Unbezahlter Urlaub
Was Chefs über unbezahlten Urlaub wissen sollten

Den Jahresurlaub verlängern, Angehörige pflegen oder sich weiterbilden – unbezahlter Urlaub macht es Angestellten möglich. Wann müssen Chefs ihn genehmigen? Und wann nicht?

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Unbezahlter Urlaub
© Elena Nazarova / EyeEm / Getty Images

Ein Mitarbeiter hat seinen Jahresurlaub bereits aufgebraucht – und bittet um eine weitere Woche Urlaub, um sich in der Sonne zu erholen. Sein Vorschlag: Er nimmt unbezahlten Urlaub; sein Chef könne ihm die zusätzliche Urlaubswoche vom Lohn abziehen. Doch haben Angestellte überhaupt Anspruch auf unbezahlten Urlaub? Aus welchen Gründen dürfen Arbeitgeber den Urlaub verweigern? Und welche Gründe sprechen dafür, ihn zu gewähren?

Haben Arbeitnehmer Anspruch auf unbezahlten Urlaub?

Im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) und im Arbeitsvertrag ist vorgeschrieben, wie viele Tage bezahlter Urlaub Angestellten zustehen. Unbezahlten Urlaub regelt das Gesetz nicht. Manche Tarifverträge und Arbeitsverträge enthalten Klauseln zu unbezahlten Urlaubstagen. Legt ein Unternehmen keine Regelungen dazu fest, beispielsweise in einer Betriebsvereinbarung, haben Angestellte grundsätzlich keinen Anspruch auf unbezahlten Urlaub oder ein Sabbatical – es liegt dann am Chef, darüber zu entscheiden.

„Der Arbeitgeber muss unbezahlten Urlaub nicht zwingend genehmigen“, sagt Wolfgang Lipinski, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Advant Beiten in München. Fragt ein Mitarbeiter nach unbezahltem Urlaub, sollten Chefs sich seine Gründe anhören. Die können ganz unterschiedlich sein: Einem Angestellten reichen seine vertraglich festgelegten Urlaubstage nicht aus und er hat keinen Resturlaub mehr, ein anderer will eine längere Sprachreise unternehmen oder kranke Familienmitglieder pflegen.

Lipinski: „Ein vernünftiger Arbeitgeber, der langfristig mit einem Mitarbeiter plant, wird genau zuhören. Wenn ihm einleuchtet, was der Mitarbeiter an Gründen vorbringt, findet sich nach meiner Erfahrung in den allermeisten Fällen einvernehmlich eine Lösung.“ Vielleicht kommt es dem Chef sogar entgegen, in dieser Zeit kein Gehalt zahlen zu müssen, etwa weil das Unternehmen nur wenige Aufträge hat.

Gibt es Ausnahmen, in denen Arbeitnehmer ein Recht auf unbezahlten Urlaub haben?

„Rechtlich gesehen kann sich unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Einzelfall ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung ergeben“, sagt Lipinski. Das gilt in folgenden Fällen:

  1. Wenn ein Mitarbeiter Angehörige pflegt.
  2. Wenn ein Mitarbeiter sich um sein krankes Kind (unter 12 Jahren) kümmern muss.
  3. Wenn ein Kind im Endstadium erkrankt ist.
  4. Wenn ein Mitarbeiter unverschuldet in eine Zwangslage gerät, die er nur durch ein paar freie Tage auflösen kann – zum Beispiel weil seine Wohnung abbrennt oder sein Haus überflutet wird.
  5. Bei bestimmten Ehrenämtern haben Angestellte ein Recht darauf, unbezahlt freigestellt zu werden.

Vertraglich festgelegter Anspruch auf unbezahlten Urlaub

Enthält der Arbeitsvertrag eine Klausel zu unbezahltem Urlaub, kann sich auch daraus ein Anspruch des Mitarbeiters ergeben. Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (§ 28 TVöD) steht: „Beschäftigte können bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten.“ Ein wichtiger Grund besteht laut Lipinski zum Beispiel, wenn ein Angestellter promovieren möchte, sich fortbilden will, Familienmitglieder pflegt oder seine Kinder betreut.

Der Experte
Wolfgang Lipinski ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Wirtschaftskanzlei Advant Beiten in München.

