Kündigungsschutz im Kleinbetrieb Das müssen Sie bei Kündigungen im Kleinbetrieb beachten

In Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht – trotzdem dürfen Chefs nicht wahllos entlassen. Was Sie bei Kündigungen im Kleinbetrieb beachten müssen.

Für Kündigungen im Kleinbetrieb gelten besondere Regeln.

© go2 / photocase.de

Das Wichtigste in Kürze

  • In Kleinbetrieben gilt der gesetzlicher Kündigungsschutz nicht.
  • Ein Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern gilt als Kleinbetrieb.
  • Um die Betriebsgröße zu ermitteln, müssen Chefs zwischen Vollzeit-, Teilzeitkräften, Auszubildenden und Praktikanten unterscheiden.
  • Inhaber von Kleinbetrieben können Mitarbeitern grundsätzlich leichter kündigen. Sie müssen sich trotzdem an bestimmte Grundsätze halten und dürfen etwa nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen.
  • Vor einer Kündigung müssen Arbeitgeber familiäre Situationen und Länge der Anstellung abwägen, um ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme einhalten.
  • Der Sonderkündigungsschutz gilt auch im Kleinbetrieb.

Ein Mitarbeiter, der seit Monaten schlampig arbeitet. Eine Angestellte, die ständig krank ist. Oder die Teilzeitkraft, die sich dauernd mit dem Team streitet: Manche Mitarbeiter möchten Chefs möglichst schnell loswerden.

In großen Unternehmen kann das sehr knifflig sein: Arbeitgeber müssen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beachten. Jeder Mitarbeiter, der länger als sechs Monate im Unternehmen arbeitet, genießt den Kündigungsschutz. Diese gesetzlichen Regelungen sorgen dafür, dass Arbeitgeber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen unliebsame Mitarbeiter entlassen können. Bei einer ordentlichen Kündigung etwa aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen.

Mehr dazu: Ordentliche Kündigung: Mitarbeiter ordentlich kündigen – so geht’s

Anders in Kleinbetrieben: Hier gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Inhaber von Kleinbetrieben haben es also grundsätzlich leichter, Mitarbeitern zu kündigen, sagt Kathrin Bürger, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Beiten Burkhardt.

Wann gilt ein Unternehmen als Kleinbetrieb?

Laut § 23 KSchG gilt in Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeitern kein Kündigungsschutz – denn dann ist das Unternehmen ein Kleinbetrieb. Bis Ende 2003 lag diese Grenze sogar nur bei fünf oder weniger Mitarbeitern.

Um ihre Betriebsgröße richtig zu ermitteln, müssen Chefs zwischen Vollzeitkräften, Teilzeitkräften, Auszubildenden und Praktikanten unterscheiden:

Zur Person

Kathrin Bürger ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt in München.

  • Eine Teilzeitkraft, die bis zu 20 Stunden wöchentlich arbeitet, gilt als 0,5 Mitarbeiter.
  • Eine Teilzeitkraft, die mehr als 20 und bis zu 30 Stunden wöchentlich arbeitet, gilt als 0,75 Mitarbeiter.
  • Eine Vollzeitkraft gilt als 1 Mitarbeiter. Wer zwischen 30 und 40 Wochenstunden arbeitet ebenfalls.
  • Auszubildende, Praktikanten und der geschäftsführende Gesellschafter selbst fließen nicht in die Berechnung der Betriebsgröße ein.
  • Mitarbeiterinnen im Mutterschutz werden auch in die Rechnung einbezogen. Wird eine Mutter durch eine Ersatzkraft vertreten, werden die beiden aber nicht doppelt berechnet.
  • Arbeitnehmer und Eltern- oder Pflegezeit zählen auch zum Betrieb.

Beispiel: Der Inhaber einer Werbeagentur hat vier Vollzeitkräfte, zwei Auszubildende, zwei Teilzeitkräfte, die 28 Stunden arbeiten, und vier weitere, die 20 Stunden arbeiten. In seinem Betrieb arbeiten also zwölf Personen – sie gelten den gesetzlichen Regelungen zufolge (§23 KSchG) aber nur als 7,5 Arbeitnehmer. Die Werbeagentur ist demnach ein Kleinbetrieb.

