Neura Robotics
„Strategie? Wir hören auf unser Bauchgefühl“

Fachkräftemangel? Wirtschaftsflaute? Roboter sind die Lösung, ­sagt David Reger, Chef des aufstrebenden deutschen Start-ups Neura Robotics. Wie er von Schwaben aus die Welt der Robotik erobern will.

Aktualisiert am 11. Dezember 2025, 13:17 Uhr, von Maximilian Münster, Redakteur

Neura Robotics Chef David Reger
Neura-Robotics-Chef David Reger mit zwei der intelligenten Robotern, die das aufstrebende Startup fertigt.
© Verena Müller für impulse

Neura Robotics baut menschenähnliche ­Roboter, die schweißen und Wäsche sortieren. Das Technologieunternehmen mit Sitz in ­Metzingen gilt als einer der vielversprechendsten Wettbewerber der Branche. Firmenchef ­David Reger glaubt, die Robotik könne den Wirtschaftsstandort Deutschland retten.

impulse: Herr Reger, einer Ihrer Investoren nannte Sie mal den jungen Elon Musk. Gehen Sie da mit?
David Reger:
Ich empfinde den Vergleich als Ehre. Als Unternehmer ist er sicher der beste Stratege der Welt. Aber wegen seiner politischen Ansichten hat er eben nicht den besten Stand.

Trotzdem ist er Ihr Idol?
Nein, das würde ich nicht sagen, aber er fasziniert mich. Er denkt weit und lässt sich von ­Plänen nicht abbringen. Noch nie hat jemand Unternehmen von solcher Größe aufgebaut und damit so viel für die Gesellschaft geschaffen.

Sie haben ihm etwas voraus: Ihr Unternehmen hat menschenähnliche Roboter zur Marktreife geführt. Das hat Musk mit dem Tesla-Bot noch nicht geschafft. Gibt es einen Roboter, auf den Sie besonders stolz sind?
Ganz klar das Modell 4NE1 (sprich: For Anyone, Anm. d. Red.). Er hat eine Gestalt wie ein Mensch und bewegt sich so. Davon hat jeder im Bereich der Robotik ­geträumt. Wenn ich sehe, wie er lernt zu laufen oder ein Bauteil zu greifen, dann ist das, als würde ich einem Kind beim Aufwachsen zuschauen.

Sie werben damit, dass der 4NE1 bügelt. Geht das wirklich?
Nein, das funktioniert noch nicht so, wie wir uns das wünschen. Er fährt mit dem Bügeleisen über das Hemd, aber er versteht nicht, warum er das tut, also dass das Hemd glatt werden soll. Es ­bleiben Falten. Wir geben ihm immer wieder mal solche Aufgaben, er muss auch mal Wäsche s­ortieren. Er wird besser darin.

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Warum ist er besser als der Tesla-Bot?
Unsere Roboter und den von Tesla, da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Wir haben mehr Erfahrung und einen anderen Ansatz. Unsere Roboter nehmen die Welt nicht nur über Mikrofone und Kameras wahr, also über Hören und Sehen. Wir haben zum Beispiel eine intelligente Haut entwickelt, die den Roboter auch fühlen lässt. Musk setzt allein auf Kameras. Der zweite Unterschied ist das Neuraverse, unsere KI-Plattform, an die alle unsere Roboter angeschlossen sind. Ein gemeinsames Gehirn.

Was bringt das?
Der Gedanke ist: Es gibt zu viele Aufgaben auf der Welt, wir als Entwickler können die Roboter nicht auf alle vorbereiten. Deshalb bieten wir ein Ökosystem, auf der Kunden ihre Roboter selbst Fähigkeiten antrainieren können. Die Daten ­fließen dann ins Neuraverse, sodass alle Roboter besser werden.

Sagen wir, ein Unternehmen setzt einen Ihrer Roboter am Fließband ein. Er trainiert dort, Knöpfe zu drücken und Hebel zu ziehen. Dann lernen alle anderen Roboter mit?
Genau. Normalerweise läuft es in der Robotik anders: Will man einem Roboter beibringen, ein T-Shirt zu falten, dann zeichnete man jede kleine Bewegung auf, Tausende Stunden Videomaterial sind das. Eine KI wertet dann Pixel für Pixel aus, und der Roboter lernt. Das dauert ewig. Mit ­unserem Neuroverse geht es schneller.

