Zielgruppengenaues Marketing
Sie gewinnen kaum neue Kunden? Diese Idee kann helfen

Das Marketing funktionierte nicht, die Firma fand kaum neue Kunden. Doch nach vielen Versuchen entdeckte Putzlappen-Hersteller Hawotex die Erfolgsstrategie – die auch andere Unternehmen nutzen können.

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Leere Einkaufskörbe, weil die Kunden ausbleiben? Das könnte an einem simplen Marketing-Fehler liegen.
Leere Einkaufskörbe, weil die Kunden ausbleiben? Das könnte an einem simplen Marketing-Fehler liegen.
© Tat'âna Maramygina / EyeEm / EyeEm / Getty Images

An einem Putzlappen gibt es wenig schönzureden: Er ist und bleibt unattraktiv und langweilig. Das weiß auch das Team vom Putzlappen-Hersteller Hawotex in Remscheid. Das Unternehmen stellt Lappen aus Alttextilien für Automobil-, Lebensmittel- und andere Industriebetriebe her – wie viele andere Firmen.

Und doch kann das 30 Jahre alte Familienunternehmen aus der Masse der Putzlappen-Hersteller hervorstechen: Während Hawotex früher von potenziellen Kunden ständig die Rückmeldung „Kein Bedarf“ bekam, klopfen heute laut eigenen Angaben jeden Tag neue Interessenten an. Wie der Firma das gelungen ist und was Unternehmer von Hawotex lernen können.

Erfolgloser Außendienst

Bis 2017 hatte Hawotex einen Außendienstmitarbeiter, der von einem Industriebetrieb zum nächsten fuhr – mit mäßigem Erfolg. „Nachdem ich den Satz ‚Kein Bedarf, Prospekt dagelassen‘ gefühlte 100 Mal ins System getippt habe, stand fest: So kann es nicht weitergehen“, erinnert sich Anna Zentgraf, Tochter und designierte Nachfolgerin von Hawotex-Gründer Harald Wollmann. „Jeder braucht Putzlappen, ‚Kein Bedarf‘ gibt es praktisch nicht“, sagt die 23-Jährige.

Für Vater und Tochter stellte sich die Frage: Kann man Lappen attraktiv machen?

Hawotex-Gründer Harald Wollmann und seine Tochter und Nachfolgerin Anna-Lena Zentgraf.© Hawotex Reinigungsartikel Vertriebsgesellschaft m.b.H

Sie entschieden, sich vom Außendienst zu verabschieden und den Vertriebsweg umzukrempeln. Zentgraf: „Wir waren und sind uns bewusst, dass wir den Lappen nicht neu erfinden können – er ist und bleibt ein todlangweiliges Produkt. Aber wir wollten zeigen, dass unattraktive Produkte von attraktiven Unternehmen kommen können. Indem wir sie mit Humor bewerben.“

Aufmerksamkeit durch Humor erzeugen

Gemeinsam mit einer Werbeagentur überlegte das Team sich einen neuen Slogan. „Beim Brainstorming flossen die Tränen vor Lachen: ‚Germany‘s next Toplappen‘ ist nur eines der Beispiele“, erzählt Zentgraf. Letztlich fiel die Wahl auf den Spruch: „Du hast doch Besseres zu tun, als dich um Lappen zu kümmern!“

Dem neuen Slogan folgten eine von der Agentur modernisierte Website, Kampagnen-Landingpages, neue Social-Media-Kanäle, Post an Kunden und Interessenten und Plakatflächen in Industriegebieten. Das Team war euphorisch angesichts dieses Neustarts – doch dann die Ernüchterung: Zwar bekam die Firma positive Rückmeldungen zu ihrer Kampagne, der Erfolg blieb aber aus. Auch der Rat der Agentur, auf Telefonakquise zu setzen, brachte keine Verbesserung. Eine neue Strategie musste her.

Zweiter Versuch: Zielgruppengenaues Marketing

Hawotex hatte eine lustige, aber erfolglose Kampagne gestartet – weil sie offensichtlich die Zielgruppe verfehlt hatte. Für Zentgraf und ihre Kollegen stellte sich deshalb die Frage, wen sie wirklich ansprechen mussten: „Wir überlegten, wer in Unternehmen die Aufgabe bekommt, sich um unwichtige Dinge wie Putzlappen zu kümmern. Und aus Telefonaten und E-Mail wussten wir, dass es zu 99 Prozent Auszubildende im letzten Lehrjahr sind, gerade Ausgelernte oder Teilzeitkräfte.“

Zielgruppengenaues Marketing hieß das Zauberwort: die Zielgruppe, ihre Wünsche und Bedürfnisse kennen und sie auf den richtigen Kanälen ansprechen. Hawotex setzt dafür heute auf Suchmaschinenoptimierung und Social Media.