Genießen Arbeitnehmer in Kleinbetrieben gar keinen Kündigungsschutz?

Auch für Chefs in Kleinbetrieben gilt: „Sie können nicht wie wild kündigen“, sagt Bürger. „Die Arbeitnehmer sind nicht völlig schutzlos.“

Der Schutz fällt aber deutlich geringer aus. „Beispielsweise können im Kleinbetrieb Arbeitgeber auch Low-Performern kündigen, also denjenigen, die nicht viel leisten wollen oder können“, sagt Bürger. Das habe der Gesetzgeber so geregelt, weil Low-Performer bei zehn oder weniger Mitarbeitern schneller auffallen und den Betrieb verhältnismäßig stärker belasten als in größeren Unternehmen. Dort sei eine wirksame Low-Performer-Kündigung nahezu unmöglich, weil der Kündigungsschutz greift.

Mehr zum Thema: Schlechte Arbeitsleistung: Wie werde ich Low-Performer ohne Stress los?

Achtung: Sobald die Betriebsgröße auf mehr als zehn Mitarbeiter steigt, gilt der umfassende gesetzliche Kündigungsschutz. Stellt der Chef der Werbeagentur aus dem Beispiel oben also drei weitere Vollzeitkräfte ein, genießen seine dann 10,5 Mitarbeiter Kündigungsschutz.

Welche Regeln müssen Chefs bei Kündigungen im Kleinbetrieb berücksichtigen?

Chefs von Kleinbetrieben müssen sich an folgende Grundsätze halten, wenn sie einem Mitarbeiter kündigen wollen:

  • „Es ist verboten, eine missbräuchliche oder treuwidrige Kündigung auszusprechen“, sagt Bürger. Das heißt: Chefs dürfen einem Mitarbeiter nicht wegen dessen Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Abstammung kündigen. Die Kündigung darf nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen.
  • Arbeitgeber dürfen nicht wider Treu und Glauben kündigen, müssen also ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme einhalten: „Wenn ein Arbeitnehmer seit zwei Jahren im Kleinbetrieb tätig ist und ein anderer seit 20 Jahren, kann ich nicht demjenigen kündigen, der seit 20 Jahren für mich arbeitet“, sagt Bürger. „Ich muss außerdem Unterhaltspflichten berücksichtigen, darf also nicht dem 55-Jährigen kündigen, der drei Kinder und eine schwerbehinderte Frau hat, wenn auch ein 30-jähriger Single ohne Kinder im Betrieb arbeitet.“ Das Bundesarbeitsgericht bereits 2001 entsprechend entscheiden (Urteil vom 21.02.2001, 2 AZR 15/00). Sind Mitarbeiter mit einer ähnlichen familiären Situation auch etwa gleich lang im Betrieb, stehe es dem Arbeitgeber dagegen frei zu entscheiden, wem er kündigt.
  • Arbeitgeber dürfen keine sittenwidrige Kündigung aussprechen, also beispielsweise aus Rache kündigen.
  • Genau wie in größeren Unternehmen gilt für bestimmte Mitarbeiter ein Sonderkündigungsschutz: etwa für Schwangere, Mitarbeiter in Mutterschutz oder Elternzeit, Angestellte, die gerade einen Angehörigen pflegen und für Schwerbehinderte. Diese Mitarbeiter sind zwar nicht unkündbar – wollen Chefs sie entlassen, müssen sie aber einige Hürden überwinden. Um beispielsweise einen Schwerbehinderten zu entlassen, brauchen Unternehmer die Zustimmung vom Integrationsamt.

Auch in der Corona-Krise ist die Kündigung im Kleinbetrieb nicht uneingeschränkt möglich. Mehr dazu hier: Kündigen wegen Corona: Diese Regeln gelten jetzt für Kündigungen

Welche Formalien müssen Arbeitgeber bei einer Kündigung beachten?