Außerdem eröffnen Sie für Ihre Roboter eine Art Fitnessstudio. Was geschieht dort?
Ja, unsere Neura Gyms. Das sind Hallen, in denen 300 Roboter stehen. Die bauen wir gerade an Standorten in der ganzen Welt auf. Wenn ein Unternehmen darüber nachdenkt, einen Prozess an einen Roboter auszulagern, können sie ihn vor dem Kauf ausprobieren und den Roboter trainieren.

… eine geschickt vermarktete Verkaufsfläche, ähnlich einem Apple-Store?
Nein. Natürlich wollen wir die Roboter verkaufen. Aber es würde nichts nützen, wenn Kunden nach dem Kauf merken, der beherrscht die Aufgaben nicht. Zum Beispiel: Zahnärzte überrennen uns gerade mit Anfragen und wollen wissen, ob unsere Roboter in der Lage sind zu assistieren. Wir wissen es nicht. Aber Sie können vorbeikommen, ihre Werkzeuge mitbringen und es ausprobieren. Dabei lernen die Roboter.

Wann sind Ihre humanoiden Roboter einsetzbar?
Wir beginnen in den kommenden Monaten mit der Auslieferung. Im ersten Schritt an aus­gewählte Kunden.

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Welche Arbeiten werden uns Roboter künftig abnehmen?
In den nächsten zwei, drei Jahren kommt es zu massiven Veränderungen, weil Roboter deutlich intelligenter werden. Sie übernehmen Aufgaben, die bislang ausschließlich Menschen konnten, weil die Aufgabe jedes Mal ein bisschen anders abläuft oder unvorhergesehene Dinge passieren.

Könnten Sie zum Beispiel einen Facharbeiter ersetzen?
Ja, zum Beispiel Schweißer. Künftig stehen Roboter in den Betriebshallen mit Schweißgeräten in den Händen. Die setzen perfekte Schweißnähte. Wir haben schon Anfragen von Schweiß­betrieben, dort ist der Fachkräftemangel hoch.

Ihr Unternehmen wächst massiv. Jeden Monat stellen Sie 40 neue Mitarbeiter ein. Entwickler, Konstrukteure, KI-Experten aus der ganzen Welt. Wie kommen Sie an so hoch qualifiziertes Personal?
Man braucht eine Vision. Meine Mitarbeiter teilen das Ziel, als kleiner deutscher Betrieb die Welt der Robotik zu erobern und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder groß zu machen. Ein bisschen David gegen Goliath. Das kann für Leute attraktiver sein, als bei Tesla anzuheuern. Übrigens: Jeder meckert über die GenZ. Ich glaube, die können wir am besten motivieren, weil sie nicht am Geld interessiert ist, sondern Sinn in der Arbeit sucht. Der ist bei Neura am größten.

Übertreiben Sie da nicht etwas?
Nein. Die älter werdende Bevölkerung ist eines unserer größten Probleme der Welt. In den nächsten vier, fünf Jahren werden wir 100 Millionen Arbeitskräfte weniger haben, allein in ­Europa, China und Japan zusammengezählt. ­Intelligente Roboter sind die Antwort darauf. Auf uns liegt die große Erwartung, technologisch weltweit der Frontrunner zu sein. Das ist massiver Druck.

Verraten Sie Ihre Strategie?
Ich habe keine. Ich glaube, niemand kennt eine Strategie, wenn man nicht zufällig einen Tech-Riesen wie Tesla oder SAP mit aufgebaut hat. Da hören wir auf unser Bauchgefühl. Wir müssen Qualität liefern und trotzdem schnell und innovativ sein.

Wie geht das?
Nehmen wir das Modell 4NE1. Das ist eigentlich ein Riesenprojekt. Aber anstatt das Team personell zu maximieren, verkleinern wir es und besetzen es mit den besten Leuten. So bleibt es agil und effizient. Teams, die sich um etablierte ­Produkte kümmern, vergrößern wir, da es dort mehr um Qualität als um Schnelligkeit geht.

Schaffen Sie bei so rasantem Personalwachstum, dass der Wissensaustausch im Unter­nehmen funktioniert?
Dass mehrere Abteilungen an derselben Idee sitzen, passiert ständig. Das Team 4NE1 könnte zum Beispiel an der gleichen Greifmethode arbeiten wie das KI-Department. Wir setzen unsere Projektmanager in vielen Bereichen gleichzeitig ein, damit der Informationsaustausch gewährleistet bleibt und Überschneidungen auffallen. Dazu konferiert das Topmanagement einmal im ­Monat und die Heads-of alle paar Tage.

