Präkrastination
Nichts aufschieben, sondern alles sofort erledigen? Warum das keine Lösung ist

Wer immer alles sofort erledigen will, arbeitet langfristig ineffektiv und erhöht das eigene Stresslevel. Wie Sie Präkrastination erkennen – und was Sie dagegen tun können.

, von

Präkrastination
© David-W- / photocase.de

Was ist Präkrastination?

Prokrastination – also das extreme Ver- und Aufschieben von Aufgaben – dürfte vielen bereits ein Begriff sein. Präkrastination hingegen geht in die andere Richtung: „Wer präkrastiniert, will Dinge sofort erledigen“, sagt der Wirtschaftspsychologe Florian Becker. Man spricht dabei auch von „Vorzieheritis“: Präkrastinierende haken fleißig ihre To-do-Liste ab. Aufgaben, die etwa erst in zwei Wochen fertig sein müssten, erledigen sie sofort – auch solche, die Teammitglieder, Freunde oder Familie ihnen geben.

Auf den ersten Blick mag die Präkrastination damit das Gegenteil von Prokrastination sein – doch das täuscht. „Hinter Präkrastination versteckt sich häufig eine Form von Prokrastination“, sagt Becker. „Wer alle möglichen Aufgaben sofort abarbeitet, vermeidet oft andere wichtige Aufgaben.“ Diese Personen verbringen dann den ganzen Tag damit, kleine, überschaubare oder dringende Aufgaben zu erledigen. Statt Dinge anzugehen, die zwar länger dauern, aber wichtiger sind.

Mehr zum Thema: Tipps gegen Prokrastination: So lernen Sie, Dinge nicht mehr aufzuschieben

Was unterscheidet Präkrastination von Prokrastination?

Verschiedenen Studien zufolge prokrastinieren 20 Prozent von uns regelmäßig, sagt Becker. Bei Prokrastinierern steigt der Druck, wenn eine Deadline näher rückt. Das löst bei den Betroffenen Stress aus und das Umfeld ist genervt, weil sie Aufgaben erst auf den letzten Drücker erledigen.

Im Falle der Präkrastination ist es schwieriger, das Problem hinter diesem Verhalten zu erkennen: Denn die Aufgaben werden erledigt, es gibt laut Becker selten Anlass, sich über Präkrastinierer zu beschweren. „Sie kommen sich total effektiv vor, weil sie die ganze Zeit Aufgaben erledigen – aber hinter der fleißigen Oberfläche entsteht schnell ein trauriges Loch, weil sie vor allem das machen, was andere von ihnen verlangen.“

Das Problem: Wer Aufgaben präkrastiniert, mache zwar Kunden, Kollegen und das Umfeld glücklich – lebe aber langfristig nicht die eigenen Träume, sondern richte sich immer an anderen aus. „Präkrastination kann gefährlicher sein als Prokrastination – weil sie nach außen für weniger Probleme sorgt, aber die Betroffenen an sich selbst und ihrem Leben sparen“, sagt der Wirtschaftspsychologe.

Der Experte
Florian Becker ist Wirtschaftspsychologe und Gründungsmitglied der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft (WPGS) in München. Becker veröffentlichte unter anderem das Buch „Mitarbeiter wirksam motivieren. Mitarbeitermotivation mit der Macht der Psychologie“ (Springer, 2018, 252 Seiten, 32,99 Euro) und schreibt auf dem WPGS-Blog etwa über Prokrastination.

Wie zeigt sich Präkrastination im Arbeitsalltag?

Viele Präkrastinierende bevorzugen eine schnelle Lösung – auch wenn diese nicht immer die beste ist. Manchmal sei es sinnvoller, länger über eine Aufgabe nachzudenken, um alle Möglichkeiten abzuwägen, und dann erst eine Entscheidung zu treffen, sagt der Experte. Das fällt Präkrastinierern aber schwer, weil sie ungeduldig sind. „Sie unterbrechen wichtige, langfristige Aufgaben, um schnelle Aufgaben zu erledigen. Oder neigen zu Multitasking und springen zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her“, sagt Becker. Sie müssen sich dann jedes Mal aufs Neue fokussieren, das kostet Energie.

