Innerer Kritiker
Schluss mit destruktiven Gedanken: So entschärfen Sie Ihren inneren Kritiker

Der innere Kritiker ist eine Stimme im Kopf, die an uns herumnörgelt. Woher er kommt, wie er schadet – und wie Sie besonnen mit Ihrem persönlichen Miesepeter umgehen.

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Manchmal fällt es nicht einfach, den inneren Kritiker zu überwinden.
© Richard Drury / DigitalVision / Getty Images

„Stell dich doch nicht immer so blöd an.“

„Das kriegst du niemals hin.“

„Dafür bist du definitiv zu alt.“

Einem Freund oder einer Mitarbeiterin würde man solche fiesen Sätze vermutlich nicht an den Kopf werfen. Doch mit uns selbst gehen wir in Gedanken oft so hart ins Gericht – wenn sich unser innerer Kritiker meldet. „Der innere Kritiker ist die Stimme im Kopf, die immer auf einem herumhackt. Für die man nie gut genug ist, der man es nie recht machen kann“, erklärt der Psychologe und Psychotherapeut Tom Diesbrock aus Hamburg.

Mit destruktiven Gedanken dieser Art schlagen sich mehr Menschen herum, als die meisten glauben. „Fast jeder kennt das“, so Diesbrock. „Einige hören vielleicht nicht so genau hin, wenn ihr innerer Kritiker spricht. Aber für viele Menschen ist er bedeutsam.“ Unabhängig davon, ob sie von außen betrachtet als erfolgreich gelten.

Auch viele Führungskräfte und Selbstständige, die gut im Geschäft sind, haben laut Diesbrock einen ausgeprägten inneren Kritiker. „Das ist schon ein Teil des Phänomens: zu glauben, dass andere nie mit Selbstzweifeln hadern und nur man selbst besonders doof sei“, sagt der Psychologe. „Viele Frauen denken auch, dass Männer keinen inneren Kritiker haben. Doch das stimmt nicht.“

Woher kommt der innere Kritiker – und was will er von uns?

Der innere Kritiker ist wie ein eingebauter Kleinmacher, der stets einen skeptischen Blick auf uns und unser Tun wirft. Er ist laut Diesbrock Teil unserer Persönlichkeit. Genauer: ein kindlicher Teil von uns. „Stellen Sie sich den inneren Kritiker als ein fünfjähriges Kind vor“, so der Psychologe. Dieses Kind sei überkritisch – nicht, weil es Spaß daran habe. Sondern weil seine Angst vor Abwertung und Ablehnung groß sei. Dahinter stecke der Gedanke: „Ich werte mich lieber selbst ab,  bevor andere das tun.“

Wie ausgeprägt die kritische innere Stimme ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Laut Diesbrock gibt es zum einen eine genetische Komponente. „Menschen sind unterschiedlich resilient. Der eine kommt auf die Welt und findet sich sehr okay, der andere weniger.“ Doch auch frühe Erfahrungen in der Kindheit seien prägend. Wie wohlwollend gehen die eigenen Eltern und andere Bezugspersonen mit mir um? Wie gehen die Eltern mit sich selbst um? All das hinterlasse einen Fußabdruck auf unserer Seele.

Das Buch

Tom Diesbrock:"Hermann! Vom klugen Umgang mit dem inneren Kritiker" (Patmos, 9,90 Euro).

5 Tipps, wie Sie sich unabhängiger von Ihrem inneren Kritiker machen können

„Das hättest du doch wissen müssen!“ oder „Wie konntest du nur so dämlich sein!“ – solche Gedanken nerven. Und können auf Dauer krank machen. Wie schön wäre es da, den inneren Kritiker einfach abschalten zu können. Dann müsste sich das Selbstvertrauen doch ganz von allein einstellen. Oder?

