Kündigen wegen Corona
Diese Regeln gelten jetzt für Kündigungen

Manche Unternehmer müssen in der Corona-Krise das allerletzte Mittel in Erwägung ziehen: Mitarbeitern zu kündigen. Doch ist das rechtlich überhaupt möglich? Das sind die Voraussetzungen.

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Was gilt beim Kündigen wegen Corona?
© view7 / Photocase

In der Krise ist nichts mehr undenkbar – auch nicht, Mitarbeitern zu kündigen. Doch das ist rechtlich keineswegs trivial. Vor allem nicht, wenn das Unternehmen zuvor auf Kurzarbeit gegangen ist. Das sind die Regeln.

1. Personenbedingte Kündigung

Kann man einem Mitarbeiter kündigen, weil er an Covid-19 erkrankt ist?

Es liegt nahe, bei einer Pandemie zunächst an eine personenbedingte Kündigung zu denken, weil ein Mitarbeiter zum Beispiel an Covid-19 erkrankt ist. Wegen einer Krankheit personenbedingt zu kündigen, ist durchaus möglich – aber an strenge Regeln gebunden. Sie sind so streng, dass die Kündigung wegen einer Corona-Erkrankung praktisch ausgeschlossen sein dürfte.

So muss es etwa eine negative Gesundheitsprognose für den Mitarbeiter geben, nach der zu erwarten ist, dass er auch in den nächsten Jahren häufig krank sein wird. Das fällt für eine Covid-19-Erkrankung aus: Sie dauert durchschnittlich nur knapp zwei Wochen.

2. Verhaltensbedingte Kündigung

Kann man einem Mitarbeiter kündigen, der sich bewusst mit Corona infiziert hat?

Bricht ein Arbeitnehmer im Privatleben die Corona-Ausgangsbeschränkungen und steckt sich etwa auf einer Corona-Party mit dem SARS-CoV-2-Virus an, kann er nicht mehr arbeiten gehen – und wird, wenn er erkrankt, auch arbeitsunfähig.

Rechtsanwalt Jörn Kuhn von der Kanzlei Oppenhoff hält eine Kündigung in diesem Fall trotzdem für kaum aussichtsreich. „Bei einem Fehlverhalten im außerdienstlichen Bereich ist eine Kündigung sehr schwer durchzusetzen“, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Mitarbeiter bewusst auf die Party gegangen ist, um sich anzustecken und nicht arbeiten gehen zu müssen. Dieser Beweis dürfte in der Regel kaum zu führen sein – außer der Mitarbeiter war so unklug, seine Pläne zuvor öffentlich zu verkünden.

Kann man einem Mitarbeiter kündigen, der sich unbewusst bei einer verbotenen Veranstaltung mit dem Corona-Virus infiziert hat?

Ende März machte ein niedersächsischer Bäcker auf sich aufmerksam, der auf Instagram tränenreich um seine Existenz und die Jobs seiner Mitarbeiter bangte. Am nächsten Tag wurde bekannt, dass er auch ein anderes Gesicht hat: In einem internen Aushang drohte er Mitarbeitern, die „sich auf Partys, Kindergeburtstagen oder Treffen mit Freunden leichtsinnig“ infizierten, mit einer fristlosen Entlassung wegen „schwerer Unternehmensschädigung“. Durfte er das?

Drohen kann man viel – entscheidend ist, ob die angedrohten Folgen rechtlich Bestand hätten. Das ist hier sehr zweifelhaft. Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: Privat macht jeder seins. Wenn Mitarbeiter am Wochenende etwa auf Kindergeburtstage gehen und sich dabei einer unnötigen Ansteckungsgefahr aussetzen, wird das nicht jedem Arbeitgeber gefallen, er muss es aber hinnehmen.

Rechtsanwalt Kuhn ist der Ansicht, dass Arbeitgeber zumindest keine Entgeltfortzahlung leisten müssen, wenn sich ihre Arbeitnehmer durch leichtsinniges Verhalten in ihrer Freizeit arbeitsunfähig machen. Das ist für risikoreiche Sportarten seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts 1982 anerkannt (BAG, Az.: 5 AZR 338/79).