Und es fällt ihnen schwer, Aufgaben an andere abzugeben. „Personen, die präkrastinieren, wollen häufig alles selbst machen. Sie delegieren nicht, obwohl andere es besser könnten und sie entlasten würden“, sagt Becker. Außerdem verlieren sie schneller langfristige Ziele aus dem Blick. „Andere schieben ihre Interessen dazwischen – und die präkrastinierende Person vergisst, was ihr eigentlich wichtig wäre. Das kann in extremen Fällen auch im Burn-out oder Burn-on enden.“

Mehr zum Thema: Burn-on: Sind Sie dauerhaft gestresst, machen aber immer weiter?

Fragebogen zum Herunterladen – exklusiv für impulse-Mitglieder: Burn-out: Dieser Selbsttest zeigt, wie gefährdet Sie sind

Welche Ursachen hat Präkrastination?

Zum Präkrastinieren tendieren laut Becker vor allem Personen, die überangepasst sind, sich also mehr auf die Wünsche und Bedürfnisse anderer konzentrieren als auf ihre eigenen. „Häufig ist das von der Schulzeit geprägt: Man ist es gewohnt, passiv zu reagieren und alle Aufgaben erledigen zu müssen, die einem vorgesetzt werden“, sagt der Wirtschaftspsychologe.

In eigener Sache
Machen ist wie wollen, nur krasser
Machen ist wie wollen, nur krasser
Die impulse-Mitgliedschaft - Rückenwind für Unternehmerinnen und Unternehmer

Was hilft gegen Vorzieheritis?

Es gibt Strategien, mit denen Betroffene ihren Hang zum Präkrastinieren hinterfragen und überwinden können. „Häufig helfen ähnliche Strategien wie bei der Prokrastination“, sagt Becker. Er nennt drei Punkte:

1. Narrativ ändern

„Überangepasste Personen denken, dass sie beliebt sind, weil sie für andere Menschen alles Mögliche erledigen“, sagt Becker. Studien zeigen jedoch: Das stimmt nicht. Menschen, die keine Grenzen setzen, werden von anderen weniger respektiert, teilweise auch ausgenutzt. „Sie müssen das Narrativ im eigenen Denken ändern, dass es super sei, alles sofort zu machen“, sagt Becker. „Wer immer Ja sagt zu Zielen von außen, sagt Nein zu anderen Dingen – und zwar zu sich selbst und den eigenen Zielen.“ Wenn sie es schaffen, diese neue Einstellung zu verinnerlichen, fällt es leichter, gewohnte Muster zu durchbrechen.

2. Grenzen setzen

Präkrastinierende müssen üben, Grenzen zu setzen, Aufgaben abzulehnen oder an andere abzugeben. Der Experte rät, als Übung im Alltag immer wieder in sich hineinzuspüren, um herauszufinden, in welchen Moment man eigene Grenzen verletzt. Im Gespräch mit anderen können Betroffene etwa überlegen: Wann will ich das Gespräch beenden? Wann kommt mir jemand zu nah? Auch können sie grundsätzlich überprüfen, welche Dinge sie für sich oder andere tun: Was macht mir wirklich Spaß? Welche Aufgabe tut mir nicht gut? Wann werde ich müde?

Der nächste Schritt ist dann, diese Grenzen anderen mitzuteilen. Unterbricht sie etwa ein Teammitglied bei einer Aufgabe, können sie sagen: „Gerade ist es schlecht – können wir bitte einen Termin vereinbaren, um darüber zu sprechen?“

3. Nach Priorität ordnen

Wie bei der Prokrastination fehlt es auch bei der Präkrastination meist an Fokus. Präkrastinierer erleben dabei einen Zielkonflikt: „Es gibt viele Ziele, die unterschiedlich dringend oder wichtig sind. Das muss man sich vor Augen führen“, sagt Becker.

Eine Kategorisierung anhand der Eisenhower-Matrix kann helfen: Jede Aufgabe wird danach eingeordnet, wie dringend und wie wichtig sie ist. „Präkrastinierer verbringen viel Zeit mit Aufgaben, die weder dringend noch wichtig sind. Oder die zwar dringend, aber nicht wichtig sind“, sagt Becker. Damit verliere man wichtige Aufgaben aus dem Blick. Die Kategorisierung kann helfen, einen besseren Überblick über die To-dos zu gewinnen und Aufgaben zu priorisieren.

