Corona-Etikette
„Muss man im Meeting nebenbei seine Hecke schneiden?“

Alle reden durcheinander, irgendwer schaut immer aufs Handy – Unternehmerin Anabel Ternès hat genug von chaotischen Videomeetings. Deshalb hat sie für ihr Team eine Corona-Etikette aufgestellt.

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Mit der richtigen Corona-Etikette verlaufen digitale Meetings effizienter
© Carol Yepes/Moment/Getty Images

Montag, 9 Uhr. Mit Mühe und Not haben wir es geschafft, einen Termin für einen Conference Call zu finden, an dem jeder Zeit hat. Die Agenda steht, endlich geht es los. Eigentlich.

„Ich habe gehört, bei euch in der Nachbarschaft hat sich jemand mit Corona infiziert?“, fragt ein Kollege.

„Meine Kleine hat gerade gehustet“, kommentiert ein anderer und lacht.

„Können wir mal zur Tagesordnung kommen?“

„Das ist doch okay, wenn ich schnell nebenbei ein Ei koche? Hatte heute noch nichts zu essen und gestern war es spät.“

„Schneidet da jemand von euch gerade seine Hecke?!“

„Das entspannt mich“, antwortet der Heckenschneider.

So geht es fast zwanzig Minuten, bis wir zur eigentlichen Agenda kommen. Ganz ehrlich: Ist es nicht eine Frage des Respekts, sich ein bisschen zu disziplinieren? Viele Kollegen haben Probleme, sich neben der Kinderbetreuung im Homeoffice überhaupt Zeit freizuschaufeln – aber muss man wirklich während des Meetings seine Hecke schneiden? Beim Meeting im Büro häkelt ja auch niemand nebenbei oder schneidet seine Fingernägel.

Wir können uns jetzt, während der Corona-Krise, nur noch virtuell sehen – wenn überhaupt. Das ist für viele ungewohnt. Zu Hause vor dem Rechner zu sitzen und nicht direkt neben den Kollegen, führt dazu, dass man leichter abgelenkt ist.

Ich habe daher gleich zu Beginn der Krise und der Arbeit im Homeoffice eine Corona-Etikette aufgestellt – ein paar Regeln, damit die Zusammenarbeit auch remote klappt. Und Meetings nicht mehr so starten wie das eingangs beschriebene.

1. Sich mit der Technik vertraut machen

Wenn jemand noch nie an einer Videokonferenz teilgenommen hat, schaltet er sich womöglich nicht sofort stumm, sobald Hintergrundgeräusche stören. Ich habe erlebt, dass Kollegen das respektlos fanden – der andere meinte es aber gar nicht böse. Er wusste einfach nicht, dass und wie er sich stummschalten kann. Er war froh, dass er überhaupt mit der Technik soweit klargekommen war, dass wir sein Bild sahen.

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Damit virtuelle Meetings überhaupt funktionieren können, muss sich jeder die Technik aneignen. Wir arbeiten mit verschiedenen Tools: intern telefonisch per Meetgreen, bei Video mit Zoom, extern häufig mit GoToMeeting, manchmal nutzen wir auch WhatsApp Call oder Facetime.

Wir haben Einführungsvideos gedreht und an alle Mitarbeiter geschickt, damit sie sich die Programme in Ruhe anschauen. Das hat sehr geholfen. Denn so konnte jeder in Probeläufen die Tools testen und in seinem eigenen Tempo kennenlernen.

Mittlerweile klappt es gut. Dass zu Hause das Internet ausfällt, kann natürlich trotzdem passieren. Wir sind alle überstürzt ins Homeoffice gegangen, da ist nicht jeder perfekt eingerichtet.

2. Einen Meeting-Moderator und eine klare Agenda bestimmen

Was bei Meetings im Büro gilt, gilt bei uns natürlich auch virtuell: Wer zu einem Treffen einlädt, muss sich um eine Agenda kümmern und die sollte vor dem Meeting allen Teilnehmenden bekannt sein.