Wenn Angestellte in ihrer Freizeit leichtsinnig Kindergeburtstage oder Corona-geneigte Partys besuchen, hält Kuhn die Situation für vergleichbar. „Wenn der Mitarbeiter sich dann tatsächlich infiziert, kann der Arbeitgeber sagen: Du hast dich selbst in diese Lage gebracht und kannst deine Arbeitskraft nicht mehr anbieten.“ In diesem Fall darf der Chef zwar nicht kündigen, aber seine Pflicht zur Entgeltfortzahlung kann entfallen.

Lesen Sie auch: Reisen in Risikogebiete: Das gilt laut Arbeitsrecht 

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Ein Mitarbeiter hat sich mit dem Corona-Virus infiziert und kommt trotzdem zur Arbeit. Ist das ein Kündigungsgrund?

Mitarbeiter müssen ihrem Chef mitteilen, ob sie sich mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert haben, sagen viele Arbeitsrechtler – das folge aus ihrer Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber.

Der Verstoß wiegt umso schwerer, wenn sie wider besseres Wissen auch noch infiziert zur Arbeit erscheinen. Stecken sie dann noch Kollegen an, ist das laut Kuhn ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung: „Wenn sie keinen angesteckt haben, kann der Arbeitgeber zumindest eine Abmahnung aussprechen.“

3. Betriebsbedingte Kündigung

Auch wenn die Corona-Pandemie schwerste wirtschaftliche Verwerfungen nach sich zieht, rechtfertigt das nicht automatisch betriebsbedingte Kündigungen (mehr zu deren Voraussetzungen finden Sie hier).

Betriebsbedingte Entlassungen setzen einen dauerhaften Beschäftigungsmangel im Unternehmen voraus. Ob das in der Corona-Pandemie der Fall ist, ist zumindest zu bezweifeln. So gehen Experten davon aus, dass sich mit der Aussicht auf einen Impfstoff auch die Perspektiven für viele Branchen verbessern werden. Arbeitgeber dürfen also nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte bei betriebsbedingten Kündigungen in ihrem Sinne entscheiden.

„Unter Berufung auf Corona betriebsbedingt zu kündigen, ist aktuell schwierig“, sagt Jörn Kuhn. „Der Kündigungsgrund müsste schon vor Ausbruch der Pandemie festgestanden haben.“

Mein Unternehmen hat Kurzarbeit angemeldet. Ist es trotzdem möglich, betriebsbedingt zu kündigen?

Auch in Kurzarbeit kann ein Betrieb betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Das ist höchstrichterlich abgesichert. Aber es ist auch sehr riskant für Unternehmer. „Arbeitgeber haben in diesem Fall eine sehr, sehr hohe Darlegungs- und Beweislast“, warnt Jörn Kuhn.

Das liegt daran, dass Arbeitgeber mit einem Antrag auf Kurzarbeitergeld zum Ausdruck bringen, dass die Beschäftigungsflaute in ihrem Betrieb vorübergehender Natur ist. Die Kurzarbeit soll nur dazu dienen, Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten, bis es wieder aufwärts geht.

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Entscheidet sich ein Unternehmer dann für betriebsbedingte Kündigungen, trifft er eine Annahme, die seinem Antrag auf Kurzarbeit fundamental widerspricht: Die vorübergehende Beschäftigungsflaute hat sich in eine dauerhafte verwandelt, auf die er nur noch mit betriebsbedingten Kündigungen reagieren kann.

Das müssen Unternehmer sehr gut begründen. Die Arbeitsagentur könnte sonst vermuten, dass der Betrieb schon vor der Corona-Pandemie in einer strukturellen Krise steckte und der Arbeitgeber vor den Entlassungen noch ein paar Monate Kurzarbeitergeld mitnehmen wollte.