Auf Facebook und Instagram will die Firma Aufmerksamkeit erzeugen: „Anstatt dort großartig unsere Produkte zu bewerben, posten wir regelmäßig lustige Bilder und Sprüche rund um das Wort Lappen“, sagt Zentgraf. „Wir bringen die Leute zum Lachen, wir nehmen uns selbst nicht zu ernst. Und wir werden oft darauf angesprochen.“

Im Dezember 2018 postete die Firma etwa diesen Spruch: „Gerade den Tisch mit der flachen Hand abgewischt. Warum einen Lappen kaufen, wenn man selber einer ist?“ Mit dem Zusatz: „Wenn ihr nicht selbst der Lappen sein wollt, schaut doch mal auf unserer Homepage vorbei!“

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Eines der Kampagnen-Bilder auf der Website von Hawotex.© Hawotex Reinigungsartikel Vertriebsgesellschaft m.b.H

Zudem hat die Firma erkannt, dass ihre Zielgruppe – jüngere Menschen – nicht gern telefoniert. Deshalb taucht auf der Startseite von Hawotex ein Chat auf, der mit Zentgrafs Handy verknüpft ist. Sie kann so jederzeit Fragen beantworten, ohne dass die Kunden zum Hörer greifen müssen.

Diejenigen, die die Firma noch nicht kennen, erreicht Hawotex über einen anderen Weg: „Wir haben das Potenzial von SEO entdeckt und unsere Website optimiert“, erzählt Zentgraf. Im Vergleich zum Vorjahr finden heute monatlich fast dreimal so viele Besucher über Google auf die Seite. Und gegenüber nur 109 Produktanfragen 2016 waren es allein im ersten Halbjahr 2019 mehr als doppelt so viele.

Lektionen vom Putzlappen-Hersteller

Das Beispiel von Hawotex zeigt: Unternehmen können in umkämpften Märkten nur auffallen, wenn sie sich mit ihrer Zielgruppe auseinandersetzen. Wer neue Kunden gewinnen und sich von der Konkurrenz absetzen will, sollte sich daher zu folgenden Fragen Gedanken machen:

1. Wer ist meine Zielgruppe?

Industriebetriebe, so hätte die kurze Antwort von Hawotex lauten können. Doch das ist nur die halbe Antwort: Denn letztlich bestellen nicht die Firmenchefs die Putzlappen, sondern Azubis oder Teilzeitkräfte.

2. Wie erreiche ich diese Zielgruppe?

Junge Mütter, Rentner oder wissbegierige Manager: Je nachdem, wen sie ansprechen, müssen Firmen ihre Zielgruppe über unterschiedliche Kanäle erreichen. Auch Hawotex musste das erst lernen: Die Plakatkampagne und Telefonakquise verfehlten die Azubis, auch der Außendienst hatte ausgedient. Erfolg zeigten dagegen lustige Bilder in Social-Media-Kanälen und eine neue, für Suchmaschinen optimierte Website inklusive Live-Chat.

Zentgraf empfiehlt, sich in den Kunden hineinzuversetzen: „Wie würde ich das Produkt kaufen? Würde ich googeln? Beiträge bei Facebook liken, ein Chat-Modul nutzen?“

3. Wie hebe ich mich von der Konkurrenz ab?

Wer einmal „Lappen Industrie“ bei Google sucht und sich durch die Ergebnisse klickt, sieht schnell: Attraktive Webseiten sind in dieser Branche eher Mangelware. Hawotex hat das erkannt und hebt sich mit einem modernen Internetauftritt ab. Das soll zudem die Professionalität der Firma unterstreichen – denn laut Zentgraf gibt es in der Branche viele schwarze Schafe, die in der heimischen Garage T-Shirts zerschneiden und verkaufen. Sie betont, dass Hawotex sich durch penible Qualitätskontrollen, schnelle Lieferung und gute Verpackung von solchen Garagenbetrieben abhebt.

4. Soll ich alte Vertriebswege über Bord werfen und Neues wagen?

Manchmal lohnt es sich, sich von einem Vertriebsweg zu verabschieden, der früher gut funktioniert hat – mittlerweile aber kaum neue Kunden bringt. Bei Hawotex war das der Außendienst.

