Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
- Arbeitsrecht und Arztbesuch: Das sagt das Gesetz
- Ist der Arztbesuch Arbeitszeit?
- Facharzttermin während der Arbeitszeit
- Arztbescheinigung Arbeitgeber zum Herunterladen
- Arzttermin während der Arbeitszeit
- Arztermin am Rand der Arbeitszeit
- Bezahlte Freistellung bei Teilzeitkräften
- Arztbesuch bei Gleitzeit
- Wegzeit zum Arzt = Arbeitszeit?
- Wer bestimmt die Arztwahl?
- Regelungen für Vorsorgeuntersuchungen
- Was für regelmäßige Behandlungen gilt
- Physiotherapie während der Arbeitszeit
- Freistellung für Untersuchungen nach §7 Mutterschutzgesetz
- Arztbesuche von kranken Angehörigen
- Informationspflicht des Arbeitnehmers
- Arbeitsunfall: Was für den Arztbesuch während der Arbeitszeit gilt
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer bei einem Arztbesuch während der Arbeitszeit keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung. Allerdings gibt es einige Ausnahmefälle, in denen dann doch ein Freistellungsanspruch besteht. „Der Arbeitgeber muss beim Thema Arbeitsrecht und Arztbesuch ganz schön viele Kröten schlucken“, sagt Alexander Birkhahn, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Dornbach in Koblenz.
Was gilt laut Arbeitsrecht für den Arztbesuch während der Arbeitszeit?
Die Regeln dazu finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch, genauer gesagt in §616 BGB. In dem Paragrafen „Vorübergehende Verhinderung“ heißt es: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“
Mitarbeitende haben also einen Anspruch auf Vergütung, wenn sie nur eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ der Arbeit fernbleiben müssen. „Hier geht es um ein, zwei Stunden“, sagt Alexander Birkhahn. „Das ist kein Zeitraum, den Arbeitsgerichte als erheblich ansehen.“
Grenzen setzte allerdings das Landgericht Frankfurt 1999 in einem Urteil: Ein Mitarbeiter war nach einem Verkehrsunfall binnen 13 Monaten 50 Mal beim Arzt gewesen. Diese Fehlzeiten seien „nicht mehr verhältnismäßig geringfügig“, heißt es in dem Urteil (Az.: 2/1 S 163/99).
Übrigens: Folgt auf den Arztbesuch eine Krankschreibung, greift §3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, demzufolge der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat. Das gilt in diesem Fall auch für die Zeit des Arztbesuches.
Neben der Dauer des Arztbesuches spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, damit Arbeitgeber den Arztbesuch während der Arbeitszeit vergüten müssen.
Wann ist der Arztgang Arbeitszeit?
„Vergütung für die aus Anlass eines Arztbesuches ausgefallene Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer nur verlangen, wenn der Arztbesuch notwendig war“, urteilte das Bundesarbeitsgericht bereits 1984 (Az.: 5 AZR 92/82).
Was aber heißt notwendig genau? Zunächst einmal gehe es um eine medizinische Notwendigkeit, erklärt Arbeitsrechtler Alexander Birkhahn. Heftige Zahnschmerzen, eine fiebrige Erkältung oder ein kleinerer Unfall – es könne viele Gründe geben, warum Arbeitnehmer sofort zum Arzt müssen. In solchen Fällen müsse der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden bezahlt freistellen.
Auch sind einige Untersuchungen an bestimmte Uhrzeiten geknüpft, etwa die Blutabnahme: Sie findet meist morgens statt, weil der Patient nüchtern sein muss. Auch in diesen Fällen muss der Arbeitgeber die Abwesenheit seines Mitarbeiters hinnehmen.
Anders sieht es aus, wenn eine sofortige Behandlung nicht nötig ist: Will der Arbeitnehmer wegen einer herausgefallenen Plombe zum Arzt oder weil er seit ein paar Tagen einen juckenden Ausschlag hat, muss er zunächst versuchen, den Arztbesuch in seine Freizeit zu legen. Das Bundesarbeitsgericht beschied, ein Arbeitnehmer könne dann etwa zur Berufstätigensprechstunde gehen oder den Arzt um einen Termin außerhalb der Arbeitszeit bitten.