„Nach Gewährung des Kurzarbeitergeldes wird die Arbeitsagentur prüfen, ob in dem Betrieb die Voraussetzungen dafür vorlagen und sich der Arbeitgeber die Leistung nicht quasi erschlichen hat“, sagt Anwalt Kuhn. Es sei auch zu erwarten, dass die Arbeitsagenturen den politischen Auftrag erhalten werden, Missbrauchsfälle aufzuspüren, um so viel Geld wie möglich in die öffentlichen Kassen zurückzuholen. Nach der letzten großen Kurzarbeitsphase während der Finanzkrise 2008/2009 seien die Arbeitsagenturen sogar mit Zoll und Staatsanwaltschaft in die Betriebe eingerückt, wenn der Verdacht auf Kurzarbeitsbetrug bestand.

Arbeitgeber brauchen also triftige Gründe für ihren Sinneswandel von Kurzarbeit hin zu betriebsbedingten Kündigungen. Eine Begründung wäre zum Beispiel, dass zwei wichtige Kunden oder Lieferanten pleitegegangen sind. Damit kann sich die Prognose für den Betrieb von einem Tag auf den Tag verschlechtern, die vorübergehende zu einer dauerhaften Krise werden.

Sind nach dem Ende der Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen möglich?

„Stellt ein Unternehmer nach dem Ende der Kurzarbeit fest, dass das Geschäft nicht wieder hochkommt, kann er betriebsbedingte Kündigungen aussprechen“, sagt Jörn Kuhn, „das ist eine unternehmerische Entscheidung.“

Die betriebsbedingten Kündigungen richten sich in diesem Fall nach den normalen Regeln.

Kann ein Teil der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt werden, während einem anderen Teil betriebsbedingt gekündigt wird?

Auch das ist möglich. Ob es empfehlenswert ist, steht auf einem anderen Blatt.

Wird nur ein Teil der Belegschaft geschickt und der andere Teil gekündigt, muss der Arbeitgeber den gekündigten Mitarbeitern während der Kündigungsfrist das volle Gehalt zahlen. Und das kann sich hinziehen: „Die Gerichtsverfahren dauern momentan sehr lang, weil die Richter wegen Corona derzeit alle Termine verschieben“, sagt Anwalt Kuhn.

Wird ein Mitarbeiter gekündigt, der bereits in Kurzarbeit ist, gibt es für diesen kein Kurzarbeitergeld vom Staat mehr. Während der Kündigungsfrist muss also der Arbeitgeber für das wegfallende Kurzarbeitergeld aufkommen und den Mitarbeiter finanziell so stellen, als würde er weiterhin Kurzarbeitergeld beziehen. Das hat das Bundesarbeitsgericht 2009 entschieden (BAG, Az.: 5 AZR 310/08).

Im Prinzip hat der Arbeitgeber also niedrigere Kündigungskosten, wenn er Mitarbeiter in Kurzarbeit kündigt. Doch Vorsicht – das kann sich als Milchmädchenrechnung erweisen. Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen fußen auf gegensätzlichen Annahmen: Während Kurzarbeit nur einen befristeten Arbeitsausfall abfedern soll, muss die Arbeit bei einer betriebsbedingten Kündigung dauerhaft weggefallen sein (siehe oben).

Ein Arbeitgeber, der einen Angestellten in Kurzarbeit kündigt, wird der Arbeitsagentur also sehr genau erklären müssen, warum er zunächst Kurzarbeit beantragt, um einige Monate später doch betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Die Folge kann sein, dass die Arbeitsagentur das als missbräuchlich einstuft und das Kurzarbeitergeld rückwirkend streicht. Und das kann sehr viel teurer für Unternehmer werden, als die Kündigung von Mitarbeitern in Kurzarbeit an Ersparnis bringt.

Kann man alle Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen und nach der Corona-Krise wieder einstellen?

Wenn das Geschäft komplett und dauerhaft zum Erliegen gekommen ist, sind betriebsbedingte Kündigungen aller Mitarbeiter möglich. Die Begründung ist aber auch hier kein Selbstläufer. Vermutlich, so Kuhn, werden die Arbeitsrichter vom Arbeitgeber eine Prognose verlangen, dass das Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten nicht mehr zum Laufen gebracht werden kann.

