Geschäftsgeheimnisgesetz
So müssen Unternehmen jetzt ihre Geheimnisse schützen

Wer seine Geschäftsgeheimnisse schützen will, muss künftig deutlich mehr dafür tun als bisher. Was sich konkret ändert – und warum Unternehmen schnell handeln sollten.

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Chefs müssen ihre Geschäftsgeheimnisse nicht gleich in Stacheldraht verpacken - doch seit Kurzem gelten strengere Vorschriften.
Chefs müssen ihre Geschäftsgeheimnisse nicht gleich in Stacheldraht verpacken - doch seit Kurzem gelten strengere Vorschriften.
© Baac3nes / Moment / Getty Images

Es gibt Geschäftsinterna, die für Unternehmen einen extrem hohen, wenn nicht gar überlebenswichtigen Wert haben. Für Coca-Cola ist es die Rezeptur der gleichnamigen Brause. Sie ist nur wenigen Eingeweihten bekannt und gesichert wie die Kronjuwelen. Jahrzehntelang lag die Formel in den Tresorräumen einer Bank in Atlanta. Doch auch andere, wenn auch im Vergleich dazu profanere Dinge haben für Firmen einen hohen Wert: Kundenlisten, Einkaufspreise, Konstruktionspläne.

Wollten Unternehmen diese schützen, reichte früher eines: dass der Geschäftsführer Unterlagen oder Firmenwissen als Geschäftsgeheimnis einstufte. Die Interna waren selbst dann geschützt, wenn er diese Information seinen Mitarbeitern nicht ausdrücklich als Geschäftsgeheimnis kenntlich machte. „Wenn zum Beispiel eine Kundenliste auf einem Schreibtisch lag, war allein durch ihren Inhalt klar: Das ist ein Geschäftsgeheimnis, damit müssen Mitarbeiter vertraulich umgehen“, sagt Rechtsanwalt Georg Lecheler von der Kanzlei Oppenhoff und Partner in Köln. Das ändert sich radikal mit dem neuen Geschäftsgeheimnisgesetz, das am 26. April 2019 in Kraft getreten ist. Wer bei der Sicherheit seiner Geschäftsgeheimnisse schludert, hat jetzt keine Chance mehr, einstweilige Verfügungen, Vertragsstrafen oder Schadensersatz durchzusetzen.

Was gilt überhaupt als Geschäftsgeheimnis?

Laut Gesetzestext ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, die nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und einen wirtschaftlichen Wert hat. Außerdem muss die Information durch Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt sein.

Was ändert sich durch das neue Geschäftsgeheimnisgesetz?

Damit Betriebsinterna künftig noch als „geheim“ geschützt sind, müssen laut Geschäftsgeheimnisgesetz deutlich strengere und umfangreichere Voraussetzungen erfüllt sein. Die allerwichtigste: Für Unternehmen wirtschaftlich wertvolle Interna müssen durch konkrete Maßnahmen geschützt werden. „Ohne angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen gibt es keinen Schutz mehr“, sagt Lecheler.

Was können „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ sein?

Klar geregelter Zugang zu geheimen Dokumenten

Es gilt, genau zu überlegen: Wer muss wirklich bestimmte Dokumente, die ein Geschäftsgeheimnis sein sollen, für seine Arbeit nutzen? Diese Mitarbeiter sollten genau definiert sein. Nur diese Kollegen sollten darauf Zugriff haben. Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, muss der Zugriff unterbunden werden.

Dabei gilt es, genau festzulegen, wie geheimhaltungsbedürftig eine Information ist:

  1. Schlüsselinformation: Das Unternehmen könnte in seiner Existenz gefährdet werden, wenn die Information nicht geheim bleibt.
  2. Strategisch wichtige Informationen: Dies können zum Beispiel Informationen zu Kunden oder Einkaufspreisen sein.
  3. Wettbewerbsrelevante Informationen: Das Bekanntwerden der Informationen ist hier vielleicht ärgerlich, hat aber keine weitreichenden Konsequenzen für das Unternehmen.

Wichtig: Je wichtiger das Geschäftsgeheimnis, desto umfangreicher müssen Sicherungsmaßnahmen sein, damit ein Gericht es als „angemessen“ anerkennt.

Sichere Aufbewahrung

Geheime Dokumente müssen sicher aufbewahrt werden. Den Zugang zu elektronischen Dokumenten können Unternehmer zum Beispiel durch Verschlüsselung schützen. Auch E-Mails, die geheime Informationen beinhalten, können Chef und Mitarbeiter verschlüsselt verschicken. Physische Dokumente können sie zum Beispiel in einer verschließbaren Schublade oder in einem Tresor sichern. Wie gesagt: Je wichtiger die Information, desto besser muss der Schutz sein.