In solchen Fällen haben Arbeitnehmer laut TVöD einen Anspruch darauf, dass ihr Chef bei seiner Entscheidung über den Urlaub „billiges Ermessen“ ausübt – das heißt, er muss bei seiner Entscheidung die Interessen beider Seiten berücksichtigen, darf nicht willkürlich und unnötig hart entscheiden. Lipinski: „Nach der Rechtsprechung liegt es häufig nahe, dass das billige Ermessen des Arbeitgebers so ausgeht, dass er zustimmt.“

Sprechen betriebliche Gründe dagegen, können Chefs den unbezahlten Urlaub ablehnen: Etwa wenn der unbezahlte Urlaub in eine Zeit fällt, in der ein Großteil der Belegschaft den gesetzlich vorgeschriebenen Urlaub nimmt und Personalmangel besteht, oder wenn der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle in einem wichtigen Projekt spielt. „Wenn betriebliche Erfordernisse gegeben sind, geht eben nicht alles“, sagt Lipinski.

Mehr dazu lesen Sie hier: Urlaubsplanung: Diese Rechte haben Arbeitgeber

In manchen Fällen haben Arbeitnehmer auch Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub.

Was müssen Arbeitgeber beachten, wenn sie unbezahlten Urlaub gewähren?

Während eines unbezahlten Urlaubs ruht das Arbeitsverhältnis. Lipinski: „Der Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, der Arbeitgeber nicht zur Vergütung. Dennoch können Nebenpflichten bestehen.“ So bleibt zum Beispiel der Kündigungsschutz erhalten und der Angestellte darf während seiner Freistellung nicht für Konkurrenten arbeiten.

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Mehr zum Thema: Nebentätigkeit: Wann Arbeitgeber Nebensjobs verbieten dürfen 

Wichtig: Beide Seiten sollten den unbezahlten Urlaub schriftlich vereinbaren.

Gesetzlicher Urlaubsanspruch

Nimmt ein Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum unbezahlten Urlaub, hat er keinen Anspruch mehr auf seinen vollen Erholungsurlaub. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt, dass bei unbezahltem Sonderurlaub die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag für beide Seiten ruhen. Und gibt es keine Arbeitspflicht, dann entsteht auch kein Urlaubsanspruch, so die höchsten Arbeitsrichter (Az.: 9 AZR 315/17).

Praktisch bedeutet das: Der Arbeitgeber darf den Urlaubsanspruch bei einer unbezahlten Auszeit kürzen. Ist der Mitarbeiter wegen unbezahltem Sonderurlaub das gesamte Kalenderjahr abwesend, fällt der Jahresurlaub komplett weg; bei einem kürzeren Sabbatical darf der Urlaubsanspruch anteilig gemindert werden.

Beispiel: Frau Schulz, angestellte Grafikdesignerin in einer Agentur, nimmt für den gesamten September 2023 unbezahlten Sonderurlaub. Regulär hat sie Anspruch auf 30 Urlaubstage im Jahr. Durch die unbezahlte Freistellung verringert sich ihr Urlaubsanspruch um 2,5 Urlaubstage (30 Urlaubstage : 12 Monate = 2,5 Tage Urlaubsanspruch pro Monat). Damit hätte sie Anspruch auf 27,5 Urlaubstage; da nach § 5 Absatz 2 BUrlG halbe Urlaubstage aber aufzurunden sind, hat Frau Schulz 2023 Anspruch auf 28 Urlaubstage.

Sozialversicherung

Weil Chefs bei unbezahltem Urlaub keinen Lohn zahlen, entfallen auch die Beiträge zur Sozialversicherung. Der Versicherungsschutz für die Arbeitslosen-, Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung bleibt dennoch einen Monat bestehen, sagt Lipinski. Die weggefallenen Beiträge der Rentenversicherung senken die spätere Rente des Arbeitnehmers.

Dauert der unbezahlte Urlaub länger als einen Monat, muss der Angestellte sich selbst versichern. Wenn er danach die Arbeit wieder aufnimmt, muss der Arbeitgeber ihn wieder bei den Versicherungen anmelden.

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Gleichbehandlungsgrundsatz

Wer einem Mitarbeiter unbezahlten Urlaub gewährt, darf ihn nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz anderen Mitarbeitern nicht verwehren.

Wie lange darf ein unbezahlter Urlaub dauern?

Wie viele Tage, Wochen oder Monate Chefs Arbeitnehmer unbezahlt freistellen sollten, ist nur in wenigen Fällen gesetzlich geregelt.

