4-A-Strategie
So bleiben Sie bei akutem Stress ruhig und fokussiert

Der Computer stürzt mitten im Online-Meeting ab? Kurz vor der Präsentation schütten Sie sich Kaffee auf die Bluse? Die 4-A-Strategie hilft, in solchen Momenten einen kühlen Kopf zu bewahren.

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In stressigen Situationen hilft die 4-A-Strategie, ruhig und fokussiert zu bleiben.
© the_burtons / Moment / Getty Images

Eigentlich läuft alles, Sie haben die Prioritäten für Ihren Tag klar gesetzt, fühlen sich ausgeruht und erholt. Und dann stehen Sie plötzlich im Stau und fürchten, zu spät zu Ihrem Termin zu kommen. „So ein unvorhergesehenes Hindernis birgt ein großes Stresspotenzial – auch, wenn Sie im Grunde ausgeglichen und entspannt sind“, erklärt der Diplom-Psychologen und Stressforscher Gert Kaluza. Er hat ein Trainingsprogramm zur Stressprävention entwickelt. Für akute Stress-Momente lehrt er darin die so genannte 4-A-Strategie. „Sie soll dabei helfen, sich nicht allein als Opfer der Situation wahrzunehmen, sondern ihr als Akteur zu begegnen und zu versuchen, das zu retten, was zu retten ist“, erklärt Kaluza

Die vier Schritte der 4-A-Strategie

Ein Beispiel: Sie sollen einen Vortrag halten und merken, dass Sie offenbar Ihre Folien gelöscht haben. Die Datei ist weg! „Wichtig ist erst einmal, überhaupt wahrzunehmen: Ok, jetzt bin ich gestresst“, sagt Kaluza. „Der Stress, den Sie fühlen, löst dann vielleicht noch eine körperliche Reaktion aus. Sie kriegen einen Schweißausbruch, bekommen Hitzeflecken. Und darüber ärgern Sie sich zusätzlich, weil Sie die Präsentation ja frisch und ausgeruht halten wollten.“ Auch diese Empfindungen sollte man bewusst wahrnehmen und nicht übergehen. Ein typischer Fehler sei es, sofort in den Aktionsmodus zu verfallen. „Meistens steigert man sich damit nur noch mehr in die Erregung rein und macht es dadurch schlimmer“, so Kaluza. Stattdessen empfiehlt er die vier Schritte der 4-A-Strategie (auch Quart-A-Strategie genannt):

1. Annehmen

Im ersten Schritt geht es also darum, die Situation bewusst wahrzunehmen. Und sie dann anzunehmen. „Sagen Sie sich selbst: ‚Okay, das ist jetzt so. Auch die Tatsache, dass ich gestresst bin, obwohl ich das eigentlich nicht gebrauchen kann, ist jetzt so“, rät der Psychologe. In dem Moment, in dem man sich aktiv dafür entscheide, die Situation anzunehmen, übernehme man wieder das Heft des Handelns. „Das ändert nichts daran, dass Ihre Datei weg ist. Aber ändert grundlegend, wie Sie sich zu dieser Situation stellen. Sie verbrauchen Ihre Energie dann nicht im Hadern.“

Das hört sich einfach an, kann in einem akuten Stressmoment aber eine echte Herausforderung sein. Der entscheidende Punkt ist laut Kaluza, bewusst diese innere Entscheidung zu treffen. Häufig müsse man das wiederholen. „Wenn Sie merken, dass wieder eine Welle von Ärger in Ihnen hochsteigt, versuchen Sie, auch dieses Gefühl wahrzunehmen und anzunehmen. So lange, bis Sie das Hadern und Ärgern hinter sich lassen können.“

2. Abkühlen

Der zweite Schritt verlangt ebenfalls eine bewusste Entscheidung. Es geht darum, sich gezielt ein, zwei Minuten zu nehmen, um herunterzufahren. Dafür gibt es laut Kaluza viele Möglichkeiten. Wer geübt ist in progressiver Muskelentspannung, könne diese Methode einsetzen, um sich kurzfristig zu entspannen. Anderen kann es helfen, sich für einige Zeit auf den Atem zu konzentrieren. Auch kurz aufzustehen, sich auszuschütteln und zu strecken hat auf viele eine entlastende Wirkung. Oder man lässt sich kaltes Wasser über die Hände laufen.

3. Analysieren

So abgekühlt sei man in der richtigen Verfassung, seine Handlungsoptionen zu analysieren. „Jetzt sind Sie bereit für die Frage: Was kann ich tun?“, erklärt Kaluza. Im Beispiel der verschwundenen Folien könnte man etwa darüber nachdenken, einen IT-Kollegen anzurufen, der dabei helfen kann, die Datei wiederherzustellen. Oder sich fragen: Habe ich eine ältere Version der Datei vielleicht noch irgendwo anders gespeichert? Eine weitere Option: Sich auf die wichtigsten Punkte aus der Präsentation besinnen, einige neue Folien erstellen und dann improvisieren. „Wenn Sie klarer im Kopf sind und nicht der Großteil Ihrer Energie mit der Ärgerverarbeitung gebunden ist, können Sie solche Möglichkeiten viel besser erkennen“, so der Experte.