„Es ist keine gute Idee, diese Gedanken wegsperren zu wollen“, sagt der Psychologe. „Ein simples ‚Tschakka, du schaffst es!‘ bringt die innere Stimme nicht zum Schweigen.“ Klüger sei es, sich die kritische Stimme als reales Kind vorzustellen, das in Panik sei. „Nehmen Sie dieses Kind ernst. Aber überlassen Sie ihm nicht die Deutungshoheit“, so der Rat. Auf dem Weg zu mehr Unabhängigkeit von Ihrem inneren Kritiker helfen diese vier Schritte:

1. Beobachten Sie Ihren inneren Kritiker genau

Was sagt er? In welchen Situationen meldet er sich besonders häufig zu Wort? Was sind seine Standardsätze? Welche Emotionen lösen diese Gedanken in mir aus? Diesbrock empfiehlt, die Antworten auf diese Fragen über einen längeren Zeitraum aufzuschreiben. „Ich selbst habe ein Tagebuch, in dem ich die Kommentare meines inneren Kritikers notiere“, erzählt er. Das helfe herauszufinden, welche konkreten Ängste hinter der Selbstkritik steckten.

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2. Wechseln Sie in die Erwachsenen-Perspektive

Laut Diesbrock können wir lernen, auch in schwierigen Situationen „mental erwachsen zu bleiben“, also einen differenzierten Blick zu behalten. „Es ist ein echter Gamechanger, sich in kritischen Situationen zu fragen: Was denke ich als erwachsener Mensch dazu?“, sagt der Psychologe. So gewinnen Sie die Deutungshoheit zurück und kommen zu einer realistischeren Einschätzung.

3. Sehen Sie der Realität ins Auge

Diesbrock empfiehlt, sich die Kritikpunkte, die man im ersten Schritt notiert hat, systematisch vorzunehmen. Bringen Sie jeden Punkt auf einen Satz, der mit „Ich“ beginnt. Etwa: „Ich bin oberflächlich“ oder „Ich bin ein schlechter Vater“. Dann betrachten Sie die Aussage differenzierter und schreiben eine erwachsene Selbsteinschätzung dazu. Zum Beispiel: „Ich bin oberflächlich“ – „Mir fehlt manchmal das Durchhaltevermögen, mich in schwierige Sachverhalte einzufuchsen. Und ich beschäftige mich gern mit Dingen, die mir Spaß machen. Aber es gibt auch Themen, bei denen ich in die Tiefe gehe.“

4. Akzeptieren Sie Ihren inneren Kritiker

Machen Sie sich klar, dass Ihre innere Stimme niemals ganz verschwinden wird. „Der Kritiker kann aber ruhiger werden. Dann ist er nicht mehr so vehement und fies“, sagt der Psychologe. Auch dabei helfe das Bild des verängstigten Kindes: „Haben Sie Geduld mit diesem Kind und gehen Sie verständnisvoll mit seinen Ängsten um.“ Der innere Kritiker ist ein Teil von Ihnen. Manchmal kann es sinnvoll sein, dass er Alarm schlägt. Doch das heißt nicht, dass Sie seine Sichtweise immer übernehmen müssen.

Unterscheiden lernen zwischen realistischen Einwänden und pauschaler Miesmacherei

Gedanken wie „Das schaffe ich nicht“ können durchaus berechtigt sein. Etwa, weil man für eine bestimmte Aufgabe gerade keine Kapazitäten hat oder keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet vorweisen kann. Doch wie lässt sich unterscheiden, ob negative Gedanken von unserem inneren Kritiker herrühren – oder ob es sich um eine realistische Einschätzung der Situation handelt?

In solchen Situationen empfiehlt Diesbrock, innezuhalten und zu überprüfen, wer da gerade spreche. „Die Stimme des inneren Kritikers denkt schwarz-weiß: Ich tauge nichts. Die anderen schaffen alles.“ Das sei typisch für die Sichtweise eines Kindes: „Als Kinder erschließen wir uns die Welt in Gegensätzen. Wir unterteilen in gut oder böse – wie im Märchen.“ Je schneller, negativer und eindimensionaler eine Aussage sei, desto wahrscheinlicher stecke der innere Kritiker dahinter.

Die erwachsene Sichtweise auf eine Situation sei differenzierter. „Wenn ich sage: ‚Darin bin ich nicht so gut, das liegt mir nicht‘ oder ‚Dafür habe ich gerade nicht die nötige Energie‘, sei das ein Hinweis auf berechtigte Zweifel.

