Nein sagen lernen
3 Übungen für respektvolles Abgrenzen

Wer immer Ja sagt, brennt irgendwann aus. Trotzdem können viele Menschen nicht ohne Schuldgefühle Nein sagen. Dabei lässt sich das respektvolle Nein sagen lernen - mit diesen einfachen Übungen.

Aktualisiert am 3. September 2025, 09:35 Uhr, von Anna Wilke, Redakteurin

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Nein sagen lernen
Nein sagen lernen - das fällt nicht jedem Menschen leicht.
© knallgrün / Photocase / Photocase Addicts GmbH

Als Chefin oder Chef kennst du das sicher: Ständig will jemand etwas von dir. Eine Mitarbeiterin klopft in der Mittagspause an die Bürotür. Ein potenzieller Kunde hat einen Auftrag, der gar nicht zu deinem Unternehmen passt. Schon wieder eine LinkedIn-Einladung zu einer Abendveranstaltung. Und wer kümmert sich eigentlich um die Würstchen fürs Sommerfest? Bei all den Wünschen von außen ist es umso wichtiger, sich besser abzugrenzen und auch mal Nein sagen zu lernen.

Ohne Nein sagen droht der Burnout

Führungskräfte müssen sowohl die Unternehmensziele als auch die Bedürfnisse ihrer Teams im Auge behalten. „Chefinnen und Chefs stehen daher oft unter enormem Erwartungsdruck,“ sagt Gisela Ruffer, Expertin für persönliche Grenzen und Autorin des Buches „Selbstbewusst Nein sagen: Grenzen setzen – Grenzen achten“. Wer in der Firma jedoch alles annimmt und nicht Nein sagen kann, steuert direkt auf ein Burnout zu. Schließlich hat der Tag nur 24 Stunden und gutes Zeitmanagement hat seine Grenzen. Ruffer betont: „Wenn wir keine Grenzen setzen, können wir unsere eigenen Bedürfnisse weder erkennen noch vertreten. Ein klares Nein bewahrt uns vor Überforderung.“

Welche Ursachen hat es, dass Menschen nicht Nein sagen können?

Der Mensch ist ein soziales Wesen und strebt grundsätzlich nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Das ist zunächst einmal nichts Schlechtes. Denn die Zugehörigkeit zu einer Gruppe verspricht uns Stabilität, und dafür sind wir auch bereit, unsere eigenen Interessen gelegentlich zurückzustellen. Das ist der Hauptgrund, warum wir eher Ja als Nein sagen. Es komme aber auf das richtige Maß an, so Ruffer.

Wie gut wir Grenzen setzen können, hängt auch mit Erfahrungen und Prägungen in der Kindheit zusammen. „Kinder lernen oft, dass sie für Hilfsbereitschaft und Anpassung belohnt werden“, sagt Ruffer. Das kann dazu führen, dass sie als Erwachsene nur schwer Nein sagen können – aus Angst vor Ablehnung oder negativen Konsequenzen. Die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren, kann so verkümmern.

Ein weiterer Grund liege in der Persönlichkeitsstruktur. „Es gibt Menschen, die besonders anfällig dafür sind, ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer zu vernachlässigen“, erklärt Ruffer. „Diese Menschen produzieren viel Serotonin. Dieses Hormon fördert Geduld und die Fähigkeit, Unannehmlichkeiten zu ertragen. Das macht es möglich, unmögliche Situationen und unmögliche Menschen zu ertragen“, sagt Gisela Ruffer.

Besonders betroffen sind laut Ruffer Führungskräfte, die im sozialen Bereich arbeiten – zum Beispiel in Altenheimen. Der Beruf ziehe oft besonders empathische Menschen an. „Diese neigen dazu, eigene Bedürfnisse zurückzustellen und Überlastung zu ignorieren“, so die Expertin.

Wie kann ich Nein sagen lernen?

„Das Setzen von Grenzen ist eine erlernbare Fähigkeit. Nein sagen zu lernen, erfordert Zeit und Übung – ähnlich wie das Vokabellernen“, sagt Ruffer. „Es beginnt damit, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und auszudrücken.“

Mach kleine Schritte und beginne mit einfachen Situationen. Sag beispielsweise Nein zu einer Einladung, wenn du keine Zeit hast. Je öfter du das übst, desto leichter fällt es dir in schwierigeren Situationen.

In der Firma können auch klare Regeln dabei helfen, das Nein sagen zu erleichtern. „Es ist hilfreich, wenn Unternehmen Leitlinien haben, die den Rahmen für Entscheidungen und Grenzen vorgeben,“ meint Ruffer. Also beispielsweise klare Regeln zu Home Office oder Urlaubsanträgen. Diese Leitlinien sollten regelmäßig kommuniziert und überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie von allen verstanden und akzeptiert werden.

