Agil arbeiten
„Ich muss meinen Mitarbeitern klare Ansagen machen“

"Manche Führungskräfte machen es sich heute sehr bequem", sagt Anabèl Ternes. Unter dem Deckmantel des agilen Arbeitens lassen sie ihre Mitarbeiter einfach machen - obwohl denen das gar nicht guttut.

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Hier geht's lang! Auch beim agilen Arbeiten müssen Führungskräfte klare Ansagen machen.
Hier geht's lang! Auch beim agilen Arbeiten müssen Führungskräfte klare Ansagen machen.
© go2 / photocase.de

Neulich kam eine meiner Projektmanagerinnen zu mir. Sie wunderte sich darüber, dass ein Mitarbeiter eine Aufgabe nicht bewältigen konnte: „Ich habe ihm gesagt: ‚Mach dir mal Gedanken‘ – aber es ist nichts herausgekommen.“

Ich war, um ehrlich zu sein, etwas irritiert. Nicht darüber, dass der Kollege nicht geliefert hatte. Sondern über die Art, wie meine Kollegin ihm seine Aufgabe übergeben hat: „Mach dir mal Gedanken.“ Unkonkreter geht es nicht!

Ich fragte sie, warum sie ihm keine klarere Aufgabe gegeben habe. Und es zeigte sich, dass sie es gut gemeint hatte: Man müsse den Mitarbeitern doch auch Freiheiten geben – wir arbeiten schließlich agil.

Agiles Arbeiten heißt nicht, dass die Chefs sich zurücklehnen können

Ich erlebe dieses Missverständnis immer wieder: Führungskräfte machen es sich unter dem Deckmantel der Agilität sehr bequem. Sie glauben, dass sie Verantwortung einfach durchreichen können. Nach dem Motto: „Hier hast du ein Problem, such mal eine Lösung“.

Die Wahrheit sieht meiner Erfahrung nach anders aus. Agiles Arbeiten heißt nicht, dass Führungskräfte sich zurücklehnen können – es verlangt der Führungsmannschaft ganz im Gegenteil viel mehr ab. Früher konnte der Leader delegieren und sich ausruhen. Als neuer Leader kann ich das nicht. Da bin ich in so vielen Rollen unterwegs: Als Mentor, Berater, Coach. Ich muss den Überblick haben. Und: Ich muss mit scharfem Blicken sehen, wann, für wen und inwieweit agiles Arbeiten sinnvoll ist – und vor allem: wann nicht.

Nicht jeder Mitarbeiter ist für agiles Arbeiten geeignet

Nicht jeder ist für agiles Arbeiten geschaffen. Das hat mit Gewöhnung zu tun, ist aber auch eine Typfrage. Einen Menschen, der gerne monotone Aufgaben erledigt und keine Freude daran hat, sich ständig etwas Neues anzueignen, wird agiles Arbeiten wahnsinnig stressen – seine Leistung sinkt. Es gibt eben Mitarbeiter, die Routinen lieben. Sie können mit zu viel Freiheit schlecht umgehen und landen dann oft letztendlich sogar im Burnout. Das können durchaus Leistungsträger oder Spezialisten sein, die viel wegschaffen, schnell und effizient arbeiten.

Meine Erfahrung ist: Man kann solche Mitarbeitertypen auch in zehn Workshops zum agilen Arbeiten schicken und ihnen immer wieder sagen, wo die Vorteile liegen. Das wird nichts bringen. Nicht jeder Mensch möchte die Freiheit, die das agile Arbeiten mit sich bringt. Nicht jeder sieht darin einen Vorteil. Und nicht jeder kann in einem agilen Team seine beste Leistung abrufen. Viele Chefs denken: Ich liebe Freiheit und Flexibilität, das müssen die Mitarbeiter doch auch gut finden. Aber von sich auf andere zu schließen, ist da ein Riesenfehler.

Auch wichtig: Um agil zu arbeiten, braucht man eine gewisse Erfahrung. Einen Überblick, wo das Unternehmen hinwill. Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter das Big Picture kennen, um zu verstehen, was von ihnen erwartet wird. Sonst fühlen sie sich unsicher. Arbeitsaufträge wie „Denk dir mal was aus“ können wahnsinnig viel Angst und Frustration auslösen, wenn der Mitarbeiter keine Ahnung hat, wo er überhaupt anfangen soll. Wenn er nicht weiß, was der Chef oder die Chefin überhaupt von ihm will.

