Kündigungsschutz im Kleinbetrieb
Das müssen Sie bei Kündigungen im Kleinbetrieb beachten

In Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht – trotzdem dürfen Chefs nicht wahllos entlassen. Was Sie bei Kündigungen im Kleinbetrieb beachten müssen.

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Kein Kündigungsschutz im Kleinbetrieb: Zeit zu gehen
© go2 / photocase.de

Ein Mitarbeiter, der seit Monaten schlampig arbeitet. Eine Angestellte, die ständig krank ist. Oder die Teilzeitkraft, die sich dauernd mit dem Team zofft: Manche Mitarbeitende möchten Chefinnen und Chefs möglichst schnell loswerden.

In großen Unternehmen kann das sehr knifflig sein: Arbeitgeber müssen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beachten. Jeder Mitarbeitende, der länger als sechs Monate im Unternehmen arbeitet, genießt den Kündigungsschutz. Diese gesetzlichen Regelungen sorgen dafür, dass Arbeitgeber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen unliebsame Angestellte entlassen können. Bei einer ordentlichen Kündigung etwa aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen.

Mehr dazu: Ordentliche Kündigung: Mitarbeiter ordentlich kündigen – so geht’s

Anders in Kleinbetrieben: Hier gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Inhaberinnen und Inhaber von Kleinbetrieben haben es also grundsätzlich leichter, Mitarbeitern zu kündigen, sagt Kathrin Bürger, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Beiten Burkhardt.

Zur Person
Kathrin Bürger ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Advant Beiten in München.

Wann gilt ein Unternehmen als Kleinbetrieb?

Laut § 23 KSchG gilt in Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern kein Kündigungsschutz – denn dann ist das Unternehmen ein Kleinbetrieb. Bis Ende 2003 lag diese Grenze sogar nur bei fünf oder weniger Mitarbeitern.

Um ihre Betriebsgröße richtig zu ermitteln, müssen Chefs zwischen Vollzeitkräften, Teilzeitkräften, Auszubildenden und Praktikanten unterscheiden:

  • Eine Teilzeitkraft, die bis zu 20 Stunden wöchentlich arbeitet, gilt als 0,5 Mitarbeiter.
  • Eine Teilzeitkraft, die mehr als 20 und bis zu 30 Stunden wöchentlich arbeitet, gilt als 0,75 Mitarbeiter.
  • Eine Vollzeitkraft gilt als 1 Mitarbeiter. Wer zwischen 30 und 40 Wochenstunden arbeitet ebenfalls.
  • Auszubildende, Praktikanten und der geschäftsführende Gesellschafter selbst fließen nicht in die Berechnung der Betriebsgröße ein.
  • Mitarbeiterinnen im Mutterschutz werden auch in die Rechnung einbezogen. Wird eine Mutter durch eine Ersatzkraft vertreten, werden die beiden aber nicht doppelt berechnet.
  • Arbeitnehmer in Eltern- oder Pflegezeit zählen auch dazu.

Beispiel 1: Ein Zahnarzt hat elf Angestellte. Neun davon arbeiten zwischen 32 und 36 Stunden pro Woche, zwei Angestellte sind aktuell in Eltern- und Pflegezeit. Der Betrieb ist kein Kleinbetrieb, für die Teammitglieder greift also der gesetzliche Kündigungsschutz. Aber: Sobald beispielsweise zwei Person die Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden oder weniger reduzieren, hat die Praxis den oben genannten Regelungen zufolge nur noch 10 Mitarbeitende. Dann wäre sie ein Kleinbetrieb.

Beispiel 2: Die Inhaberin einer Werbeagentur beschäftigt insgesamt 15 Personen: fünf Vollzeitkräfte, zwei Teilzeitkräfte, die 28 Stunden arbeiten, fünf weitere, die 20 Stunden arbeiten und drei Auszubildende. Sie gelten den gesetzlichen Regelungen zufolge (§23 KSchG) aber nur als 9 Arbeitnehmer (fünf Vollzeitkräfte + zwei mal 0,75 Mitarbeiter in Teilzeit + fünf mal 0,5 Mitarbeiter in Teilzeit, Auszubildende werden nicht berechnet = 9). Die Werbeagentur ist demnach ein Kleinbetrieb.