Ein Moderator muss dafür sorgen, dass wir beim Thema bleiben – und nicht drei Themen gleichzeitig besprechen und ohne Ergebnisse auseinandergehen. Ergebnisse sollen aufgeschrieben werden und in möglichst konkrete nächste Schritte münden.

3. Pünktlich erscheinen, pünktlich beenden

Der eine musste noch dringend auf die Toilette, der andere wollte schnell einen Kaffee kochen und ausgerechnet jetzt vor dem Meeting streikte die Maschine? Diese Entschuldigungen lassen wir nicht gelten: Genau wie zu Meetings im Büro soll jeder Teilnehmende auch zu Videokonferenzen pünktlich erscheinen.

Und besonders wichtig: Die Meetings dürfen nicht ausufern. Denn nach einer Stunde Videokonferenz ist die Aufmerksamkeit bei vielen einfach erschöpft. Es ist meist auch anstrengender, als wenn man sich vor Ort trifft: Manchmal sieht man die Kollegen zeitversetzt, erkennt ihre Mimik nicht richtig, manchmal ist der Ton schlecht oder verzerrt oder es sprechen plötzlich drei gleichzeitig. Das verlangt hohe Konzentration und Missverständnisse entstehen. Daher ist es mir wichtig, dass wir Meetings möglichst kurz und effektiv halten und pünktlich beenden.

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4. Einander ausreden lassen

Den anderen ausreden zu lassen, klingt selbstverständlich – ist es bei virtuellen Meetings aber nicht: Durch technische Aussetzer, Ruckler oder eingefrorene Bilder fällt man sich immer wieder unabsichtlich ins Wort.

Daher haben wir uns darauf geeinigt, dass wir verstärkt darauf achten, andere in Ruhe zu Ende reden zu lassen – und im Zweifelsfall ein paar Sekunden Stille halten.

5. Themen, die nur einzelne angehen, nicht in großer Runde besprechen

In unseren Meetings besprechen wir nur Themen, die alle Anwesenden etwas angehen. Denn fangen in großer Runde plötzlich zwei Kollegen an, etwas zu besprechen, was sie auch im direkten Gespräche klären könnten, kann das für alle anderen extrem nervig sein.

6. Ablenkungen vermeiden

Auch in Besprechungen im Büro kommt es immer wieder vor, dass wir heimlich unter dem Tisch aufs Handy schauen. Virtuelle Meetings zeigen mir jetzt verstärkt: Das ist nicht gut. Andere merken sofort, wenn jemand abwesend und unaufmerksam ist – und das stört extrem.

Wir müssen Rücksicht auf die anderen nehmen und zuhören. Und das Heckeschneiden oder Schreiben privater Nachrichten auf später verschieben.

7. Private Ärgernisse von der Arbeit trennen

Die Fahrt zur Arbeit verschafft morgens auch Abstand zu dem, was zu Hause passiert – doch momentan fällt diese Zeit weg. Wir springen direkt vom Spielen mit dem Kind oder vom Streit mit dem Partner an den Rechner.

Da schnell Abstand zu bekommen und Stress einfach abzuschütteln, ist schwierig. Und es ist völlig klar, dass momentan jeder durch die Krise viel Stress hat.

Dennoch ist jeder in meinem Team angehalten, privaten Frust nicht auf den Beruf zu übertragen. Die Kollegen im aggressiven Ton anzugehen, weil die Partnerin zu Hause nervt, ist unfair. Da muss ich auch mich selbst disziplinieren. Aber ich möchte das klar abgrenzen, weil es für die Arbeit nicht förderlich ist.

8. Unterbrechungen klar ansprechen

Natürlich kann es trotzdem passieren, dass jemand im Call ständig unterbricht oder das Thema wechselt. Das spreche ich dann klar an. Etwa so: „Ich habe das Gefühl, dass hier jemand dazwischenredet, vielleicht liegt es an der Verbindung. Lasst uns bitte die Regeln einhalten.“

Wir haben die Regeln klar definiert. Wenn ich sachlich, freundlich und nicht persönlich verletzend daran erinnere, funktioniert das gut.