Regeln zu Passwörtern

Um elektronische Dokumente zu sichern, bedarf es sicherer Passwörter. Hier sollten Unternehmen Richtlinien erstellen, welche Mindestanforderungen Passwörter haben müssen. Idealerweise ist es dann für Mitarbeiter technisch gar nicht mehr möglich, Passwörter zu erstellen, die diese Vorgaben nicht erfüllen.

Richtlinien und Weisungen

Bei weniger relevanten Geschäftsgeheimnissen, etwa internen Prozessen oder Strukturen, können auch Richtlinien und Weisungen „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ sein. Dann reicht es also Mitarbeiter anzuweisen, Interna nicht weiterzugeben.

Verträge anpassen

Hat ein Mitarbeiter Zugang zu geheimen Informationen, sollte er bereits im Arbeitsvertrag verpflichtet werden, diese zu schützen. Die entsprechenden Passagen im Vertrag sollten klar beschreiben, welche Informationen zu den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gehören. Auch in Verträgen mit Lieferanten oder anderen Geschäftspartnern können Unternehmer festhalten, dass Informationen geheim und daher zu schützen sind. Kevin Kruse, Experte für gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei Brandi Rechtsanwälte in Bielefeld, warnt: Ohne wasserdichte „Non-Disclosure-Agreements mit Geschäftspartnern gelten Informationen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes in der Regel nicht mehr als Geschäftsgeheimnisse“.

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Was regelt das Geschäftsgeheimnisgesetz noch neu?

Reverse Engineering

Von Reverse Engineering spricht man, wenn jemand das innovative Produkt eines anderen Unternehmens auseinanderbaut oder untersucht, um es nachzubauen, also eine 1:1-Kopie zu erstellen.  Diese Methode ist künftig ERLAUBT, wenn

  • ein Produkt auf den Markt gebracht wurde,
  • es sich im rechtmäßigen Besitz des Testenden oder Rückbauenden befindet
  • und mit ihm keine vertragliche Vereinbarung geschlossen wurde, die ein Reverse Engineering verbietet.

Wer beispielsweise ein Patent habe, brauche vor Reverse Engineering aber keine Angst haben, sagt Rechtsanwalt Georg Lecheler.

Whistleblower

In Deutschland genossen „Whistleblower“ bislang keinen klar geregelten Schutz vor Strafverfolgung. Das ändert sich mit dem neuen Gesetz. Geschäftsgeheimnisse dürfen künftig straffrei veröffentlicht werden, wenn damit rechtswidrige Handlungen oder Fehlverhalten aufgedeckt werden. Das gilt selbst für legales, aber unethisches Verhalten (Beispiel: niedrige Löhne oder mangelhafter Umweltschutz in pakistanischen Kleiderfabriken, die für deutsche Modehersteller produzieren). Whistleblower dürfen solche Informationen allerdings nur enthüllen, wenn an ihnen ein öffentliches Interesse besteht.

Wann tritt das Geschäftsgeheimnisgesetz ins Kraft?

Das Gesetz ist bereits am 26. April 2019 in Kraft getreten. Es gibt keine Übergangsfrist.