Arbeitgeber müssen immer schriftlich und mit Unterschrift kündigen, eine E-Mail reicht nicht aus (§ 623 BGB). Den Kündigungsgrund können, müssen sie aber nicht angeben – auch eine Kündigung ohne Angabe von Gründen ist wirksam. Lesen Sie hier, welche Fehler eine Kündigung unwirksam machen können.

Welche Kündigungsfrist gilt im Kleinbetrieb?

Auch Arbeitgeber in Kleinbetrieben müssen sich an die gesetzliche Kündigungsfrist halten. Wie lang der Zeitraum zwischen Kündigung und Ende des Arbeitsverhältnisses ausfällt, regelt der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters. Gibt es darin keine entsprechenden Regelungen, müssen Chefs sich an die Fristen halten, die das Bürgerliche Gesetzbuch (§622 BGB) vorgibt:

  • Während der Probezeit können Chefs innerhalb von zwei Wochen kündigen.
  • Ein Mitarbeiter, der seit zwei Jahren im Betrieb angestellt ist, hat eine Kündigungsfrist von einem Monat (Kündigung immer zum Monatsende).
  • Bei längerer Betriebszugehörigkeit erhöht sich die Kündigungsfrist: Wer mindestens fünf Jahre im Betrieb arbeitet, hat eine Kündigungsfrist von zwei Monaten. Bei acht Jahren sind es drei Monate, bei zehn Jahren vier, bei zwölf Jahren fünf, bei 15 Jahren sechs Monate. Die längste Kündigungsfrist haben mit sieben Monaten Mitarbeiter, die schon mehr als 20 Jahre im Betrieb beschäftigt sind.

Die Kündigungsfrist beginnt, sobald der Arbeitsvertrag unterzeichnet ist. Somit müssen auch bei einer Kündigung vor Arbeitsantritt Fristen eingehalten werden.

Mehr dazu hier: Kündigung vor Arbeitsantritt: Wann sie gilt, wann nicht

Wann können Arbeitgeber in Kleinbetrieben fristlos kündigen?

Arbeitgeber können Mitarbeitern laut BGB fristlos kündigen, wenn ein sogenannter wichtiger Grund vorliegt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Angestellter seinen Chef schwer beleidigt, die Arbeit verweigert oder in den Urlaub fährt, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen.

Achtung: Arbeitgeber müssen dem Angestellten innerhalb von zwei Wochen nach solch einem Vorfall kündigen. Will der Mitarbeiter den Grund für die Kündigung wissen, müssen sie ihm eine schriftliche Begründung geben.

Chefs können Auszubildende innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen fristlos entlassen. Nach Ablauf der Probezeit können sie Azubis nur aus wichtigem Grund ohne Frist feuern – und müssen diesen im Kündigungsschreiben angeben.

Dürfen Chefs von Kleinbetrieben Mitarbeitern wegen Krankheit kündigen?

Grundsätzlich schützt Krankheit nicht vor Kündigung. Gilt das Kündigungsschutzgesetz, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Kündigung wegen Krankheit im Zweifelsfall auch vor Gericht Bestand hat: Laut Bürger muss der Arbeitnehmer über die letzten drei Jahre mindestens jeweils sechs Wochen krank gewesen sein. Arbeitgeber müssen zudem Grund zur Annahme haben, dass der Mitarbeiter auch zukünftig immer wieder krank sein wird (die sogenannte negative Gesundheitsprognose) – was zum Beispiel bei schweren gesundheitlichen Problemen oder einem sehr schwachen Immunsystem zu befürchten ist, nicht aber bei einmaligen Knochenbrüchen.

