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Wer im B2B-Marketing tätig ist, wird zurzeit mit Tool-Tipps überflutet. „Die Zahl der KI-Tools steigt explosionsartig – und nicht alle sind ausgereift“, sagt Jens Polomski. Der Journalist bewertet in seinem Newsletter „Jens.Marketing“ solche Werkzeuge und listet bereits 700 Tools auf. Das Positive an der KI-Schwemme: Sie zeigt, an wie vielen Stellen Künstliche Intelligenz (KI) im B2B-Marketing heute schon einsetzbar ist.
„Die Auseinandersetzung mit einer generativen KI wie ChatGPT gehört auf jeden Fall in den Werkzeugkoffer jedes B2B-Marketers“, sagt Polomski. Zwar können große KI-Modelle noch nicht auf einen Sprachbefehl hin ganze B2B-Kampagnen erstellen. Doch jeder kann heute schon mit dem Einsatz eines Chatbots wie ChatGPT von Open AI, Gemini von Google oder speziellen Tools den B2B-Verkaufsprozess verschlanken.
Außerdem lassen sich so ganz neue Erkenntnisse über potenzielle Kunden und Kundinnen gewinnen, denn mit KI lassen sich in großen Datenmengen Muster und Trends erkennen. Im B2B-Marketing wird so das Kundenverhalten vorhersagbarer, Zielgruppen genauer definierbar, und Marketingstrategien können personalisiert werden.
Einsatzmöglichkeit 1: KI als Ideengeber
Während im B2C-Marketing oft die schnelle Kaufentscheidung im Vordergrund steht, geht es im B2B-Marketing um den Aufbau und die Pflege einer langfristigen Geschäftsbeziehung. Diese folgt dem Prinzip eines „Trichters“, auch „Funnel“ genannt, der Interessenten anziehen und im besten Fall zuerst zu Fans und dann zu Kunden und Kundinnen machen soll.
Eine der größten Herausforderungen für B2B-Marketer ist daher, zu verstehen, wie potenzielle Kunden zu ihnen kommen. Suchen sie über Google online, oder informieren sie sich in sozialen Netzwerken wie Linkedin oder Xing? Und wie können sie persönlich angesprochen werden, sodass sich eine Beziehung aufbaut und letztlich gezielte Marketingbotschaften als Kaufanschubser auch den Vertriebserfolg bringen?
KI kann dabei helfen, mehr Einblick in diesen Prozess zu gewinnen. Tools wie Leadfeeder identifizieren beispielsweise potenzielle Leads, indem sie anhand der IP-Adresse die Spuren potenzieller Kunden im Internet verfolgen. Sie bewerten, welche Website-Besucher am wahrscheinlichsten zu Kunden oder Kundinnen werden.
Simon Künzel, Geschäftsführer der Digitalagentur digit.ly, rät zu einem Gedankenexperiment, um die eigene Zielgruppe besser zu verstehen. Versetzen Sie sich in eine Person, die nach Ihrem Produkt suchen würde, und geben Sie ihr ein Profil: Welche Ausbildung hat sie, was sind ihre Interessen – eben all das, was Sie aus Ihrer bisherigen Erfahrung über Ihre Kunden zu wissen glauben.
Dann fragen Sie ChatGPT: Welche Fragen stellt diese Person? In welchen Punkten ist sie unsicher? So gelangen Sie an Fragen, die Sie im Verkaufsprozess beantworten müssen – und damit zu einer Vorlage für die Verkaufsargumente, die Sie später in Blogbeiträgen oder in der nächsten Broschüre aufgreifen können.
Mit KI-Tools lassen sich auch soziale Medien scannen, um die Stimmung und Meinungen über Marken, Produkte und Dienstleistungen zu ermitteln. Dazu analysiert eine KI Emotionen und Meinungen hinter einem Text in einer Sentiment-Analyse. Das B2B-Netzwerk Linkedin setzt beispielsweise bereits KI ein, um so Zielgruppen genauer zu definieren und passendere Anzeigen und Inhalte zu erstellen.