Ausnahme: Arbeitnehmer in kleinen Betrieben, die schon vor 2004 angestellt waren

Bis Ende 2003 galt der gesetzliche Kündigungsschutz schon in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Am 1.1.2004 hob der Gesetzgeber diese Grenze auf mehr als zehn Arbeitnehmer an. Für Alt-Arbeitnehmer – also Mitarbeiter, die schon vor 2004 in einem Unternehmen angestellt waren und noch immer dort tätig sind – gilt der sogenannte Bestandsschutz. Das bedeutet: Solange mehr als fünf dieser Alt-Arbeitnehmer in einem Betrieb mit insgesamt maximal zehn Mitarbeitenden beschäftigt sind, gilt für sie der gesetzliche Kündigungsschutz. Die neueren Kollegen dagegen genießen laut Arbeitsrechtlerin Bürger keinen Kündigungsschutz.

Beispiel 3: In einer Schlosserei arbeiten neun Angestellte, sechs von ihnen bereits seit 2003 oder länger. Die Chefin kann diese sechs Alt-Arbeitnehmer nicht einfach so entlassen, sie muss sich an die Vorgaben des gesetzlichen Kündigungsschutzes halten. Für die anderen drei Mitarbeitenden gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Ihre Chefin kann sie unkomplizierter entlassen als die alteingesessenen Teammitglieder.

Achtung: Sobald mindestens zwei Alt-Arbeitnehmer die Schlosserei verlassen, ist der Kündigungsschutz auch für die verbleibenden vier älteren Teammitglieder aufgehoben.

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Genießen Arbeitnehmer in Kleinbetrieben gar keinen Kündigungsschutz?

Auch für Chefs in Kleinbetrieben gilt: „Sie können nicht wie wild kündigen“, sagt Bürger. „Die Arbeitnehmer sind nicht völlig schutzlos.“

Der Schutz fällt aber deutlich geringer aus. Beispielsweise können der Arbeitsrechtlerin zufolge im Kleinbetrieb Arbeitgeber auch Low-Performern kündigen, also denjenigen, die nicht viel leisten wollen oder können. sagt Bürger. Das habe der Gesetzgeber so geregelt, weil Low-Performer bei zehn oder weniger Mitarbeitern schneller auffallen und den Betrieb verhältnismäßig stärker belasten als in größeren Unternehmen. In größeren Firmen sei eine wirksame Low-Performer-Kündigung nahezu unmöglich, weil der Kündigungsschutz greift.

Mehr zum Thema: Schlechte Arbeitsleistung: Wie werde ich Low-Performer ohne Stress los?

Achtung: Sobald die Betriebsgröße auf mehr als zehn Mitarbeiter steigt, gilt für sie der umfassende gesetzliche Kündigungsschutz.

Welche Regeln müssen Chefs bei Kündigungen im Kleinbetrieb berücksichtigen?

Chefs von Kleinbetrieben müssen sich an folgende Grundsätze halten, wenn sie einem Mitarbeiter kündigen wollen:

  • „Es ist verboten, eine missbräuchliche oder treuwidrige Kündigung auszusprechen“, sagt Bürger. Das heißt: Chefinnen und Chefs dürfen Mitarbeitenden nicht wegen deren Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Abstammung kündigen. Die Kündigung darf nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen.
  • Gerät der Betrieb in eine wirtschaftliche Schieflage, dürfen Arbeitgeber nicht wider Treu und Glauben kündigen, müssen also ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme einhalten: „Wenn ein Arbeitnehmer seit zwei Jahren im Kleinbetrieb tätig ist und ein anderer seit 20 Jahren, kann ich nicht demjenigen kündigen, der seit 20 Jahren für mich arbeitet“, sagt Bürger. „Ich muss außerdem Unterhaltspflichten berücksichtigen, darf also nicht dem 55-Jährigen kündigen, der drei Kinder und eine schwerbehinderte Frau hat, wenn auch ein 30-jähriger Single ohne Kinder im Betrieb arbeitet.“ Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2001 entsprechend entschieden (Urteil vom 21.02.2001, 2 AZR 15/00). Sind Mitarbeiter mit einer ähnlichen familiären Situation auch etwa gleich lang im Betrieb, stehe es dem Arbeitgeber dagegen frei zu entscheiden, wem er kündigt. Die Regelungen zum Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme sind allerdings lockerer als in Betrieben, in denen der Kündigungsschutz greift: Hier müssen Arbeitgeberinnen und -geber bei betriebsbedingten Kündigungen strengen Kriterien der Sozialauswahl folgen, wenn sie mehrere Angestellte entlassen.
  • Arbeitgeber dürfen keine sittenwidrige Kündigung aussprechen, also beispielsweise aus Rache kündigen.
  • Genau wie in größeren Unternehmen gilt für bestimmte Mitarbeiter ein Sonderkündigungsschutz: etwa für Schwangere, Mitarbeiter in Mutterschutz oder Elternzeit, Angestellte, die gerade einen Angehörigen pflegen und für Schwerbehinderte. Diese Mitarbeiter sind zwar nicht unkündbar – wollen Chefs sie entlassen, müssen sie aber einige Hürden überwinden. Um beispielsweise einen Schwerbehinderten zu entlassen, brauchen Unternehmer die Zustimmung vom Integrationsamt.
  • Befristet angestellte Arbeitnehmer können nicht einfach so gekündigt werden – im Vertrag ist schließlich das Beschäftigungsende schon festgelegt. Liegt allerdings ein wichtiger Grund vor, können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sie fristlos entlassen. Alternativ können Chefs vorab im Arbeitsvertrag festhalten, dass auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis eine ordentliche Kündigung möglich ist.

Welche Formalien müssen Arbeitgeber bei einer Kündigung beachten?

Arbeitgeber müssen immer schriftlich und mit Unterschrift kündigen, eine E-Mail reicht nicht aus (§ 623 BGB). Den Kündigungsgrund können, müssen sie aber nicht angeben – auch eine Kündigung ohne Angabe eines Grundes ist wirksam.

Mehr dazu: Rechtssichere Kündigung: Diese 8 Fehler können eine Kündigung unwirksam machen

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Welche Kündigungsfrist gilt im Kleinbetrieb?

Auch Arbeitgeber in Kleinbetrieben müssen sich an die gesetzliche Kündigungsfrist halten. Wie lang der Zeitraum zwischen Kündigung und Ende des Arbeitsverhältnisses ausfällt, regelt der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters. Gibt es darin keine entsprechenden Regelungen, müssen Chefs sich an die Fristen halten, die das Bürgerliche Gesetzbuch (§622 BGB) vorgibt:

  • Während der Probezeit können Chefs innerhalb von zwei Wochen kündigen.
  • Ein Mitarbeiter, der seit zwei Jahren im Betrieb angestellt ist, hat eine Kündigungsfrist von einem Monat (Kündigung immer zum Monatsende).
  • Bei längerer Betriebszugehörigkeit erhöht sich die Kündigungsfrist: Wer mindestens fünf Jahre im Betrieb arbeitet, hat eine Kündigungsfrist von zwei Monaten. Bei acht Jahren beträgt die Frist drei Monate, bei zehn Jahren vier, bei zwölf Jahren fünf, bei 15 Jahren sechs Monate. Die längste Kündigungsfrist haben mit sieben Monaten Mitarbeiter, die schon mehr als 20 Jahre im Betrieb beschäftigt sind.

Die Kündigungsfristen gelten übrigens bereits, sobald ein Arbeitsvertrag unterzeichnet ist. Gerechnet wird dann ab dem Tag der Unterzeichnung. Somit müssen also auch bei einer Kündigung vor Arbeitsantritt Fristen eingehalten werden.

Mehr dazu hier: Kündigung vor Arbeitsantritt: Wann sie gilt, wann nicht

Können Arbeitgeber in Kleinbetrieben fristlos kündigen?

Arbeitgeber können Mitarbeitern laut BGB fristlos kündigen, wenn ein sogenannter wichtiger Grund vorliegt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Angestellter seinen Chef schwer beleidigt, die Arbeit verweigert oder in den Urlaub fährt, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen.

Welche weiteren Gründe eine fristlose Kündigung rechtfertigen können: Fristlose Kündigung: Das müssen Arbeitgeber wissen

Achtung: Arbeitgeber müssen dem Angestellten innerhalb von zwei Wochen nach solch einem Vorfall kündigen. Will der Mitarbeiter den Grund für die Kündigung wissen, müssen sie ihm eine schriftliche Begründung geben.