Kurzzeitige Arbeitsverhinderung

Muss ein Mitarbeiter plötzlich ein Familienmitglied pflegen, können Chefs ihn bis zu zehn Tage freistellen, damit er in dieser Zeit eine Pflege organisieren kann (§2 Pflegezeitgesetz).

Pflegezeit

Muss ein Arbeitnehmer einen nahen Angehörigen länger pflegen, hat er Anspruch darauf, bis zu sechs Monate vollständig oder teilweise unbezahlt von der Arbeit freigestellt zu werden. Diese Regelung gilt allerdings nur, wenn ein Unternehmen 15 oder mehr Angestellte beschäftigt (§ 3 Pflegezeitgesetz). Arbeiten weniger Angestellte im Unternehmen, liegt es am Chef zu entscheiden, ob er einen Mitarbeiter freistellt.

Betreuung kranker Kinder

Arbeitgeber müssen Mitarbeiter auch von der Arbeit freistellen, wenn diese sich um ihr krankes Kind kümmern müssen – so lange das Kind nicht älter als zwölf Jahre ist. Viele Arbeitsverträge regeln, ob und wie lange Mitarbeiter in diesem Fall das volle Gehalt bekommen. Müssen sie sich länger um das Kind kümmern oder gibt es keine vertraglichen Regelungen dazu, haben sie Anspruch auf unbezahlten Urlaub.

Pro Kind müssen Arbeitgeber Angestellte bis zu 30 Tage im Jahr pro Kind unbezahlt freistellen, bei mehreren Kindern sind es bis zu 65 Tage. Für Alleinerziehende gilt die doppelte Zeit (§ 45 Sozialgesetzbuch V). Eltern bekommen von ihrer Krankenkasse Kinderkrankengeld, sofern sie gesetzlich versichert sind.

Ist ein Kind unheilbar krank, haben Angestellte unbegrenzten Anspruch auf unbezahlten Urlaub.

Was sonst noch wichtig ist, wenn Sie Eltern beschäftigen: Kind krank: Was Arbeitgeber wissen müssen

Andere Gründe

Ansonsten gilt: Ob der Chef zwei Tage, drei Wochen oder vier Monate unbezahlten Urlaub gewährt, muss er selbst entscheiden. Wichtig ist, mit dem Mitarbeiter zu sprechen, seine Gründe zu erfahren und ihm gegebenenfalls mitzuteilen, welche betrieblichen Gründe gegen einen längeren unbezahlten Urlaub sprechen.

Wie häufig ein Mitarbeiter pro Jahr unbezahlten Urlaub beantragen darf, ist gesetzlich nicht geregelt. Lipinski: „Das hängt von der Kulanz des Arbeitgebers ab.“ Eine Ausnahme: „Pro pflegebedürftigem Angehörigen darf der Arbeitnehmer nur einmal unbezahlten Urlaub von maximal sechs Monaten nehmen.“

Können Arbeitgeber unbezahlten Urlaub anordnen?

Betriebsferien oder Auftragsrückgang: Braucht ein Arbeitgeber Mitarbeiter vorübergehend nicht, kann der Wunsch naheliegen, sie unbezahlt freizustellen. Chefs dürfen unbezahlten Urlaub allerdings nicht erzwingen – stimmt ein Mitarbeiter einer solchen Freistellung nicht zu, muss die Firma ihn regulär weiter beschäftigen und bezahlen.

Ordnet ein Unternehmen Betriebsferien an – was ohnehin nur aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse und unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist -, haben die Arbeitnehmer in dieser Zeit Anspruch auf ihr volles Gehalt; die Betriebsferien verringern allerdings den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer.

Alle arbeitsrechtlichen Fragen zum Thema beantwortet dieser Artikel: Betriebsferien: Kann der Arbeitgeber Zwangsurlaub anordnen?

Dürfen Arbeitgeber Mitarbeitern im unbezahlten Urlaub kündigen?

Zwar ruht das Arbeitsverhältnis während eines unbezahlten Urlaubs. Arbeitgeber können einem Mitarbeiter aber auch während ihres unbezahlten Urlaubs ordentlich kündigen – oder eine fristlose Kündigung aussprechen, wenn derjenige beispielsweise für die Konkurrenz arbeitet.