Den Weg des Kontakts vom Marketing- zum Vertriebsteam zu erfassen, also zuzuordnen, aus welcher Maßnahme heraus die Kontakte dann wirklich im Vertrieb ankommen, bleibt die große Herausforderung des B2B-Marketings. „Allein schon an der Frage, wie man diese Zuordnung technisch hinbekommt, scheitern viele Unternehmen“, sagt Künzel. Er empfiehlt, konkrete Ziele zu definieren: Wie viele Kundenanfragen müssen herauskommen, damit eine Maßnahme ein Erfolg ist? Was für eine Qualität müssen die Kontakte haben?
Einsatzmöglichkeit 2: KI als Content-Creator
Haben Sie die potenziellen Kunden genauer definiert, können ChatGPT & Co. helfen, passende Texte und Bilder zu erstellen und an die Vorlieben der Zielgruppe anzupassen. Gehen Sie dabei am besten schrittweise vor. Denn die Sprachmodelle antworten nur so gut, wie Sie fragen. Lassen Sie sich etwa Ideen für Content-Bausteine geben, also zuerst fünf Titelideen für einen Blogbeitrag zu einem konkreten Thema, dann die Gliederung für den Artikel.
Danach modifizieren Sie das Ergebnis im Dialog mit der KI weiter, beispielsweise: Der Artikel soll SEO-optimiert sein auf ein bestimmtes Keyword hin oder in einer bestimmten Stimmung geschrieben sein. Geben Sie der KI so viel Kontext wie möglich, etwa ob der Beitrag auf Linkedin oder Facebook erscheinen soll. Bessere Ergebnisse bekommen Sie auch, wenn Sie ihr eine bestimmte Rolle zuweisen, etwa mit dem Satz: „Du bist Berater in einer B2B-Marketing-Agentur.“ Sie können ChatGPT auch direkt fragen: „Was brauchst du, damit du mir das beste Ergebnis liefern kannst?“
Wer keine Lust auf so viel Prompting hat, also auf den Dialog mit ChatGPT, kann auch Tools wie „Neuroflash“ nutzen, um sich die Text- und Bilderstellung zu erleichtern.
Für wiederkehrende Aufgaben sollten Unternehmen sich besser eine Vorlagen-Datenbank für den Austausch mit ChatGPT schaffen, anstatt zehn verschiedene Tools zu nutzen, meint Künzel. „Vielleicht müssen Sie für die Erstellung der Vorlagen eine halbe Stunde mehr investieren, damit die Qualität des Ergebnisses stimmt, aber diese Zeitinvestition lohnt sich.“
Gerade bei der Optimierung und Anpassung von Texten und Bildern sollten Sie auch bereit sein, die kreative Hoheit an die KI abzugeben – eine schwierige Lektion für Marketingprofis: „Das eigene ästhetische Empfinden ist für den Erfolg von Anzeigenkampagnen gerade im Digitalen völlig irrelevant. Es ist fast erschreckend, wie hässlich die Ergebnisse oft aussehen – aber sie funktionieren“, sagt Künzel.
Mit spezielleren KI-Tools wie der Video-App „HeyGen“ lassen sich zudem Konzepte umsetzen, für die vorher vielleicht Zeit, Know-how oder Geld gefehlt haben. Das Tool erstellt KI-Avatare, die etwa in Lernvideos eingesetzt werden können – oder klont gleich Stimme und Aussehen des vielbeschäftigten Chefs, dem der Marketingmitarbeiter dann eine Botschaft in den Mund legen kann, ohne einen Drehtermin ansetzen zu müssen. Das Ergebnis ist ein lebensecht wirkendes Video.
Solche Inhalte zu generieren ist also keine Kunst mehr. Wenn aber alle KI nutzen, wird es umso wichtiger, sich in der Ideenfindung vom Markt abzuheben. „Was einem noch kein System nehmen kann, ist der emotionale Bezug zur Marke“, sagt Polomski. Es lohnt sich also, Zeit, die durch den KI-Einsatz eingespart wird, in den Markenaufbau und ein emotionales Branding zu investieren.