Auszubildende können Chefinnen und Chefs innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen fristlos entlassen. Nach Ablauf der Probezeit können sie Azubis nur aus wichtigem Grund ohne Frist feuern – und müssen diesen Grund im Kündigungsschreiben angeben.

Dürfen Chefs von Kleinbetrieben Mitarbeitern wegen Krankheit kündigen?

Grundsätzlich schützt Krankheit nicht vor Kündigung. Gilt das Kündigungsschutzgesetz, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Kündigung wegen Krankheit im Zweifelsfall auch vor Gericht Bestand hat: Laut Bürger muss der Arbeitnehmer über die letzten drei Jahre mindestens jeweils sechs Wochen krank gewesen sein. Arbeitgeber müssen zudem Grund zur Annahme haben, dass der Mitarbeiter auch zukünftig immer wieder krank sein wird (die sogenannte negative Gesundheitsprognose) – was zum Beispiel bei schweren gesundheitlichen Problemen oder einem sehr schwachen Immunsystem zu befürchten ist, nicht aber bei einmaligen Knochenbrüchen.

Im Kleinbetrieb müssen Arbeitgeber diese Gesundheitsprognose nicht stellen. Trotzdem braucht es laut Bürger ein Minimum an Krankheitstagen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. „Außerdem sind natürlich die betrieblichen Interessen in einem Kleinbetrieb schneller beeinträchtigt: Wenn etwa jemand ständig ausfällt und deshalb ein Kollege einspringen und dessen Arbeit miterledigen muss“, sagt Bürger. Bei einem Kleinbetrieb sei das öfter der Fall, was Gerichte berücksichtigen würden.

Beispiel: Eine Ärztin (mit weniger als zehn Angestellten) hatte einer medizinischen Fachangestellten gekündigt, weil diese innerhalb eines Jahres zweimal jeweils für etwa zwei Monate krankgeschrieben war. Die Fachangestellte klagte dagegen – das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz entschied zugunsten der Ärztin. Denn diese hatte eine neue Mitarbeiterin einstellen müssen, um die Fehlzeiten auszugleichen und die Arbeitszeiten umverteilt, was den Betrieb belastete. Weil die Mitarbeiterin noch nicht lange angestellt war, verstoße die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben, so das Gericht (Urteil vom 26.08.2016, Az.: 1 Sa 89/16).

Können Mitarbeiter im Kleinbetrieb gegen eine Kündigung Klage einreichen?

Sobald ein Arbeitnehmer die Kündigung erhält, hat er drei Wochen Zeit, dagegen zu klagen – auch im Kleinbetrieb. Reicht er die Kündigungsschutzklage erst nach Ablauf der Frist ein, ist die Kündigung wirksam. Vor Gericht liege die Beweispflicht beim Arbeitnehmer, so Expertin Bürger: Er müsse erklären, warum er die Kündigung für unwirksam hält.

In größeren Betrieben, in denen der Kündigungsschutz gilt, ist es genau andersrum: Hier muss der Chef – beziehungsweise sein Anwalt – ausführlich darlegen, warum er den Angestellten gekündigt hat. Im Zweifelsfall sollten Chefs den Mitarbeiter abmahnen, bevor sie ihn feuern.

Was eine Abmahnung rechtfertigt, lesen Sie hier: Abmahnungsgründe: So nicht! 9 Gründe für eine Abmahnung

Haben Mitarbeiter im Kleinbetrieb Anspruch auf eine Abfindung?

Grundsätzlich hat kein Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, sagt Bürger. Abfindungen zahlen Arbeitgeber meist, um Kündigungsschutzklagen zu vermeiden oder Gerichtsverfahren abzukürzen. § 1a KSchG regelt einen seltenen Fall: Demnach haben Arbeitgeber die Möglichkeit, bei Kündigungen wegen dringender betrieblicher Erfordernisse im Kündigungsschreiben eine Abfindung anzubieten. Klagt der Gekündigte im Gegenzug nicht gegen die Entlassung, steht ihm diese Abfindung zu.

