werde ich genau so eine Veranstaltung bekommen. Wenn ich mir aber beispielsweise vornehme, jene drei Menschen anzusprechen, die am langweiligsten wirken, und denen mal Fragen zu stellen wie: „Was fandest du bei der Präsentation am spannendsten?“, Was bringt Dich hierher?, dann werde ich oft eine nicht langweilige Unterhaltung führen – und die Chance auf Zufälle erhöhen, die mich weiterbringen.

Eher introvertierten Menschen wird so etwas schwerfallen …
Das stimmt. Ein wenig aus seiner Komfortzone herauskommen muss man aber. Introvertierte Menschen könnten sich etwa vornehmen, in der nächsten Woche drei Menschen anderen Menschen aus ihrem Bekanntenkreis vorzustellen. Das kann auch über Social-Media-Kanäle oder E-Mail geschehen, im Arbeitsumfeld genauso wie im Privaten.

Das Spannende: Wenn Sie einen Kontakt zwischen zwei Menschen anbahnen, leben Sie in diesem Kontakt weiter.

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Wieso bringt das etwas?
Sie sind dann ja der Grund, warum sich diese Personen überhaupt kennen. Und das wiederum führt häufig zu weiteren, dann auch für Sie hilfreichen Weiterempfehlungen. Oder anders: zu vermeintlich glücklichen Zufällen. Aber wichtig: Serendipität kommt oft auch aus „ruhigen Quellen“, etwa beim Lesen.

Mal angenommen, ich bin ganz gut darin, Zufälle zu erkennen und zu nutzen – wie kann ich das Serendipitätsprinzip in meinem Team verankern?

Indem Sie zum Beispiel in Meetings immer wieder fragen: „Was hat euch in der vergangenen Woche überrascht?“ Auf diese Weise ritualisieren Sie das Serendipitätsdenken und legimitieren es, über Unerwartetes, Zufälliges zu sprechen. Gut möglich, dass Ihnen dann eine Mitarbeiterin erzählt: „Mensch, die waschen mit unseren Maschinen Kartoffeln – das fand ich krass.“ Und damit hätten Sie eine Beobachtung, auf der Sie und Ihr Team gemeinsam rumdenken könnten.

Immer wieder über Zufälliges zu reden, hilft übrigens auch dabei, von der Unsicherheit wegzukommen, die wir beim Thema Zufall häufig spüren. Sie zeigen damit, dass es ok ist, zu zweifeln, Fehlannahmen zu machen. Und dass Unerwartetes nicht immer nur etwas ist, was einen Plan zerstört, sondern im Gegenteil helfen kann, Ziele anzupassen und Pläne zu verbessern.

Und was hilft noch, die Wahrscheinlichkeit für glückliche Zufälle im Team zu erhöhen?
Schaffen Sie Gelegenheiten, bei denen sich Leute treffen, die sonst nichts oder nur sehr wenig miteinander zu tun haben. Sie wissen, jemand aus Ihrem Team ist leidenschaftlicher Hobbyfußballer? Vielleicht hat er ja Lust, eine Betriebsmannschaft gründen. Oder eine Angestellte kann gut Cocktails mixen? Fragen Sie sie, ob sie Lust hätte, alle paar Wochen ein Afterwork-Event getränketechnisch zu begleiten. So schaffen Sie Gelegenheiten, bei denen verschiedene Menschen aufeinandertreffen und für glückliche Zufälle sorgen können.

Und mit welchem Fehler verpasse ich alle Zufallschancen garantiert?
Wenn Sie auf Biegen und Brechen danach suchen. Dann werden Sie unauthentisch und versuchen zu sehr, ein Mensch zu sein, der Sie nicht sind. Es geht bei Serendipität nicht darum, diesen einen lukrativen Investor zu finden, der alle finanziellen Probleme löst. Oder diese eine Person, die einen im Privaten durchs Leben begleitet. Es geht darum, Zufälle als Möglichkeitsraum für sich zu entdecken – und im Alltag ein paar Haken zu setzen, an denen sich der Zufall verfangen kann.