Sollte dieser Nachweis gelingen, erwarten Unternehmer weitere Probleme – bei der Wiedereinstellung der alten Mitarbeiter. Wegen des Vorbeschäftigungsverbots dürfen Arbeitgeber mit ihnen nur noch unbefristete Arbeitsverträge abschließen. Und nach einem derartigen Rausschmiss werden sich die Angestellten ohnehin reiflich überlegen, ob sie noch mal in dem Betrieb arbeiten wollen.

Kann man einem Mitarbeiter kündigen, der Kurzarbeit ablehnt?

Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich auf Kurzarbeit einigen. Störrische Mitarbeiter dürfen nicht einfach rausgeworfen werden. Das würde gegen das Maßregelungsverbot verstoßen: Arbeitgeber dürfen ihre Angestellten wegen unliebsamer Entscheidungen nicht bestrafen.

Wenn ein Mitarbeiter Kurzarbeit ablehnt, ist zwar eine Änderungskündigung im Prinzip möglich – aber aussichtslos. Zum einen sind die rechtlichen Hürden dermaßen hoch, dass sie vor Gericht kaum Bestand haben dürfte; zum anderen gelten für die Änderungskündigung dieselben Fristen wie für eine normale Kündigung – ist ein Mitarbeiter schon über zwölf Jahre dabei, sind das fünf Monate. Nach deren Ablauf könnte die Corona-Krise schon wieder vorbei sein.

Dürfen Minijobber gekündigt werden?

Für Minijobber gibt es kein Kurzarbeitergeld. Was viele Arbeitgeber nicht wissen: Minijobber sind vollwertige Arbeitnehmer, die nur in einer sozialversicherungsrechtlich privilegierten Form der Teilzeit arbeiten. Man kann sie nicht so einfach rauswerfen; für sie gelten dieselben Kündigungsgründe und -fristen wie für Vollzeitbeschäftigte.

Was gilt im Kleinbetrieb?

In Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern gelten viele Regeln des Kündigungsschutzes nicht, Arbeitgeber genießen dort bei Corona-bedingten Entlassungen mehr Flexibilität. Allerdings müssen sie bei Kündigungen die Grundrechte und das Maßregelungsverbot beachten, wonach Mitarbeiter wegen unliebsamer Entscheidungen nicht rausgeworfen werden dürfen.