Einsatzmöglichkeit 3: KI als Prozessoptimierer
Wird er nach KI-Tools gefragt, verstecken sich dahinter im Marketing häufig Probleme, die schon durch eine simple Automatisierung zu lösen sind, sagt Polomski. „Der KI-Boom führt gerade zu einem Inventur-Moment – viele Firmen fassen im Marketing die Prozesse an, in denen die Automatisierung in den vergangenen zehn Jahren verpennt wurde.“
Ein klassisches Beispiel dafür ist eine automatisierte E-Mail-Kampagne, die schon länger gut möglich ist, in vielen Betrieben aber immer noch verschlafen wird: Mails werden dabei basierend auf bestimmten Auslösern, etwa der Anmeldung für ein Webinar oder den Download eines Whitepapers hin, automatisch versendet.
Anwendungen wie „Zapier“ oder „Make“ haben sich auf die Automatisierung von Aufgaben über verschiedene Programme und soziale Netzwerke hinweg spezialisiert. Ähnliche Funktionen finden Nutzer bereits in vielen CRM-Systemen. Salesforce Einstein integriert etwa KI in der Plattform und bietet Möglichkeiten zur Analyse der Kundenbeziehung und zur Automatisierung von E-Mail- oder Social-Media-Kampagnen. Ähnlich ist es bei Hubspot: Auch hier bekommen Unternehmen einen zentralen Überblick über das Kundenverhalten nebst Automatisierungsmöglichkeiten.
Eine besondere Spielart der Automatisierung ist der Einsatz von Chatbots im Kundenservice. Die virtuellen Assistenten werden darauf trainiert, selbstständig Fragen zu beantworten – in Echtzeit und rund um die Uhr. Für den Aufbau eines solchen Kundensupports gibt es spezielle Programme wie beispielsweise die App „Userlike“. Grundsätzlich ist es aber auch möglich, den eigenen Chatbot selbst mit Unterstützung von ChatGPT zu erstellen.
Allerdings fehlt es vielen Firmen noch an Offenheit, sich so tief mit der KI auseinanderzusetzen. Der große Hinkefuß an ChatGPT ist der Datenschutz: „Sämtliche Kundeninformationen in so ein Modell zu laden, würde sicher extrem spannende Ergebnisse bringen. Aber momentan können Sie nicht sicherstellen, was dann danach mit den Daten passiert“, sagt Künzel.
ChatGPT & Co. nutzen die Eingaben zum Training. Unternehmen sollten daher nie Geschäftsgeheimnisse oder Kundendaten mit ihnen teilen. Viele Firmen wollen auch keine Daten mit US-Anbietern austauschen. Einige Tool-Anbieter bieten daher bereits die Speicherung der Daten auf europäischen Servern an, um das Vertrauen in ihre Softwarelösungen zu erhöhen.
Tool-Tipps zur Kundenanalyse, Automatisierung und Content-Erstellung
Hubspot Marketing Hub
Hubspot ist ein sehr umfassendes, aber auch teures System für das Customer Relationship Management (CRM). Es bietet eine Vielzahl von Zusatzfunktionen, unter anderem zur Automatisierung von Vertriebsaufgaben, Lead-Verwaltung, E-Mail-Tracking, Erstellung von Verkaufs-Pipelines und zur Performance-Analyse.
Kosten: Sehr unterschiedliche Preispläne je nach Funktion, kleine Teams starten auf der Professional-Plattform ab 792 Euro pro Monat.
Datenschutz: DSGVO-konform, Unternehmen können wählen, ob Daten auf Servern in Europa oder den USA gespeichert werden.