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Haben Sie einen Tipp für junge Gründer mit abseitigen Ideen?
Ignoriere vermeintliche Grenzen. Ich bin eigentlich gelernter Modellbauer. Als eine Schweizer Unternehmerfamilie einen Ingenieur suchte, um eine Robotikfirma zu gründen, habe ich mich darauf beworben, obwohl ich nicht dafür qualifiziert war und noch nie einen Roboter ­bedient habe. Später hatte ich die Idee mit den menschen­ähnlichen Robotern. Ich lud zwölf Leute nach Metzingen ein. Entwickler von Sensoren, KI und Hardware, die meisten davon sind heute noch im Topmanagement. Ich hing das Konzept an die Wand. Ein Roboter, mit Sensoren ausgestattet, in einer globalen KI vernetzt. Das war 2019. Mein KI-Chef sagte damals: „Sorry ­David, you have no clue about AI“. Er hielt es nicht für möglich. ­Sieben Monate später hatten wir das erste ­Modell ­fertig gestellt. Deshalb ­waren wir ­erfolgreich: out-of the-Box-Denken und Geschwindigkeit.

Andere Unternehmer flüchten aus Deutschland. Sie verlegen Ihre Produktion gerade von China hierher. Warum?
Weil Deutschland Innovationen braucht. Die ­letzten 50 Jahre waren wir das Automotive-Land der Welt, unser Wohlstand baute darauf auf. Dann hat die Elektromobilität den Standort ins Wanken gebracht. Rohstoffe haben wir auch keine. Wir brauchen etwas Neues, das fähig ist, unser Land zu tragen. Ich glaube, die Robotik könnte das.

Warum waren Sie dann überhaupt in China?
Wir haben dort nach der Gründung Investoren gefunden und konnten schnell die ersten Roboter auf die Straße bringen. 2021 haben wir dann bewusst entschieden, uns im Sinne von mehr Eigenständigkeit und Souveränität davon wieder unabhängig zu machen. Wir waren zugleich schon immer ein deutsches Unternehmen mit Hauptsitz in Metzingen.

Sie könnten jetzt auch ins Silicon Valley gehen, da wären Sie weniger streng reguliert.
Ich kenne das Silicon Valley. Anfang 20 kam mir Deutschland unglaublich eng vor, ich wollte nur weg. Dann habe ich dort als Streetworker ­gearbeitet und mich um Obdachlose gekümmert, ihnen eine Bleibe und einen Job organisiert. Das System dort ist wahnsinnig hart zu Menschen. Ich erinnere mich an eine Mutter mit zwei ­Kindern, sechs und vier Jahre alt. So alt wie meine beiden heute. Die Frau hatte Herz­probleme, wegen der Behandlungen war sie hoch verschuldet. Sie musste ihr Haus abgeben und landete mit den beiden auf der Straße. Das hat mich tief erschüttert.

Deshalb kehrten Sie zurück?
Ich wollte eigentlich nie zurück. Nach anderthalb Jahren habe ich meine Freunde und Familie besucht. Da habe ich realisiert, dass es Zustände, wie ich sie in den USA erlebt habe, dank der ­Sozialsysteme in Deutschland nicht geben wird. Ich lernte die Sorglosigkeit schätzen.

Aber der Standort legt ein Geschäft wie Ihres in Fesseln. Sie haben ein Strategiepapier geschrieben, indem Sie den EU-AI-Act kritisieren.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Die EU macht gute Vorgaben. Eine KI darf nicht rassistisch sein, sie darf keine Deepfakes erstellen, also die Identitäten von Menschen nicht imitieren. Solche Regeln machen Technologien sicherer. Das Problem ist: Hierzulande haben wir noch gar keine Technologie entwickelt, die wir sicherer machen könnten. Als würde man einen Anschnallgurt produzieren, bevor man das Auto hat. So werden wir Weltmeister in der Regulatorik, aber nicht darin, die KI zu entwickeln.