Mehr zum Thema: Eisenhower-Prinzip: So setzen Sie einfach Prioritäten

Nützlich ist außerdem, feste Zeitfenster für Aufgaben einzuplanen. Wichtig: In dieser Zeit sollten Sie andere Programme wie das E-Mail-Postfach schließen –  so kommen Sie nicht in Versuchung, andere Aufgaben dazwischenzuschieben.

In eigener Sache
Das ChatGPT-Prompt-Handbuch
Für Unternehmerinnen und Unternehmer
Das ChatGPT-Prompt-Handbuch
17 Seiten Prompt-Tipps, Anwendungsbeispiele und über 100 Beispiel-Prompts
Was ist Präkrastination? Prokrastination – also das extreme Ver- und Aufschieben von Aufgaben – dürfte vielen bereits ein Begriff sein. Präkrastination hingegen geht in die andere Richtung: „Wer präkrastiniert, will Dinge sofort erledigen“, sagt der Wirtschaftspsychologe Florian Becker. Man spricht dabei auch von „Vorzieheritis“: Präkrastinierende haken fleißig ihre To-do-Liste ab. Aufgaben, die etwa erst in zwei Wochen fertig sein müssten, erledigen sie sofort – auch solche, die Teammitglieder, Freunde oder Familie ihnen geben. Auf den ersten Blick mag die Präkrastination damit das Gegenteil von Prokrastination sein – doch das täuscht. „Hinter Präkrastination versteckt sich häufig eine Form von Prokrastination“, sagt Becker. „Wer alle möglichen Aufgaben sofort abarbeitet, vermeidet oft andere wichtige Aufgaben.“ Diese Personen verbringen dann den ganzen Tag damit, kleine, überschaubare oder dringende Aufgaben zu erledigen. Statt Dinge anzugehen, die zwar länger dauern, aber wichtiger sind. Mehr zum Thema: Tipps gegen Prokrastination: So lernen Sie, Dinge nicht mehr aufzuschieben Was unterscheidet Präkrastination von Prokrastination? Verschiedenen Studien zufolge prokrastinieren 20 Prozent von uns regelmäßig, sagt Becker. Bei Prokrastinierern steigt der Druck, wenn eine Deadline näher rückt. Das löst bei den Betroffenen Stress aus und das Umfeld ist genervt, weil sie Aufgaben erst auf den letzten Drücker erledigen. Im Falle der Präkrastination ist es schwieriger, das Problem hinter diesem Verhalten zu erkennen: Denn die Aufgaben werden erledigt, es gibt laut Becker selten Anlass, sich über Präkrastinierer zu beschweren. „Sie kommen sich total effektiv vor, weil sie die ganze Zeit Aufgaben erledigen – aber hinter der fleißigen Oberfläche entsteht schnell ein trauriges Loch, weil sie vor allem das machen, was andere von ihnen verlangen.“ Das Problem: Wer Aufgaben präkrastiniert, mache zwar Kunden, Kollegen und das Umfeld glücklich – lebe aber langfristig nicht die eigenen Träume, sondern richte sich immer an anderen aus. „Präkrastination kann gefährlicher sein als Prokrastination – weil sie nach außen für weniger Probleme sorgt, aber die Betroffenen an sich selbst und ihrem Leben sparen“, sagt der Wirtschaftspsychologe. [zur-person] Wie zeigt sich Präkrastination im Arbeitsalltag? Viele Präkrastinierende bevorzugen eine schnelle Lösung – auch wenn diese nicht immer die beste ist. Manchmal sei es sinnvoller, länger über eine Aufgabe nachzudenken, um alle Möglichkeiten abzuwägen, und dann erst eine Entscheidung zu treffen, sagt der Experte. Das fällt Präkrastinierern aber schwer, weil sie ungeduldig sind. „Sie unterbrechen wichtige, langfristige Aufgaben, um schnelle Aufgaben zu erledigen. Oder neigen zu Multitasking und springen zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her“, sagt Becker. Sie müssen sich dann jedes Mal aufs Neue fokussieren, das kostet Energie. Und es fällt ihnen schwer, Aufgaben an andere abzugeben. „Personen, die präkrastinieren, wollen häufig alles selbst machen. Sie delegieren nicht, obwohl andere es besser könnten und sie entlasten würden“, sagt Becker. Außerdem verlieren sie schneller langfristige Ziele aus dem Blick. „Andere schieben ihre Interessen dazwischen – und die präkrastinierende Person vergisst, was ihr eigentlich wichtig wäre. Das kann in extremen Fällen auch im Burn-out oder Burn-on enden.