Im Zweifelsfall spreche ich im Nachgang mit Mitarbeitern, die in Meetings abgelenkt waren oder gestört haben. Einige sind diese neue Art von Zusammenarbeit einfach nicht gewohnt. Dann sage ich zum Beispiel: „Ich möchte dich nicht kritisieren, sondern einfach auf die Regeln der wertschätzenden Kommunikation hinweisen. Wie würdest du dich fühlen, wenn dir in einer Konferenz ständig jemand ins Wort fällt? Oder nebenbei etwas anderes macht, während du mit ihm redest?“

Die Erfahrung zeigt: Sobald jemand sich in die Rolle des anderen versetzt, versteht er das Problem und versucht, sein Verhalten zu ändern.

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Beim Meeting im Büro häkelt ja auch niemand nebenbei oder schneidet seine Fingernägel. Wir können uns jetzt, während der Corona-Krise, nur noch virtuell sehen - wenn überhaupt. Das ist für viele ungewohnt. Zu Hause vor dem Rechner zu sitzen und nicht direkt neben den Kollegen, führt dazu, dass man leichter abgelenkt ist. Ich habe daher gleich zu Beginn der Krise und der Arbeit im Homeoffice eine Corona-Etikette aufgestellt – ein paar Regeln, damit die Zusammenarbeit auch remote klappt. Und Meetings nicht mehr so starten wie das eingangs beschriebene. 1. Sich mit der Technik vertraut machen Wenn jemand noch nie an einer Videokonferenz teilgenommen hat, schaltet er sich womöglich nicht sofort stumm, sobald Hintergrundgeräusche stören. Ich habe erlebt, dass Kollegen das respektlos fanden – der andere meinte es aber gar nicht böse. Er wusste einfach nicht, dass und wie er sich stummschalten kann. Er war froh, dass er überhaupt mit der Technik soweit klargekommen war, dass wir sein Bild sahen. Damit virtuelle Meetings überhaupt funktionieren können, muss sich jeder die Technik aneignen. Wir arbeiten mit verschiedenen Tools: intern telefonisch per Meetgreen, bei Video mit Zoom, extern häufig mit GoToMeeting, manchmal nutzen wir auch WhatsApp Call oder Facetime. Wir haben Einführungsvideos gedreht und an alle Mitarbeiter geschickt, damit sie sich die Programme in Ruhe anschauen. Das hat sehr geholfen. Denn so konnte jeder in Probeläufen die Tools testen und in seinem eigenen Tempo kennenlernen. Mittlerweile klappt es gut. Dass zu Hause das Internet ausfällt, kann natürlich trotzdem passieren. Wir sind alle überstürzt ins Homeoffice gegangen, da ist nicht jeder perfekt eingerichtet. 2. Einen Meeting-Moderator und eine klare Agenda bestimmen Was bei Meetings im Büro gilt, gilt bei uns natürlich auch virtuell: Wer zu einem Treffen einlädt, muss sich um eine Agenda kümmern und die sollte vor dem Meeting allen Teilnehmenden bekannt sein. Ein Moderator muss dafür sorgen, dass wir beim Thema bleiben – und nicht drei Themen gleichzeitig besprechen und ohne Ergebnisse auseinandergehen. Ergebnisse sollen aufgeschrieben werden und in möglichst konkrete nächste Schritte münden. 3. Pünktlich erscheinen, pünktlich beenden Der eine musste noch dringend auf die Toilette, der andere wollte schnell einen Kaffee kochen und ausgerechnet jetzt vor dem Meeting streikte die Maschine? Diese Entschuldigungen lassen wir nicht gelten: Genau wie zu Meetings im Büro soll jeder Teilnehmende auch zu Videokonferenzen pünktlich erscheinen. Und besonders wichtig: Die Meetings dürfen nicht ausufern. Denn nach einer Stunde Videokonferenz ist die Aufmerksamkeit bei vielen einfach erschöpft. Es ist meist auch anstrengender, als wenn man sich vor Ort trifft: Manchmal sieht man die Kollegen zeitversetzt, erkennt ihre Mimik nicht richtig, manchmal ist der Ton schlecht oder verzerrt oder es sprechen plötzlich drei gleichzeitig. Das verlangt hohe Konzentration und Missverständnisse entstehen. Daher ist es mir wichtig, dass wir Meetings möglichst kurz und effektiv halten und pünktlich beenden. 