Statt Vertriebler herumzuschicken, setzt die Firma auf die Digitalisierung: „Das Internet ist nicht nur etwas für große Firmen wie Amazon“, sagt Zentgraf. „Auch kleinen Firmen bietet es viele Möglichkeiten.“ Mit einer neuen Homepage, einem Chat-Modul und einem Augenmerk auf Social Media hat die Firma neue Vertriebswege geschaffen.

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An einem Putzlappen gibt es wenig schönzureden: Er ist und bleibt unattraktiv und langweilig. Das weiß auch das Team vom Putzlappen-Hersteller Hawotex in Remscheid. Das Unternehmen stellt Lappen aus Alttextilien für Automobil-, Lebensmittel- und andere Industriebetriebe her – wie viele andere Firmen. Und doch kann das 30 Jahre alte Familienunternehmen aus der Masse der Putzlappen-Hersteller hervorstechen: Während Hawotex früher von potenziellen Kunden ständig die Rückmeldung „Kein Bedarf“ bekam, klopfen heute laut eigenen Angaben jeden Tag neue Interessenten an. Wie der Firma das gelungen ist und was Unternehmer von Hawotex lernen können. Erfolgloser Außendienst Bis 2017 hatte Hawotex einen Außendienstmitarbeiter, der von einem Industriebetrieb zum nächsten fuhr – mit mäßigem Erfolg. „Nachdem ich den Satz ‚Kein Bedarf, Prospekt dagelassen‘ gefühlte 100 Mal ins System getippt habe, stand fest: So kann es nicht weitergehen“, erinnert sich Anna Zentgraf, Tochter und designierte Nachfolgerin von Hawotex-Gründer Harald Wollmann. „Jeder braucht Putzlappen, ‚Kein Bedarf‘ gibt es praktisch nicht“, sagt die 23-Jährige. Für Vater und Tochter stellte sich die Frage: Kann man Lappen attraktiv machen? [caption id="attachment_7414009" align="alignnone" width="430"] Hawotex-Gründer Harald Wollmann und seine Tochter und Nachfolgerin Anna-Lena Zentgraf.[/caption] Sie entschieden, sich vom Außendienst zu verabschieden und den Vertriebsweg umzukrempeln. Zentgraf: „Wir waren und sind uns bewusst, dass wir den Lappen nicht neu erfinden können – er ist und bleibt ein todlangweiliges Produkt. Aber wir wollten zeigen, dass unattraktive Produkte von attraktiven Unternehmen kommen können. Indem wir sie mit Humor bewerben.“ Aufmerksamkeit durch Humor erzeugen Gemeinsam mit einer Werbeagentur überlegte das Team sich einen neuen Slogan. „Beim Brainstorming flossen die Tränen vor Lachen: ‚Germany‘s next Toplappen‘ ist nur eines der Beispiele“, erzählt Zentgraf. Letztlich fiel die Wahl auf den Spruch: „Du hast doch Besseres zu tun, als dich um Lappen zu kümmern!“ Dem neuen Slogan folgten eine von der Agentur modernisierte Website, Kampagnen-Landingpages, neue Social-Media-Kanäle, Post an Kunden und Interessenten und Plakatflächen in Industriegebieten. Das Team war euphorisch angesichts dieses Neustarts – doch dann die Ernüchterung: Zwar bekam die Firma positive Rückmeldungen zu ihrer Kampagne, der Erfolg blieb aber aus. Auch der Rat der Agentur, auf Telefonakquise zu setzen, brachte keine Verbesserung. Eine neue Strategie musste her. Zweiter Versuch: Zielgruppengenaues Marketing Hawotex hatte eine lustige, aber erfolglose Kampagne gestartet – weil sie offensichtlich die Zielgruppe verfehlt hatte. Für Zentgraf und ihre Kollegen stellte sich deshalb die Frage, wen sie wirklich ansprechen mussten: „Wir überlegten, wer in Unternehmen die Aufgabe bekommt, sich um unwichtige Dinge wie Putzlappen zu kümmern. Und aus Telefonaten und E-Mail wussten wir, dass es zu 99 Prozent Auszubildende im letzten Lehrjahr sind, gerade Ausgelernte oder Teilzeitkräfte.“ Zielgruppengenaues Marketing hieß das Zauberwort: die Zielgruppe, ihre Wünsche und Bedürfnisse kennen und sie auf den richtigen Kanälen ansprechen. Hawotex setzt dafür heute auf Suchmaschinenoptimierung und Social Media. Auf Facebook und Instagram will die Firma Aufmerksamkeit erzeugen: „Anstatt dort großartig unsere Produkte zu bewerben, posten wir regelmäßig lustige Bilder und Sprüche rund um das Wort Lappen“, sagt Zentgraf. „Wir bringen die Leute zum Lachen, wir nehmen uns selbst nicht zu ernst. Und wir werden oft darauf angesprochen.