Was Sie bei einer ordentlichen Kündigung beachten sollten: Ordentliche Kündigung: so geht’s

Wie berechnen Arbeitgeber das Gehalt bei unbezahlten Urlaub?

Wie Arbeitgeber das Gehalt berechnen müssen, wenn Mitarbeiter unbezahlten Urlaub nehmen, ist nicht gesetzlich festgelegt. Eine gängige Möglichkeit, das anteilige Gehalt zu berechnen, wenn ein Mitarbeiter bis zu einem Monat unbezahlt freigestellt ist: Das reguläre Monatsgehalt geteilt durch Anzahl der Arbeitstage in dem betreffenden Monat mal die gearbeiteten Tage.

Beispiel: Der September 2023 hat 21 Arbeitstage (bei einer Arbeitswoche von Montag bis Freitag). Ein in Vollzeit angestellter Grafiker nimmt in diesem Monat zehn Tage unbezahlten Urlaub. Er verdient normalerweise 3100 Euro brutto im Monat. Sein Arbeitgeber berechnet sein Gehalt für den Juli 2021 wie folgt:

3100 € / 21 Arbeitstage =  147,62 €

147,62 € x 11 Tage, an denen der Grafiker arbeitet = 1623,82 €

Der Grafiker bekommt also im September 1623,82 € Gehalt, weil er sich zehn Tage unbezahlt freinimmt.

Dürfen Mitarbeiter unbezahlten Urlaub vorzeitig beenden?

Ein Mitarbeiter nimmt sechs Monate unbezahlten Urlaub, um seine Mutter zu pflegen. Nach drei Monaten möchte er plötzlich wieder arbeiten, weil die Mutter überraschend gesund geworden ist. Muss sein Chef ihn wieder bezahlt beschäftigen, obwohl eine längere Abwesenheit vereinbart war?

„Rechtlich gesehen müssen sich beide an die Vereinbarung über die Länge des Sonderlaubs halten“, sagt Lipinski. „Nach dem Bundesarbeitsgericht muss der Arbeitgeber nur unter dem Gesichtspunkt seiner Fürsorgepflicht eine Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Sonderurlaubs fällen.“

Hat der Unternehmer gerade kaum Aufträge oder muss er anderen Mitarbeitern betriebsbedingt kündigen, hat er laut Lipinski einen berechtigten Grund, sich gegen die vorzeitige Rückkehr des Mitarbeiters zu entscheiden.

Das dürfte aber eher die Ausnahme sein: „Wenn er es sich insbesondere finanziell erlauben kann, dann kenne ich keinen Arbeitgeber, der sich der vorzeitigen Rückkehr verweigern würde“, sagt Lipinski.