Deshalb ist es oft gut, mit einer Portion Leichtigkeit an die Sache heran zu gehen. Denn glückliche Zufälle sind zwar häufig sehr nützlich. Zuallererst aber bringen sie Spaß und Freude ins Leben!

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Direkt vor den Eingang legten sie einen Geldschein, drinnen besetzten sie alle Tische, die Personen mussten sich also zu jemandem dazusetzen. Die eine Testperson bezeichnete sich im Vorgespräch als Glückspilz, die andere sich als Pechvogel. Der Pechvogel übersah den Geldschein, setzte sich neben einen erfolgreichen Geschäftsmann – und schwieg. Der Glückspilz sah das Geld, hob es auf, setzte sich ebenfalls neben den erfolgreichen Geschäftsmann und führte ein Gespräch mit ihm. Im Nachgang berichtete diese Person, es sei ein „großartiger Tag“ gewesen – Geld, neuer Kontakt und potentiell eine neue Möglichkeit. Der Pechvogel dagegen sprach von einem „völlig ereignislosen“ Morgen. Die Chancen in der Situation wurde komplett anders genutzt, je nach Mindset. Wer erfolgreich sein will, sollte sich also mehr auf Zufälle einlassen und viel weniger planen? Ja und nein! Serendipität bedeutet nicht, ohne Plan loszulaufen und zu schauen, was einem wohl Zufälliges widerfährt. Im Gegenteil. Ich forsche mit Kollegen und Kolleginnen viel zur Frage, was erfolgreiche CEOs von weniger erfolgreichen unterscheidet. Dabei kommt heraus: Erstere sind richtig gut darin, die Richtung vorzugeben, in die es gehen soll. Gleichzeitig aber wissen sie eben: Wir können nicht alles planen und wollen es auch nicht – denn im Zufall liegen unglaubliche Chancen! Wenn dann wirklich etwas Unerwartetes passiert, beispielsweise Kunden zufälligerweise ein Produkt anders benutzen als man anfangs dachte, sind sie besser gewappnet. Und in der Lage, sich zu fragen: Was können wir daraus lernen? Um als Unternehmerin oder Unternehmer erfolgreich zu sein, heißt es heute immer, den Erfolgsfaktor Zufall einzukalkulieren. Warum? In einer Welt, die sich so schnell ändert wie unsere, können Sie oft nur gut bestehen, wenn Sie das Unerwartete nicht als Feind sehen, sondern als Verbündeten. Die meisten Menschen unterschätzen im Alltag die positiven Möglichkeiten, die im Unerwarteten liegen – und lassen sie deshalb ungenutzt verstreichen. Wie geht es denn besser? Ein Beispiel für Serendipität, das ich sehr mag, ist das eines chinesischen Waschmaschinenherstellers. Dort riefen Bauern bei der Servicehotline an, sinngemäß mit der Beschwerde: „Eure blöden Waschmaschinen gehen immer kaputt. Wir versuchen, unsere Kartoffeln darin zu reinigen – und dann das!“ Die übliche Reaktion wäre: „Tja, damit verfällt eure Garantie leider. Für Kartoffeln ist die Waschmaschine ja nicht gemacht!“ Dieser Hersteller aber dachte: Ok, dass jemand Kartoffeln in die Trommel packt, ist unerwartet, damit hat niemand gerechnet. Aber: Es gibt ja wahrscheinlich viele Bauern auf der Welt, die das gleiche Problem haben. Warum bauen wir also nicht einen größeren Schmutzfilter ein und verkaufen die Kartoffelwaschmaschine als neues Produkt? Und genau das geschah. [zur-person] Serendipität ist also eine Mischung aus Zufall und menschlichem Handeln? Genau. Damit ein Zufall zur Chance wird, braucht es eine Person, die in der Lage ist, Ereignisse, Beobachtungen oder Informationsfragmente zu verstehen – und kreativ neu zu kombinieren. So sind zum Beispiel die Post-its entstanden. Der Forscher Spencer Silver wollte einen starken Klebstoff produzieren, entwickelte aber zufälligerweise das Gegenteil: eine Substanz, die nicht besonders gut klebte. Und überlegte nun: Was kann ich daraus machen? So kam es zu einer neuen Produktlinie, die das Unternehmen „Post-it-Zettel“ nannte.