In der Krise ist nichts mehr undenkbar – auch nicht, Mitarbeitern zu kündigen. Doch das ist rechtlich keineswegs trivial. Vor allem nicht, wenn das Unternehmen zuvor auf Kurzarbeit gegangen ist. Das sind die Regeln. 1. Personenbedingte Kündigung Kann man einem Mitarbeiter kündigen, weil er an Covid-19 erkrankt ist? Es liegt nahe, bei einer Pandemie zunächst an eine personenbedingte Kündigung zu denken, weil ein Mitarbeiter zum Beispiel an Covid-19 erkrankt ist. Wegen einer Krankheit personenbedingt zu kündigen, ist durchaus möglich – aber an strenge Regeln gebunden. Sie sind so streng, dass die Kündigung wegen einer Corona-Erkrankung praktisch ausgeschlossen sein dürfte. So muss es etwa eine negative Gesundheitsprognose für den Mitarbeiter geben, nach der zu erwarten ist, dass er auch in den nächsten Jahren häufig krank sein wird. Das fällt für eine Covid-19-Erkrankung aus: Sie dauert durchschnittlich nur knapp zwei Wochen. 2. Verhaltensbedingte Kündigung Kann man einem Mitarbeiter kündigen, der sich bewusst mit Corona infiziert hat? Bricht ein Arbeitnehmer im Privatleben die Corona-Ausgangsbeschränkungen und steckt sich etwa auf einer Corona-Party mit dem SARS-CoV-2-Virus an, kann er nicht mehr arbeiten gehen – und wird, wenn er erkrankt, auch arbeitsunfähig. Rechtsanwalt Jörn Kuhn von der Kanzlei Oppenhoff hält eine Kündigung in diesem Fall trotzdem für kaum aussichtsreich. „Bei einem Fehlverhalten im außerdienstlichen Bereich ist eine Kündigung sehr schwer durchzusetzen“, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Mitarbeiter bewusst auf die Party gegangen ist, um sich anzustecken und nicht arbeiten gehen zu müssen. Dieser Beweis dürfte in der Regel kaum zu führen sein – außer der Mitarbeiter war so unklug, seine Pläne zuvor öffentlich zu verkünden. Kann man einem Mitarbeiter kündigen, der sich unbewusst bei einer verbotenen Veranstaltung mit dem Corona-Virus infiziert hat? Ende März machte ein niedersächsischer Bäcker auf sich aufmerksam, der auf Instagram tränenreich um seine Existenz und die Jobs seiner Mitarbeiter bangte. Am nächsten Tag wurde bekannt, dass er auch ein anderes Gesicht hat: In einem internen Aushang drohte er Mitarbeitern, die „sich auf Partys, Kindergeburtstagen oder Treffen mit Freunden leichtsinnig“ infizierten, mit einer fristlosen Entlassung wegen „schwerer Unternehmensschädigung“. Durfte er das? Drohen kann man viel – entscheidend ist, ob die angedrohten Folgen rechtlich Bestand hätten. Das ist hier sehr zweifelhaft. Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: Privat macht jeder seins. Wenn Mitarbeiter am Wochenende etwa auf Kindergeburtstage gehen und sich dabei einer unnötigen Ansteckungsgefahr aussetzen, wird das nicht jedem Arbeitgeber gefallen, er muss es aber hinnehmen. Rechtsanwalt Kuhn ist der Ansicht, dass Arbeitgeber zumindest keine Entgeltfortzahlung leisten müssen, wenn sich ihre Arbeitnehmer durch leichtsinniges Verhalten in ihrer Freizeit arbeitsunfähig machen. Das ist für risikoreiche Sportarten seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts 1982 anerkannt (BAG, Az.: 5 AZR 338/79). Wenn Angestellte in ihrer Freizeit leichtsinnig Kindergeburtstage oder Corona-geneigte Partys besuchen, hält Kuhn die Situation für vergleichbar. „Wenn der Mitarbeiter sich dann tatsächlich infiziert, kann der Arbeitgeber sagen: Du hast dich selbst in diese Lage gebracht und kannst deine Arbeitskraft nicht mehr anbieten.“ In diesem Fall darf der Chef zwar nicht kündigen, aber seine Pflicht zur Entgeltfortzahlung kann entfallen. Lesen Sie auch: Reisen in Risikogebiete: Das gilt laut Arbeitsrecht  Ein Mitarbeiter hat sich mit dem Corona-Virus infiziert und kommt trotzdem zur Arbeit. Ist das ein Kündigungsgrund? Mitarbeiter müssen ihrem Chef mitteilen, ob sie sich mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert haben, sagen viele Arbeitsrechtler – das folge aus ihrer Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Der Verstoß wiegt umso schwerer, wenn sie wider besseres Wissen auch noch infiziert zur Arbeit erscheinen. Stecken sie dann noch Kollegen an, ist das laut Kuhn ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung: „Wenn sie keinen angesteckt haben, kann der Arbeitgeber zumindest eine Abmahnung aussprechen.