Ein Mitarbeiter hat seinen Jahresurlaub bereits aufgebraucht - und bittet um eine weitere Woche Urlaub, um sich in der Sonne zu erholen. Sein Vorschlag: Er nimmt unbezahlten Urlaub; sein Chef könne ihm die zusätzliche Urlaubswoche vom Lohn abziehen. Doch haben Angestellte überhaupt Anspruch auf unbezahlten Urlaub? Aus welchen Gründen dürfen Arbeitgeber den Urlaub verweigern? Und welche Gründe sprechen dafür, ihn zu gewähren? Haben Arbeitnehmer Anspruch auf unbezahlten Urlaub? Im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) und im Arbeitsvertrag ist vorgeschrieben, wie viele Tage bezahlter Urlaub Angestellten zustehen. Unbezahlten Urlaub regelt das Gesetz nicht. Manche Tarifverträge und Arbeitsverträge enthalten Klauseln zu unbezahlten Urlaubstagen. Legt ein Unternehmen keine Regelungen dazu fest, beispielsweise in einer Betriebsvereinbarung, haben Angestellte grundsätzlich keinen Anspruch auf unbezahlten Urlaub oder ein Sabbatical - es liegt dann am Chef, darüber zu entscheiden. "Der Arbeitgeber muss unbezahlten Urlaub nicht zwingend genehmigen", sagt Wolfgang Lipinski, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Advant Beiten in München. Fragt ein Mitarbeiter nach unbezahltem Urlaub, sollten Chefs sich seine Gründe anhören. Die können ganz unterschiedlich sein: Einem Angestellten reichen seine vertraglich festgelegten Urlaubstage nicht aus und er hat keinen Resturlaub mehr, ein anderer will eine längere Sprachreise unternehmen oder kranke Familienmitglieder pflegen. Lipinski: "Ein vernünftiger Arbeitgeber, der langfristig mit einem Mitarbeiter plant, wird genau zuhören. Wenn ihm einleuchtet, was der Mitarbeiter an Gründen vorbringt, findet sich nach meiner Erfahrung in den allermeisten Fällen einvernehmlich eine Lösung." Vielleicht kommt es dem Chef sogar entgegen, in dieser Zeit kein Gehalt zahlen zu müssen, etwa weil das Unternehmen nur wenige Aufträge hat. Gibt es Ausnahmen, in denen Arbeitnehmer ein Recht auf unbezahlten Urlaub haben? "Rechtlich gesehen kann sich unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Einzelfall ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung ergeben", sagt Lipinski. Das gilt in folgenden Fällen: Wenn ein Mitarbeiter Angehörige pflegt. Wenn ein Mitarbeiter sich um sein krankes Kind (unter 12 Jahren) kümmern muss. Wenn ein Kind im Endstadium erkrankt ist. Wenn ein Mitarbeiter unverschuldet in eine Zwangslage gerät, die er nur durch ein paar freie Tage auflösen kann - zum Beispiel weil seine Wohnung abbrennt oder sein Haus überflutet wird. Bei bestimmten Ehrenämtern haben Angestellte ein Recht darauf, unbezahlt freigestellt zu werden. Vertraglich festgelegter Anspruch auf unbezahlten Urlaub Enthält der Arbeitsvertrag eine Klausel zu unbezahltem Urlaub, kann sich auch daraus ein Anspruch des Mitarbeiters ergeben. Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (§ 28 TVöD) steht: "Beschäftigte können bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten." Ein wichtiger Grund besteht laut Lipinski zum Beispiel, wenn ein Angestellter promovieren möchte, sich fortbilden will, Familienmitglieder pflegt oder seine Kinder betreut. In solchen Fällen haben Arbeitnehmer laut TVöD einen Anspruch darauf, dass ihr Chef bei seiner Entscheidung über den Urlaub "billiges Ermessen" ausübt - das heißt, er muss bei seiner Entscheidung die Interessen beider Seiten berücksichtigen, darf nicht willkürlich und unnötig hart entscheiden. Lipinski: "Nach der Rechtsprechung liegt es häufig nahe, dass das billige Ermessen des Arbeitgebers so ausgeht, dass er zustimmt." Sprechen betriebliche Gründe dagegen, können Chefs den unbezahlten Urlaub ablehnen: Etwa wenn der unbezahlte Urlaub in eine Zeit fällt, in der ein Großteil der Belegschaft den gesetzlich vorgeschriebenen Urlaub nimmt und Personalmangel besteht, oder wenn der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle in einem wichtigen Projekt spielt. "Wenn betriebliche Erfordernisse gegeben sind, geht eben nicht alles", sagt Lipinski. Mehr dazu lesen Sie hier: Urlaubsplanung: Diese Rechte haben Arbeitgeber In manchen Fällen haben Arbeitnehmer auch Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub. Was