Was gilt für einen Facharzttermin während der Arbeitszeit?
Das gleiche Prinzip gilt grundsätzlich für Besuche beim Facharzt, Zahnarzt oder in einem Krankenhaus. Aber: „Einem Krankenhaustermin dürfte in der Regel eine akute Erkrankung zugrunde liegen“, sagt Arbeitsrechtler Alexander Birkhahn. „In diesem Fall ist der Beschäftigte selbstverständlich berechtigt, diesen wahrzunehmen.“
Welche Arztbescheinigung können Arbeitgeber verlangen?
„Ich bin dann mal beim Arzt“: Mit dieser Aussage des Mitarbeiters muss sich der Arbeitgeber nicht zufriedengeben. Vielmehr kann der Arbeitgeber eine Arztbescheinigung über den Arztbesuch fordern.
Diese Arztbescheinigung sollten Arbeitgeber am besten vorformulieren und der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter zur Unterschrift mitgeben. Sie sollte folgende Informationen enthalten:
- Name des Arbeitnehmers
- Eine Erklärung, dass die Behandlung zwingend während der Arbeitszeit erfolgen musste.
- Ein Freitextfeld, in das der Arzt die Uhrzeiten von Beginn und Ende der Behandlung eintragen kann.
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Die Arztbescheinigung darf heruntergeladen und genutzt werden.
Was, wenn Mitarbeiter keinen Arzttermin außerhalb der Arbeitszeit bekommen?
Dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bezahlt freistellen, wie das Bundesarbeitsgericht erklärte: „Notwendig aus der Sicht des Arbeitnehmers ist ein Arztbesuch auch schon dann, wenn der Arzt ihn zu einem bestimmten Termin einbestellt und der Arzt den terminlichen Wünschen des Arbeitnehmers auf Verlegung der Untersuchung oder Behandlung nicht nachkommen kann oder will.“ (BAG, Az.: 5 AZR 92/82)
Doch was, wenn der Arzt zwar Sprechstunden außerhalb der Arbeitszeit anbietet, der nächste freie Arzttermin aber erst übermorgen wäre, nächste Woche oder in zwei Monaten? Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht, sagt Birkhahn: „Was noch zumutbar ist und was nicht, entscheidet im Zweifel das Arbeitsgericht.“
Muss der Arbeitnehmer einen Arzttermin am Rand der Arbeitszeit wählen?
„Wenn es irgendwie möglich ist, muss er das tun“, sagt Alexander Birkhahn. „Sonst verletzt er die sogenannte Leistungstreuepflicht: Der Arbeitnehmer muss versuchen, den Schaden – in diesem Fall den Arbeitsausfall – für den Arbeitgeber möglichst gering zu halten.“ Jedoch sind sehr frühe oder späte Arzttermine bei vielen Berufstätigen begehrt und entsprechend weit im Voraus ausgebucht. Und eine wochenlange Wartezeit ist – siehe oben – dem Arbeitnehmer in der Regel wiederum nicht zumutbar.
Muss der Arbeitgeber auch Arbeitnehmer in Teilzeit für Arztbesuche bezahlt freistellen?
Für Arbeitnehmer, die in Teilzeit arbeiten, gelten höhere Hürden für die Freistellung: „Sind die Probleme nicht akut, ist solchen Arbeitnehmern grundsätzlich zumutbar, dass sie einen Termin außerhalb ihrer Arbeitszeit wahrnehmen. „Und je mehr Freizeit sie haben, desto mehr ist ihnen das zumutbar“, sagt Birkhahn. Das gelte auch für Eltern – jedenfalls dann, wenn für die Kinder eine Betreuungsmöglichkeit besteht oder diese schon älter sind.
„Sind die Probleme aber akut, muss der Arbeitgeber den Arztbesuch in der Arbeitszeit hinnehmen – das gilt auch für Mitarbeiter in Teilzeit.“
Was gilt für den Arztbesuch bei Gleitzeit?
Wer in Gleitzeit arbeitet, kann seine Arbeitszeit flexibel gestalten. Der Arbeitgeber kann in dem Fall von seinen Mitarbeitern fordern, dass sie diese Flexibilität nutzen, um Arbeitsausfälle zu vermeiden: Etwa indem sie den Arztbesuch auf den Morgen legen, später als gewohnt mit der Arbeit beginnen und dafür länger bleiben.