“ 3. Betriebsbedingte Kündigung Auch wenn die Corona-Pandemie schwerste wirtschaftliche Verwerfungen nach sich zieht, rechtfertigt das nicht automatisch betriebsbedingte Kündigungen (mehr zu deren Voraussetzungen finden Sie hier). Betriebsbedingte Entlassungen setzen einen dauerhaften Beschäftigungsmangel im Unternehmen voraus. Ob das in der Corona-Pandemie der Fall ist, ist zumindest zu bezweifeln. So gehen Experten davon aus, dass sich mit der Aussicht auf einen Impfstoff auch die Perspektiven für viele Branchen verbessern werden. Arbeitgeber dürfen also nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte bei betriebsbedingten Kündigungen in ihrem Sinne entscheiden. „Unter Berufung auf Corona betriebsbedingt zu kündigen, ist aktuell schwierig“, sagt Jörn Kuhn. „Der Kündigungsgrund müsste schon vor Ausbruch der Pandemie festgestanden haben.“ Mein Unternehmen hat Kurzarbeit angemeldet. Ist es trotzdem möglich, betriebsbedingt zu kündigen? Auch in Kurzarbeit kann ein Betrieb betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Das ist höchstrichterlich abgesichert. Aber es ist auch sehr riskant für Unternehmer. „Arbeitgeber haben in diesem Fall eine sehr, sehr hohe Darlegungs- und Beweislast“, warnt Jörn Kuhn. Das liegt daran, dass Arbeitgeber mit einem Antrag auf Kurzarbeitergeld zum Ausdruck bringen, dass die Beschäftigungsflaute in ihrem Betrieb vorübergehender Natur ist. Die Kurzarbeit soll nur dazu dienen, Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten, bis es wieder aufwärts geht. Entscheidet sich ein Unternehmer dann für betriebsbedingte Kündigungen, trifft er eine Annahme, die seinem Antrag auf Kurzarbeit fundamental widerspricht: Die vorübergehende Beschäftigungsflaute hat sich in eine dauerhafte verwandelt, auf die er nur noch mit betriebsbedingten Kündigungen reagieren kann. Das müssen Unternehmer sehr gut begründen. Die Arbeitsagentur könnte sonst vermuten, dass der Betrieb schon vor der Corona-Pandemie in einer strukturellen Krise steckte und der Arbeitgeber vor den Entlassungen noch ein paar Monate Kurzarbeitergeld mitnehmen wollte. „Nach Gewährung des Kurzarbeitergeldes wird die Arbeitsagentur prüfen, ob in dem Betrieb die Voraussetzungen dafür vorlagen und sich der Arbeitgeber die Leistung nicht quasi erschlichen hat“, sagt Anwalt Kuhn. Es sei auch zu erwarten, dass die Arbeitsagenturen den politischen Auftrag erhalten werden, Missbrauchsfälle aufzuspüren, um so viel Geld wie möglich in die öffentlichen Kassen zurückzuholen. Nach der letzten großen Kurzarbeitsphase während der Finanzkrise 2008/2009 seien die Arbeitsagenturen sogar mit Zoll und Staatsanwaltschaft in die Betriebe eingerückt, wenn der Verdacht auf Kurzarbeitsbetrug bestand. Arbeitgeber brauchen also triftige Gründe für ihren Sinneswandel von Kurzarbeit hin zu betriebsbedingten Kündigungen. Eine Begründung wäre zum Beispiel, dass zwei wichtige Kunden oder Lieferanten pleitegegangen sind. Damit kann sich die Prognose für den Betrieb von einem Tag auf den Tag verschlechtern, die vorübergehende zu einer dauerhaften Krise werden. Sind nach dem Ende der Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen möglich? „Stellt ein Unternehmer nach dem Ende der Kurzarbeit fest, dass das Geschäft nicht wieder hochkommt, kann er betriebsbedingte Kündigungen aussprechen“, sagt Jörn Kuhn, „das ist eine unternehmerische Entscheidung.