HeyGen
Das Tool erstellt mit KI-Unterstützung Videos. Nutzer können virtuelle KI-Avatare kreieren, die dann im Vertrieb oder im Marketing beispielsweise bei der Vorstellung neuer Produkte zum Einsatz kommen. Möglich ist auch, Stimmen zu klonen und Bilder echter Menschen zu animieren, sodass Schulungsvideos oder Webinare erstellt werden können, ohne dass der Dozent vor die Kamera treten muss.
Kosten: Im kostenlosen Tarif können Videos mit maximal einer Minute generiert werden, Bezahltarife sind nach der Dauer der Videos gestaffelt und starten ab 29 Dollar im Monat.
Datenschutz: keine Informationen
Leadfeeder
Leadfeeder identifiziert Unternehmen, die die Firmenwebsite besuchen, anhand ihrer IP-Adressen und nutzt Filter, um die Besucherdaten zu segmentieren. So kann man etwa die Aktivitäten der Nutzer im Netz verfolgen und sehen, wie lange sie auf der Seite bleiben und welche Unterseiten sie besuchen. Das Tool sammelt Daten für den Vertrieb zur Firmengröße, Branche oder Standort und liefert auch relevante Kontakte von potenziellen Kunden. Leadfeeder kann in gängige CRM- und Marketing-Automatisierungstools integriert werden.
Kosten: kostenlose Lite-Version und Premium-Version für 99 Dollar pro Monat.
Datenschutz: DSGVO-konform
Make
Mit dem Automatisierungstool können Nutzer Workflows zwischen verschiedenen Apps und Diensten erstellen: von CRM-Systemen, Social-Media-Apps bis hin zu Diensten wie Spotify. Dazu sind keine Programmierkenntnisse notwendig, die Verknüpfung der Prozesse und Aufgaben funktioniert über ein Drag-and-Drop-System.
Kosten: kostenloser Basistarif, Abos mit mehr Funktionen starten ab 9 Dollar pro Monat
Datenschutz: DSGVO-konform
Neuroflash
Das Tool aus Deutschland hilft Menschen, die keine Lust auf Prompting haben, beim Verfassen von Blogartikeln, Produktbeschreibungen oder Social Posts. Dazu können sie über 100 Vorlagen für verschiedene Textarten nutzen. Außerdem analysiert Neuroflash Texte, macht Vorschläge zur (SEO-)Optimierung und erstellt passende KI-Bilder. Neuroflash nutzt die Schnittstelle von ChatGPT-4.
Kosten: kostenlose Testversion, günstigster Tarif ab 29 Euro im Monat
Datenschutz: DSGVO-konform
Salesforce Einstein
Die CRM-Plattform integriert KI, um zum Beispiel Kundenverhalten vorherzusagen, um Trends zu erkennen und zur Bewertung von Leads auf Basis historischer Konversionsraten. Sie kann auch zur Performance-Analyse eingesetzt werden, zur Automatisierung beispielsweise von E-Mail- und Social-Media-Kampagnen, und sie kann Kundenanfragen beantworten. Die KI lernt aus erfolgreichen Maßnahmen und empfiehlt dann weitere Vorgehensweisen.
Kosten: Der Preis hängt vom gewählten Salesforce-Produkt (ab 25 Euro monatlich) und dem Umfang der Einstein-Funktionalitäten (ab 75 Euro monatlich) ab.
Datenschutz: Der „Einstein Trust Layer“ ist eine besondere Sicherheitstechnologie zur Datenschutzkontrolle, Kundendaten sind vor dem Zugriff Dritter geschützt.
Userlike
Das Tool aus Deutschland erstellt Chatbots für Websites und Messaging-Apps wie Whatsapp oder Telegram. Der Nutzer behält über eine zentrale Inbox den Überblick über die hereinkommenden Chats. Möglich ist auch der KI-gestützte Kundensupport auf Basis des ChatGPT-4-Modells.
Kosten: kostenlose Version, der günstigste Tarif startet ab 100 Euro pro Monat.
Datenschutz: DSGVO-konform, im „Datenschutz-Modus“ werden keine personenbezogenen Daten wie IP-Adresse, Standort oder Browser-Informationen erfasst.