Mit Mitarbeitern umgehen, die einen großen inneren Kritiker haben

Was können Führungskräfte tun, wenn sie merken, dass Mitarbeiter einen ausgeprägten inneren Kritiker haben? Ein typischer Reflex sei es, die Selbstzweifel des anderen mit Argumenten aus dem Weg räumen zu wollen. Soll ein Mitarbeiter etwa eine Video-Konferenz mit vielen Teilnehmern leiten und sagt entgeistert: „Das kann ich nicht“, tappten viele in die Falle und konterten: „Aber den letzten Vortrag hast du doch auch super gemeistert.“

Das ist laut Diesbrock gut gemeint – aber nicht zielführend. „Wenn sich Ihr Gegenüber selbst klein macht und Sie dagegen anreden wollen, stützen Sie nur das innere System des anderen. So kommt man nicht aus dem Schwarz-Weiß-Denken heraus.“

Besser sei es, konkret nachzufragen: Was genau war bei deinem letzten Vortrag denn so fürchterlich? Was würdest du gern anders machen? Das bewirke beim Gegenüber einen Perspektivwechsel und zeige Punkte auf, an denen man arbeiten könne.

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Auch viele Führungskräfte und Selbstständige, die gut im Geschäft sind, haben laut Diesbrock einen ausgeprägten inneren Kritiker. „Das ist schon ein Teil des Phänomens: zu glauben, dass andere nie mit Selbstzweifeln hadern und nur man selbst besonders doof sei“, sagt der Psychologe. „Viele Frauen denken auch, dass Männer keinen inneren Kritiker haben. Doch das stimmt nicht.“ Woher kommt der innere Kritiker – und was will er von uns? Der innere Kritiker ist wie ein eingebauter Kleinmacher, der stets einen skeptischen Blick auf uns und unser Tun wirft. Er ist laut Diesbrock Teil unserer Persönlichkeit. Genauer: ein kindlicher Teil von uns. „Stellen Sie sich den inneren Kritiker als ein fünfjähriges Kind vor“, so der Psychologe. Dieses Kind sei überkritisch – nicht, weil es Spaß daran habe. Sondern weil seine Angst vor Abwertung und Ablehnung groß sei. Dahinter stecke der Gedanke: „Ich werte mich lieber selbst ab,  bevor andere das tun.“ Wie ausgeprägt die kritische innere Stimme ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Laut Diesbrock gibt es zum einen eine genetische Komponente. „Menschen sind unterschiedlich resilient. Der eine kommt auf die Welt und findet sich sehr okay, der andere weniger.“ Doch auch frühe Erfahrungen in der Kindheit seien prägend. Wie wohlwollend gehen die eigenen Eltern und andere Bezugspersonen mit mir um? Wie gehen die Eltern mit sich selbst um? All das hinterlasse einen Fußabdruck auf unserer Seele. [zur-person] 5 Tipps, wie Sie sich unabhängiger von Ihrem inneren Kritiker machen können „Das hättest du doch wissen müssen!“ oder „Wie konntest du nur so dämlich sein!“ - solche Gedanken nerven. Und können auf Dauer krank machen. Wie schön wäre es da, den inneren Kritiker einfach abschalten zu können. Dann müsste sich das Selbstvertrauen doch ganz von allein einstellen. Oder? „Es ist keine gute Idee, diese Gedanken wegsperren zu wollen“, sagt der Psychologe. „Ein simples ‚Tschakka, du schaffst es!‘ bringt die innere Stimme nicht zum Schweigen.“ Klüger sei es, sich die kritische Stimme als reales Kind vorzustellen, das in Panik sei. „Nehmen Sie dieses Kind ernst. Aber überlassen Sie ihm nicht die Deutungshoheit“, so der Rat. Auf dem Weg zu mehr Unabhängigkeit von Ihrem inneren Kritiker helfen diese vier Schritte: 1. Beobachten Sie Ihren inneren Kritiker genau Was sagt er? In welchen Situationen meldet er sich besonders häufig zu Wort? Was sind seine Standardsätze? Welche Emotionen lösen diese Gedanken in mir aus? Diesbrock empfiehlt, die Antworten auf diese Fragen über einen längeren Zeitraum aufzuschreiben. „Ich selbst habe ein Tagebuch, in dem ich die Kommentare meines inneren Kritikers notiere“, erzählt er. Das helfe herauszufinden, welche konkreten Ängste hinter der Selbstkritik steckten. 