Für Kleinbetriebe gilt § 1a KSchG nicht. Es ergibt sich also auch bei einer Kündigung aus betrieblichen Gründen kein Anspruch auf eine Abfindung. Unabhängig davon steht es Inhaberinnen und Inhabern von Kleinbetrieben natürlich frei, Mitarbeitenden bei einer Kündigung freiwillig eine Abfindung anzubieten – etwa, weil sie ihnen noch etwas Gutes tun wollen.

Ein Mitarbeiter, der seit Monaten schlampig arbeitet. Eine Angestellte, die ständig krank ist. Oder die Teilzeitkraft, die sich dauernd mit dem Team zofft: Manche Mitarbeitende möchten Chefinnen und Chefs möglichst schnell loswerden. In großen Unternehmen kann das sehr knifflig sein: Arbeitgeber müssen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beachten. Jeder Mitarbeitende, der länger als sechs Monate im Unternehmen arbeitet, genießt den Kündigungsschutz. Diese gesetzlichen Regelungen sorgen dafür, dass Arbeitgeber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen unliebsame Angestellte entlassen können. Bei einer ordentlichen Kündigung etwa aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen. Mehr dazu: Ordentliche Kündigung: Mitarbeiter ordentlich kündigen - so geht's Anders in Kleinbetrieben: Hier gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Inhaberinnen und Inhaber von Kleinbetrieben haben es also grundsätzlich leichter, Mitarbeitern zu kündigen, sagt Kathrin Bürger, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Beiten Burkhardt. [zur-person] Wann gilt ein Unternehmen als Kleinbetrieb? Laut § 23 KSchG gilt in Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern kein Kündigungsschutz – denn dann ist das Unternehmen ein Kleinbetrieb. Bis Ende 2003 lag diese Grenze sogar nur bei fünf oder weniger Mitarbeitern. Um ihre Betriebsgröße richtig zu ermitteln, müssen Chefs zwischen Vollzeitkräften, Teilzeitkräften, Auszubildenden und Praktikanten unterscheiden: Eine Teilzeitkraft, die bis zu 20 Stunden wöchentlich arbeitet, gilt als 0,5 Mitarbeiter. Eine Teilzeitkraft, die mehr als 20 und bis zu 30 Stunden wöchentlich arbeitet, gilt als 0,75 Mitarbeiter. Eine Vollzeitkraft gilt als 1 Mitarbeiter. Wer zwischen 30 und 40 Wochenstunden arbeitet ebenfalls. Auszubildende, Praktikanten und der geschäftsführende Gesellschafter selbst fließen nicht in die Berechnung der Betriebsgröße ein. Mitarbeiterinnen im Mutterschutz werden auch in die Rechnung einbezogen. Wird eine Mutter durch eine Ersatzkraft vertreten, werden die beiden aber nicht doppelt berechnet. Arbeitnehmer in Eltern- oder Pflegezeit zählen auch dazu. Beispiel 1: Ein Zahnarzt hat elf Angestellte. Neun davon arbeiten zwischen 32 und 36 Stunden pro Woche, zwei Angestellte sind aktuell in Eltern- und Pflegezeit. Der Betrieb ist kein Kleinbetrieb, für die Teammitglieder greift also der gesetzliche Kündigungsschutz. Aber: Sobald beispielsweise zwei Person die Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden oder weniger reduzieren, hat die Praxis den oben genannten Regelungen zufolge nur noch 10 Mitarbeitende. Dann wäre sie ein Kleinbetrieb. Beispiel 2: Die Inhaberin einer Werbeagentur beschäftigt insgesamt 15 Personen: fünf Vollzeitkräfte, zwei Teilzeitkräfte, die 28 Stunden arbeiten, fünf weitere, die 20 Stunden arbeiten und drei Auszubildende. Sie gelten den gesetzlichen Regelungen zufolge (§23 KSchG) aber nur als 9 Arbeitnehmer (fünf Vollzeitkräfte + zwei mal 0,75 Mitarbeiter in Teilzeit + fünf mal 0,5 Mitarbeiter in Teilzeit, Auszubildende werden nicht berechnet = 9). Die Werbeagentur ist demnach ein Kleinbetrieb. Ausnahme: Arbeitnehmer in kleinen Betrieben, die schon vor 2004 angestellt waren Bis Ende 2003 galt der gesetzliche Kündigungsschutz schon in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Am 