[mehr-zum-thema] Wenn ich nun aber zu den eher passiven Pechvögeln gehöre – wie kann ich mich auf mehr Serendipität polen? Ein Tipp ist, zunächst die Zahl möglicher Zufälle zu erhöhen. Das klappt gut über Gespräche mit anderen – und der sogenannten Hakenstrategie. Es geht dabei darum, bestimmte Informationen von sich zu teilen, an die andere anknüpfen können. Zum Beispiel beim Smalltalk auf Netzwerktreffen oder Konferenzen. Die sind ja meist eher langweilig und überraschungsbefreit … Genau! Und warum? Weil die häufigste Frage lautet: „Und, was machst du so beruflich?“ Besser: Überlegen Sie sich im Vorhinein ein paar Dinge, die sie persönlich wirklich interessieren, faszinieren, begeistern. Und bauen Sie diese in Ihre Selbstvorstellung ein. Dadurch entstehen spannende Gespräche fernab von Smalltalk, oft werden zufällige Übereinstimmungen offenbar – und es bilden sich echte Beziehungen aus. Aber was bringt das für geschäftlichen Erfolg? Ein Beispiel: Ich hatte kürzlich einen Workshop mit Unternehmern aus der Gaming-Branche. Ein paar Wochen danach schrieb mir einer der Teilnehmer von einem Erfolg durch die Hakenstrategie. Auf einer Investorenkonferenz hatte er sich wie folgt vorgestellt: „Ich bin XY, mache dies und das. Wofür ich mich aber wirklich interessiere, sind Schwarze Löcher und das Metaverse.“ Darauf sagte einer seiner Gesprächspartner: „Mensch, so ein Zufall, mich faszinieren Schwarze Löcher auch total!“ Die beiden unterhielten sich daraufhin lange und irgendwann fragte der Mann: „Hey du, ich find dich echt gut – wie könnte ich dir denn helfen?“ Er hat dem Workshop-Teilnehmer dann ein paar Investoren vermittelt und ihn bei diesen vorgestellt Welches Erfolgsgeheimnis lässt sich daraus ableiten? Der Punkt ist: Wirklich sinnhafte Geschäftsbeziehungen bauen wir auf mit Menschen, die uns interessieren, von denen etwas hängenbleibt, mit denen uns etwas verbindet – und nicht unbedingt  mit solchen, die nur pitchen und ihre Lebensgeschichte erzählen. Wenn Sie mitteilen, was Sie wirklich begeistert, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu treffen, mit dem Sie Berührungspunkte haben. Und damit die Chancen auf glückliche Zufälle. Diese Hakenstrategie hilft übrigens nicht nur beim generellen Netzwerken, sondern auch in allen anderen Bereichen, etwa im Vertrieb und im Marketing Abgesehen vom Hakensetzen – wie kann ich noch zu mehr Serendipität gelangen? Gerade für Menschen, die sich nicht als Glückspilze sehen, gilt es, nach Sinn in Situationen zu schauen. Wenn ich erwarte, dass eine Konferenz langweilig sein wird, dann werde ich genau so eine Veranstaltung bekommen. Wenn ich mir aber beispielsweise vornehme, jene drei Menschen anzusprechen, die am langweiligsten wirken, und denen mal Fragen zu stellen wie: „Was fandest du bei der Präsentation am spannendsten?