Allerdings betont er: Nicht jede mögliche Handlungsoption muss auch ergriffen werden. „Es ist wichtig, sich zu fragen, ob sich der ganze Aufwand an dieser Stelle lohnt.“ Manchmal sei es sinnvoller, sich einfach zu sagen: Das wird schon irgendwie laufen.

Der Experte
Gert Kaluza ist Diplom-Psychologe und Gründer und Leiter des GKM-Instituts für Gesundheitspsychologie. Sein Buch "Gelassen und sicher im Stress – Stress erkennen, verstehen, bewältigen" ist bei Springer erschienen und kostet 19,99 Euro.    

4. Aktion oder Ablenken

Wer nach dieser Analyse mit kühlem Kopf Handlungsmöglichkeiten entdeckt, für die sich der Aufwand lohnt, der wird jetzt fokussiert in Aktion treten können. Wer allerdings zu dem Ergebnis kommt, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist und man nichts mehr tun kann, sollte als letzten Schritt auf Ablenkung setzen. „Sagen Sie sich: Jetzt kümmere ich mich um mich und sorge dafür, dass es mir wieder einigermaßen gut geht“, rät Kaluza. In unserem Beispiel könnte das zum Beispiel bedeuten, die Zeit bis zum Beginn der Präsentation zu nutzen, indem man noch in Ruhe einen Kaffee trinkt.

Was kann die 4-A-Strategie langfristig bewirken?

Die vier Schritte der 4-Strategie sind einprägsam und leicht zu merken. Doch die Umsetzung ist nicht ganz einfach: „Es wird nicht sofort beim ersten Mal klappen, aber Sie können es üben“, so Kaluzas Erfahrung. Von den Teilnehmern seines Trainings hört er häufig: Schon allein der erste Schritt, das Annehmen, helfe enorm.

Langfristig sei die Strategie eine gute Möglichkeit, um aus einer Stress-Spirale auszusteigen. Stress entsteht laut Kaluza häufig im Kopf. „Wir malen uns gern aus, was alles Schlimmes passieren könnte.“ Mit der 4-A-Strategie habe man ein Werkzeug, das hilft, mit solchen akuten, schwierigen Situationen zurecht zu kommen. „Das kann die Angst mildern und Ihnen Zuversicht geben, dass Sie auch mit Hindernissen werde umgehen können.“

An ihre Grenzen stoße die Strategie jedoch, wenn die Situation eine hohe persönliche Bedeutsamkeit habe. Etwa, wenn man einen Anruf aus dem Kindergarten bekomme und hört, dass das Kind einen Unfall hatte und ins Krankenhaus musste. „Da wäre es gut, mit dieser Strategie Ruhe und Gelassenheit finden zu können. Aber je näher Ihnen diese Situation geht, desto schwieriger wird es“, so der Experte.