Das Landesarbeitsgericht Köln stellte 1993 klar: „Nimmt ein Arbeitnehmer an einer im Betrieb geltenden Gleitzeitregelung teil, so kann er – wenn einzelvertraglich oder tarifvertraglich keine Regelung besteht – für Arztbesuche während der Gleitzeit keine Zeitgutschrift verlangen.“ (Az.: 8 Sa 894/92)
Das heißt: Unternehmen sind nicht verpflichtet, den Arztbesuch während der Gleitzeit als Arbeitszeit zu verbuchen und zu vergüten; Beschäftigte müssen die Arbeitszeit nachholen. Gleiches gilt bei Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit.
Für Arztbesuche in der Kernarbeitszeit gilt dasselbe wie für Arztbesuche in Teilzeit: Ein Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht nur bei akuten Beschwerden oder in begründeten Ausnahmefällen.
Ist die Wegzeit zum Arzt Arbeitszeit?
Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung für einen Arztbesuch während der Arbeitszeit, gilt dieser Anspruch nicht nur für die Zeit der Behandlung, sondern auch für die Wegzeit zum Arzt und den Rückweg. Der Beschäftigte muss aber ohne Umweg und ohne zu trödeln zur Arbeitsstelle zurückkehren.
Ein Taxi nehmen muss dabei zwar niemand. Geht der Arbeitnehmer aber zu Fuß, statt den Bus zu nehmen („weil das Wetter so schön war“), und braucht deshalb zwei Stunden länger für den Rückweg zum Büro, muss der Arbeitgeber das nicht hinnehmen, sagt Birkhahn: „Ein Richtwert sind die durchschnittlichen Wegezeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“
Kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Mitarbeiter einen anderen Arzt aufsucht?
Der Hausarzt hat keinen Termin außerhalb der Arbeitszeit mehr frei, ein anderer Mediziner aber womöglich schon? Dann dorthin zu gehen, können Arbeitgeber von Mitarbeitern nicht verlangen. So urteilte das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahr 1984. Jeder Arbeitnehmer dürfe den Arzt seines Vertrauens aufsuchen, heißt es in dem Urteil zum Thema Arztbesuche während der Arbeitszeit. „Die Wahl des Arztes hat Vorrang vor der im übrigen gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers.“ (Az.: 5 AZR 455/81).
Das gilt auch dann, wenn die Sprechzeiten des gewählten Arztes mit der Arbeitszeit kollidieren, wie Birkhahn betont: „Will der Arbeitnehmer zu einem Arzt gehen, der immer nur vormittags Sprechstunde hat, dann darf er während der Arbeitszeit dort hingehen.“ Der Arztbesuch während der Arbeitszeit muss dann auch vergütet werden.
Welche Regelung gilt bei Vorsorgeuntersuchungen?
Das Hautkrebs-Screening, die Mammographie oder der Routine-Check beim Zahnarzt sind keine Behandlungen, die an einen ganz bestimmten Tag geknüpft sind. Folglich gilt für Vorsorgeuntersuchungen dasselbe wie bei nicht akuten Erkrankungen: Der Arbeitgeber kann verlangen, dass der Arbeitnehmer Arzttermine außerhalb der Arbeitszeit wahrnimmt. Längere Wartezeiten sind hier zumutbar, wie Birkhahn erklärt.
Geht der Mitarbeiter dennoch während der Arbeitszeit zum Arzt und besteht ein Arbeitszeitkonto, fallen Minusstunden an, wenn der Arzttermin auch außerhalb der Arbeitszeit möglich war. Diese muss der Beschäftigte in der Regel innerhalb einer bestimmten Frist wieder ausgleichen.
Was gilt für regelmäßige Behandlungen?