1.1.2004 hob der Gesetzgeber diese Grenze auf mehr als zehn Arbeitnehmer an. Für Alt-Arbeitnehmer – also Mitarbeiter, die schon vor 2004 in einem Unternehmen angestellt waren und noch immer dort tätig sind – gilt der sogenannte Bestandsschutz. Das bedeutet: Solange mehr als fünf dieser Alt-Arbeitnehmer in einem Betrieb mit insgesamt maximal zehn Mitarbeitenden beschäftigt sind, gilt für sie der gesetzliche Kündigungsschutz. Die neueren Kollegen dagegen genießen laut Arbeitsrechtlerin Bürger keinen Kündigungsschutz. Beispiel 3: In einer Schlosserei arbeiten neun Angestellte, sechs von ihnen bereits seit 2003 oder länger. Die Chefin kann diese sechs Alt-Arbeitnehmer nicht einfach so entlassen, sie muss sich an die Vorgaben des gesetzlichen Kündigungsschutzes halten. Für die anderen drei Mitarbeitenden gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Ihre Chefin kann sie unkomplizierter entlassen als die alteingesessenen Teammitglieder. Achtung: Sobald mindestens zwei Alt-Arbeitnehmer die Schlosserei verlassen, ist der Kündigungsschutz auch für die verbleibenden vier älteren Teammitglieder aufgehoben. Genießen Arbeitnehmer in Kleinbetrieben gar keinen Kündigungsschutz? Auch für Chefs in Kleinbetrieben gilt: „Sie können nicht wie wild kündigen“, sagt Bürger. „Die Arbeitnehmer sind nicht völlig schutzlos.“ Der Schutz fällt aber deutlich geringer aus. Beispielsweise können der Arbeitsrechtlerin zufolge im Kleinbetrieb Arbeitgeber auch Low-Performern kündigen, also denjenigen, die nicht viel leisten wollen oder können. sagt Bürger. Das habe der Gesetzgeber so geregelt, weil Low-Performer bei zehn oder weniger Mitarbeitern schneller auffallen und den Betrieb verhältnismäßig stärker belasten als in größeren Unternehmen. In größeren Firmen sei eine wirksame Low-Performer-Kündigung nahezu unmöglich, weil der Kündigungsschutz greift. Mehr zum Thema: Schlechte Arbeitsleistung: Wie werde ich Low-Performer ohne Stress los? Achtung: Sobald die Betriebsgröße auf mehr als zehn Mitarbeiter steigt, gilt für sie der umfassende gesetzliche Kündigungsschutz. Welche Regeln müssen Chefs bei Kündigungen im Kleinbetrieb berücksichtigen? Chefs von Kleinbetrieben müssen sich an folgende Grundsätze halten, wenn sie einem Mitarbeiter kündigen wollen: „Es ist verboten, eine missbräuchliche oder treuwidrige Kündigung auszusprechen“, sagt Bürger. Das heißt: Chefinnen und Chefs dürfen Mitarbeitenden nicht wegen deren Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Abstammung kündigen. Die Kündigung darf nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Gerät der Betrieb in eine wirtschaftliche Schieflage, dürfen Arbeitgeber nicht wider Treu und Glauben kündigen, müssen also ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme einhalten: „Wenn ein Arbeitnehmer seit zwei Jahren im Kleinbetrieb tätig ist und ein anderer seit 20 Jahren, kann ich nicht demjenigen kündigen, der seit 20 Jahren für mich arbeitet“, sagt Bürger. „Ich muss außerdem Unterhaltspflichten berücksichtigen, darf also nicht dem 55-Jährigen kündigen, der drei Kinder und eine schwerbehinderte Frau hat, wenn auch ein 30-jähriger Single ohne Kinder im Betrieb arbeitet.“ Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2001 entsprechend entschieden (Urteil vom 21.02.2001, 2 AZR 15/00). Sind Mitarbeiter mit einer ähnlichen familiären Situation auch etwa gleich lang im Betrieb, stehe es dem Arbeitgeber dagegen frei zu entscheiden, wem er kündigt. Die Regelungen zum Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme sind allerdings lockerer als in Betrieben, in denen der Kündigungsschutz greift: Hier müssen Arbeitgeberinnen und -geber bei betriebsbedingten Kündigungen strengen Kriterien der Sozialauswahl folgen, wenn sie mehrere Angestellte entlassen. Arbeitgeber dürfen keine sittenwidrige Kündigung aussprechen, also beispielsweise aus Rache kündigen. Genau wie in größeren Unternehmen gilt für bestimmte Mitarbeiter ein Sonderkündigungsschutz: etwa für Schwangere, Mitarbeiter in Mutterschutz oder Elternzeit, Angestellte, die gerade einen Angehörigen pflegen und für Schwerbehinderte. Diese Mitarbeiter sind zwar nicht unkündbar – wollen Chefs sie entlassen, müssen sie aber einige Hürden überwinden. Um beispielsweise einen Schwerbehinderten zu entlassen, brauchen Unternehmer die Zustimmung vom Integrationsamt. Befristet angestellte Arbeitnehmer können nicht einfach so gekündigt werden - im Vertrag ist schließlich das Beschäftigungsende schon festgelegt. Liegt allerdings ein wichtiger Grund vor, können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sie fristlos entlassen. Alternativ können Chefs vorab im Arbeitsvertrag festhalten, dass auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis eine ordentliche Kündigung möglich ist. [mehr-zum-thema] Welche Formalien müssen Arbeitgeber bei einer Kündigung beachten? Arbeitgeber müssen immer schriftlich und mit Unterschrift kündigen, eine E-Mail reicht nicht aus (§ 623 BGB). Den Kündigungsgrund können, müssen sie aber nicht angeben - auch eine Kündigung ohne Angabe eines Grundes ist wirksam. Mehr dazu: Rechtssichere Kündigung: Diese 8 Fehler können eine Kündigung unwirksam machen Welche Kündigungsfrist gilt im Kleinbetrieb? Auch Arbeitgeber in Kleinbetrieben müssen sich an die gesetzliche Kündigungsfrist halten. Wie lang der Zeitraum zwischen Kündigung und Ende des Arbeitsverhältnisses ausfällt, regelt der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters. Gibt es darin keine entsprechenden Regelungen, müssen Chefs sich an die Fristen halten, die das Bürgerliche Gesetzbuch (§622 BGB) vorgibt: Während der Probezeit können Chefs innerhalb von zwei Wochen kündigen. Ein Mitarbeiter, der seit zwei Jahren im Betrieb angestellt ist, hat eine Kündigungsfrist von einem Monat (Kündigung immer zum Monatsende). Bei längerer Betriebszugehörigkeit erhöht sich die Kündigungsfrist: Wer mindestens fünf Jahre im Betrieb arbeitet, hat eine Kündigungsfrist von zwei Monaten. Bei acht Jahren beträgt die Frist drei Monate, bei zehn Jahren vier, bei zwölf Jahren fünf, bei 15 Jahren sechs Monate. Die längste Kündigungsfrist haben mit sieben Monaten Mitarbeiter, die schon mehr als 20 Jahre im Betrieb beschäftigt sind. Die Kündigungsfristen gelten übrigens bereits, sobald ein Arbeitsvertrag unterzeichnet ist. Gerechnet wird dann ab dem Tag der Unterzeichnung. Somit müssen also auch bei einer Kündigung vor Arbeitsantritt Fristen eingehalten werden. Mehr dazu hier: Kündigung vor Arbeitsantritt: Wann sie gilt, wann nicht Können Arbeitgeber in Kleinbetrieben fristlos kündigen? Arbeitgeber können Mitarbeitern laut BGB fristlos kündigen, wenn ein sogenannter wichtiger Grund vorliegt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Angestellter seinen Chef schwer beleidigt, die Arbeit verweigert oder in den Urlaub fährt, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Welche weiteren Gründe eine fristlose Kündigung rechtfertigen können: Fristlose Kündigung: Das müssen Arbeitgeber wissen Achtung: Arbeitgeber müssen dem Angestellten innerhalb von zwei Wochen nach solch einem Vorfall kündigen. Will der Mitarbeiter den Grund für die Kündigung wissen, müssen sie ihm eine schriftliche Begründung geben. Auszubildende können Chefinnen und Chefs innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen fristlos entlassen. Nach Ablauf der Probezeit können sie