Nicht bei jeder Aufgabe ist agiles Arbeiten sinnvoll

Führungskräfte müssen auch einen scharfen Blick dafür haben, an welchen Stellen im Unternehmen agiles Arbeiten überhaupt sinnvoll ist. Agiles Arbeiten funktioniert zum Beispiel nicht in einem beratungsintensiven Kundenservice, der von Erfahrung und Wissen lebt, oder in der fundierten Beratung, bei der Erfahrungswissen und länger bestehende Kontakte einen Gewinn darstellen. Da sind Schnelligkeit gefragt, Erfahrung, verlässliche Prozesse und Kontakte.

Klar, wenn man die Prozesse in der Kundenberatung neu gestalten will, kann man das in einem agilen Projekt machen. Aber im Alltag, wenn es darum geht, Standardprozesse souverän und effizient abzuspulen, bringt Agilität nichts.

Agile Methoden sind keine Sparmaßnahme

Ich erlebe es immer wieder, dass die Einführung agiler Methoden in etwa so abläuft. Es wird gesagt: „Agiles Arbeiten? Da müssen wir jetzt nicht lange rumfackeln, wir machen das jetzt einfach.“ Dann werden die Arbeitsplätze geräumt und ab Montag hat keiner mehr einen eigenen Schreibtisch. Alle sollen mehr Verantwortung übernehmen. Manchmal werden auch die Führungsebenen abgeschafft. Ist praktisch: Das spart ja auch Führungskräftegehälter.

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Aber Agilität ist kein Wert an sich. Und ich kenne kein Unternehmen, in dem es sinnvoll wäre, komplett agil zu arbeiten, immer und überall. Das funktioniert nicht.

Agil zu arbeiten kann anstrengend sein

Wir haben, als wir mit dem agilen Arbeiten anfingen, einen Workshop dazu gemacht. Das Team fand das erst einmal gut. Sie sahen die Chancen für sich persönlich, aber sie waren auch überrascht, welche Anforderungen das agile Arbeiten an sie stellen würde. Agile Verfahren fordern den Mitarbeitern viel Flexibilität ab, sie müssen immer wieder ihre Komfortzone verlassen. Das ist für viele Mitarbeiter erst einmal anstrengend.

Auch für ihre Führungskräfte, die ihr Team enorm gut einschätzen müssen, um zu sehen, wann Freiheit guttut und wann man besser eine klare Arbeitsanweisung gibt. Meine Mitarbeiterin, die unseren Mitarbeiter mit der „Mach dir mal Gedanken“-Ansage so überfordert hatte, war davon getroffen, dass ich das Problem bei ihr sah. Ich denke aber: Das ist doch ein super Entwicklungsfeld. Für sie und für viele Führungskräfte.