müssen Arbeitgeber beachten, wenn sie unbezahlten Urlaub gewähren? Während eines unbezahlten Urlaubs ruht das Arbeitsverhältnis. Lipinski: "Der Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, der Arbeitgeber nicht zur Vergütung. Dennoch können Nebenpflichten bestehen." So bleibt zum Beispiel der Kündigungsschutz erhalten und der Angestellte darf während seiner Freistellung nicht für Konkurrenten arbeiten. Mehr zum Thema: Nebentätigkeit: Wann Arbeitgeber Nebensjobs verbieten dürfen  Wichtig: Beide Seiten sollten den unbezahlten Urlaub schriftlich vereinbaren. Gesetzlicher Urlaubsanspruch Nimmt ein Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum unbezahlten Urlaub, hat er keinen Anspruch mehr auf seinen vollen Erholungsurlaub. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt, dass bei unbezahltem Sonderurlaub die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag für beide Seiten ruhen. Und gibt es keine Arbeitspflicht, dann entsteht auch kein Urlaubsanspruch, so die höchsten Arbeitsrichter (Az.: 9 AZR 315/17). Praktisch bedeutet das: Der Arbeitgeber darf den Urlaubsanspruch bei einer unbezahlten Auszeit kürzen. Ist der Mitarbeiter wegen unbezahltem Sonderurlaub das gesamte Kalenderjahr abwesend, fällt der Jahresurlaub komplett weg; bei einem kürzeren Sabbatical darf der Urlaubsanspruch anteilig gemindert werden. Beispiel: Frau Schulz, angestellte Grafikdesignerin in einer Agentur, nimmt für den gesamten September 2023 unbezahlten Sonderurlaub. Regulär hat sie Anspruch auf 30 Urlaubstage im Jahr. Durch die unbezahlte Freistellung verringert sich ihr Urlaubsanspruch um 2,5 Urlaubstage (30 Urlaubstage : 12 Monate = 2,5 Tage Urlaubsanspruch pro Monat). Damit hätte sie Anspruch auf 27,5 Urlaubstage; da nach § 5 Absatz 2 BUrlG halbe Urlaubstage aber aufzurunden sind, hat Frau Schulz 2023 Anspruch auf 28 Urlaubstage. Sozialversicherung Weil Chefs bei unbezahltem Urlaub keinen Lohn zahlen, entfallen auch die Beiträge zur Sozialversicherung. Der Versicherungsschutz für die Arbeitslosen-, Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung bleibt dennoch einen Monat bestehen, sagt Lipinski. Die weggefallenen Beiträge der Rentenversicherung senken die spätere Rente des Arbeitnehmers. Dauert der unbezahlte Urlaub länger als einen Monat, muss der Angestellte sich selbst versichern. Wenn er danach die Arbeit wieder aufnimmt, muss der Arbeitgeber ihn wieder bei den Versicherungen anmelden. Gleichbehandlungsgrundsatz Wer einem Mitarbeiter unbezahlten Urlaub gewährt, darf ihn nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz anderen Mitarbeitern nicht verwehren. [mehr-zum-thema] Wie lange darf ein unbezahlter Urlaub dauern? Wie viele Tage, Wochen oder Monate Chefs Arbeitnehmer unbezahlt freistellen sollten, ist nur in wenigen Fällen gesetzlich geregelt. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung Muss ein Mitarbeiter plötzlich ein Familienmitglied pflegen, können Chefs ihn bis zu zehn Tage freistellen, damit er in dieser Zeit eine Pflege organisieren kann (§2 Pflegezeitgesetz). Pflegezeit Muss ein Arbeitnehmer einen nahen Angehörigen länger pflegen, hat er Anspruch darauf, bis zu sechs Monate vollständig oder teilweise unbezahlt von der Arbeit freigestellt zu werden. Diese Regelung gilt allerdings nur, wenn ein Unternehmen 15 oder mehr Angestellte beschäftigt (§ 3 Pflegezeitgesetz). Arbeiten weniger Angestellte im Unternehmen, liegt es am Chef zu entscheiden, ob er einen Mitarbeiter freistellt. Betreuung kranker Kinder Arbeitgeber müssen Mitarbeiter auch von der Arbeit freistellen, wenn diese sich um ihr krankes Kind kümmern müssen - so lange das Kind nicht älter als zwölf Jahre ist. Viele Arbeitsverträge regeln, ob und wie lange Mitarbeiter in diesem Fall das volle Gehalt bekommen. Müssen sie sich länger um das Kind kümmern oder gibt es keine vertraglichen Regelungen dazu, haben sie Anspruch auf unbezahlten Urlaub. Pro Kind müssen Arbeitgeber Angestellte bis zu 30 Tage im Jahr pro Kind unbezahlt freistellen, bei mehreren Kindern sind es bis zu 65 Tage. Für Alleinerziehende gilt die doppelte Zeit (§ 45 Sozialgesetzbuch V). Eltern bekommen von ihrer