“ Die betriebsbedingten Kündigungen richten sich in diesem Fall nach den normalen Regeln. Kann ein Teil der Belegschaft in Kurzarbeit geschickt werden, während einem anderen Teil betriebsbedingt gekündigt wird? Auch das ist möglich. Ob es empfehlenswert ist, steht auf einem anderen Blatt. Wird nur ein Teil der Belegschaft geschickt und der andere Teil gekündigt, muss der Arbeitgeber den gekündigten Mitarbeitern während der Kündigungsfrist das volle Gehalt zahlen. Und das kann sich hinziehen: „Die Gerichtsverfahren dauern momentan sehr lang, weil die Richter wegen Corona derzeit alle Termine verschieben“, sagt Anwalt Kuhn. Wird ein Mitarbeiter gekündigt, der bereits in Kurzarbeit ist, gibt es für diesen kein Kurzarbeitergeld vom Staat mehr. Während der Kündigungsfrist muss also der Arbeitgeber für das wegfallende Kurzarbeitergeld aufkommen und den Mitarbeiter finanziell so stellen, als würde er weiterhin Kurzarbeitergeld beziehen. Das hat das Bundesarbeitsgericht 2009 entschieden (BAG, Az.: 5 AZR 310/08). Im Prinzip hat der Arbeitgeber also niedrigere Kündigungskosten, wenn er Mitarbeiter in Kurzarbeit kündigt. Doch Vorsicht – das kann sich als Milchmädchenrechnung erweisen. Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen fußen auf gegensätzlichen Annahmen: Während Kurzarbeit nur einen befristeten Arbeitsausfall abfedern soll, muss die Arbeit bei einer betriebsbedingten Kündigung dauerhaft weggefallen sein (siehe oben). Ein Arbeitgeber, der einen Angestellten in Kurzarbeit kündigt, wird der Arbeitsagentur also sehr genau erklären müssen, warum er zunächst Kurzarbeit beantragt, um einige Monate später doch betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Die Folge kann sein, dass die Arbeitsagentur das als missbräuchlich einstuft und das Kurzarbeitergeld rückwirkend streicht. Und das kann sehr viel teurer für Unternehmer werden, als die Kündigung von Mitarbeitern in Kurzarbeit an Ersparnis bringt. Kann man alle Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen und nach der Corona-Krise wieder einstellen? Wenn das Geschäft komplett und dauerhaft zum Erliegen gekommen ist, sind betriebsbedingte Kündigungen aller Mitarbeiter möglich. Die Begründung ist aber auch hier kein Selbstläufer. Vermutlich, so Kuhn, werden die Arbeitsrichter vom Arbeitgeber eine Prognose verlangen, dass das Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten nicht mehr zum Laufen gebracht werden kann. Sollte dieser Nachweis gelingen, erwarten Unternehmer weitere Probleme – bei der Wiedereinstellung der alten Mitarbeiter. Wegen des Vorbeschäftigungsverbots dürfen Arbeitgeber mit ihnen nur noch unbefristete Arbeitsverträge abschließen. Und nach einem derartigen Rausschmiss werden sich die Angestellten ohnehin reiflich überlegen, ob sie noch mal in dem Betrieb arbeiten wollen. Kann man einem Mitarbeiter kündigen, der Kurzarbeit ablehnt? Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich auf Kurzarbeit einigen. Störrische Mitarbeiter dürfen nicht einfach rausgeworfen werden. Das würde gegen das Maßregelungsverbot verstoßen: Arbeitgeber dürfen ihre Angestellten wegen unliebsamer Entscheidungen nicht bestrafen. Wenn ein Mitarbeiter Kurzarbeit ablehnt, ist zwar eine Änderungskündigung im Prinzip möglich – aber aussichtslos. Zum einen sind die rechtlichen Hürden dermaßen hoch, dass sie vor Gericht kaum Bestand haben dürfte; zum anderen gelten für die Änderungskündigung dieselben Fristen wie für eine normale Kündigung – ist ein Mitarbeiter schon über zwölf Jahre dabei, sind das fünf Monate. Nach deren Ablauf könnte die Corona-Krise schon wieder vorbei sein. Dürfen Minijobber gekündigt werden? Für Minijobber gibt es kein Kurzarbeitergeld. Was viele Arbeitgeber nicht wissen: Minijobber sind vollwertige Arbeitnehmer, die nur in einer sozialversicherungsrechtlich privilegierten Form der Teilzeit arbeiten. Man kann sie nicht so einfach rauswerfen; für sie gelten dieselben Kündigungsgründe und -fristen wie für Vollzeitbeschäftigte. Was gilt im Kleinbetrieb? In Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern gelten viele Regeln des Kündigungsschutzes nicht, Arbeitgeber genießen dort bei Corona-bedingten Entlassungen mehr Flexibilität. Allerdings müssen sie bei Kündigungen die Grundrechte und das Maßregelungsverbot beachten, wonach Mitarbeiter wegen unliebsamer Entscheidungen nicht rausgeworfen werden dürfen.