Wie trifft Sie die Regulatorik im Alltag?
Ich sitze oft in Meetings und höre: Das können wir nicht, das dürfen wir nicht, das geht nicht. Ich beschäftige etliche Mitarbeiter, die darauf achten, dass wir nicht gegen Gesetze verstoßen. Wenn es um die Entwicklung unserer Roboter und der KI geht, sage ich bei vielem, ignoriert die Regulatorik. Wir müssen weiterkommen. Spätestens beim Testen der Produkte halten wir uns daran. Ich habe einen guten Draht nach Brüssel. Wenn wir an ein Problem stoßen, rufe ich beim AI-Office der EU an. Meistens antworten die: Macht mal, wir finden eine Lösung.

Es heißt, Sie seien ein religiöser Mensch.
Ja.

Hilft Ihnen Ihr Glaube im Unternehmertum?
Wenn ich morgens aufstehe, weiß ich, dass viel Verantwortung in meinen Händen liegt, aber eben nicht die ganze Verantwortung. Das gibt mir Zuversicht. Wenn mich die Kraft verlässt, liegt alles Weitere in Gottes Händen.

Beten Sie?
Mehrere Male am Tag. Wenn irgendwas schlecht läuft und Dinge zu langsam gehen, dann laufe ich schlecht gelaunt durch die Hallen. Wenn ich plötzlich wieder lächle, habe ich gebetet. Meine Mitarbeiter merken das. Wie oft kommt man als Unternehmer an seine körperlichen und geistigen Grenzen. Dann hilft mir der Glaube. Ich ­wundere mich, wie jemand wie Elon Musk das macht, der doch nur an sich selbst glaubt.

Musk will die Grenzen der Menschlichkeit ­erweitern, indem er Chips in die Haut ­im­plantiert. Sie bauen Roboter. Verbindet Sie, dass Sie beide sich zum Schöpfer erheben?
Nein. Musk will den Menschen durch Technologie leistungsfähiger machen. Unsere Technologie macht die Menschen menschlicher. Im Moment lassen wir die Ärmsten der Gesellschaft niedrige Arbeiten übernehmen. Putzkräfte, Bandarbeiter. Wir setzen sie ein wie Maschinen. Dank der Robotik wird das künftig nicht mehr nötig sein.

Was macht Sie so optimistisch, dass Robotik und KI nicht menschenfeindlich eingesetzt werden?
Sie werden menschenfeindlich eingesetzt. Das ist wie bei den Flugzeugen. Die einen fliegen in den Urlaub, die anderen werfen Bomben. KI ist weder gut noch böse. Sie hat kein Verlangen nach Reichtum oder nach Macht. Das entsteht erst, wenn man sie mit dem Menschen und seiner Seele verknüpft. Das ist die größte Gefahr. Aber die Technologie von Neura Robotics wird definitiv nur für gute Zwecke eingesetzt werden.

Man könnte Ihre Technologie kopieren.
Das stimmt. Ich glaube, wir bei Neura können Dinge zum Guten hin wenden. Alles, was darüber hinaus geht, kann ich nicht beeinflussen. Ich will einen ­Beitrag für die Gesellschaft leisten. Aber ich kann nicht die Verantwortung für die gesamte Welt übernehmen.

Vom Sozialarbeiter zum Visionär

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Quereinsteiger in der Robotik

David Reger, 37, macht nach der Schulzeit eine Ausbildung zum Modellbauer und geht dann ins Silicon Valley in die USA. Nicht etwa zu einem ­Technologieunternehmen. Reger arbeitet dort als Streetworker bei einer Organisation, die Obdachlosen Wohnungen und Arbeit vermittelt.

Große Vision

Zurück in Europa heuert er bei einer Schweizer Unternehmerfamilie als Ingenieur an und baut mehrere Robotikfirmen auf. 2019 gründet er in seiner schwäbischen Heimat Metzingen Neura Robotics mit der Vision, Robotik und KI zu verknüpfen. Roboter sollen keine starren Automatisierungs­maschinen sein, sondern lernfähige Helfer in Haushalt und Industrie.

Dem Standort treu

Zunächst geht das Unternehmen nach China, weil es dort Investoren findet. 2024 kündigt Neura an, die Produktion nach Deutschland zu verlegen, die ­Fertigung in Deutschland sei nach wie vor ein Qualitätsmerkmal. Im ­Januar 2025 sammelt das Start-up in einer Series-B-Finanzierung 120 Millionen Euro unter anderem von der Fiat-Gründerfamilie ein. Als Nächstes strebt Neura laut ­Medienberichten eine milliardenschwere Finanzierungsrunde an.

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