4. Einander ausreden lassen Den anderen ausreden zu lassen, klingt selbstverständlich – ist es bei virtuellen Meetings aber nicht: Durch technische Aussetzer, Ruckler oder eingefrorene Bilder fällt man sich immer wieder unabsichtlich ins Wort. Daher haben wir uns darauf geeinigt, dass wir verstärkt darauf achten, andere in Ruhe zu Ende reden zu lassen – und im Zweifelsfall ein paar Sekunden Stille halten. 5. Themen, die nur einzelne angehen, nicht in großer Runde besprechen In unseren Meetings besprechen wir nur Themen, die alle Anwesenden etwas angehen. Denn fangen in großer Runde plötzlich zwei Kollegen an, etwas zu besprechen, was sie auch im direkten Gespräche klären könnten, kann das für alle anderen extrem nervig sein. 6. Ablenkungen vermeiden Auch in Besprechungen im Büro kommt es immer wieder vor, dass wir heimlich unter dem Tisch aufs Handy schauen. Virtuelle Meetings zeigen mir jetzt verstärkt: Das ist nicht gut. Andere merken sofort, wenn jemand abwesend und unaufmerksam ist – und das stört extrem. Wir müssen Rücksicht auf die anderen nehmen und zuhören. Und das Heckeschneiden oder Schreiben privater Nachrichten auf später verschieben. 7. Private Ärgernisse von der Arbeit trennen Die Fahrt zur Arbeit verschafft morgens auch Abstand zu dem, was zu Hause passiert – doch momentan fällt diese Zeit weg. Wir springen direkt vom Spielen mit dem Kind oder vom Streit mit dem Partner an den Rechner. Da schnell Abstand zu bekommen und Stress einfach abzuschütteln, ist schwierig. Und es ist völlig klar, dass momentan jeder durch die Krise viel Stress hat. Dennoch ist jeder in meinem Team angehalten, privaten Frust nicht auf den Beruf zu übertragen. Die Kollegen im aggressiven Ton anzugehen, weil die Partnerin zu Hause nervt, ist unfair. Da muss ich auch mich selbst disziplinieren. Aber ich möchte das klar abgrenzen, weil es für die Arbeit nicht förderlich ist. 8. Unterbrechungen klar ansprechen Natürlich kann es trotzdem passieren, dass jemand im Call ständig unterbricht oder das Thema wechselt. Das spreche ich dann klar an. Etwa so: „Ich habe das Gefühl, dass hier jemand dazwischenredet, vielleicht liegt es an der Verbindung. Lasst uns bitte die Regeln einhalten.“ Wir haben die Regeln klar definiert. Wenn ich sachlich, freundlich und nicht persönlich verletzend daran erinnere, funktioniert das gut. Im Zweifelsfall spreche ich im Nachgang mit Mitarbeitern, die in Meetings abgelenkt waren oder gestört haben. Einige sind diese neue Art von Zusammenarbeit einfach nicht gewohnt. Dann sage ich zum Beispiel: „Ich möchte dich nicht kritisieren, sondern einfach auf die Regeln der wertschätzenden Kommunikation hinweisen. Wie würdest du dich fühlen, wenn dir in einer Konferenz ständig jemand ins Wort fällt? Oder nebenbei etwas anderes macht, während du mit ihm redest?“ Die Erfahrung zeigt: Sobald jemand sich in die Rolle des anderen versetzt, versteht er das Problem und versucht, sein Verhalten zu ändern.
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