2. Wechseln Sie in die Erwachsenen-Perspektive Laut Diesbrock können wir lernen, auch in schwierigen Situationen „mental erwachsen zu bleiben“, also einen differenzierten Blick zu behalten. „Es ist ein echter Gamechanger, sich in kritischen Situationen zu fragen: Was denke ich als erwachsener Mensch dazu?“, sagt der Psychologe. So gewinnen Sie die Deutungshoheit zurück und kommen zu einer realistischeren Einschätzung. 3. Sehen Sie der Realität ins Auge Diesbrock empfiehlt, sich die Kritikpunkte, die man im ersten Schritt notiert hat, systematisch vorzunehmen. Bringen Sie jeden Punkt auf einen Satz, der mit „Ich“ beginnt. Etwa: „Ich bin oberflächlich“ oder „Ich bin ein schlechter Vater“. Dann betrachten Sie die Aussage differenzierter und schreiben eine erwachsene Selbsteinschätzung dazu. Zum Beispiel: „Ich bin oberflächlich“ – „Mir fehlt manchmal das Durchhaltevermögen, mich in schwierige Sachverhalte einzufuchsen. Und ich beschäftige mich gern mit Dingen, die mir Spaß machen. Aber es gibt auch Themen, bei denen ich in die Tiefe gehe.“ 4. Akzeptieren Sie Ihren inneren Kritiker Machen Sie sich klar, dass Ihre innere Stimme niemals ganz verschwinden wird. „Der Kritiker kann aber ruhiger werden. Dann ist er nicht mehr so vehement und fies“, sagt der Psychologe. Auch dabei helfe das Bild des verängstigten Kindes: „Haben Sie Geduld mit diesem Kind und gehen Sie verständnisvoll mit seinen Ängsten um.“ Der innere Kritiker ist ein Teil von Ihnen. Manchmal kann es sinnvoll sein, dass er Alarm schlägt. Doch das heißt nicht, dass Sie seine Sichtweise immer übernehmen müssen. Unterscheiden lernen zwischen realistischen Einwänden und pauschaler Miesmacherei Gedanken wie „Das schaffe ich nicht“ können durchaus berechtigt sein. Etwa, weil man für eine bestimmte Aufgabe gerade keine Kapazitäten hat oder keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet vorweisen kann. Doch wie lässt sich unterscheiden, ob negative Gedanken von unserem inneren Kritiker herrühren - oder ob es sich um eine realistische Einschätzung der Situation handelt? [mehr-zum-thema] In solchen Situationen empfiehlt Diesbrock, innezuhalten und zu überprüfen, wer da gerade spreche. „Die Stimme des inneren Kritikers denkt schwarz-weiß: Ich tauge nichts. Die anderen schaffen alles.“ Das sei typisch für die Sichtweise eines Kindes: „Als Kinder erschließen wir uns die Welt in Gegensätzen. Wir unterteilen in gut oder böse – wie im Märchen.“ Je schneller, negativer und eindimensionaler eine Aussage sei, desto wahrscheinlicher stecke der innere Kritiker dahinter. Die erwachsene Sichtweise auf eine Situation sei differenzierter. „Wenn ich sage: ‚Darin bin ich nicht so gut, das liegt mir nicht‘ oder ‚Dafür habe ich gerade nicht die nötige Energie‘, sei das ein Hinweis auf berechtigte Zweifel. Mit Mitarbeitern umgehen, die einen großen inneren Kritiker haben Was können Führungskräfte tun, wenn sie merken, dass Mitarbeiter einen ausgeprägten inneren Kritiker haben? Ein typischer Reflex sei es, die Selbstzweifel des anderen mit Argumenten aus dem Weg räumen zu wollen. Soll ein Mitarbeiter etwa eine Video-Konferenz mit vielen Teilnehmern leiten und sagt entgeistert: „Das kann ich nicht“, tappten viele in die Falle und konterten: „Aber den letzten Vortrag hast du doch auch super gemeistert.“ Das ist laut Diesbrock gut gemeint – aber nicht zielführend. „Wenn sich Ihr Gegenüber selbst klein macht und Sie dagegen anreden wollen, stützen Sie nur das innere System des anderen. So kommt man nicht aus dem Schwarz-Weiß-Denken heraus.“ Besser sei es, konkret nachzufragen: Was genau war bei deinem letzten Vortrag denn so fürchterlich? Was würdest du gern anders machen? Das bewirke beim Gegenüber einen Perspektivwechsel und zeige Punkte auf, an denen man arbeiten könne.
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