Neulich kam eine meiner Projektmanagerinnen zu mir. Sie wunderte sich darüber, dass ein Mitarbeiter eine Aufgabe nicht bewältigen konnte: „Ich habe ihm gesagt: ‚Mach dir mal Gedanken‘ – aber es ist nichts herausgekommen.“ Ich war, um ehrlich zu sein, etwas irritiert. Nicht darüber, dass der Kollege nicht geliefert hatte. Sondern über die Art, wie meine Kollegin ihm seine Aufgabe übergeben hat: „Mach dir mal Gedanken.“ Unkonkreter geht es nicht! Ich fragte sie, warum sie ihm keine klarere Aufgabe gegeben habe. Und es zeigte sich, dass sie es gut gemeint hatte: Man müsse den Mitarbeitern doch auch Freiheiten geben – wir arbeiten schließlich agil. Agiles Arbeiten heißt nicht, dass die Chefs sich zurücklehnen können Ich erlebe dieses Missverständnis immer wieder: Führungskräfte machen es sich unter dem Deckmantel der Agilität sehr bequem. Sie glauben, dass sie Verantwortung einfach durchreichen können. Nach dem Motto: „Hier hast du ein Problem, such mal eine Lösung“. Die Wahrheit sieht meiner Erfahrung nach anders aus. Agiles Arbeiten heißt nicht, dass Führungskräfte sich zurücklehnen können – es verlangt der Führungsmannschaft ganz im Gegenteil viel mehr ab. Früher konnte der Leader delegieren und sich ausruhen. Als neuer Leader kann ich das nicht. Da bin ich in so vielen Rollen unterwegs: Als Mentor, Berater, Coach. Ich muss den Überblick haben. Und: Ich muss mit scharfem Blicken sehen, wann, für wen und inwieweit agiles Arbeiten sinnvoll ist – und vor allem: wann nicht. Nicht jeder Mitarbeiter ist für agiles Arbeiten geeignet Nicht jeder ist für agiles Arbeiten geschaffen. Das hat mit Gewöhnung zu tun, ist aber auch eine Typfrage. Einen Menschen, der gerne monotone Aufgaben erledigt und keine Freude daran hat, sich ständig etwas Neues anzueignen, wird agiles Arbeiten wahnsinnig stressen – seine Leistung sinkt. Es gibt eben Mitarbeiter, die Routinen lieben. Sie können mit zu viel Freiheit schlecht umgehen und landen dann oft letztendlich sogar im Burnout. Das können durchaus Leistungsträger oder Spezialisten sein, die viel wegschaffen, schnell und effizient arbeiten. Meine Erfahrung ist: Man kann solche Mitarbeitertypen auch in zehn Workshops zum agilen Arbeiten schicken und ihnen immer wieder sagen, wo die Vorteile liegen. Das wird nichts bringen. Nicht jeder Mensch möchte die Freiheit, die das agile Arbeiten mit sich bringt. Nicht jeder sieht darin einen Vorteil. Und nicht jeder kann in einem agilen Team seine beste Leistung abrufen. Viele Chefs denken: Ich liebe Freiheit und Flexibilität, das müssen die Mitarbeiter doch auch gut finden. Aber von sich auf andere zu schließen, ist da ein Riesenfehler. Auch wichtig: Um agil zu arbeiten, braucht man eine gewisse Erfahrung. Einen Überblick, wo das Unternehmen hinwill. Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter das Big Picture kennen, um zu verstehen, was von ihnen erwartet wird. Sonst fühlen sie sich unsicher. Arbeitsaufträge wie „Denk dir mal was aus“ können wahnsinnig viel Angst und Frustration auslösen, wenn der Mitarbeiter keine Ahnung hat, wo er überhaupt anfangen soll. Wenn er nicht weiß, was der Chef oder die Chefin überhaupt von ihm will. Nicht bei jeder Aufgabe ist agiles Arbeiten sinnvoll Führungskräfte müssen auch einen scharfen Blick dafür haben, an welchen Stellen im Unternehmen agiles Arbeiten überhaupt sinnvoll ist. Agiles Arbeiten funktioniert zum Beispiel nicht in einem beratungsintensiven Kundenservice, der von Erfahrung und Wissen lebt, oder in der fundierten Beratung, bei der Erfahrungswissen und länger bestehende Kontakte einen Gewinn darstellen. Da sind Schnelligkeit gefragt, Erfahrung, verlässliche Prozesse und Kontakte. Klar, wenn man die Prozesse in der Kundenberatung neu gestalten will, kann man das in einem agilen Projekt machen. Aber im Alltag, wenn es darum geht, Standardprozesse souverän und effizient abzuspulen, bringt Agilität nichts. Agile Methoden sind keine Sparmaßnahme Ich erlebe es immer wieder, dass die Einführung agiler Methoden in etwa so abläuft. Es wird gesagt: „Agiles Arbeiten? Da müssen wir jetzt nicht lange rumfackeln, wir machen das jetzt einfach.“ Dann werden die Arbeitsplätze geräumt und ab Montag hat keiner mehr einen eigenen Schreibtisch. Alle sollen mehr Verantwortung übernehmen. Manchmal werden auch die Führungsebenen abgeschafft. Ist praktisch: Das spart ja auch Führungskräftegehälter. Aber Agilität ist kein Wert an sich. Und ich kenne kein Unternehmen, in dem es sinnvoll wäre, komplett agil zu arbeiten, immer und überall. Das funktioniert nicht. Agil zu arbeiten kann anstrengend sein Wir haben, als wir mit dem agilen Arbeiten anfingen, einen Workshop dazu gemacht. Das Team fand das erst einmal gut. Sie sahen die Chancen für sich persönlich, aber sie waren auch überrascht, welche Anforderungen das agile Arbeiten an sie stellen würde. Agile Verfahren fordern den Mitarbeitern viel Flexibilität ab, sie müssen immer wieder ihre Komfortzone verlassen. Das ist für viele Mitarbeiter erst einmal anstrengend. Auch für ihre Führungskräfte, die ihr Team enorm gut einschätzen müssen, um zu sehen, wann Freiheit guttut und wann man besser eine klare Arbeitsanweisung gibt. Meine Mitarbeiterin, die unseren Mitarbeiter mit der „Mach dir mal Gedanken“-Ansage so überfordert hatte, war davon getroffen, dass ich das Problem bei ihr sah. Ich denke aber: Das ist doch ein super Entwicklungsfeld. Für sie und für viele Führungskräfte.
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