“, Was bringt Dich hierher?, dann werde ich oft eine nicht langweilige Unterhaltung führen – und die Chance auf Zufälle erhöhen, die mich weiterbringen. Eher introvertierten Menschen wird so etwas schwerfallen … Das stimmt. Ein wenig aus seiner Komfortzone herauskommen muss man aber. Introvertierte Menschen könnten sich etwa vornehmen, in der nächsten Woche drei Menschen anderen Menschen aus ihrem Bekanntenkreis vorzustellen. Das kann auch über Social-Media-Kanäle oder E-Mail geschehen, im Arbeitsumfeld genauso wie im Privaten. Das Spannende: Wenn Sie einen Kontakt zwischen zwei Menschen anbahnen, leben Sie in diesem Kontakt weiter. Wieso bringt das etwas? Sie sind dann ja der Grund, warum sich diese Personen überhaupt kennen. Und das wiederum führt häufig zu weiteren, dann auch für Sie hilfreichen Weiterempfehlungen. Oder anders: zu vermeintlich glücklichen Zufällen. Aber wichtig: Serendipität kommt oft auch aus „ruhigen Quellen“, etwa beim Lesen. Mal angenommen, ich bin ganz gut darin, Zufälle zu erkennen und zu nutzen – wie kann ich das Serendipitätsprinzip in meinem Team verankern? Indem Sie zum Beispiel in Meetings immer wieder fragen: „Was hat euch in der vergangenen Woche überrascht?“ Auf diese Weise ritualisieren Sie das Serendipitätsdenken und legimitieren es, über Unerwartetes, Zufälliges zu sprechen. Gut möglich, dass Ihnen dann eine Mitarbeiterin erzählt: „Mensch, die waschen mit unseren Maschinen Kartoffeln – das fand ich krass.“ Und damit hätten Sie eine Beobachtung, auf der Sie und Ihr Team gemeinsam rumdenken könnten. Immer wieder über Zufälliges zu reden, hilft übrigens auch dabei, von der Unsicherheit wegzukommen, die wir beim Thema Zufall häufig spüren. Sie zeigen damit, dass es ok ist, zu zweifeln, Fehlannahmen zu machen. Und dass Unerwartetes nicht immer nur etwas ist, was einen Plan zerstört, sondern im Gegenteil helfen kann, Ziele anzupassen und Pläne zu verbessern. Und was hilft noch, die Wahrscheinlichkeit für glückliche Zufälle im Team zu erhöhen? Schaffen Sie Gelegenheiten, bei denen sich Leute treffen, die sonst nichts oder nur sehr wenig miteinander zu tun haben. Sie wissen, jemand aus Ihrem Team ist leidenschaftlicher Hobbyfußballer? Vielleicht hat er ja Lust, eine Betriebsmannschaft gründen. Oder eine Angestellte kann gut Cocktails mixen? Fragen Sie sie, ob sie Lust hätte, alle paar Wochen ein Afterwork-Event getränketechnisch zu begleiten. So schaffen Sie Gelegenheiten, bei denen verschiedene Menschen aufeinandertreffen und für glückliche Zufälle sorgen können. Und mit welchem Fehler verpasse ich alle Zufallschancen garantiert? Wenn Sie auf Biegen und Brechen danach suchen. Dann werden Sie unauthentisch und versuchen zu sehr, ein Mensch zu sein, der Sie nicht sind. Es geht bei Serendipität nicht darum, diesen einen lukrativen Investor zu finden, der alle finanziellen Probleme löst. Oder diese eine Person, die einen im Privaten durchs Leben begleitet. Es geht darum, Zufälle als Möglichkeitsraum für sich zu entdecken – und im Alltag ein paar Haken zu setzen, an denen sich der Zufall verfangen kann. Deshalb ist es oft gut, mit einer Portion Leichtigkeit an die Sache heran zu gehen. Denn glückliche Zufälle sind zwar häufig sehr nützlich. Zuallererst aber bringen sie Spaß und Freude ins Leben!
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