Finanzierungsmodell Genossenschaft
Kiez, Kapital und eine „Kühne Idee“

Der FC St. Pauli machte vor, wie es geht. Nahezu jedes Geschäftsmodell lässt sich mit einer Genossenschaft umsetzen und finanzieren. Welche Möglichkeiten die Rechtsform bietet und wie die Gründung ein Erfolg wird.

25. Juli 2025, 07:12 Uhr, von Jonas Hetzer, Senior Redakteur

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Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, im Zuschauerblock des Millerntor-Stadions
Mit der Gründung einer Genossenschaft hat Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, eine neue Finanzierungsquelle für den Verein erschlossen.
© Henning Kretschmer für impulse

Es war ein Coup. Oke Göttlich, der Präsident des FC St. Pauli, reiste Ende März 2025 anlässlich des Bundesligaspiels seines Clubs gegen den FC Bayern nach München. Am Vortag traf er Bayern-Patriarch Uli Hoeneß, in einem schmucklosen ­Besprechungsraum der Geschäftsstelle des Rekordmeisters in der Säbener Straße. Man plauderte, Göttlich trank eine Tasse Kaffee. Und dann: gewann er Hoeneß als Investor.

Der Ehrenpräsident des FC Bayern wurde Mitglied der Football Cooperative St. Pauli (FCSP), der Genossenschaft des Hamburger Clubs. Hoeneß streifte sich ein schwarzes ­T-Shirt über – Aufschrift: „Jetzt Genoss*in werden“ – und unterschrieb die Beitritts­erklärung.

Schnell noch ein paar Fotos für Social Media, dann konnte die Botschaft in die Welt: Uli Hoeneß wird Genosse.

Millionen für den Verein

Mit welchem Betrag sich der Bayer bei ­ St. Pauli engagiert, ist nicht bekannt. Doch die öffentlichkeitswirksame Aktion dürfte geholfen haben, dass die Kiezkicker in den letzten zwei Tagen vor dem Ende der Zeichnungsfrist am 31. März 2025 ihrem Ziel sehr nahe kamen, 30 Millionen Euro Kapital für ihre neu ge­gründete Genossenschaft einzuwerben. Am Ende waren es knapp 29,2 Millionen Euro.

Mehr als 7000 Genossenschaften gibt es in Deutschland; das Gros davon in den Bereichen Handel, Landwirtschaft und Banken. Viele ­davon dienen kleinen Unternehmen, um gemeinschaftlich Waren einzukaufen oder zu verkaufen, günstige Kredite zu bekommen oder eine effiziente Logistik zu ermöglichen.

Das ist aber nur ein Ausschnitt. Es gibt kaum eine Branche, in der kein Unternehmen als ­Genossenschaft firmiert. „Nahezu jede Geschäftsidee ist als Genossenschaft denkbar“, sagt Daniela Watzke, die beim Genoverband Genossenschaften berät. St. Pauli hat als erster Profi-Fußballclub eine der letzten Lücken ­geschlossen.

Angelehnt an das Vereinsmotto „Ein anderer Fußball ist möglich“ ging der Club auch bei der Kapitalbeschaffung einen ungewöhnlichen Weg – Slogan: „Eine andere Finanzierung ist möglich“.

Während viele Proficlubs Aktien­gesellschaften gründen, um Großinvestoren zu gewinnen, setzt St. Pauli auf die breite Unterstützung von Fans und Sympathisanten. Die konnten schon ab 850 Euro für einen Anteil bei der Genossenschaft einsteigen.

So außergewöhnlich sie ist, die Football ­Cooperative St. Pauli taugt doch als Lehr­beispiel. Wie aufwendig ist die Gründung? Wer hat das Sagen? Wie flexibel ist die Rechtsform? Die Geschichte von St. Pauli macht deutlich, für welche unternehmerischen Vorhaben die Genossenschaft eine sinnvolle Option ist.

Die Zielsetzung

Das Stadion am Millerntor – mitten im leben­digen Hamburger Stadtteil St. Pauli – ist ein ­Festspielhaus der besonderen Art. Wenn die Mannschaft zu den Tönen des AC/DC-Klassikers „Hell’s Bells“ den Rasen betritt, mischen sich unter den Tribünendächern Applaus, Schreie und Gesänge zu einer Kakophonie der Begeisterung, die ­Fußballfans sofort in ihren Bann zieht.

Doch die Bühne großer Fußballdramen ist teuer. Rund 15 Millionen Euro Kredite für das in den 2000ern umgebaute Stadion lasten noch auf dem Verein. Hinzu kommen die l­aufenden Kosten für den Betrieb und größere Sanierungsmaßnahmen in der Zukunft.

Um den Club finanziell stabiler, aber auch flexibler aufzustellen, war ein Geldzufluss von außen notwendig. Schon vor einigen Jahren, erzählt Vereinspräsident Göttlich, sei daher die Idee entstanden, eine Genossenschaft zu gründen, um Kapital einzuwerben.


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