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Die Interna waren selbst dann geschützt, wenn er diese Information seinen Mitarbeitern nicht ausdrücklich als Geschäftsgeheimnis kenntlich machte. „Wenn zum Beispiel eine Kundenliste auf einem Schreibtisch lag, war allein durch ihren Inhalt klar: Das ist ein Geschäftsgeheimnis, damit müssen Mitarbeiter vertraulich umgehen“, sagt Rechtsanwalt Georg Lecheler von der Kanzlei Oppenhoff und Partner in Köln. Das ändert sich radikal mit dem neuen Geschäftsgeheimnisgesetz, das am 26. April 2019 in Kraft getreten ist. Wer bei der Sicherheit seiner Geschäftsgeheimnisse schludert, hat jetzt keine Chance mehr, einstweilige Verfügungen, Vertragsstrafen oder Schadensersatz durchzusetzen. Was gilt überhaupt als Geschäftsgeheimnis? Laut Gesetzestext ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, die nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und einen wirtschaftlichen Wert hat. Außerdem muss die Information durch Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt sein. Was ändert sich durch das neue Geschäftsgeheimnisgesetz? Damit Betriebsinterna künftig noch als „geheim“ geschützt sind, müssen laut Geschäftsgeheimnisgesetz deutlich strengere und umfangreichere Voraussetzungen erfüllt sein. Die allerwichtigste: Für Unternehmen wirtschaftlich wertvolle Interna müssen durch konkrete Maßnahmen geschützt werden. „Ohne angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen gibt es keinen Schutz mehr“, sagt Lecheler. Was können „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ sein? Klar geregelter Zugang zu geheimen Dokumenten Es gilt, genau zu überlegen: Wer muss wirklich bestimmte Dokumente, die ein Geschäftsgeheimnis sein sollen, für seine Arbeit nutzen? Diese Mitarbeiter sollten genau definiert sein. Nur diese Kollegen sollten darauf Zugriff haben. Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen, muss der Zugriff unterbunden werden. Dabei gilt es, genau festzulegen, wie geheimhaltungsbedürftig eine Information ist: Schlüsselinformation: Das Unternehmen könnte in seiner Existenz gefährdet werden, wenn die Information nicht geheim bleibt. Strategisch wichtige Informationen: Dies können zum Beispiel Informationen zu Kunden oder Einkaufspreisen sein. Wettbewerbsrelevante Informationen: Das Bekanntwerden der Informationen ist hier vielleicht ärgerlich, hat aber keine weitreichenden Konsequenzen für das Unternehmen. Wichtig: Je wichtiger das Geschäftsgeheimnis, desto umfangreicher müssen Sicherungsmaßnahmen sein, damit ein Gericht es als „angemessen“ anerkennt. Sichere Aufbewahrung Geheime Dokumente müssen sicher aufbewahrt werden. Den Zugang zu elektronischen Dokumenten können Unternehmer zum Beispiel durch Verschlüsselung schützen. Auch E-Mails, die geheime Informationen beinhalten, können Chef und Mitarbeiter verschlüsselt verschicken. Physische Dokumente können sie zum Beispiel in einer verschließbaren Schublade oder in einem Tresor sichern. Wie gesagt: Je wichtiger die Information, desto besser muss der Schutz sein. Regeln zu Passwörtern Um elektronische Dokumente zu sichern, bedarf es sicherer Passwörter. Hier sollten Unternehmen Richtlinien erstellen, welche Mindestanforderungen Passwörter haben müssen. Idealerweise ist es dann für Mitarbeiter technisch gar nicht mehr möglich, Passwörter zu erstellen, die diese Vorgaben nicht erfüllen. Richtlinien und Weisungen Bei weniger relevanten Geschäftsgeheimnissen, etwa internen Prozessen oder Strukturen, können auch Richtlinien und Weisungen „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ sein. Dann reicht es also Mitarbeiter anzuweisen, Interna nicht weiterzugeben. Verträge anpassen Hat ein Mitarbeiter Zugang zu geheimen Informationen, sollte er bereits im Arbeitsvertrag verpflichtet werden, diese zu schützen. Die entsprechenden Passagen im Vertrag sollten klar beschreiben, welche Informationen zu den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gehören. Auch in Verträgen mit Lieferanten oder anderen Geschäftspartnern können Unternehmer festhalten, dass Informationen geheim und daher zu schützen sind. Kevin Kruse, Experte für gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei Brandi Rechtsanwälte in Bielefeld, warnt: Ohne wasserdichte „Non-Disclosure-Agreements mit Geschäftspartnern gelten Informationen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes in der Regel nicht mehr als Geschäftsgeheimnisse“. Was regelt das Geschäftsgeheimnisgesetz noch neu? Reverse Engineering Von Reverse Engineering spricht man, wenn jemand das innovative Produkt eines anderen Unternehmens auseinanderbaut oder untersucht, um es nachzubauen, also eine 1:1-Kopie zu erstellen.  Diese Methode ist künftig ERLAUBT, wenn ein Produkt auf den Markt gebracht wurde, es sich im rechtmäßigen Besitz des Testenden oder Rückbauenden befindet und mit ihm keine vertragliche Vereinbarung geschlossen wurde, die ein Reverse Engineering verbietet. Wer beispielsweise ein Patent habe, brauche vor Reverse Engineering aber keine Angst haben, sagt Rechtsanwalt Georg Lecheler. Whistleblower In Deutschland genossen „Whistleblower“ bislang keinen klar geregelten Schutz vor Strafverfolgung. Das ändert sich mit dem neuen Gesetz. Geschäftsgeheimnisse dürfen künftig straffrei veröffentlicht werden, wenn damit rechtswidrige Handlungen oder Fehlverhalten aufgedeckt werden. Das gilt selbst für legales, aber unethisches Verhalten (Beispiel: niedrige Löhne oder mangelhafter Umweltschutz in pakistanischen Kleiderfabriken, die für deutsche Modehersteller produzieren). Whistleblower dürfen solche Informationen allerdings nur enthüllen, wenn an ihnen ein öffentliches Interesse besteht. Wann tritt das Geschäftsgeheimnisgesetz ins Kraft? Das Gesetz ist bereits am 26. April 2019 in Kraft getreten. Es gibt keine Übergangsfrist.
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