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Eigentlich läuft alles, Sie haben die Prioritäten für Ihren Tag klar gesetzt, fühlen sich ausgeruht und erholt. Und dann stehen Sie plötzlich im Stau und fürchten, zu spät zu Ihrem Termin zu kommen. „So ein unvorhergesehenes Hindernis birgt ein großes Stresspotenzial – auch, wenn Sie im Grunde ausgeglichen und entspannt sind“, erklärt der Diplom-Psychologen und Stressforscher Gert Kaluza. Er hat ein Trainingsprogramm zur Stressprävention entwickelt. Für akute Stress-Momente lehrt er darin die so genannte 4-A-Strategie. „Sie soll dabei helfen, sich nicht allein als Opfer der Situation wahrzunehmen, sondern ihr als Akteur zu begegnen und zu versuchen, das zu retten, was zu retten ist“, erklärt Kaluza Die vier Schritte der 4-A-Strategie Ein Beispiel: Sie sollen einen Vortrag halten und merken, dass Sie offenbar Ihre Folien gelöscht haben. Die Datei ist weg! „Wichtig ist erst einmal, überhaupt wahrzunehmen: Ok, jetzt bin ich gestresst“, sagt Kaluza. „Der Stress, den Sie fühlen, löst dann vielleicht noch eine körperliche Reaktion aus. Sie kriegen einen Schweißausbruch, bekommen Hitzeflecken. Und darüber ärgern Sie sich zusätzlich, weil Sie die Präsentation ja frisch und ausgeruht halten wollten.“ Auch diese Empfindungen sollte man bewusst wahrnehmen und nicht übergehen. Ein typischer Fehler sei es, sofort in den Aktionsmodus zu verfallen. „Meistens steigert man sich damit nur noch mehr in die Erregung rein und macht es dadurch schlimmer“, so Kaluza. Stattdessen empfiehlt er die vier Schritte der 4-A-Strategie (auch Quart-A-Strategie genannt): 1. Annehmen Im ersten Schritt geht es also darum, die Situation bewusst wahrzunehmen. Und sie dann anzunehmen. „Sagen Sie sich selbst: ‚Okay, das ist jetzt so. Auch die Tatsache, dass ich gestresst bin, obwohl ich das eigentlich nicht gebrauchen kann, ist jetzt so“, rät der Psychologe. In dem Moment, in dem man sich aktiv dafür entscheide, die Situation anzunehmen, übernehme man wieder das Heft des Handelns. „Das ändert nichts daran, dass Ihre Datei weg ist. Aber ändert grundlegend, wie Sie sich zu dieser Situation stellen. Sie verbrauchen Ihre Energie dann nicht im Hadern.“ Das hört sich einfach an, kann in einem akuten Stressmoment aber eine echte Herausforderung sein. Der entscheidende Punkt ist laut Kaluza, bewusst diese innere Entscheidung zu treffen. Häufig müsse man das wiederholen. „Wenn Sie merken, dass wieder eine Welle von Ärger in Ihnen hochsteigt, versuchen Sie, auch dieses Gefühl wahrzunehmen und anzunehmen. So lange, bis Sie das Hadern und Ärgern hinter sich lassen können.“ 2. Abkühlen Der zweite Schritt verlangt ebenfalls eine bewusste Entscheidung. Es geht darum, sich gezielt ein, zwei Minuten zu nehmen, um herunterzufahren. Dafür gibt es laut Kaluza viele Möglichkeiten. Wer geübt ist in progressiver Muskelentspannung, könne diese Methode einsetzen, um sich kurzfristig zu entspannen. Anderen kann es helfen, sich für einige Zeit auf den Atem zu konzentrieren. Auch kurz aufzustehen, sich auszuschütteln und zu strecken hat auf viele eine entlastende Wirkung. Oder man lässt sich kaltes Wasser über die Hände laufen. 3. Analysieren So abgekühlt sei man in der richtigen Verfassung, seine Handlungsoptionen zu analysieren. „Jetzt sind Sie bereit für die Frage: Was kann ich tun?“, erklärt Kaluza. Im Beispiel der verschwundenen Folien könnte man etwa darüber nachdenken, einen IT-Kollegen anzurufen, der dabei helfen kann, die Datei wiederherzustellen. Oder sich fragen: Habe ich eine ältere Version der Datei vielleicht noch irgendwo anders gespeichert? Eine weitere Option: Sich auf die wichtigsten Punkte aus der Präsentation besinnen, einige neue Folien erstellen und dann improvisieren. „Wenn Sie klarer im Kopf sind und nicht der Großteil Ihrer Energie mit der Ärgerverarbeitung gebunden ist, können Sie solche Möglichkeiten viel besser erkennen“, so der Experte. Allerdings betont er: Nicht jede mögliche Handlungsoption muss auch ergriffen werden. „Es ist wichtig, sich zu fragen, ob sich der ganze Aufwand an dieser Stelle lohnt.“ Manchmal sei es sinnvoller, sich einfach zu sagen: Das wird schon irgendwie laufen. 4. Aktion oder Ablenken Wer nach dieser Analyse mit kühlem Kopf Handlungsmöglichkeiten entdeckt, für die sich der Aufwand lohnt, der wird jetzt fokussiert in Aktion treten können. Wer allerdings zu dem Ergebnis kommt, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist und man nichts mehr tun kann, sollte als letzten Schritt auf Ablenkung setzen. „Sagen Sie sich: Jetzt kümmere ich mich um mich und sorge dafür, dass es mir wieder einigermaßen gut geht“, rät Kaluza. In unserem Beispiel könnte das zum Beispiel bedeuten, die Zeit bis zum Beginn der Präsentation zu nutzen, indem man noch in Ruhe einen Kaffee trinkt. Was kann die 4-A-Strategie langfristig bewirken? Die vier Schritte der 4-Strategie sind einprägsam und leicht zu merken. Doch die Umsetzung ist nicht ganz einfach: „Es wird nicht sofort beim ersten Mal klappen, aber Sie können es üben“, so Kaluzas Erfahrung. Von den Teilnehmern seines Trainings hört er häufig: Schon allein der erste Schritt, das Annehmen, helfe enorm. Langfristig sei die Strategie eine gute Möglichkeit, um aus einer Stress-Spirale auszusteigen. Stress entsteht laut Kaluza häufig im Kopf. „Wir malen uns gern aus, was alles Schlimmes passieren könnte.“ Mit der 4-A-Strategie habe man ein Werkzeug, das hilft, mit solchen akuten, schwierigen Situationen zurecht zu kommen. „Das kann die Angst mildern und Ihnen Zuversicht geben, dass Sie auch mit Hindernissen werde umgehen können.“ An ihre Grenzen stoße die Strategie jedoch, wenn die Situation eine hohe persönliche Bedeutsamkeit habe. Etwa, wenn man einen Anruf aus dem Kindergarten bekomme und hört, dass das Kind einen Unfall hatte und ins Krankenhaus musste. „Da wäre es gut, mit dieser Strategie Ruhe und Gelassenheit finden zu können. Aber je näher Ihnen diese Situation geht, desto schwieriger wird es“, so der Experte.
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