Nein sagen lernen mit 3 Übungen

Gisela Ruffer empfiehlt folgende Übungen, mit denen du das Nein sagen üben kannst:

1. Was will ich wirklich?

Suche dir einen ruhigen Ort und lege dir Schreibmaterial bereit. Wähle nun ein Thema, das dich gerade umtreibt. Schließe nun die Augen und frag dich: Was will ich? Schreibe den ersten Gedanken auf, der dir in den Sinn kommt.

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Wiederhole nun die Fragen und lege die Betonung auf das Ich. Was will ICH wirklich?! Notiere wieder deine ersten Gedanken. Dann wiederhole die Frage erneut. Frag dich: Was will ich wirklich?! „Das Gehirn ist wie eine Zwiebel. Und Schale für Schale kommen wir näher an das Innere heran“, erläutert Ruffer. Diese Übung helfe dabei, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen.

2. Tagebuch

Eine ganz praktische Übung, um Nein sagen zu lernen: Führe ein Tagebuch und reflektiere täglich, wie du dich in verschiedenen Situationen gefühlt hast. Notiere dabei insbesondere Momente, in denen du Ja gesagt hast, obwohl du Nein sagen wolltest. Frag dich: Warum habe ich Ja gesagt? Welche Konsequenzen hatte das für mich und mein Wohlbefinden? Hast du deine Grenzen gewahrt oder überschritten? Was hat gut funktioniert und was nicht?

Das regelmäßige Reflektieren hilft dir, Muster zu erkennen und besser zu verstehen, was dir guttut und was nicht. Du kannst so gezielt an deinen Schwächen arbeiten und lernen, in ähnlichen Situationen besser zu reagieren.

3. Spiegel-Übung

Übe vor dem Spiegel, um dein Selbstvertrauen zu stärken. Stelle dich vor den Spiegel und sage laut „Nein“ zu verschiedenen hypothetischen Anfragen. Achte dabei auf deine Körperhaltung, Mimik und Stimme. Versuche, fest und entschlossen zu wirken. Wiederhole diese Übung regelmäßig, um deine Fähigkeit zu festigen, klar und selbstbewusst Nein zu sagen.

Stelle dir vor, dass dir jemand eine realistische Anfrage stellt, der du normalerweise zustimmen würdest, obwohl du es nicht möchtest. Übe, klar und freundlich Nein zu sagen, und beobachte, wie sich deine Körpersprache und dein Tonfall entwickeln. Dies kann helfen, deine Entschlossenheit und Klarheit zu verbessern und dir das Vertrauen geben, in echten Situationen standhaft zu bleiben.

Zweite Phase dieser Übung zum Nein sagen lernen: Statt vor dem Spiegel kannst du auch mit einer vertrauenswürdigen Person in einem Rollenspiel Szenarien durchspielen. Dabei kannst du auch verschiedene Formulierungen ausprobieren.

Mit welcher Formulierung kann ich wertschätzend Nein sagen?

Wertschätzendes Nein-Sagen kann geübt werden. Gisela Ruffer schlägt vor, sich vorher gute Formulierungen zu notieren, um sie in der entsprechenden Situation parat zu haben. „Danke, dass du mich fragst, aber ich habe leider keine Zeit“, ist eine Formulierung, die Ruffer vorschlägt. Wichtig sei es, Respekt und Verständnis zu zeigen, aber auch die eigenen Grenzen klar zu kommunizieren.

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Andere Beispiele für Formulierungen zum wertschätzenden Nein sagen sind:

  • Biete eine Alternative an, wenn du ablehnen musst. Zum Beispiel: „Ich kann leider nicht den ganzen Tag helfen, aber ich habe eine Stunde Zeit“.
  • Zeige dem Gegenüber die Konsequenzen einer Zusage auf: „Wenn ich länger bleibe, verpasse ich meinen Zug.“
  • Verweise auf einen Grundsatz: „Ich treffe grundsätzlich keine Entscheidung, ohne eine Nacht darüber zu schlafen.“

Was tun bei negativen Reaktionen auf ein Nein?

Negative Reaktionen auf ein Nein sind unvermeidlich. „Man sollte davon ausgehen, dass niemand über ein Nein begeistert ist“, sagt Ruffer. Gerade Führungskräfte müssen daher lernen, mit negativen Reaktionen umzugehen. Bleibe dabei ruhig und sachlich. Erkläre deine Gründe klar und zeige Verständnis für die Enttäuschung des Gegenübers.

Lass dich nicht von emotionalen Reaktionen beeinflussen. Denk daran, dass es in Ordnung ist, Nein zu sagen. Dein Wohlbefinden ist genauso wichtig wie das der anderen. Negative Reaktionen sind normal und sollten nicht entmutigen. Dein Nein ist ein Zeichen von Stärke und Selbstrespekt. Daher ist es unabdingbar, Nein sagen zu lernen.

Die Expertin
Gisela Ruffer führt eine Praxis für Psycho-und Paartherapie in Landshut. Außerdem ist sie Autorin des Buches "Selbstbewusst NEIN sagen: Grenzen setzen - Grenzen achten" (Jungfermann, 29 Euro).

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