Azubis nur aus wichtigem Grund ohne Frist feuern – und müssen diesen Grund im Kündigungsschreiben angeben. Dürfen Chefs von Kleinbetrieben Mitarbeitern wegen Krankheit kündigen? Grundsätzlich schützt Krankheit nicht vor Kündigung. Gilt das Kündigungsschutzgesetz, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Kündigung wegen Krankheit im Zweifelsfall auch vor Gericht Bestand hat: Laut Bürger muss der Arbeitnehmer über die letzten drei Jahre mindestens jeweils sechs Wochen krank gewesen sein. Arbeitgeber müssen zudem Grund zur Annahme haben, dass der Mitarbeiter auch zukünftig immer wieder krank sein wird (die sogenannte negative Gesundheitsprognose) – was zum Beispiel bei schweren gesundheitlichen Problemen oder einem sehr schwachen Immunsystem zu befürchten ist, nicht aber bei einmaligen Knochenbrüchen. Im Kleinbetrieb müssen Arbeitgeber diese Gesundheitsprognose nicht stellen. Trotzdem braucht es laut Bürger ein Minimum an Krankheitstagen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. „Außerdem sind natürlich die betrieblichen Interessen in einem Kleinbetrieb schneller beeinträchtigt: Wenn etwa jemand ständig ausfällt und deshalb ein Kollege einspringen und dessen Arbeit miterledigen muss“, sagt Bürger. Bei einem Kleinbetrieb sei das öfter der Fall, was Gerichte berücksichtigen würden. Beispiel: Eine Ärztin (mit weniger als zehn Angestellten) hatte einer medizinischen Fachangestellten gekündigt, weil diese innerhalb eines Jahres zweimal jeweils für etwa zwei Monate krankgeschrieben war. Die Fachangestellte klagte dagegen – das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz entschied zugunsten der Ärztin. Denn diese hatte eine neue Mitarbeiterin einstellen müssen, um die Fehlzeiten auszugleichen und die Arbeitszeiten umverteilt, was den Betrieb belastete. Weil die Mitarbeiterin noch nicht lange angestellt war, verstoße die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben, so das Gericht (Urteil vom 26.08.2016, Az.: 1 Sa 89/16). Können Mitarbeiter im Kleinbetrieb gegen eine Kündigung Klage einreichen? Sobald ein Arbeitnehmer die Kündigung erhält, hat er drei Wochen Zeit, dagegen zu klagen - auch im Kleinbetrieb. Reicht er die Kündigungsschutzklage erst nach Ablauf der Frist ein, ist die Kündigung wirksam. Vor Gericht liege die Beweispflicht beim Arbeitnehmer, so Expertin Bürger: Er müsse erklären, warum er die Kündigung für unwirksam hält. In größeren Betrieben, in denen der Kündigungsschutz gilt, ist es genau andersrum: Hier muss der Chef – beziehungsweise sein Anwalt – ausführlich darlegen, warum er den Angestellten gekündigt hat. Im Zweifelsfall sollten Chefs den Mitarbeiter abmahnen, bevor sie ihn feuern. Was eine Abmahnung rechtfertigt, lesen Sie hier: Abmahnungsgründe: So nicht! 9 Gründe für eine Abmahnung Haben Mitarbeiter im Kleinbetrieb Anspruch auf eine Abfindung? Grundsätzlich hat kein Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, sagt Bürger. Abfindungen zahlen Arbeitgeber meist, um Kündigungsschutzklagen zu vermeiden oder Gerichtsverfahren abzukürzen. § 1a KSchG regelt einen seltenen Fall: Demnach haben Arbeitgeber die Möglichkeit, bei Kündigungen wegen dringender betrieblicher Erfordernisse im Kündigungsschreiben eine Abfindung anzubieten. Klagt der Gekündigte im Gegenzug nicht gegen die Entlassung, steht ihm diese Abfindung zu. Für Kleinbetriebe gilt § 1a KSchG nicht. Es ergibt sich also auch bei einer Kündigung aus betrieblichen Gründen kein Anspruch auf eine Abfindung. Unabhängig davon steht es Inhaberinnen und Inhabern von Kleinbetrieben natürlich frei, Mitarbeitenden bei einer Kündigung freiwillig eine Abfindung anzubieten - etwa, weil sie ihnen noch etwas Gutes tun wollen.