Der Arbeitnehmer muss jede Woche zur Physiotherapie, macht eine Langzeit-Hyposensibilisierung beim Allergologen oder geht für 25 Sitzungen zum Psychotherapeuten: In solchen Fällen summiert sich der Arbeitsausfall. Und die Auflagen an den Arbeitnehmer werden höher, wie Alexander Birkhahn erklärt: „Je öfter die Termine stattfinden, desto mehr ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sie außerhalb der Arbeitszeit zu legen. Das gilt vor allem, wenn die Notwendigkeit fraglich ist.“
Unstrittig erforderlich, obwohl regelmäßig, sei aber beispielsweise die Dialysebehandlung eines Nierenkranken. In diesem Fall zählt die Behandlung zur Arbeitszeit und muss vergütet werden. Allerdings auch nicht unbegrenzt, sondern nur für eine „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“, sagt Arbeitsrechtler Alexander Birkhahn.
Wie lange Arbeitgeber das genau hinnehmen müssten, hänge auch von der Dauer des Beschäftsigungsverhältnisses ab. Klar sei jedoch, dass ein Zeitraum von über sechs Wochen als erheblich anzusehen ist. Dauert die Behandlung länger, sollten Arbeitnehmer die Behandlung außerhalb der Arbeitszeit legen.
Welche Regelung gilt für eine Physiotherapie?
Ist die Physiotherapie medizinisch notwendig – also verordnet –, gelten dieselben Grundsätze wie für einen Arztbesuch während der Arbeitszeit. „Ist sie medizinisch nicht notwendig, sind die Termine in jedem Fall in der Freizeit wahrzunehmen“, sagt Arbeitsrechtler Alexander Birkhahn.
Muss der Arbeitgeber Schwangere für Untersuchungen freistellen?
Ja. Laut §7 Mutterschutzgesetz (MuSchG) haben schwangere Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die nötigen Vorsorgeuntersuchungen. Diese finden bis zur 32. Schwangerschaftswoche alle vier Wochen statt, danach alle zwei Wochen. Laut Paragraf 23 Mutterschutzgesetz sind die Freistellungszeiten „weder vor- noch nachzuarbeiten“. Weiter heißt es: „Durch die Gewährung der Freistellung […] darf bei der schwangeren oder stillenden Frau kein Entgeltausfall eintreten.“ Gleiches gilt laut §7 Mutterschutzgesetz auch für Untersuchungen während der Gleitzeit.
Lässt sich das Gesetz auch auf Arztbesuche mit kranken Angehörigen anwenden?
Ist ein Kind krank oder begleitet der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin einen anderen Angehörigen zum Arzt, gilt dasselbe wie beim eigenen Arztbesuch:
Im Fall des akut erkrankten Kindes ist der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin in jedem Fall berechtigt, den Arztbesuch während der Arbeitszeit vorzunehmen. Bei Vorsorgeterminen, beispielsweise Impfungen, sind die Termine wenn möglich in die Freizeit zu legen.
Zudem muss der Arbeitnehmer im Zweifelsfall nachweisen, dass die Person auf Begleitung angewiesen ist.
Muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorher über den Arztbesuch informieren?
Bleibt ein Arbeitnehmer der Arbeit fern, hat er den Arbeitgeber vorher über Grund und Dauer der Abwesenheit zu informieren. Diese Informationspflicht gilt entsprechend auch für Arztbesuche während der Arbeitszeit. Tut der Arbeitnehmer das nicht, kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Im Wiederholungsfall ist auch eine verhaltensbedingte Kündigung möglich.
Was gilt nach einem Arbeitsunfall für den Arztbesuch in der Arbeitszeit?
Ein Mitarbeiter hat sich bei einem Arbeitsunfall verletzt? Unter Umständen müssen Arbeitgeber diesen Arbeitsunfall melden. Und den Beschäftigten bezahlt freistellen, wenn er akut behandlungsbedürftig ist.
Der Mitarbeiter darf sich dann jedoch nicht von einem Mediziner seiner Wahl behandeln lassen, sondern muss einen Durchgangsarzt aufsuchen. Das gilt zumindest dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit über den Unfalltag hinaus andauert oder die Behandlung voraussichtlich länger als eine Woche dauert. Durchgangsärzte werden in Deutschland von den Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen bestellt. Sie müssen eine besondere unfallmedizinische Qualifikation und Praxisausstattung haben.
Dr. Alexander Birkhahn ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Geschäftsführender Gesellschafter bei Dornbach in Koblenz. Die Dornbach Gruppe bietet an 20 Standorten Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung an und betreut vorwiegend mittelständische Unternehmen aus ganz Deutschland.