“ Im Dezember 2018 postete die Firma etwa diesen Spruch: „Gerade den Tisch mit der flachen Hand abgewischt. Warum einen Lappen kaufen, wenn man selber einer ist?“ Mit dem Zusatz: „Wenn ihr nicht selbst der Lappen sein wollt, schaut doch mal auf unserer Homepage vorbei!“ [caption id="attachment_7414013" align="alignnone" width="430"] Eines der Kampagnen-Bilder auf der Website von Hawotex.[/caption] Zudem hat die Firma erkannt, dass ihre Zielgruppe – jüngere Menschen – nicht gern telefoniert. Deshalb taucht auf der Startseite von Hawotex ein Chat auf, der mit Zentgrafs Handy verknüpft ist. Sie kann so jederzeit Fragen beantworten, ohne dass die Kunden zum Hörer greifen müssen. Diejenigen, die die Firma noch nicht kennen, erreicht Hawotex über einen anderen Weg: „Wir haben das Potenzial von SEO entdeckt und unsere Website optimiert“, erzählt Zentgraf. Im Vergleich zum Vorjahr finden heute monatlich fast dreimal so viele Besucher über Google auf die Seite. Und gegenüber nur 109 Produktanfragen 2016 waren es allein im ersten Halbjahr 2019 mehr als doppelt so viele. Lektionen vom Putzlappen-Hersteller Das Beispiel von Hawotex zeigt: Unternehmen können in umkämpften Märkten nur auffallen, wenn sie sich mit ihrer Zielgruppe auseinandersetzen. Wer neue Kunden gewinnen und sich von der Konkurrenz absetzen will, sollte sich daher zu folgenden Fragen Gedanken machen: 1. Wer ist meine Zielgruppe? Industriebetriebe, so hätte die kurze Antwort von Hawotex lauten können. Doch das ist nur die halbe Antwort: Denn letztlich bestellen nicht die Firmenchefs die Putzlappen, sondern Azubis oder Teilzeitkräfte. 2. Wie erreiche ich diese Zielgruppe? Junge Mütter, Rentner oder wissbegierige Manager: Je nachdem, wen sie ansprechen, müssen Firmen ihre Zielgruppe über unterschiedliche Kanäle erreichen. Auch Hawotex musste das erst lernen: Die Plakatkampagne und Telefonakquise verfehlten die Azubis, auch der Außendienst hatte ausgedient. Erfolg zeigten dagegen lustige Bilder in Social-Media-Kanälen und eine neue, für Suchmaschinen optimierte Website inklusive Live-Chat. Zentgraf empfiehlt, sich in den Kunden hineinzuversetzen: „Wie würde ich das Produkt kaufen? Würde ich googeln? Beiträge bei Facebook liken, ein Chat-Modul nutzen?“ 3. Wie hebe ich mich von der Konkurrenz ab? Wer einmal „Lappen Industrie“ bei Google sucht und sich durch die Ergebnisse klickt, sieht schnell: Attraktive Webseiten sind in dieser Branche eher Mangelware. Hawotex hat das erkannt und hebt sich mit einem modernen Internetauftritt ab. Das soll zudem die Professionalität der Firma unterstreichen – denn laut Zentgraf gibt es in der Branche viele schwarze Schafe, die in der heimischen Garage T-Shirts zerschneiden und verkaufen. Sie betont, dass Hawotex sich durch penible Qualitätskontrollen, schnelle Lieferung und gute Verpackung von solchen Garagenbetrieben abhebt. 4. Soll ich alte Vertriebswege über Bord werfen und Neues wagen? Manchmal lohnt es sich, sich von einem Vertriebsweg zu verabschieden, der früher gut funktioniert hat – mittlerweile aber kaum neue Kunden bringt. Bei Hawotex war das der Außendienst. Statt Vertriebler herumzuschicken, setzt die Firma auf die Digitalisierung: „Das Internet ist nicht nur etwas für große Firmen wie Amazon“, sagt Zentgraf. „Auch kleinen Firmen bietet es viele Möglichkeiten.“ Mit einer neuen Homepage, einem Chat-Modul und einem Augenmerk auf Social Media hat die Firma neue Vertriebswege geschaffen.
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