Im Kleinbetrieb müssen Arbeitgeber diese Gesundheitsprognose nicht stellen. Trotzdem braucht es laut Bürger ein Minimum an Krankheitstagen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. „Außerdem sind natürlich die betrieblichen Interessen in einem Kleinbetrieb schneller beeinträchtigt: Wenn etwa jemand ständig ausfällt und deshalb ein Kollege einspringen und dessen Arbeit miterledigen muss“, sagt Bürger. Bei einem Kleinbetrieb sei das öfter der Fall, was Gerichte berücksichtigen würden.

Beispiel: Eine Ärztin (mit weniger als zehn Angestellten) hatte einer medizinischen Fachangestellten gekündigt, weil diese innerhalb eines Jahres zweimal jeweils für etwa zwei Monate krankgeschrieben war. Die Fachangestellte klagte dagegen – das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz entschied zugunsten der Ärztin. Denn diese hatte eine neue Mitarbeiterin einstellen müssen, um die Fehlzeiten auszugleichen und die Arbeitszeiten umverteilt, was den Betrieb belastete. Weil die Mitarbeiterin noch nicht lange angestellt war, verstoße die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben, so das Gericht (Urteil vom 26.08.2016, Az.: 1 Sa 89/16).

Welchen Kündigungsschutz haben Arbeitnehmer in Kleinbetrieben, die schon vor 2004 angestellt waren?

Bis Ende 2003 galt der Kündigungsschutz schon in Betrieben mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Am 1.1.2004 hob der Gesetzgeber diese Grenze auf mehr als zehn Arbeitnehmer an. Für Alt-Arbeitnehmer – also Mitarbeiter, die schon vor 2004 in einem Unternehmen angestellt wurden und noch immer dort tätig sind – gilt der sogenannte Bestandsschutz. Das bedeutet: Solange mehr als fünf dieser Alt-Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigt sind, gilt für sie der gesetzliche Kündigungsschutz. Ihre neueren Kollegen genießen diesen Kündigungsschutz nicht, sagt Arbeitsrechtlerin Bürger.

Achtung: Arbeiten nur noch fünf oder weniger Alt-Arbeitnehmer in einem Betrieb, ist der Kündigungsschutz aufgehoben – für alle Alt-Arbeitnehmer.

Können Mitarbeiter im Kleinbetrieb gegen eine Kündigung Klage einreichen?

Sobald ein Arbeitnehmer die Kündigung erhält, hat er drei Wochen Zeit, Klage einzureichen. Reicht er die Kündigungsschutzklage erst nach Ablauf der Frist ein, bleibt die Kündigung wirksam. Vor Gericht liege die Beweispflicht beim Arbeitnehmer, so Expertin Bürger: Er müsse erklären, warum er die Kündigung für unwirksam hält. In größeren Betrieben, in denen der Kündigungsschutz gilt, ist es genau andersrum: Hier muss der Chef – beziehungsweise sein Anwalt – ausführlich darlegen, warum er den Angestellten gekündigt hat. Im Zweifelsfall sollten Chefs den Mitarbeiter abmahnen, bevor sie ihn feuern.

Was eine Abmahnung rechtfertigt, lesen Sie hier: Abmahnungsgründe: So nicht! 9 Gründe für eine Abmahnung

Haben auch Mitarbeiter im Kleinbetrieb Anspruch auf eine Abfindung?

Grundsätzlich hat kein Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung, sagt Bürger. Abfindungen zahlen Arbeitgeber meist, um Kündigungsschutzklagen zu vermeiden oder Gerichtsverfahren abzukürzen. § 1a KSchG regelt einen seltenen Fall: Demnach haben Arbeitgeber die Möglichkeit, bei Kündigungen wegen dringender betrieblicher Erfordernisse im Kündigungsschreiben eine Abfindung anzubieten. Klagt der Gekündigte nicht dagegen, steht ihm diese Abfindung auch zu.

Für Kleinbetriebe gilt § 1a KSchG nicht. Das heißt laut Bürger für Chefs von Kleinbetrieben: „Arbeitgeber können das verkürzte Verfahren, also das Angebot einer Abfindung verbunden mit der Kündigung, nicht in Anspruch nehmen.“

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