“ Mehr zum Thema: Burn-on: Sind Sie dauerhaft gestresst, machen aber immer weiter? Fragebogen zum Herunterladen – exklusiv für impulse-Mitglieder: Burn-out: Dieser Selbsttest zeigt, wie gefährdet Sie sind Welche Ursachen hat Präkrastination? Zum Präkrastinieren tendieren laut Becker vor allem Personen, die überangepasst sind, sich also mehr auf die Wünsche und Bedürfnisse anderer konzentrieren als auf ihre eigenen. „Häufig ist das von der Schulzeit geprägt: Man ist es gewohnt, passiv zu reagieren und alle Aufgaben erledigen zu müssen, die einem vorgesetzt werden“, sagt der Wirtschaftspsychologe. Was hilft gegen Vorzieheritis? Es gibt Strategien, mit denen Betroffene ihren Hang zum Präkrastinieren hinterfragen und überwinden können. „Häufig helfen ähnliche Strategien wie bei der Prokrastination“, sagt Becker. Er nennt drei Punkte: 1. Narrativ ändern „Überangepasste Personen denken, dass sie beliebt sind, weil sie für andere Menschen alles Mögliche erledigen“, sagt Becker. Studien zeigen jedoch: Das stimmt nicht. Menschen, die keine Grenzen setzen, werden von anderen weniger respektiert, teilweise auch ausgenutzt. „Sie müssen das Narrativ im eigenen Denken ändern, dass es super sei, alles sofort zu machen“, sagt Becker. „Wer immer Ja sagt zu Zielen von außen, sagt Nein zu anderen Dingen – und zwar zu sich selbst und den eigenen Zielen.“ Wenn sie es schaffen, diese neue Einstellung zu verinnerlichen, fällt es leichter, gewohnte Muster zu durchbrechen. [mehr-zum-thema] 2. Grenzen setzen Präkrastinierende müssen üben, Grenzen zu setzen, Aufgaben abzulehnen oder an andere abzugeben. Der Experte rät, als Übung im Alltag immer wieder in sich hineinzuspüren, um herauszufinden, in welchen Moment man eigene Grenzen verletzt. Im Gespräch mit anderen können Betroffene etwa überlegen: Wann will ich das Gespräch beenden? Wann kommt mir jemand zu nah? Auch können sie grundsätzlich überprüfen, welche Dinge sie für sich oder andere tun: Was macht mir wirklich Spaß? Welche Aufgabe tut mir nicht gut? Wann werde ich müde? Der nächste Schritt ist dann, diese Grenzen anderen mitzuteilen. Unterbricht sie etwa ein Teammitglied bei einer Aufgabe, können sie sagen: „Gerade ist es schlecht – können wir bitte einen Termin vereinbaren, um darüber zu sprechen?“ 3. Nach Priorität ordnen Wie bei der Prokrastination fehlt es auch bei der Präkrastination meist an Fokus. Präkrastinierer erleben dabei einen Zielkonflikt: „Es gibt viele Ziele, die unterschiedlich dringend oder wichtig sind. Das muss man sich vor Augen führen“, sagt Becker. Eine Kategorisierung anhand der Eisenhower-Matrix kann helfen: Jede Aufgabe wird danach eingeordnet, wie dringend und wie wichtig sie ist. „Präkrastinierer verbringen viel Zeit mit Aufgaben, die weder dringend noch wichtig sind. Oder die zwar dringend, aber nicht wichtig sind“, sagt Becker. Damit verliere man wichtige Aufgaben aus dem Blick. Die Kategorisierung kann helfen, einen besseren Überblick über die To-dos zu gewinnen und Aufgaben zu priorisieren. Mehr zum Thema: Eisenhower-Prinzip: So setzen Sie einfach Prioritäten Nützlich ist außerdem, feste Zeitfenster für Aufgaben einzuplanen. Wichtig: In dieser Zeit sollten Sie andere Programme wie das E-Mail-Postfach schließen –  so kommen Sie nicht in Versuchung, andere Aufgaben dazwischenzuschieben.