Krankenkasse Kinderkrankengeld, sofern sie gesetzlich versichert sind. Ist ein Kind unheilbar krank, haben Angestellte unbegrenzten Anspruch auf unbezahlten Urlaub. Was sonst noch wichtig ist, wenn Sie Eltern beschäftigen: Kind krank: Was Arbeitgeber wissen müssen Andere Gründe Ansonsten gilt: Ob der Chef zwei Tage, drei Wochen oder vier Monate unbezahlten Urlaub gewährt, muss er selbst entscheiden. Wichtig ist, mit dem Mitarbeiter zu sprechen, seine Gründe zu erfahren und ihm gegebenenfalls mitzuteilen, welche betrieblichen Gründe gegen einen längeren unbezahlten Urlaub sprechen. Wie häufig ein Mitarbeiter pro Jahr unbezahlten Urlaub beantragen darf, ist gesetzlich nicht geregelt. Lipinski: "Das hängt von der Kulanz des Arbeitgebers ab." Eine Ausnahme: "Pro pflegebedürftigem Angehörigen darf der Arbeitnehmer nur einmal unbezahlten Urlaub von maximal sechs Monaten nehmen." Können Arbeitgeber unbezahlten Urlaub anordnen? Betriebsferien oder Auftragsrückgang: Braucht ein Arbeitgeber Mitarbeiter vorübergehend nicht, kann der Wunsch naheliegen, sie unbezahlt freizustellen. Chefs dürfen unbezahlten Urlaub allerdings nicht erzwingen - stimmt ein Mitarbeiter einer solchen Freistellung nicht zu, muss die Firma ihn regulär weiter beschäftigen und bezahlen. Ordnet ein Unternehmen Betriebsferien an - was ohnehin nur aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse und unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist -, haben die Arbeitnehmer in dieser Zeit Anspruch auf ihr volles Gehalt; die Betriebsferien verringern allerdings den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer. Alle arbeitsrechtlichen Fragen zum Thema beantwortet dieser Artikel: Betriebsferien: Kann der Arbeitgeber Zwangsurlaub anordnen? Dürfen Arbeitgeber Mitarbeitern im unbezahlten Urlaub kündigen? Zwar ruht das Arbeitsverhältnis während eines unbezahlten Urlaubs. Arbeitgeber können einem Mitarbeiter aber auch während ihres unbezahlten Urlaubs ordentlich kündigen - oder eine fristlose Kündigung aussprechen, wenn derjenige beispielsweise für die Konkurrenz arbeitet. Was Sie bei einer ordentlichen Kündigung beachten sollten: Ordentliche Kündigung: so geht's Wie berechnen Arbeitgeber das Gehalt bei unbezahlten Urlaub? Wie Arbeitgeber das Gehalt berechnen müssen, wenn Mitarbeiter unbezahlten Urlaub nehmen, ist nicht gesetzlich festgelegt. Eine gängige Möglichkeit, das anteilige Gehalt zu berechnen, wenn ein Mitarbeiter bis zu einem Monat unbezahlt freigestellt ist: Das reguläre Monatsgehalt geteilt durch Anzahl der Arbeitstage in dem betreffenden Monat mal die gearbeiteten Tage. Beispiel: Der September 2023 hat 21 Arbeitstage (bei einer Arbeitswoche von Montag bis Freitag). Ein in Vollzeit angestellter Grafiker nimmt in diesem Monat zehn Tage unbezahlten Urlaub. Er verdient normalerweise 3100 Euro brutto im Monat. Sein Arbeitgeber berechnet sein Gehalt für den Juli 2021 wie folgt: 3100 € / 21 Arbeitstage =  147,62 € 147,62 € x 11 Tage, an denen der Grafiker arbeitet = 1623,82 € Der Grafiker bekommt also im September 1623,82 € Gehalt, weil er sich zehn Tage unbezahlt freinimmt. Dürfen Mitarbeiter unbezahlten Urlaub vorzeitig beenden? Ein Mitarbeiter nimmt sechs Monate unbezahlten Urlaub, um seine Mutter zu pflegen. Nach drei Monaten möchte er plötzlich wieder arbeiten, weil die Mutter überraschend gesund geworden ist. Muss sein Chef ihn wieder bezahlt beschäftigen, obwohl eine längere Abwesenheit vereinbart war? "Rechtlich gesehen müssen sich beide an die Vereinbarung über die Länge des Sonderlaubs halten", sagt Lipinski. "Nach dem Bundesarbeitsgericht muss der Arbeitgeber nur unter dem Gesichtspunkt seiner Fürsorgepflicht eine Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Sonderurlaubs fällen." Hat der Unternehmer gerade kaum Aufträge oder muss er anderen Mitarbeitern betriebsbedingt kündigen, hat er laut Lipinski einen berechtigten Grund, sich gegen die vorzeitige Rückkehr des Mitarbeiters zu entscheiden. Das dürfte aber eher die Ausnahme sein: "Wenn er es sich insbesondere finanziell erlauben kann, dann kenne ich keinen Arbeitgeber, der sich der vorzeitigen Rückkehr verweigern würde", sagt Lipinski.